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man ihn des innersten Heiligthums nie gewürdigt habe. Jeder, der in diese Gesellschaft eintrat, mußte, wenigstens so lange er ihr lebte, seinen Rang, seine Nation, seine Religionspartei, kurz alle konventionellen Unterscheidungszeichen ablegen, und sich in einen gewissen Stand universeller Gleichheit begeben. Die Wahl der Mitglieder war in der That streng, weil nur Vorzüge des Geistes einen Weg dazu bahnten. Die Gesellschaft rühmte sich des feinsten Tons und des ausgebildetsten Geschmacks, und in diesem Rufe stand sie auch wirklich in ganz Venedig. Dieses so

wohl, als der Schein von Gleichheit, der darin herrschte, zog den Prinzen unwiderstehlich an. Ein geistvoller, durch feinen Wiß aufgeheiterter Umgang, unterrichtende Unterhaltungen, das Beste aus der gelehrten und politischen Welt, das hier, wie in seinem Mittelpunkte, zusammenfloß, verbargen ihm lange Zeit das Gefährliche dieser Verbindung. Wie ihm nach und nach der Geist des Instituts durch die Maske hindurch sichtbarer wurde, oder man es auch müde war, långer gegen ihn auf seiner Hut zu seyn, war der Rückweg gefährlich, und falsche Scham sowohl, als Sorge für seine Sicherheit, zwangen ihn, sein inneres Mißfallen zu verbergen. Aber schon durch bloße Vertraulichkeit mit dieser Menschenklasse und ihren Gesinnungen, wenn sie ihn auch nicht zur Nachahmung hinrissen, ging die reine, schöne Einfalt seines Charakters und die Zartheit seiner moralischen Gefühle verloren. Seine durch so wenig gründliche

Kenntnisse unterstüßte Vernunft konnte, ohne fremde Beihülfe, die feinen Trugschlüsse nicht lösen, womit man sie hier verstrickt hatte, und unvermerkt hatte dieses -schreckliche Corrosiv Alles beinahe Alles verzehrt, worauf seine Moralitåt ruhen sollte. Die natürlichen und nothwendigen Stüßen seiner Glückseligkeit gab er für Sephismen hinweg, die ihn im entscheidenden Augenblicke verließen, und ihn das durch zwangen, fich an den ersten besten Willkürlichen zu halten, den man ihm zuwarf.

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Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes gelungen, ihn noch zur rechten Zeit von diesem Abgrunde zurückzuziehen aber, außerdem daß ich mit dem Innern des Bucentauro erst lange nachher be= kannt worden bin, als das Uebel schon geschehen war, so hatte mich schon zu Anfang dieser Periode ein dringender Vorfall aus Venedig abgerufen. Auch Mylord. Seymour, eine schåßbare Vekanntschaft des Prinzen, dessen kalter Kopf jeder Art von Täuschung unzugånglich war, und der ihm unfehlbar zu einer sichern Stüße hätte dienen können, verließ uns in dieser Zeit, um in fein Vaterland zurückzukehren. Dieje nigen, in deren Hånden ich den Prinzen ließ, waren zwar redliche, aber unerfahrne und in ihrer Religion äußerst beschränkte Menschen, denen es sowohl an der Einsicht in das Uebel, als an Ansehen bei dem Prin= zen fehlte. Seinen verfänglichen Sophismen wußten sie nichts, als die Machtsprüche eines blinden ungeprüften Glaubens entgegenzusehen, die ihn entweder

aufbrachten oder belustigten; er übersah sie gar zu leit, und sein überlegner Verstand brachte diese flechten Vertheidiger der guten Sache bald zum Schweigen, wie aus einem Beispiele, das ich in der Folge anführen werde, erhellen wird. Den Andern, die sich in der Folge seines Vertrauens bemächtigten, war es vielmehr darum zu thun, ihn immer tiefer darein zu versenken. Als ich im folgenden Jahre wiez der nach Venedig zurückkam wie anders fand ich

da schon Alles !

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Der Einfluß dieser neuen Philosophie zeigte sich bald in des Prinzen Leben. Je mehr er zusehends in Venedig Glück machte, und neue Freunde sich erwarb, desto mehr fing er an, bei seinen ålcern Freun= den zu verlieren. Mir gefiel er von Tag zu Tag weniger; auch sahen wir uns seltener, und überhaupt war er weniger zu haben. Der Strom der großen Welt hatte ihn gefaßt. Nie wurde seine Schwelle leer, wenn er zu Hause war. Eine Lustbarkeit drångte die andere, ein Fest das andere, eine Glückseligkeit die andere. Er war die Schöne, um welche Alles buhlt, der König und der Abgott aller Zirkel. So schwer er sich in der vorigen Stille feines beschränkten Lebens den großen Welklauf gedacht hatte, so leicht fand er ihn nunmehr zu seinem Erstaunen. Es kam ihm Alles so entgegen, Alles war trefflich, was von seinen Lippen kam, und wenn er schwieg, so war es ein Raub an der Gesellschaft. Man verstand die Kunst, ihm die Gedanken mit einer angenehmen Leichtigkeit

von der Seele gleichsam abzulösen, und durch eine feine Nachhilfe ihn selbst damit zu überraschen. Auch machte ihn dieses ihn überall verfolgende Glück, dieses allgemeine Gelingen, wirklich zu etwas mehr, als er in der That war, weil es ihm Muth_und Zuversicht zu ihm selbst gab. Die erhöhte Meinung, die er dadurch von seinem eignen Werthe erlangte, gab ihm Glauben an die übertriebene und beinahe abgöttische Verehrung, die man seinem Geiste widerfahren ließ, die ihm, ohne dieses vergrößerte und gewissermaßen gegründete Selbstgefühl, nothwendig hätte verdächtig werden müssen. Jeßt aber war diese allgemeine Stimme nur die Bekräftigung dessen, was fein selbstzufriedener Stolz ihm im Stillen fagte - ein Tribut, der ihm von Rechtswegen gebührte. Unfehlbar würde er dieser Schlinge entgangen seyn, hätte man ihn zu Athem kommen lassen, håtte man ihm nur ruhige Muße gegönnt, feinen eignen Werth mit dem Bilde zu vergleichen, das ihm in einem so lieblichen Spiegel vorgehalten wurde. Aber seine Eristenz war ein fortdauernder Zustand von Trunken= heit, von schwebendem Taumel. Je höher man ihn gestellt hatte, desto mehr hatte er zu thun, sich auf dieser Höhe zu erhalten; diese immerwährende Anspannung verzehrte ihn langsam; selbst aus seinem Schlafe war die Ruhe geflohen. Man hatte seine Blößen durchschaut, und die Leidenschaft gut berech net, die man in ihm entzündet hatte.

Bald mußten es seine redlichen Kavaliers ent

gelten, daß ihr Herr zum großen Kopfe geworden war. Ernsthafte Empfindungen und ehrwürdige Wahrheiten, an denen sein Herz sonst mit aller Wärme gehangen, fingen nun an, Gegenstände seines Spotts zu werden. An den Wahrheiten der Religion rächte er sich für den Druck, worunter ihn -Wahnbegriffe so lange gehalten hatten; aber weil eine nicht zu verfälschende Stimme seines Herzens die Taumeleien feines Kopfes bekämpste, so war mehr Bitterkeit, als fröhlicher Muth in seinem Wize. Sein Naturell fing an, sich zu åndern, Launen stellten sich ein. Die schönste Zierde seines Charakters, seine Bescheidenheit, verschwand; Schmeichler hatten fein treffliches Herz vergiftet. Die schonende DeliLatesse des Umgangs, die es seine Kavaliers sonst ganz vergessen gemacht hatte, daß er ihr Herr war, machte jeht nicht selten einem gebieterischen entschei denden Tone Plaß, der um so empfindlicher schmerzte, weil er nicht auf den äußerlichen Abstand, worüber man sich mit leichter Mühe tröstet, und den er selbst wenig achtete, sondern auf eine beleidigende Voraus seßung seiner persönlichen Erhabenheit gegründet war. Weil er zu Hause doch öfters Betrachtungen Naum gab, die ihn im Taumel der Gesellschaft nicht hatten angehen dürfen, so sahen ihn seine eigenen Leute selten anders, als finster, mürrisch und unglücklich, während daß er fremde Zirkel mit einer erzwungenen Fröhlichkeit beseelte. Mit theilnehmenden Leiden sahen wir ihn auf dieser gefährlichen Bahn hinwandeln,

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