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chramere, diramire, chramine lauten, natürlich auf's Aergste verfälscht und aus chamin, hamin entstanden, wie auch eine der Lesarten wirklich heisst. 5. aber, wo vom Abschiessen des Zeige- oder Schussfingers (nordfris. Skaatfanger) gehandelt wird, erscheint alatham, alathamo, ablatam, auf's Neue, doch, wie so oft sonst in der L. S. der Fall ist, an verkehrter Stelle, da nicht vom Daum, sondern vom zweiten Finger die Rede ist. Die sogenannten Glossen nämlich lauten hier malb. alathamo, malb. ablatam biorotro, malb. brioro, malb. alatham briorodero. Es ist von Pfeil und Pfeilschuss die Rede. Ist die Lesart bioro, brioro in biorotro, brioro, briorodero eine richtige? Wer kann es sagen? Ist es brioro, darf man dann an Pfeil denken, bloss weil er spitz und scharf ist und das engl. briar den Dorn, das nordengl. breer aber die hervorbrechenden Spitzen eines jungen Kornfeldes bezeichnet? Ich möchte lieber auch dieses zweifelhafte Geschöpf unwissender Halb-Römer weiter unversucht lassen, mich hütend vor J. Grimm's Ergebnissen in seiner Vorrede zu Merkel's L. S. Im Uebrigen scheint es doch, dass das engl. Wort briar, d. i. Dornstrauch, Strauch mit Stacheln, und das nordengl. to breer, sprossen, die Spitze ausstecken, wie beim ersten Ausschlagen, mit brioro verwandt sei. Diese Stelle L. S. XXIX: „Si vero secundo digito id est unde sagittatur excusserit" ist ein Beweis dafür, dass die salischen Franken, wie die Frisen, Pfeil und Bogen viel als Waffen gebraucht haben. L. S. XXIX steht der zweite Finger, womit der Pfeil geschossen wird, im Werth am höchsten, nämlich 35 Schill., selbst der Daum nur 30 Schill., Nov. 90 und 91 aber gilt das Abschlagen vom Daum oder Grosszeh 45 Schill., während die vier folgenden Finger gleichen Werth haben, nämlich jeder 15 Schill. Im alten ostfris. Landrecht wird das Abschlagen des Zeige- oder Schussfingers (in jenem Recht Skootfinger genannt, altengl. Skytefinger, nordfris., wie gesagt, Skaatfanger) härter gebüsst, als solches bei den andern Fingern der Fall war. Auch ward das andre Glied des Zeigefingers als Maass bei Ausmessung von Wunden gebraucht. 6. ist ohne Rechtsausdruck. 7. hat gasferit. Ist diese Lesart aus cas (tra) verit im Text oder aus ga-scerit, ga-scarit entstanden? Dieses gasferit, das hier am verkehrten Platz zu stehen scheint, steht auch L. S. XVII, de vulneribus, in der Form gasfrit bei ganz anderem Sachverhalt. Wahrscheinlich hat doch die unwissende Römerfeder gasferit aus cas (tra) verit fabricirt. Mehr hierüber unten bei Nov. 92.

Textfehler: alterum für alteri, pendiderit für pependerit, de manum vel pedem für de manu vel pede, policem für pollicem, polix für pollex, secundo digito für secundum digitum, unum iectum für uno ictu.

XXX. De conviciis.

1. Si quis alterum cinitum vocaverit, malb. quinthac, malb. quinte, malb. quinthe, malb. quintuo, 600 dinarios qui

faciunt solidos 15 culpabilis iudicetur. 2. Si quis alterum concacatum clamaverit, 120 dinarios qui faciunt solidos 3 culpabilis iudicetur. 3. Si quis mulierem ingenuam seu vir seu mulier alteram meretrice clamaverit et non potuerit adprobare, malb. solis trabo, malb. solestrabo, malb. extrabo, 1800 dinarios qui faciunt solidos 45 culpabilis iudicetur. 4. Si quis alterum vulpe clamaverit, 120 dinarios qui faciunt solidos 3 culpabilis iudicetur. 5. Si quis alterum lepore clamaverit, 120 dinarios qui faciunt solidos 3 culpabilis iudicetur. 6. Si quis alteri reputaverit quod scutum suum iactasset et non potuerit adprobare, malb. austrapo, 120 dinarios qui faciunt solidos 3 culpabilis iudicetur. 7. Si quis alterum dilatorem aut falsatorem clamaverit et non potuerit adprobare, malb. leod, malb. iscrabo, malb. ischrabo, malb. hischrabo, malb. leudardi, malb. extrabo, 600 dinarios qui faciunt solidos 15 culpabilis iudicetur.

XXX. Vom Schimpfen.

1. So Jemand einen Andern einen sodomitischen Knaben nennt (schilt), so ist er für schuldig zu erkennen, 600 Pfenn. oder 15 Schill. zu zahlen. 2. So Jemand einen Andern laut und öffentlich einen Scheisskerl (Beschissenen) nennt, so soll er für schuldig erkannt werden, 120 Pfenn. oder 3 Schill. zu zahlen. 3. So Jemand, sei es Mann oder Frau, eine freigeborne Frau Hure schilt und es nicht beweisen kann, so soll er für schuldig erkannt werden, 1800 Pfenn. oder 45 Schill. zu zahlen. 4. So Jemand einen Andern einen Fuchs schilt, so ist er für schuldig zu erkennen, 120 Pfenn. oder 3 Schill. zu zahlen. 5. So Jemand einen Andern einen Hasen schilt, so ist er für schuldig zu erkennen, 120 Pfenn. oder 3 Schill. zu zahlen. 6. So Jemand einem Andern vorwirft, seinen Schild weggeworfen zu haben, und es nicht beweisen kann, so soll er für schuldig erkannt werden, 120 Pfenn. oder 3 Schill. zu zahlen. 7. So Jemand einen Andern einen Angeber oder Fälscher schilt und es nicht beweisen kann, so soll er für schuldig erkannt werden, 600 Pfenn. oder 15 Schill. zu zahlen.

Erklärungen. 1. Die verstümmelte sogenannte Glosse lautet: malb. quinthac, malb. quinte, malb. quinthe, malb. quintuo. Das cinitus im Text erklärt die glossa: id est arga. E. oculum erutum habentem. P." (also ein ausgerissenes Auge habend, ein Einäugiger).

In Vergleich mit den andern Bussen (die Busse 1. ist nämlich 15 Schill.) kann es dies nicht heissen. Das longobardische arga bezeichnet feige Memme, aber auch für dieses Schimpfwort ist 15 Schill. zu viel. Indessen ist hierbei nicht zu verschweigen, dass das altlongobardische argo auch einen Hahnrei bedeutete. Das griechische zivaidos und das römische cinaedus könnte man für einerlei mit cinitus halten. Das röm. cinaedus heisst Tänzer (vielleicht obscöner), Sodomiter und Fisch. Das i in cinitus und in den Lesarten der sogenannten Glosse stimmt freilich nicht zu ae in cinaedus. Allein die Busse von 15 Schill. weist auf ein mehr strafbares Schimpfwort. Ich habe das italienische cinedo dafür genommen. Doch der corpore infamis (Selbstbeflecker) erhielt unter den alten Germanen, deren nicht aus los zusammenhangenden Brocken bestehendes Gemeinwesen solche hart zu rügen genöthigt war, nach dem Zeugniss der Germania eine viel grössere Strafe. Mit der Lesart quinte oder mit einit in cinitus scheint das engl. squint, Schielaug, schon wegen der hohen Busse auch nichts gemein zu haben. 2. ist ohne Rechtsausdruck. 3. hat die Lesarten solis trabo, solestrabo, extrabo. Die beiden ersten müssen heissen sol estrabo und die letzte entstand aus estrabo. Die Form estrabo aber gehört einer späteren Zeit des Mittelalters an. Der unwissende Schreiber kommt hier sogar mit dem Genit. von sol (Sonne). Auf Frisisch ist Strabbe eine widerspänstige, halsstarrige, streitsüchtige Person. Diese mulier rixosa, wenn es eine solche ist, sieht dem salfränkischen strabo doch noch ähnlicher, als J. Grimm's shrew und screava, und selbst der römische Schieler strabo würde besser gewählt worden sein. Das Schimpfwort solestrabo könnte man Sudelstrabbe (engl. soil, Koth, to sully besudeln, nordfris. sollin, beschmutzen, Schmutz annehmen, das Sol in Soldede in den altfrisischen Gesetzen) übersetzen. 4. und 5. sind wieder ohne Rechtsausdruck, aber 6., wo vom Ausreisser im Kriege gehandelt wird, hat austrapo. Dieses verfälschte Wort soll nach Grimm'scher Auslegung Ausreisser, Austraber, Wegläufer bedeuten. Allein das aus

(urfränk. ut, altfränk. uz) ist nimmermehr aus der Malbergszeit, sondern, wenn die Lesart richtig wäre, aus einer Jahrhunderte späteren. Wer nicht strabo, sondern trabo liest, würde gewiss solestrabo Schmutztraber, Schmutzläufer übersetzen. 7. finden wir leod, iscrabo, ischrabo, hischrabo, leudardi, extrabo. Von diesen Ausdrücken sind nur leod und leudardi richtig und sie stehen hier, weil der Angeber und der Betrüger die Oeffentlichkeit, das Gemeinwesen besonders angehen. Die vier andern Lesarten sind alle aus dem Vorhergegangenen in höchst entstellter Form (nämlich aus extrabo entstanden) an die verkehrte Stelle gesetzt worden. Das sch in ischrabo, hischrabo gehört wie das h in hischrabo schon einem recht späten Zeitalter an.

Der Text und seine Fehler: L. S. XXX. De conviciis sieht nicht sehr alterthümlich aus und ich halte dieses Kapitel, welches von Scheltworten und ihren Strafen handelt, für jünger, als man glaubt.

Fehler meretrice für meretricem, vulpe für vulpem, lepore für leporem, dilatorem für delatorem. Für reputaverit stände besser imputaverit. Nov. 302 steht inputaverit. In den Pandecten heisst reputare anrechnen.

XXXI. De uia lacina.

1. Si quis baronem ingenuum de via sua ostaverit aut inpinxerit, malb. uia lacina, uia lazina, hoc est 600 dinarios qui faciunt solidos 15 culpabilis iudicetur. 2. Si quis mulierem ingenuam de via sua ostaverit aut inpinxerit, malb. machina, mallacina, orbis uia lazina, uia lacina, urbis uia lacina, hoc est 1800 dinarios qui faciunt solidos 45 culpabilis iudicetur.

XXXI. Vom Wegelagern.

1. So Jemand einen Baron freien Standes in feindlicher Absicht auf seinem Wege behindert oder stösst, so soll er für schuldig erkannt werden, 600 Pfenn. oder 15 Schill. zu zahlen. 2. So Jemand einer freigebornen Frau auf ihrem Wege feindlich entgegentritt oder sie stösst, so soll er für schuldig erkannt werden, 1800 Pfenn. oder 45 Schill. Strafe zu entrichten.

Erklärungen. 1. Die Lesarten des Rechtsausdrucks sind: malb. uia lacina, uia lazina. Der Ausdruck heisst Weglage, Wegelagern, Wegabsperrung, Wegverlegung durch gewaltsames Abhalten. Das z in lazina entstand aus c, das c wird wie k gesprochen, k ward aus g, uia ist dem römischen via nachgebildet und dieses uia ist dem uralten frisischen Wai, englisch way (Weg) ähnlich genug. 2. Der Rechtsausdruck in seinen falschen Formen lautet: malb. machina, mallacina, orbis uia lazina, uia lacina, urbis uia lacina. Die beiden Lesarten machina und mallacina sind augenscheinlich verfälscht, wenn anders machina nicht von einem unwissenden römischen Schreiber als römischer Ausdruck in der Bedeutung von List und Ränke hineingetragen worden ist. Aber mallacina ist eine aus „malb. uia lacina" oder wahrscheinlicher allein aus „uia lacina," da' ma leicht aus uia entstehen konnte, entstellte Form. Die verfälschten, römischen Ausdrücken nachgebildeten Lesarten orbis, urbis (urbis ist der Genitiv von urbs, Stadt, orbis heisst Kreis und orbus verwaiset, einer werthen Sache beraubt), sind schwer zu erklären; orbis, urbis und uia lacina scheinen mir nicht zusammen zu gehören, sondern zwei verschiedene Benennungen zu sein. L. S. XXXI. De uia lacina ist von einem baro ingenuus die Rede, woraus man auf das Vorhandensein eines baro nicht ingenuus, d. h. eines nicht freien Barons, schliessen darf. Gehört dieses Kapitel nicht den viel späteren Jahrhunderten

an, so ist dieser baro lange kein Freiherr. Er ist noch nichts mehr als ein sagobaro. Die Busse für das Verbrechen gegen die freie Frau ist 45 Schill., also dreimal mehr als für den freien Baron. Dieser baro ingenuus ist demnach kein Franke, sondern ein baro romanus, der unter salischem Recht lebt.

Der Text und seine Fehler: Das ital. ostare, von hostis, Feind, heisst entgegenstehen, hindern. Das inpinxerit, eine greuliche Form, für impegerit, ist in Unwissenheit mit pingo, pinxi, pictum, pingere, d. h. malen, verwechselt worden.

XXXII. De ligaminibus.

Si quis hominem ingenuum sine causa ligaverit, malb. anderebus, andreiphus, andreppus, andrephus, obrepus, andrepus, hoc est 1200 dinarios qui faciunt solidos 30 culpabilis iudicetur. Si vero ipsum ligatum in aliqua parte duxerit, malb. anderebus, malb. andreiphus, malb. andreppus, malb. andrephus, malb. andrepus, 1800 dinarios qui faciunt solidos 45 culpabilis iudicetur.

XXXII. Von Fesseln.

Wenn Jemand einen freigebornen Mann ohne Ursache bindet, so soll er für schuldig erkannt werden, 1200 Pfenn. oder 30 Schill. zu zahlen. Führt er ihn aber gebunden irgendwohin, so ist er für schuldig zu erkennen, 1800 Pfenn. oder 45 Schill. Strafe zu entrichten.

Erklärungen. In beiden Fällen sind die sogenannten Glossen gleich und lauten 1. anderebus, andreiphus, andreppus, andrephus, obrepus, andrepus, und 2. anderebus, andreiphus, andreppus, andrephus, andrepus. Unter 1. ist obrepus nicht am Platz, es fehlt in 2. Die Lesarten rebus, rephus gehören späterer Aussprache, also späterer Zeit an, reiphus (Reif) noch späterer. Es ist das frisische Riap, Reep, engl. rope, altengl. rape, nordengl. rape, das ist Reif, Seil aus Stroh oder Hanf. Hier heisst es Fessel und andrepus erkläre ich durch Handfessel, denn and steht hier für hand. In dieser Form and erscheint das Wort Hand häufig. Doch and, ande, ando kommt auch in der Bedeutung von Zorn, Eifer, Kränkung vor und andon, ahnden, heisst bestrafen. Das altsüddeutsche tets ir andt, d. i. that's ihr weh, war sie zornig, und es tut mer ahnd (ant), d. i. es schmerzt mich, ist noch nicht ausgestorben. Indessen ziehe ich and in der Bedeutung von Hand vor, denn Reep und Hand sind unverkennbar.

Textfehler: aliqua parte für aliquam partem.

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