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ben macht? O arme, arme Seelen! die ihr von solcher Liebe des ewig treuen Herrn, dem das Verlorene so am Herzen liegt, noch keine Erfahrung an euch selbst gemacht. Ach wahrlich! wahrlich! euch fehlt das Beste noch, und zwar durch eure Schuld. Långst wår' auch euch die allergrößte, die allerherrlichste Hülfe zu Theil geworden; längst stimmtet auch ihr, als neue Creaturen, mit in dem Preisgesang der schon geretteten und begnadigten Sünder ein: „das Alte ist vergangen, siehe! es ist Alles neu worden" (2 Cor. 5, 17.), und im ganzen Himmel wäre der Tag, da ihr vom Tode zum Leben gekommen, da Christus euch gefunden, mit hoher Freude gefeyert worden. Wollt ihr denn aber noch långer in eurem unseligen Widerstreben verharren? wollt ihr das brünstige Verlangen des euch unendlich liebenden Herrn, nach eurer Rettung aus der größten Gefahr, nach eurer Erhebung aus der Tiefe eures Verderbens, nach eurer Erhöhung zu seiner Herrlichkeit, noch einen Tag,`noch eine Stunde långer mit solcher höllenwürdigen Gleichgültigkeit, und mit so schnöden Undank vergelten? O möge keiner, keiner unter uns, so gar erschrecklicher Sünde, der schwersten unter allen, und die einst ihren Lohn im Abgrund findet, nur einen Tag, ja eine Stunde långer sich schuldig machen! Möge es nie, nie wieder bey irgend einem von uns geschehen, daß der Herr vor seiner Thür stehe und klopfe an, und er nicht eile, Ihm aufzuthun (Offenb. 3, 20.). Wir leben ohnehin in einer so ernsten und gefahrvollen Zeit, daß wir wohl Ursach haben, ohne Säumen an unfre Seelenrettung zu denken,

und

und daß die Augenblicke selbst, da uns der Herr noch Gnade bietet, theuer und köstlich zu achten sind. Wer kann es wissen, wie lange ihm noch das Heil geboten wird? O! darum heute, heute ihr alle, die ihr noch die Stimme des Herrn und seinen freundlich lockenden Gnadenruf vernehmt, heute, in diesem Augenblicke, da noch der Herr vor eurer Thür stehet und klopfet an; ach! da verhärtet eure Herzen nicht! laßt alles fahren, was euer Gemüth zerstreuen, euch von dem Einen Nothwendigen ablenken, und in die eitlen Sorgen des Lebens verwickeln will! Kauft die Zeit aus, und ruhet nicht, bis ihr auch sagen könnt mit Freuden: „Mir ist Barms herzigkeit widerfahren!" Ich war verloren und bin gefunden ich war tod und siehe! ich lebe; doch nun „nicht mehr ich; sondern Chriftus lebet in mir." Amen.

Am vierten Sonntage nach Trinitatis.

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Einleitung, „Geht's der Natur entgegen; so gehr's gerad' und fein." So, Geliebte! heißt es bey allen denen, die Christi wahre Jünger und treue Nachfolger ihres göttlichen Herrn und Meisters sind. Das Christenleben demnach ist von dem Leben nach der Natur durchaus verschieden, ja eś find „christlich leben" und „natürlich leben“ einander gerade widerstrebende Dinge. Wollen wir also Christen in der That und Wahrheit

seyn;

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seyn; so müssen wir, statt mit dem Strom zu schwimmen, vielmehr gerade dem Strome entgegen steuern, daher uns selber sterben, daß Christus in uns lebe," wo es denn freilich geschieht, daß unser Sinn und Wandel gerade das Gegentheil des herrschenden Sinnes, so wie des Wandels der Meisten ist. So lange wir aber mit der Welt noch stimmen; so mag es immer seyn, daß kein besonderer, öffentlicher Tadel an uns hafte; doch find wir immer nur natürliche Menschen, von welchen der Apostel spricht (1 Cor. 2, 14.): „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes, ja es ist ihm eine Thorheit und kann es nicht erkennen; denn es will geistlich gerichtet seyn." In solchem unserm natürlichen Zustande aber sind wir auch so gewiß vom Reiche Gottes entfernt; so gewiß der Herr mit einem Wahrlich! versichert (Joh. 8, 3.): „Es sey denn, daß Jemand von Neuem geboren werde, kann er nicht das Reich Gottes sehen." Nun aber kann allein die Gnade Gottes und seines Geistes Kraft uns von dem Leben der Natur, oder von unserm alten Menschen befreyen, und „neue Creaturen“ aus uns machen, die von sich rühmen dürfen: „Das Alte ist vergangen; siehe! es ist Alles neu worden.“ (2 Cor. 5, 17.) Mit aller eigenen Mühe und was wir irgend aus natürlichen Kräften thun, gelangen wir nicht dahin. Aber wenn uns Gottes Gnade erweckt, daß unser natürliches Verderben beginnt uns drückend zu werden; wenn wir demnach gern hören und freudig annehmen die Bothschaft von dem Arzte ohne Gleichen, der solche Kranke allmächtig heilen kann und

gnå

gnådig heilen will, wenn wir, mit andern Worten, ein Herz zu Chrifto fassen, und wenn uns das Verlangen nach seiner Hülfe, nach Heilung unsers angebornen, tödtlichen Seelenübels, zu Ihm treibt; dann macht es sein Erbarmen und seine Kraft, daß wir genesen, daß wir vom Tode zum Leben kommen, zu einem Leben, da wir mit dem Apostel sagen können: „Ich lebe; doch nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal. 2, 20.); und nun macht unser neuer, nicht mehr, wie sonst aufs Irdische; sondern auf das Himmlische und Göttliche gerichteter Sinn, zwischen uns und zwischen dem großen Haufen, dem wir sonst angehörten, einen gar großen Unterschied, der auch in unserm äußerlichen Verhalten und unserm täglichen Leben und Wandel vor der Welt sich offenbart. Das ist denn nun das rechte Christenleben, dadurch wir eben beweisen, daß wir in unserm Innern göttlich verändert, aus fleischlichen Menschen geistliche Menschen geworden sind, und das alte Leben der Natur, mit einem neuen Leben des Geistes, den wir aus Gnaden empfingen, verwechselt haben. Da dies nun aber Ziel und Zweck des Christenthums bey uns ist; so muß es für uns alle, die wir den Christennamen tragen, eine eben so wichtige als nöthige Frage seyn: wie steht es mit dem neuen geistlichen Leben bey mir? wie stimmt mein Sinn und Wandel mit Gottes Wort überein? und worin zeigt es sich, daß ich, nicht mehr wie sonst, im Stande der Natur, mithin als fleischlicher Mensch; sondern im Stande der Gnade lebe, und in einen geistlichen Menschen verändert bin? Am allerbesten

und

und sichersten aber werden wir da über uns selbst und über unsern Seelenzustand ins Klare kommen, wenn wir mit prüfendem Auge unser Verhalten gegen den Nächsten betrachten, und hierzu möge uns die Gnade des Herrn durch unser heutiges Evangelium erwecken!

Evangel. Luc. 6, 36-42.

Wenn unser Herr und Heiland, meine Geliebten! hier, gleich zu Anfang des Evangeliums, sagt: „Seyd barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist;" so wird mit diesen Worten uns überhaupt zu erkennen gegeben: daß wir, in unserm Verhalten gegen Andere, beständig Gott nachahmen sollen. Demnach begreift denn aber die hier von uns geforderte Barmherzigkeit bey weitem mehr, als was die Welt Barmherzigkeit nennt. Ja wir werden überhaupt, wenn wir uns gegen einander als Gottes Kinder und Nachfolger verhalten wollen, von der hier in der Welt gewöhnlichen und freilich auch natürlichen Sinnes- und Verfahrungsweise uns weit entfernen müssen. Und eben darin soll ja auch sich unser Christenthum bewähren; so sollen wir's, durch unsern neuen, von dem gewöhnlichen sich unterscheidenden Sinn und Wandel beweisen, daß wir vom Leben der Natur befreyet, und zu dem Leben in der Gnade, oder zum Leben aus Gott gekommen sind, wo denn auch uns ser Wandel erst ein christlicher Wandel heißen kann. Ob dies nun aber bey uns so sey; darüber, meine Liebsten! thut es wohl noth, uns selbst nach Gottes Wort zu prů fen, wozu ich gern dies Mal durch unser heutiges Evangelium

hauspostille 4. Bd.

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