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gelium uns erwecken möchte, weßhalb ich daher Anlaß. nehme, euch vorzustellen:

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,,Unser Verhalten gegen den Nächsten, als die ,, sichere Probe, ob wir uns noch im Stande der ,, Natur, oder aber bereits im Stande der Gnade befinden, mit andern Worten: ob wir als „fleischliche oder als geistliche Menschen leben.“ Hierbey wird nun vornämlich in Betrachtung kommen, wie wir uns

1.) bey des Nächsten Fehlern; 2.) bey dem von ihm erlittenen Unrecht; und endlich 3.) bey seiner von uns erkannten Nothdurft

zu verhalten pflegen.

Ob wir also im Stande der Natur, oder aber im Stande der Gnade, ob wir als natürliche Menschen nach dem Fleische, oder als wiedergeborene neue Menschen nach dem Geiste leben, daß werden wir nicht besser inne werden, als wenn wir zusehen

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wie wir uns bey des Nächsten Fehlern zu verhalten pflegen.

Der Heiland sagt, wie ihr so eben vernommen habt:,, Richter nicht; so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammet nicht; so werdet ihr auch nicht verdammet." Das ist nun ein Gebot des Herrn, das, so wie alle seine Gebote, ganz wider unsern natürlichen Sinn angeht. Dem Gerechten sagt der Apostel ist kein Gesetz gegeben" (1 Tim. 1, 9.), und demnach

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würden wir das Gebot: „richter nicht! — verdammer nicht!" vom Heiland nicht empfangen haben, wenn unfre Natur von der Beschaffenheit wäre, daß wir am Richten und Verdammen selbst keinen Gefallen hätten. Nun aber lehrt die allgemeine Erfahrung gerade das Gegen theil, woraus denn folgt, daß der Hang, sich über An-. dere aufzuhalten und über sie zu richten, in unsrer verderbten Natur gegründet sey. Da haben wir für des Nächsten Fehler gar scharfe Augen, sehen und bemerken sie sehr leicht, und selbstgefällig spricht man sich über ihn in einem verwerfenden Urtheil aus, woben die uns na türliche Eigenliebe ihr heimliches Spiel im Herzen treibt und durch den schmeichelhaften Gedanken reizt: „so schlecht bin ich doch nicht; - das soll man doch von mir nicht sagen." Das ist nun aber gerade derselbe Sinn, mit welchem jener Pharisder (Luc. 18, 9. ff.) im Tempel bey sich selber betete: Ich danke dir Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute." Daß dieser Pharisäersinn, auch unter dem heutigen Christenvolk, noch eine große Herrschaft habe; davon giebt ein unwiderlegliches Zeugs niß die Erfahrung, daß nicht leicht eine gesellschaftliche Zusammenkunft Statt findet, wo nicht sehr bald die Res de auf anderer Leute Thorheiten oder Vergehungen, Feh ler und Laster sich lenkte. Da wird bald das Gespräch lebendig, und es außert sich ben solchen Gelegenheiten ein solches Wohlgefallen, sowohl bey den Erzählenden; als bey den Hörenden, daß man beynahe auf den Gedanken gerathen möchte, es sey den Leuten schon recht lieb, daß nur der Nächste sich so vergessen habe, und so in

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Sünde oder Laster hineingerathen sey, - weßhalb denn auch die leidigen Postenträger so sehr willkommenen Eingang finden. Wie stimmt das aber mit dem christlichen Sinn? da ja der Herr mit klaren Worten, im heutigen Evangelio, vor dem Richtgeist warnt, und mit dem größten Ernst gebietet: Richter nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet; verdammet nicht, damit ihr nicht verdammet werdet." Und wie wird nicht offenbar durch solches Richten über den Nächsten das königliche Gebot der Liebe verlegt, und frech dem Schriftwort Hohn gesprochen:,, Alle eure Dinge laffet in der Liebe geschehen" (1 Cor. 16, 14.), und die Liebe decker auch der Sünden Menge" (1 Petr. 4, 8.). Darum, du blinder Mensch! der du mit einer empörenden Schadenfreude über den gefallenen Bruder richtest, ähnlich dem höllischen Widersacher, dem's auch eine Freude ist, wenn da ein Mensch an seiner Seele, an seiner ewigen Wohlfahrt Schaden nimmt; du magst dich ja nicht etwa rühmen, als könnest du kein Unrecht leiden, magst ja nicht denken, die Welt zu überreden, als zeigest du dich in solchem Richten über Andere, als einen Eiferer für das Gute. Ja, wenn dich solcher Eifer triebe; dann hättest du auch den Muth, zu dem Gefallenen selbst zu gehen, und ohne menschliche Zeugen, bloß in der Gegenwart des Herrn, seine Abweichung vom rechten Wege und seine Gefahr mit liebreichem Ernst ihm vorzuhalten, daß er noch in sich schlage und seiner Seele Errettung suche. Doch nein, da fürchtet man sich, indem ein solches Verfahren leicht übel möchte gedeutet und als Grobheit und Beleidigung ausgelegt

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werden. Aber hinter des Nächsten Rücken dessen Schan de aufdecken, und schonungslos, da er sich nicht verthei digen kann, auf seinen guten Namen einen Angriff thun, diese Niederträchtigkeit mag mit der guten Lebensart sich wohl vertragen, obschon dadurch das höchste und vornehmste der göttlichen Gebote, nämlich das hohe Gebot der Liebe, aufs freventlichste verspottet, ja mit Füßen getreten wird. Da sehe man aber, wohin der Mensch ge rathe, so lange noch das natürliche Verderben in seiner Seele vorherrschend ist. Stolz und Eigenliebe, die bey ihm noch den Meister spielen, umnebeln seinen Geist, und bringen in seiner Seele eine Verblendung hervor, bey welcher er es noch gar als etwas Löbliches betrachtet, des Nächsten Fehler durchzuziehen, und über ihn ein schonungsloses Urtheil zu sprechen, uneingedenk, daß Christus, unser Herr, hier mit dem größten Nachdruck warnend spricht: „Richtet nicht; so werdet ihr auch nicht gerichtet! Verdammer nicht; so werdet ihr auch nicht verdammet!" Aber, möchte man fragen, sols len wir denn von anderer Leute Fehlern und Vergehungen gar keine Kenntniß nehmen? uns gar nicht um sie. kümmern, sie leben wie sie wollen? oder gar das gut heißen, was doch an ihnen böse ist? Da sey Gott für, meine Lieben! das wäre wiederum Sünde. Nur das felbstgefällige pharisäische Richten, das haben wir durchaus zu meiden. Ob nun dein Richten, lieber Christ! ein solches pharisäisches Richten sey, das kannst du bald erfahren. Prüfe dich nur, ob dir es nicht willkommen ist, von deinem Nächsten Böses zu erfahren, statt daß

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du dich, wenn du den Geist der Liebe hättest, darüber herzlich betrüben müßtest prüfe dich, ob Mitleid und Erbarmen mit dem gefallenen Nächsten dir keine Ruhe läßt, bis du seine Noth und seine Gefahr, in herzlichem Flehen, haft vor den Herrn gebracht besonders prüfe

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dich, ob dich des Nächsten Fall an deine eigene Seelens gefahr erinnert, und an das nöthige Richten deiner selbst. So solls ja seyn, und wer da lieber die Fehler anderer Leute zu seiner Beschönigung betrachtet, daß seine eigene ihm dagegen gering vorkommen, den weist der Herr, der einige rechte Richter über uns alle, hier mit den Worten zurecht: Was siehest du den Splitter in deines Bruders Auge, und des Balken in deinem Auge wirst du nicht gewahr? Du Heuchler! zeuch zuvor den Balken aus deinem Auge, und dann besiehe, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest." Seht da, Geliebte! das rechte, vom Herrn gebotene Richten. Hier haben wir genug zu thun, uns selber zu beschauen, und uns nach Gottes Wort zu prüfen, wie wir vor Gott erscheinen und von dem Herrn gerichtet werden. Solches Richten über uns selbst ist uns höchst nöthig und wird nie ohne Segen bleiben, wogegen das Richten über andere, wozu uns alle Fähigkeit abgeht, da wir so wenig über die Absicht eines Menschen, noch über den Grad seiner christlichen Bildung, noch über die Stärke der ihm zum Falle gediehenen Versuchung, also in keinem Falle über das Maaß seiner Verschuldung bey Gott, und eben so wenig über seinen gegenwärtigen Gemüthszustand, wie der Allwissende ihn findet, also, ob der Sünder gleich

gül

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