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Arabiens herbeiruft, den häßlichen Mordgeruch zu vertilgen. So gewiß sichtbare Darstellung mächtiger wirkt, als todter Buchstab und kalte Erzählung, To gewiß wirkt die Schaubühne tiefer und dauernder als Moral und Geseße.

Aber hier unterstüßt sie die weltliche Gerechtigkeit nur ihr ist noch ein weiteres Feld geöffnet. Tausend Laster, die jene ungestraft duldet, straft sie; tausend Tugenden, wovon jene schweigt, werden von der Bühne empfohlen. Hier begleitet sie die Weisheit und die Religion. Aus dieser reinen Quelle schöpft sie ihre Lehren und Muster, und kleidet die strenge Pflicht in ein reizendes lockendes Gewand. Mit welch herrlichen Empfindungen, Entschlüssen, Leidenschaften schwellt sie unsere Seele, welche göttliche Ideale stellt sie uns zur Nacheiferung aus!

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Wenn der gütige August dem Verråther Cinna, der schon den tödtlichen Spruch auf seinen Lippen zu lesen meint, groß wie seine Götter, die Hand reicht: „Laß uns Freunde seyn, Cinna!“ Wer unter der Menge wird in dem Augenblick nicht gern seinem Todfeind die Hand drücken wollen, dem göttlichen Nōmer zu gleichen? Wenn Franz von Sickingen, auf dem Wege einen Fürsten zu züchtigen und für fremde Rechte zu kämpfen, unversehens hinter sich schaut, und den Rauch aufsteigen sieht von seiner Veste, wo Weib und Kind hülflos zurückbleiben, und weiter zieht, Wort zu halten wie groß

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wird mir da der Mensch, wie klein und verächtlich das gefürchtete unüberwindliche Schicksal!

Eben so häßlich, als liebenswürdig die Tugend, mahlen sich die Laster in ihrem furchtbaren Spiegel ab. Wenn der hülflose kindische Lear in Nacht und Ungewitter vergebens an das Haus seiner Tochter pocht, wenn er sein weißes Haar in die Lüfte strent, und den tobenden Elementen erzählt, wie unnatürlich seine Regan gewesen, wenn sein wüthender Schmerz zulegt in den schrecklichen Worten von ihm strömt: „Ich gab euch Alles!“ Wie abscheulich zeigt sich uns da der Undank? Wie feierlich geloben wir Ehrfurcht and kindliche Liebe!

Aber der Wirkungskreis der Bühne dehnt sich noch weiter aus. Auch da, wo Religion und Gesehe es unter ihrer Würde achten, Menschenempfindungen zu begleiten, ist sie für unsere Bildung noch geschäftig. Das Glück der Gesellschaft wird eben so sehr durch Thorheit als durch Verbrechen und Laster gestört. Eine Erfahrung lehrt es, die so alt ist als die Welt, daß im Gewebe menschlicher Dinge oft die größten Gewichte an den fleinsten und zärtesten Fåden hangen, und, wenn wir Handlungen zu ihrer Quelle zurück begleiten, wir zehenmal lächeln müssen, ehe wir uns einmal entfeßen. Mein Verzeichniß von Bösewichtern wird mit jedem Tage, den ich älter wer=de, kürzer, und mein Register von Thoren vollzåhliger und läuger. Wenn die ganze moralische Verschuldung des einen Geschlechtes aus einer und eben Shillerð fämmtl. Mestr. XI,

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der Quelle hervorsøringt, wenn alle die ungeheuern Extreme von Lastern, die es jemals gebrandmarkt haben, nur veränderte Formen, nur höhere Gradè einer Eigenschaft sind, die wir zuleht alle einstimmig belächeln und lieben, warum sollte die Natur bei dem audern Geschlechte nicht die nämlichen Wege gegangen seyn? Ich kenne nur ein Geheimniß, den Menschen vor Verschlimmerung zu bewahren, und dieses ist -sein Herz gegen Schwächen zu schüßen.

Einen großen Theil dieser Wirkung können wir von der Schaubühne erwarten. Sie ist es, die der großen Klasse von Thoren den Spiegel vorhält, und die tausendfachen Formen derselben mit heilsamem Spott beschämt. Was sie oben durch Rührung und Schrecken wirkte, leistet sie hier, (schneller vielleicht und unfehlbarer) durch Scherz und Satyre. Wenn wir es unternehmen wollten, Lustspiel und Trauerspiel nach dem Maaß der erreichten Wirkung zu schäßen, fo würde vielleicht die Erfahrung dem ersten den Vorrang geben. Spott und Verachtung verwunden den Stolz des Menschen empfindlicher, als Verabscheuung sein Gewissen foltert. Vor dem Schrecklichen verkriecht sich unsere Feigheit, aber eben diese Feigheit überliefert uns dem Stachel der Satyre. Gesch und Gewissen schüßen uus oft für Verbrechen und Lastern

Lächerlichkeiten verlangen einen eigenen feinern Sinn, den wir nirgends mehr als vor dem Schauplak üben. Vielleicht, daß wir einen Freund bevollmächti gen, unsere. Sitten und unser Herz anzugreifen, aber

es kokter uns: Maihe, ihm ein einziges Lachen zu ver geben. Unsere Vergehungen ertragen, einen Aufseher und Richter, unfere Unarten kaum einen Zeugen. Die Schaubühne, allein kaun unsere Schwächen beladen, weil sie unserer Empfindlichkeit schont, und den (chuldigen Thoren nicht wissen will. Ohne; roth zn werden, sehen wir unsere Larve, aus ihrem Spiegel fallen, und danken iusgeheim für die fanfte Ermahnung. Über ihr großer Wirkungskreis ist noch lange nicht stendigt. Die Schaubühne ist mehr als jede, andere öffentliche Unskalt des Staats eine Schule der praktischen Weisheit, ein Wegweiser durch, daß bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele.. Ich gebe zu, daß Eigenliebe und Abhärtung des Gewissens nicht selten ihre beste Wirkung vernichten, daß sich noch tausend Laster mit frecher Stirne vor ihrem. Spiegel behaupten, tausend gute Gefühle vom falten› Herzen des Zuschauers fruchtlos zurückfallen. — ich selbst bin der Meinung, daß vielleicht Molieres Harpagon noch keinen Bucherer befferte, daß der Selbstmörder Beverlei noch wenige seiner: Brüder, von der abscheulichen Spielsucht zurückzog, daß Karl Moers unglückliche Räubergeschichte die Landstraßen nicht viel sicherer machen wird aber: wenn wir auch diese große Wirkung, der Schanbühne einschränken, wenn wir so ungerecht seyn wollen, sie gar aufzuheben - wiç unendlich viel bleibt von ihrem Einfluß zurück? Wenn fie die Summe der Leftenameder tilgt noch vermindert

hat sie uns nicht mit denselben bekannt gemacht ? Mit diesen Lasterhaften, diesen Thoren müssen wir leben. Wir müssen ihnen ausweichen oder begegnen; wir müssen sie untergraben, oder ihnen unterliegen. Jeßt aber überraschen sie uns nicht mehr. Wir sind auf ihre Anschläge vorbereitet. Die Schaubühne hat uns das Geheimniß verrathen, sie ausfindig und unschädlich zu machen. Sie zog dem Heuchler die künstliche Maske ab, und entdeckte das Neß, womit uns List und Kabale umstrickten. Betrug und Falschheit riß sie aus krummen Labyrinthen hervor, und zeigte ihr schreckliches Angesicht dem Tag. Vielleicht, daß die ster: bende Sara nicht einen Wollüstling schreckt, daß alle Gemahlde gestrafter Verführung seine Gluth nicht erfälten, und daß selbst die verschlagene Spieleriun diese Wirkung ernstlich zu verhüten bedacht ist

glücklich genug, daß die arglose Unschuld jeßt seine Schlingen kennt, daß die Bühne sie lehrte, seinen Schwüren mißtrauen, und vor seiner Anbetung sittern.

Nicht blos auf Menschen und Menscheucharakter, auch auf Schicksale macht uns die Schaubühne aufmerksam, und lehrt uns die große Kunst, sie zu ertragen. Im Gewebe unsers Lebens spielen Zu fall und Plan eine gleich große Rolle; den lektera lenken wir, dem erstern müßen wir uns blind unterwerfen. Gewinn genug, wenn unausbleibliche Verhängniffe uns nicht ganz ohne Faffung finden, wenn unser Muth, unsere Klugheit sich einst schon in ähnlichen

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