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bewussten menschlichen Seelenkräfte aus den unbewussten und halbbewussten individuellen Gefühlen und Trieben und schliesslich die socialen Potenzen aus den individuellen. Ganz ebenso stützt sich auf dem Gebiete des menschlichen Wissens die Chemie auf die Mechanik, die Physiologie auf die Chemie, die Biologie auf die Physiologie, die Psychophysik auf die Biologie und die Socialwissenschaft auf die Psychophysik. Nicht als ob die Wissenschaften in ihrem Entwickelungsgange gleich der Natur sich streng und unabweichlich stets nur von Stufe zu Stufe in dieser hierarchischen Ordnung erhoben hätten. Im Gegentheil, der menschliche Geist hat in seinem unüberwindlichen Drange nach wissenschaftlicher Erkenntniss und metaphysischer Befriedigung fast stets zu dem Höheren vor dem Niederen gegriffen und es zu ergründen gesucht. Das waren aber fast ausnahmsweise nur Versuche, Wünsche, intuitive Anschauungen, halbbewusste Ahnungen. Die definitive Begründung der einzelnen wissenschaftlichen Gebiete ist stets in der hierarchischen Ordnung von dem Niederen zum Höheren vor sich gegangen. So hat sich die Chemie erst nach definitiver Feststellung der mechanischen Gesetze und die Physiologie nach Begründung der chemischen, die Biologie nach der der physiologischen als positive Wissenschaft constituirt. Ganz ebenso wird sich die Socialwissenschaft definitiv nur auf den biologischen und die Theologie als die höchste aller Wissenschaften auf der realgenetischen Socialwissenschaft, der nächsten ihr untergeordneten Disciplin, begründen müssen.

Alle Religionen sind socialen Ursprungs und das Christenthum ist in diesem Sinne die socialste aller Religionen. In ihr ist alles auf dem Boden des höheren Gemeinwesens erwachsen: Abendmahl, Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Verhältniss zu Gott, Alles das fusst auf dem socialen Leben.

Das sociale Leben fusst aber seinerseits auf dem natürlichen: jenes ist aus diesem emporgewachsen, wie die organische Natur aus der anorganischen.

Ist die Thesis, die als Grundlage für unsere Ausführungen in den vorhergehenden Bänden gedient hat, richtig), nämlich:

nihil est in societate quod non prius fuerit in natura,

so wird bei Begründung der Theologie auf der real-genetischen Socialwissenschaft der Satz gelten müssen:

nihil est in religione quod non prius fuerit in societate. Vereinigt man die beiden Sätze, so wird die allgemeinere Formel lauten:

nihil est in religione quod non prius fuerit in natura.

In dieser Formel ist vom Standpunkte der Entwickelungsgeschichte dasselbe ausgedrückt, was in der Theologie, nach dem Vorgehen Augustin's, dualistisch als lumen naturae und lumen gratiae bezeichnet wird.

Unsere Aufgabe besteht nun gerade darin, die beiden lumina in eins zu vereinigen und zu beweisen, dass Gott in der Natur und Gott in der Heilsgemeinschaft auf gleiche Weise vorgegangen ist und noch vorgeht, oder mit anderen Worten, dass die natürlichen Entwickelungsgesetze sich mit den Offenbarungsgesetzen decken.

Liegt in diesem Vorgehen der Wissenschaft ein absoluter Widerspruch mit der Offenbarungslehre?

Nein, denn die Grundthesis der Offenbarungslehre lautet: nihil est in natura quod non prius fuerit in deo.

Wird nun zu jenen drei Sätzen das: nisi deus des letzteren hinzugefügt, so ist der Widerspruch gehoben, ganz ebenso, wie durch den Zusatz: nisi intellectus zu der

*) Vergl. Bd. II, S. 74 u. ff..

Thesis der Sensualisten: nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu, der Gegensatz zwischen Sensualismus und Spiritualismus aufgehoben wird.

Der Widerspruch zwischen Naturkunde und Offenbarungslehre würde nur beginnen, sobald jene Sätze zerstückelt, untereinander vermischt und in ihren einzelnen Gliedern einander entgegengestellt werden.

Nur nachdem bewiesen sein wird, dass die Gesetze der Erscheinungs- und Offenbarungswelt sich gegenseitig decken, wird auch der Ausspruch Spinoza's: ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum nach allen Richtungen und bis in die höchsten Potenzen durchgeführt werden können. Alsdann werden sich auch alle Processe und der ganze Entwickelungsgang der natura naturans mit denjenigen der natura naturata zusammenfallen.

So wie bei allen Lebenserscheinungen kann es aber auch auf religiösem Gebiete vom Standpunkte der realgenetischen Socialwissenschaft keine absoluten Beweise geben. Die Anhänger der Entwickelungslehre geben selbst zu, dass sie keine directen und absoluten Beweise liefern können. Aber die indirecten Beweise, die Probabilitäten können sich demungeachtet dermassen anhäufen, dass letztere die Bedeutung eines überwältigenden directen Beweises erlangen. Wenn die Wahrheit gleich eins ist und die Beweise für dieselbe durch die Formel 0,99999...... ausgedrückt werden, so kann die Serie dieser unendlichen Proportion dermassen ausgedehnt werden, dass sie sich der Einheit bis auf eine unendlich kleine Grösse nähert.

Ebenso verhält es sich mit der Beweisführung dafür, dass die menschliche Gesellschaft ein realer Organismus ist. Einen directen, greifbaren, den Sinnen unmittelbar zugänglichen Beweis zu liefern, ist unmöglich. Es ist aber möglich eine so grosse Zahl von Aehnlichkeiten zwischen den Einzel

organismen der Natur in physiologischer, morphologischer und tektologischer Hinsicht und der menschlichen Gesellschaft durchzuführen, dass diese Aehnlichkeiten, wenn sie nicht auf einem anderen Wege erklärt werden, die reale Analogie zwischen den Naturorganismen und dem socialen Organismus als eine unerschütterliche Wahrheit dem Bewusstsein aller Gebildeten einprägen werden.

Dasselbe hat seine volle Gültigkeit auch in Hinblick auf die religiöse Gemeinschaft und das Verhältniss des Menschen zu Gott.

Wird es uns gelingen zu beweisen, dass dieses Verhältniss alle dieselben Momente, Factoren und Seiten aufweist, welche dem socialen Organismus und den Naturorganismen eigen sind; dass, wie zwischen diesen und der menschlichen Gesellschaft, so auch zwischen beiden und der religiösen Gemeinschaft mit Gott es unzähliche Aehnlichkeiten gibt, die auf keinem anderen Wege erklärt werden können, als nur dadurch, dass auch das Verhältniss des Menschen und der Menschheit zu Gott ein real-organisches ist, so wird auch dieser Beweisführung die überwältigende Ueberzeugungskraft, welche durch die Formel 0,99999. ... ausgedrückt wird, nicht versagt werden können. Und ist einmal diese Ceberzeugung gewonnen, so wird sie auch als unerschütterliche Grundlage, als unwiderleglicher Beweis für die Existenz eines höchsten persönlichen Wesens, der Gottheit selbst, dienen können, indem ein real-organisches Verhältniss ohne Centrallebensherd, ohne ein höchst potenzirtes, von den übrigen Organen verschiedenes und dennoch mit ihnen in steter Wechselwirkung begriffenes Organ undenkbar und unmöglich ist.

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Und der auf dieser Auffassung begründete Beweis für die Existenz Gottes ist kein rationalistischer, kein auf einzelnen Argumenten sich gründender. Er ist das Resultat der ganzen realen Weltauffassung und Geistesrichtung. Die

Anerkennung Gottes als höchstes reales Wesen drängt sich dem Geiste bei dieser Anschauung nicht blos als eine logische Folgerung oder als die Forderung einer religiösen Gemüthsstimmung, sondern als eine Naturnothwendigkeit auf.

Das Verhältniss des Menschen zu Gott ist bis jetzt auch von der christlichen Kirche stets als ein reales aufgefasst worden nur mit dem Unterschiede, dass die Theologie das Reale auf religiösem Gebiete als absolut verschieden von dem Realen in der Erscheinungswelt anerkannt hat.

Einen vernünftigen Grund für diese Scheidung ist aber in der Theologie noch nicht angegeben worden. Denn nicht blos die Gleichnisse in den Evangelien, sondern die ganze heilige Schrift beruht auf realen Analogieen zwischen dem Reiche Gottes einerseits, den social-organischen Beziehungen und dem Reiche der Natur andererseits. Kein einziger Ausspruch, kein einziges Gebot, keine einzige Verheissung, keine einzige Beziehung des Menschen zu Gott liegt in der heiligen Schrift ausserhalb jener realen Analogieen.

Das Wesen der christlichen Mysterien kann freilich durch Analogieen ebensowenig dem menschlichen Geist zugänglich gemacht werden, wie die Wissenschaft unfähig ist, solches in Hinsicht der Wesenheit der Natur zu thun. Wie die Naturkunde, hat auch die real - genetische Socialwissenschaft auf religiösem Gebiete nur die Verhältnisse und Beziehungen festzustellen und die Gesetzmässigkeit ihrer Entwickelung auf dem Wege der Analogieen, d. h. der inductiven Methode zu erforschen. Und dass dieser Weg der Anschauung der Kirche nicht widerspricht, solches, lehren uns die Schriften der Kirchenväter und vieler Theologen. So sagt auch Fr. Hettinger : *)

*) Fr. Hettinger: Apologie des Christenthums: Bd. II. Die Dogmen

des Christenthums, I. Abth. S. 116.

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