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DRITTES KAPITEL

DIE ESCHATOLOGISCHE ERWARTUNG

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IE LEBENDIGE SUBSTANZ, WELCHE DEM DEMIurgos zur Schaffung der Wesen zur Verfügung steht, ist endlich und beschränkt. Wenn daher eine neue Art in die Erscheinung tritt, das heißt geschaffen wird, so muß die ihr nächstverwandte einen Substanzschwund erleiden. Die höhere Art treibt Raubbau an der nächst niederen, sowie das Genie Raubbau an seiner Familie treibt. Ehe die Pferde wurden, waren die Esel lebendiger; durch das Dasein des Pferdes wird die Substanz der Esel herabgedrückt. Daher müssen in Zeiten, bevor eine solche neue Art heraufkommt, in der Substanz der nächstverwandten Beunruhigungen und Verwirrungen (лεaoμoi) vor sich gehen, die erst zur Ruhe kommen und den Ausgleich schaffen, wenn die neue Art in der Erscheinung voll gesichert ist. Die Menschheit ist eine solche, von einem neuen Schöpfungsakte bedrohte Tierart, sie ist daher, von innen gesehen, beunruhigt und im Grunde verzweifelt. Ihre Geistesgeschichte, die sie qualvoll im Selbstbewußtsein einheitlich aufzustellen sich bemüht, ist nichts weiter als der Versuch, sich die Tatsache ihres verlorenen Postens auszureden. Geistesgeschichte ist daher, gleich wie die Seefahrt, eine Notwendigkeit, das heißt eine Wende der Not. Diese Beunruhigung nimmt zu bei zunehmender höherer Artung, zugleich aber auch die Fähigkeit, die Haltung zu bewahren. Sie hat ein seelisches Gegengewicht, das sich im Körper spürbar macht und das die höchsten Typen der primären Rasse dauernd zu fühlen bekommen. In ihnen ist der Zustand der inneren Zerrüttung des menschlichen Geschlechtes so weit vorgeschritten, daß sie gerade eben noch Menschen sind; bei ihnen kündet sich der neue Schöpfungsakt bereits irgendwie an, aber er kommt nicht durch, weil die Gewalt der Art es verbietet. Es steckt schon ein Gefühl von Metamorphose in diesen äußersten Vorposten der Menschheit, die eigentlich schon nicht mehr möglich sind und das Maß der Art zu sprengen drohen.

>>Ein Beispiel habe ich euch gegeben«, sagt Christus, nachdem er den

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Jüngern die Füße gewaschen hatte: aber er meinte damit mehr als die Fußwaschung. Er war in der damaligen Welt das bevorzugteste Beispiel eines Menschen, der sich mit Mühe und Not noch in der Menschheit hält und der eigentlich schon dem Geschlechte des Menschensohnes angehört. Und er nennt sich selbst auch schon den Menschensohn. Das also, was sich in der gesamten Menschheit als jene Abschnürung der primären Rasse vom riesengroßen Rest der sekundären kundtut: das spielt sich in seinem eigenen Leibe in der leidvollsten und zugleich zeugungsfrohesten Weise ab. Er spricht an einigen dunklen Stellen des Johannes-Evangeliums von »meiner Freude« ǹ xapa ǹ ¿μn, die er nicht weiter erklärt, von der er nur sagt, daß sie da ist und daß er sie anderen mitteilen könne (Joh. 15, 11). Er weiß daher sehr gut, daß seine Lehre, das Evangelium, das er verkündet, nur denjenigen zugänglich ist, die eine Beziehung zu seinem Fleisch und Blut haben. Alle anderen fallen aus. Johannes hat das aufbewahrt an jener Stelle, an der er zu den Pharisäern sagt (Joh. 6, 53—58): »Wahrlich, wahrlich, ich

sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.

Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken.

Denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank.

Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm.

Wie mich gesandt hat der lebendige Vater und ich lebe um des Vaters willen, also, wer mich isset, der wird auch leben um meinetwillen. Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist; nicht, wie eure Väter haben Manna gegessen und sind gestorben; wer dies Brot isset, der wird leben in Ewigkeit.<<

Diese Rede war den Jüngern unfaßlich und grausig, und Johannes sagt daher mit Recht: »Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: das ist eine harte Rede, wer kann sie hören ?« (Vers 60) und weiter unten V.66: »Von dem an gingen seiner Jünger viele hinter sich und wandelten hinfort nicht mehr mit ihm.«

Die symbolische Vertretung dieser Sarkophagie, die Jesus hier seinen Jüngern zumutet, ist das heilige Abendmahl.

Eine der auffallendsten Erscheinungen in der lebendigen Substanz Christi ist deren außerordentliche Wachsamkeit für den Ablauf der natürlichen Perioden, das heißt jenes sichere Gefühl von Frucht und

Brache. Dieses drückt sich in einer, mit homerischer Regelmäßigkeit wiederkehrenden Wendung aus, die den Wortlaut hat: »Meine Stunde ist noch nicht gekommen.« Das Wort »Stunde« heißt im Griechischen teils Hora, teils Kairos. Dieses sichere Gefühl für den Kairos entspricht den natürlichen Tatvorgängen im menschlichen Wesen. Die Tat ist das eigentliche Merkmal der primären Rasse; im besonderen und schöpferischen Sinne des Wortes hat nur das Genie Taten, während die sekundäre Rasse Arbeit und Beschäftigung hat. Die Arbeit der sekundären Rasse geschieht durchweg im Auftrage und als Folge der primären, denn nur weil diese Entdeckungen und Erfindungen macht und dadurch ein Thema anzuschlagen imstande ist, hat die sekundäre Rasse überhaupt etwas zu arbeiten. Das Aufkommen und das Geborenwerden dieser Themen aber ist bei der primären Rasse abhängig vom Fruchtbarkeitszustande, genau so wie ein Baum nur in bestimmten Jahren reiche Früchte trägt und nur im Frühjahre blühen kann. Diesem Periodengesetz, das durch die ganze Natur geht, ist freilich auch die sekundäre Rasse ausgeliefert, aber sie spürt die Brachezeiten nur als gelegentliche Arbeitsunlust und Mißbehagen (wodurch dann vielfach in politischer Beziehung die Konstruktion ihrer Menschheitsideale bestimmt wird). Diese Brachegefühle sind gut zu überbrücken dadurch, daß das Pensum fest vorgeschrieben ist und von herrschenden Mächten aufgenötigt wird. Der geniale Mensch aber, der das Thema anschlägt, der selber fruchtbar zu sein hat, ist den Cäsuren der Natur erbarmungslos ausgeliefert. Er ist ja die eigentliche Wiederholung der Natur, in ihm kehrt der Weltatem um, und er sieht in den Zeiten der Brache so aus wie der Acker im Februar. Ihm hilft kein zugewogenes Arbeitsmaß über die unfruchtbare Strecke hinweg. Christus, der das alles mit Deutlichkeit in seinem Körper fühlte, hat hierüber einmal eine unzweideutige Auskunft gegeben: »Meine Zeit ist noch nicht hier; eure Zeit aber ist allewege« (Joh. 7, 6). Die Stunde der sekundären Rasse ist immer da.

Auch an anderer Stelle weiß er mit Sicherheit, wann er etwas tun darf und wann nicht. Die Stunde ist nicht gekommen, als seine Mutter ihn bei der Hochzeit in Kana drängt, ein Wunder zu tun, sondern erst kurz darauf. Ja er weiß auch, wann ihm etwas Böses begegnen kann. und wann nicht. Er weiß, wann ihn sein Schicksal ereilt und wann seine Feinde fehlgreifen müssen, so Joh. 7, 30: »aber niemand legte die Hand an ihn, denn seine Stunde war noch nicht kommen.« Im Garten von Gethsemane hat er alles richtig abgepaßt und kurz, ehe Judas kommt.

sagt er zu den drei Getreuen: »Siehe, meine Stunde ist gekommen< (Matth. 26, 45). Joh. 16, 21 nennt er die Niederkunft eines Weibes >ihre Stunde. Der Begriff des Mutes und der Tapferkeit, wie ihn etwa Sokrates oder Kant hatte, ist ihm völlig fremd. Wenn er weiß, daß die Stunde nicht gekommen ist, wo er der Hilfeleistung der Natur sicher sein kann, bricht er ein kaum begonnenes Werk bei drohender Gefahr sofort ab und flieht. Und er heißt auch nachdrücklich in der Aussendungsrede die Jünger fliehen, wenn man sie bedroht, Matth. 10, 23: >Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere.« Wir erkennen an diesem Verhalten die Angewiesenheit des Genies auf geschenkhafte Akte der Natur, welche zu ihrer Stunde kommen und nicht zu der, die der Mensch begehrt. Nur der primäre Mensch hat Taten, und diese stammen, wie die Früchte der Bäume, unmittelbar aus der Natur. Die vorgeblichen Taten der sekundären Rasse aber stammen aus einem, im Gehirn aufgespeicherten, meist vertrockneten Wintervorrat der Ängstlichen, der sich lange hält und den man zu jeder Zeither vorholen kann. Der sekundäre Mensch gehört zu den besitzenden Klassen. Die Auserwählten dagegen sind stets »Bettler vor dem heiligen Wehen«, welche geduldig warten müssen, bis die Stunde gekommen ist. So erschließt sich an dieser Stelle der tiefe Sinn der ersten Seligpreisung μακαριοι οἱ πτωχοι τῳ πνευματι die Luther übersetzt: »Seelig sind, die da geistlich arm sind. Es ist keine Seligpreisung der kleinen Leute, der Geduckten, Bescheidenen, Demütigen, sondern gerade die der Genies und der Auserwählten, in deren Wesen allein die Tat und die Gnade gedeiht. Пvɛvua åyıov, »heiliger Geist« bedeutet »heiliges Wehen<, das heißt jener plötzliche, sturmgleich einsetzende Schöpfungsakt der Natur, dessen Lästerung die einzige ist, die nicht verziehen wird.

Über die kritischen Vorgänge im Leibe Christi sind wir nur unterrichtet durch die Niederschläge, die sie in der Ebene seines Selbstbewußtseins anrichteten. Das heißt, wir wissen davon nur aus dem Bereich von Werk und Wort. Aber die Schlüsse auf das Organische sind so unmittelbar, daß sie wirklich schließen. Im Leibe Christi ruckte der neue Schöpfungsakt der Natur an, und in Worte gefaßt lautet dieser Vorgang: die Verkündigung der Ankunft des Menschensohnes (Parusia). Diese Verkündigung schließt die Verzweiflung am Typus Mensch ein, den Unglauben an seine Verbesserungsfähigkeit; »denn er wußte wohl, was im Menschen war,« Christus durchschaute die Tierart, zu der er gehörte, und wußte, daß mit ihr auf dem Wege der Verbesserung

nichts zu erreichen sei. Er kannte den verlorenen Posten der Menschheit, weil er seinen eigenen spürte.

Daher ist die Grundgesinnung, die Christus dem Menschengeschlechte gegenüber hat, wenn sie sich der Sphäre des Gefühls nähert, Mitleid und Caritas und in der Nähe der Sphäre des Urteils Verachtung. Die ausgeprägte Menschen verachtung Christi spricht sich am deutlichsten in jenen Worten aus, die er bei Gelegenheit der Botschaft Johannes des Täufers sagt (Matth. 11, 16 bis 19):

>>Wem soll ich aber dies Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindlein gleich, die auf dem Markt sitzen und rufen gegen ihre Gesellen und sprechen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben euch geklagt, und ihr wolltet nicht weinen.

Johannes ist gekommen, aß nicht und trank nicht; so sagen sie: Er hat den Teufel.

Des Menschen Sohn ist gekommen, ißt und trinkt; so sagen sie: Siehe, wie ist der Mensch ein Fresser und ein Weinsäufer, der Zöllner und der Sünder Geselle! Und die Weisheit muß sich rechtfertigen lassen von ihren Kindern.<<

Man sollte auch jene Worte am Kreuz nicht mißverstehen: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Ein Geschlecht, das nicht weiß, was es tut, in Lagen, in denen man es wissen muß, ist eines anderen Gefühles als eines geringschätzenden Mitleides nicht wert, und diese Gesinnung Christi hätte sich auch bei jenen Worten in einer bestimmten Handbewegung ausgedrückt; aber seine Hände waren in jenem Augenblicke festgenagelt.

Christus erwartete also das Heil nicht vom Menschen her, sondern allein von einem Eingriff Gottes. Sein Evangelium hat keinen anderen Inhalt als den: Noch in diesem Sommer, eh' das Korn reif wird, bricht das Reich des Menschensohnes an. Man muß das Wort »Evangelium<< stets wörtlich übersetzen. Es heißt »frohe Botschaft", und man darf niemals vergessen, daß eine Botschaft keinen Imperativ enthalten kann, sondern nur einen Indikativ. Christus hat nicht das Evangelium der Menschenliebe gepredigt, sondern er hat lediglich eine Nachricht gebracht von einem Ereignis, an dem er selber weder etwas hinzusetzen, noch etwas fortnehmen konnte. Er ist ein Angelos, das heißt ein Bote, der einen Bericht erstattet und weiter nichts. Dies ist die ursprüngliche Bedeutung von Evangelium, die auch niemals ganz verloren gegangen ist. Christus verkündet also genau dasselbe wie Johannes der Täufer, dessen Worte: »Tuet Buße, denn das Himmelreich

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