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Scenen des Jammers, der Furcht und des Schreckens mehr dazu dienen, den schlanken Wuchs', die netten Füße, die Grazienwendungen der Spielerinn zu Markte zu tragen, mit einem Wort, so lang die Tragödie mehr die Gelegenheitsmacherinn verwöhnter Wollüste spielen muß — ich will weniger sagen so lang das Schauspielhaus weniger Schule, als Zeitvertreib ist mehr dazu gebraucht wird, die eingähnende Langeweile zu beleben, unfreundliche Winternächte zu betrügen, und das große Heer unserer füßen Müßiggånger mit dem Schauer der Weisheit, dem Papiergeld der Empfindung und galanten Zoten zu bereichern, so lang es mehr für die Toilette und die Schenke arbeitet; so lange mögen immer unsere Theaterschriftsteller der patriotischen Eitelkeit entsa gen, Lehrer des Volks zu seyn. Bevor das Publikum für seine Bühne gebildet ist, dürfte wohl schwerlich die Bühne ihr Publikum bilden.

Aber daß wir auch hier nicht zu weit gehen daß wir dem Publikum nicht die Fehler des Dichters zur Last legen. Ich bemerke zwei vorzügliche Moden im Drama, die zwei äußersten Enden, zwischen wel= chen Wahrheit und Natur inne liegen. Die Menschen des Peter Corneille sind frostige Behorcher ihrer Leidenschaft altkluge Pedanten ihrer Empfindung. Den bedrängten Roderich hör' ich auf offener Bühne über seine Verlegenheit Vorlesung halten, und seine Gemüthsbewegungen sorgfältig, wie eine Pariserinn ihre Grimassen, vor dem Spiegel durchmustern. Der

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leidige Anstand in Frankreich hat den Naturmenschen verschnitten. Ihr Kothurn ist in einen niedlichen Tanzschuh verwandelt. In England und Deutschland (doch auch hier nicht früher, als bis Goethe die Schleichhändler des Geschmacks über den Rhein zu= rückgejagt hatte) deckt man der Natur ihre Blöße auf, vergrößert ihre Finnen und Leberflecken unter dem Hohlspiegel eines unbåndigen Wißes, die muthwillige Phantasie glühender Poeten ligt sie zum Ungeheuer, und trommelt von ihr die schändlichsten Anekdoten aus. Zu Paris liebt man die glatten zierlichen Puppen, von denen die Kunst alle kühne Natur hinwegschliff. Man wågt die Empfindung nach Granen, und schneidet die Speisen des Geists diätetisch vor, den zärtlichen Magen einer schmächtigen Marquisinn zu schonen; »wir Deutsche muthen uns wie die starkherzigen Britten kühnere Dosen zu, ›unsere Helden gleichen einem Goliat auf alten Tapeten, grob und gigantisch, für die Entfernung gemahlt. Zu einer guten Kopie der Natur gehört Beides, eine e del= müthige Kühnheit, ihr Mark auszufaugen, und ihre Schwungkraft zu erreichen, aber zugleich auch eine schüchterne Blödigkeit, um die großen Züge, die sie sich in großen Wandstücken erlaubt, bei Miniaturgemåhlden zu mildern. Wir Menschen stehen vor dem Universum, wie die Ameise vor einem großen majestätischen Palaste. Es ist ein ungeheures Gebäude, unser Insektenblick verweilet auf diesem Flügel, und findet vielleicht diese Saulen,

diese Statuen übel angebracht; das Auge eines bessern Wesens umfaßt auch den gegenüberstehenden Flügel, und nimmt dort Statuen und Säulen gewahr, die ihren Kamerådinnen hier symmetrisch entsprechen. Aber der Dichter mahle für Ameisenaugen, und bringe auch die andere Hälfte in unsern Gesichtskreis verfleinert herüber; er bereite uns von der Harmonie des Kleinen auf die Harmonie des Großen; von der Symmetrie des Theils auf die Symmetrie des Ganzen, und lasse uns leßtere in der erstern bewandern. Ein Versehen in diesem Punkt ist eine Ungerechtig= keit gegen das ewige Wesen, das nach dem unendli chen Umriß der Welt, nicht nach einzelnen herausgehobenen Fragmenten beurtheilt seyn will.

Bei der getreuesten Kopie der Natur, so weit unsere Augen sie verfolgen, wird die Vorsehung ver lieren, die auf das angefangene Werk in diesem Jahrhundert vielleicht erst im folgenden das Siegel drückt.

Aber auch der Dichter kann schuldlos seyn, wenn der Zweck des Drama mißlinget. Man trete auf die Bühne selbst, und gebe Acht, wie sich die Geschöpfe der Phantasie im Spieler verkörpern. Es sind diesem zwei Dinge schwer aber nothwendig. Einmal muß er sich selbst und die horchende Menge vergessen, um in der Holle zu leben; dann muß er wiederum fich selbst und den Zuschauer gegenwärtig denken, auf den Geschmack des Lehtern reflektiren, und die Natur mäßigen. Zehnmal finde ich das Erste dem Zweiten aufgeopfert, und doch — wenn das Genie des Ak

teurs nicht Beides ausreichen kann möchte er immerhin gegen Dieses, zum Vortheil Jenes verstoßen. Von Empfindung zum Ausdruck der Empfindung herrscht eben die schnelle und ewig bestimmte Suc cession, als von Wetterleuchten zu Donnerschlag, und bin ich des Affektes voll, so darf ich so wenig den Körper nach seinem Tone stimmen, daß es mir vielmehr schwer, ja unmöglich werden dürfte, den frei willigen Schwung des Leßtern zurückzuhalten. Der Schauspieler befindet sich einigermaßen im Fall eines Nachtwandlers, und ich beobachte zwischen Beiden eine merkwürdige Aehnlichkeit. Kann der Lehtere bei einer anscheinenden völligen Abwesenheit des Bewußtseyns, in der Grabesruhe der äußern Sinne auf seinem mitternächtlichen Pfade mit der unbegreiflichsten Bestimmtheit jeden Fußtritt gegen die Gefahr abwågen, die die größeste Geistesgegenwart des Wachenden auffordern würde; kann die Gewohnheit seine Tritte so wunderbar sichern; kann wenn wir doch, um das Phånomen zu erklåren, zu etwas mehr unsre Zuflucht nehmen müssen

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kann eine Sinnes dåmmerung, eine superficielle und flüchtige Bewegung der Sinne so viel zu Stande bringen: warum sollte der Körper, der doch sonst die Seele in allen ihren Veränderungen so getreulich begleitet, in diesem Falle so zügellos über seine Linien schweifen, daß er ihren Ton mißstimmte? Erlaubt sich die Leidenschaft keine Ertravagation (und das kann sie nicht, wenn sie ächt ist, und das

foll sie nicht in einer gebildeten Seele), so weiß ich gewiß, daß auch die Organe sich in kein Monstrum verirren. Sollte dann bei der größesten Abwesenheit der Perception, deren die Illusion den Spieler nur fähig macht, nicht eben so gut wie dort eine unmerkliche Wahrnehmung des Gegenwärtigen fortdauern, die den Spieler eben so leicht an dem Ueberspannten und Unanståndigen vorbei über die schmale Brücke der Wahrheit und Schönheit führt? Ich sehe die Unmöglichkeit nicht. Hingegen welcher Uebelstand auf der andern Seite, wenn der Spieler das Bewußtseyn seiner gegenwärtigen Lage sorgsam und ångstlich unterhält, und das künstliche Traumblid durch die Idee der wirklich ihn umgebenden Welt zernichtet. Schlimm für ihn, wenn er weiß, daß vielleicht tausend und mehr Augen an jeder seiner Geberden hangen, daß eben so viel Ohren jeden Laut seines Mundes verschlingen. - Ich war einst zugegen, als dieser unglückliche Gedanke: Man beobachtet mich! den zärtlichen Romeo mitten aus dem Arme der Entzückung schleuderte. - Es war gerade der Sturz des Nachtwandlers, den ein warnender Zuruf auf säher Dachspiße schwindelnd packt. —. Die verbor gene Gefahr war ihm keine aber der steilen Höhe plößlicher Anblick warf ihn tödtlich herunter. Der erschrockene Spieler stand steif und albern die na türliche Grazie der Stellung entartete in eine Veuals ob er sich eben ein Kleid wollte anmes

gung

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