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ist, daß das Volk Recht hat; denn solche Anstürme gibt es ja nur zu Zeiten, in denen die Stärke der Aristoi verloren gegangen und ihr Ethos korrumpiert ist. Das Volk hat also Recht; - was freilich nicht bedeutet, daß man auf seine Seite zu treten hat. Die Menschen des Seins, die aus ihm hervorgehen, haben einen so ausgesprochenen und natürlichen Widerwillen gegen ihre Standesgenossen, die Menschen des Habenwollens sind, daß sie sich bald von ihnen lossagen und eigene Wege gehen. Der Kampf für Freiheit, Fortschritt und Recht ist. und bleibt die Sache des Plebejers. Trotzdem freilich muß er gelegentlich geführt werden.

Es ist wichtig, zu wissen, wie weit ein Volk gekommen sein muß, um aufnahmefähig zu sein für eine Lehre, die genau das Gegenteil von dem verkündet, was es selbst seit Jahrhunderten gelebt hat. »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden ?«-Diese Worte in griechischer Sprache überliefert, stehen vom griechischen Leben soweit ab, wie nur irgend etwas stehen kann, und überhaupt kommt kein Mensch auf solche Gedanken, der noch ein Werk zu leisten hat. Das Griechentum hatte nichts mehr zu leisten, und darum war es für diese Lehre bereit. Das, was in diesem Worte steht, gehört in das Gebiet der Religion, d. h. des Gegenpoles von Kultur. Es zielt aut die Stelle im menschlichen Leben ab, die beim heidnischen Schöpfungsakte einfach überrannt wird, und die aus sich selber zu einem ganz eigenen, hoch konstruierten Gebäude geworden ist, neben welchem alle äußeren Werke verschwinden. Denn man verwechsele die Seelenbesorgnis der Religionen nicht mit jenen therapeutischen Gelegenheitsmaßnahmen, wie sie z. B. die heidnische Stoa betrieb. Dort handelt es sich immer nur um die eigene Seele, bei der Religion aber um die Weltseele, um das Subjekt überhaupt, um den Weltträger. Die christlichen Apostel trugen, teils ohne es zu wissen, eine große Entdeckung mit sich herum, die ohne weiteres allem, was damals noch heidnisch war, ihre Überlegenheit zeigen konnte. Und in der Tat: wenn man die heidnischen Angreifer des Christentums ins Auge faßt, so etwa den Kaiser Julianus, so wird ohne weiteres klar, auf welcher Seite die stärkere Macht der Durchdringung zu suchen ist; auch die kleinbürgerlichsten und unangenehmsten Stücke der christlichen Lehre erwiesen sich immer noch als kraftvoller, denn jene hilflosen Apologesen des Heiden tums, die damals längst zu spät kamen. Die christlichen Apostel waren eben mit etwas geladen, was das Heidentum nicht mehr hatte; womit nicht gesagt sein soll,

daß der Gebrauch, den sie damit machten, der richtige war. Die Kultur war gänzlich atroph geworden, und die Religion, d. h. die Besorgnis um die Rückverbindung, hatte freies Spiel.

Ging es im Heidentum, d. h. in der Kultur, um das sinnliche Werk für Augen und Ohren, denen das Heilsgut anvertraut war, so geht es in der Religion - als Denkvorgang, nicht als Ereignis um die Wahrheit. Nicht das Wie und das Was der Natur sowohl, als der Werke, sondern das Warum und das Wohin aller Geschehnisse ist das Thema der Religion. Die Wahrheit aber von solcher Art ist nicht die über dieses oder jenes Ding, wie es sich verhalte, d. h. die wissenschaftliche Wahrheit, sondern die Wahrheit. Der Kulturmensch hat keine Wahrheit nötig. »Nur die geistig Verlorenen streiten«, sagt Oskar Wilde. In den Tempeln, in den Götterbildern, in den Heldengesängen und in den Leibern schöner Menschen ist alles das enthalten, was not ist, in einer immanenten, schweigsamen, durch ihr Dasein dauernd die Erlösung vom Leide bewirkenden Art. Wer auf das Gebiet der Religion überspringt, findet solche Heilsbotschaft der Sinnlichkeit nicht, sondern hier geht es um etwas anderes. Das Schicksal der Wahrheit in der Welt (d. h. beim Menschen: denn wo anders könnte sie ein Schicksal haben, als bei ihm...!) das Schicksal der Wahrheit in der Welt ist von einer, man könnte fast sagen, peinlichen Natur. Zweifellos gibt es einzelne Situationen, in denen blitzartig und anschaulich, aber nicht aussprechbar, der eigentliche Gehalt des Weltgeschehens sich einigen dazu Auserwählten offenbart; von dem Augenblicke an aber, wo es nötig wird, das Gesehene der Menschheit mitzuteilen, muß die Schranke der Wortlosigkeit durchbrochen werden und das Geschehnis der Wahrheit muß sich einzwingen in Begriff und Wort; und damit ist zugleich eine Art Rubicon der Erkenntnis überschritten. Denn sieht man sich das Schicksal der Wahrheit nun nach einem gewissen Zeitlaufe an, so stellt sich folgendes heraus: durch die notwendige Überführung in Begriff und Wort ist ihr eigentlicher Gehalt zerstört worden, und es sind lauter kleine Einzelwahrheiten entstanden von ganz geringem Belang. Die Wahrheiten - denn es handelt sich hier um einen Plural-haben die Eigenschaft, um so stabiler, gesicherter, eindeutiger zu werden, je gleichgültiger die Gegenstände sind, auf die sie sich beziehen, und umgekehrt werden sie bei zunehmender Wichtigkeit und Dringlichkeit des Themas so völlig kraftlos und unfähig, daß nur noch die Ironie über ihre Katastrophe hinweghilft. Um es exakt auszudrücken: In allen Einzelwissenschaften gibt es so etwas, was sich D. A. d. J. v. N.

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als Wahrheit zur Not halten kann; sowie aber die Fragestellung auf den objektiven oder subjektiven Weltcharakter selber überspringt, d. h. gerade auf die Dinge, die der Mensch zu berühren die dringende Notwendigkeit hat, tritt ihre Katastrophe ein. Und doch war es unausweichlich, diesen Weg der Abstraktion und des Wortes zu gehen; denn das ist der Zustand, in welchem allein die Menschheit etwas einmal Gesehenes in den ständigen Besitz überführen kann.

Wenn es nun so wäre, daß durch redliche Bemühung und Aufklärung, durch einen dauernden Dienst an der Wahrheit, deren verborgenste Winkel gelichtet und die Menschheit so allmählich erkenntnishaft und tatenhaft geläutert, in ein Reich der Gerechtigkeit einmündete (auf diese Ideologie läuft ja schließlich das Judentum hinaus), so könnte man wohl sagen: die Religion ist an sich etwas, was man bejahen müßte, und sie stände selbständig, ja triumphierend der Kultur gegenüber, die nach wenig Jahrhunderten zusammenbricht. Aber es ist ja, wie jeder unbefangene Blick auf den Menschen lehrt, ganz offensichtlich nicht so; vielmehr erleben wir einen ähnlichen, und zwar notwendigen Zusammenbruch, wie bei der Kultur. Auf der einen Seite nämlich mündet die Religion mit ihrer Wahrheit in Schwarmgeisterei und Aberglauben aus, auf der anderen Seite in Scholastik. Es ist gleichgültig, ob es um Thomas von Aquino oder um Immanuel Kant oder um den Talmud geht: die Wahrheit, hysterisch geworden, beißt sich hier in die eigene Magerkeit. Probleme von untergeordneter religiöser Bedeutung, wie das Dasein Gottes*) und die Unsterblichkeit der Seele *) (typische Interessengebiete der sekundären Rasse) werden mit einer Ernsthaftigkeit behandelt, als wüßte wirklich niemand von Jenen, daß aus leerem Stroh keine Körner mehr wachsen.

Sieht man sich also von weitem und unbefangen an, was hier im Menschen mit den Dingen geschieht, die ihm allein anvertraut sind, sieht man sich an, wie es denn eigentlich um den Menschen bestellt ist, der ja doch nur diese beiden großen Ausflüchte vor dem Leide hat, der nur in diesen beiden großen Reichen sein zerstörtes Leben ausgießen und heilen kann, in das Reich der Kultur und in das Reich der Religion, sieht man, wie in beiden mit Notwendigkeit aus sich selbst. heraus über kurz oder lang der Zusammenbruch erfolgt, fo fragt man sich: Worum es denn eigentlich letzten Endes geht? Was es mit dieser Menschheit auf sich hat und worauf sie zusteuert? Die Antwort kann nur lauten: es handelt sich um den verlorenen Posten *) personaliter gefaßt.

der Menschheit, und wie man auf ihm zu stehen hat, wenn man die Worte des Pontius Pilatus, die er den Juden über Christus zuruft, verdienen will: Ecce homo!

Das Gefühl vom verlorenen Posten der Menschheit ist das Leitmotiv der großen Handlungen Christi, ein Motiv, das freilich nur versteckt aus seinen Taten und Gesinnungen spricht. Christus wußte, worum es geht: er war aufs tiefste eingeweiht, seinem unerhört scharfen Verstande war nichts entgangen. Man muß freilich seine Worte bis in die Apokryphen hinein verfolgen, so bis zu jenen geheimnisvollen Andeutungen im Ägypter-Evangelium.

Die Menschheit neigt im allgemeinen mehr dazu, es mit der Kulturseite zu versuchen. Sie ist überwiegend heidnisch. Es ist ein gar zu schweres Stück, alles von sich zu werfen und ganz allein selber etwas zu sein in Rückverbindung mit den letzten Dingen. Christus konnte das: er hatte gar keinen Sinn zur Kultur und ging besitzlos in dem Kleid, das seine einfache Herkunft ihm zuwies, durch die Welt; aber die Menschen bebten zurück vor der erstaunlichen Schönheit seiner Gestalt, und Maria von Magdala goß köstliche Wasser auf sein Haupt. Franz von Assisi, im Gegensatz zu dem reinlichen Christus Hysteriker und auf das schlimmste verbogen, entsagt plötzlich seinem reichen Leben, wirft alle Kostbarbeiten von sich und zieht als Bettler durchs Land; aber wenn er in eine Stadt kommt, so läuten die Glocken, und das Volk singt Psalmen zu seiner Ehre. Aber die Menschheit ist nicht sonderlich auf solche Dinge gestimmt; sie beobachtet gern einzelne, die es auf diese Weise treiben, sie selbst aber bevorzugt den anderen Weg. Man verfolge schnell einmal den geschichtlichen Verlauf: Das Christentum brach in die antike Kultur ein, als diese ihre eigene Kraft verloren hatte; die Christen sind zuerst reine Bekenner, kulturlose Märtyrer. Kaum aber beginnen sie eine Macht zu werden, als sie sich auch die typisch heidnischen Lebensformen aneignen. Zunächst das römische Imperium. Denn Herrschaft ist auch eine heidnische Sache, ganz gleich, in welcher Zeit sie sich abspielt. Indessen regen sich in Europa zwei große tempelbauende Mächte: der romanisch-italienische und der nordisch-gotische Bauwille. Beides sind ausgesprochene Kulturerscheinungen: d. h. der Aufbau sichtbarer äußerer Werke. Sie beide verbunden mit dem vom Christentum okkupierten römischen Staat ergeben die katholische Kirche: das größte heidnische Phänomen der Welt. Die religiösen Güter werden geschickt unterdrückt, die heilige Schrift wird dem Volke entzogen, Nutznießer sind ein

oberer Stand von Priestern, der sich vorsichtig ergänzt, seine eigene Moral hat, der Sinnenfreude lebt — und unter dessen Herrschaft eine Welt von Schönheit und Größe ersteht. Die Dome übertreffen an Erhabenheit die antiken Tempel, die Kirchenfürsten an Herrscherwillen die orientalischen Könige, das Volk wird zur Proskynesis erzogen. Das >>Seelenheil«<, womit das Christentum ja begann, als es in die antike Kultur einbrach, wird immer mehr zur Nebensache; es kommt nur noch darauf an, daß die großen Werke gedeihen. Und sie gedeihen wirklich; die katholische Kirche hat den richtigen Blick für den Menschen, daran ist gar nicht zu zweifeln. So muß der Mensch behandelt werden, wenn irgend etwas aus ihm herausgeschlagen werden soll*). Das »Seelenheil wird schließlich eine merkantile Angelegenheit, eine ἐμπορικη τεχνη. Symbol für diese großzügige Auffassung ist der Tetzelkasten. Der Papst, der große Heidenfürst, will die Peterskirche bauen, und zu diesem Zweck muß das Seelenheil der kleinen Leute herhalten; König Cheops baute die Pyramiden mit den ruinierten Leibern der Sklaven.

Die Großartigkeit und völlige Überlegenheit der katholischen Kirche über jede andere Kirchenform ist so evident, daß jedes Wort darüber sich erübrigt. Wenn man ihr Feind ist, so darf man es nur aus nationalen Gründen sein, und auch dies lohnt sich nur beim deutschen Volk. Dieses deutsche Volk soll sich aber nicht dem Irrtum ergeben, als ob seine sogenannte protestantische Kirche irgendeine religiöse Bedeutung habe. Von ihr kann man eigentlich nur sagen, daß sie nicht die Fähigkeit besitzt, in Heidentum umzuschlagen. Sie ist ohne Geheimnis. Es gab einmal protestantische Menschen, aber nur zu jener Zeit, als sie noch protestierten und Kriege führten; heute gibt es wohl katholische Menschen, nicht aber protestantische, sondern der Gegensatz ist hier: Der deutsche Mensch. Luthers Tat ist nur eine national deutsche; er hat der Religion nicht das Geringste hinzugefügt, und ist nichts weiter als ein Schüler des Apostels Paulus. Man verzeiht ihm die Gründung jener vorgeblichen Kirche, wie man ihm seinen törichten Katechismus verzeiht; einfach deshalb, weil er die deutsche Sprache und das deutsche Wesen rettete. Darum ist es auch Frevel und Anmaßung, die Bibel noch einmal zu übersetzen, nachdem Luther es tat. Nur er war auserwählt.

Denn es ist eine merkwürdige Sache: Das Christentum brach in die antike Welt ein, als diese am Ende ihrer Kultur war, in haltlose Völ*) Und trotzdem hat ihre Stunde geschlagen.

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