صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

denn er hat uns ja unsere Sünden vergeben, hat uns wieder an sein Vaterherz gedrückt, hat einen Fingerreif an unsere Hand gesteckt und ein grosses Freudenmahl bereitet, hat uns Zwiefaches gegeben um alle unsere Sünde und Uebertretung. Ist es möglich, dass ein Mensch das Leben als göttliche Führung verkenne, wenn er mit Asaph ins Heiligthum eingehet und, anbetend im Staube, zu dem seligen Schlusse kommt: „Du hältst mich bei meiner rechten Hand; du leitest mich nach deinem Rath und nimmst mich endlich mit Ehren an“ (Ps. 73, 23 f.)? Ist es möglich, dass er, mit dieser göttlichen Anweisung vor Augen, nicht zeugen sollte von diesen Wundern der Barmherzigkeit und Güte, nicht, niederfallend, mit dem Apostel sprechen sollte: „O welch eine Tiefe des Reichthums beides der Weisheit und Erkenntniss Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!" (Röm. 11, 33).

3. Ist aber das Leben so ein System, ein Schauplatz der göttlichen Langmuth und Barmherzigkeit, so muss die Beschreibung desselben zum Selbstbekenntniss werden; denn das köstliche Loben Gottes und seiner Wege schliesst eben das aufrichtige Bekenntniss ein. So spricht die heilige Schrift von Bekennen des Namen Gottes, von Opfer des Lobens und Bekennens. (Hebr. 13, 15). Das erwartet man, das fordert man; ohne dies kann das Lehrhafte und Erweckliche einer Selbstlebensbeschreibung nimmer hergestellt werden. Wir wollen nicht nur sehen, wie der Mann gebildet ward, in welche äussere Umstände und Schicksale er kam, sondern auch wie sein Herz sich nach und nach zum ewigen Guten bewegte, wie es gehalten und getragen ward von dem, welcher unser ewiges Gut ist; wie es dahin kam, dass die gebeugte Seele mit dem Propheten bekennen musste: „Herr, du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen; du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen." (Jerem. 20,7). Da ist nun nicht zu leugnen, dass ein solches durchgreifendes Erforschen des Lebens die vollkommenste Gestalt anzieht, wenn das Bekenntniss selbst stets, unmittelbar zum Loben Gottes, zu einem Gespräch der Seele mit Gott, zu einer empfindlichen Vorstellung der Rechenschaft in der Ewigkeit wird. So schrieb Augustin seine Bekenntnisse und verknüpfte mit dem Beten, Loben und Bekennen zugleich das System seiner Gedanken und Urtheile1, wie sie eben zuletzt entsprungen waren aus der Wahrnehmung der göttlichen Führungen. Allein, zu geschweigen dass diese kunstreiche Form nicht Jedermanns Sache ist, so liegt zu Tage, dass die Forderung des Selbstbekenntnisses sich von selbst

so beschränkt (und auch wohl bei Augustin beschränkt hat2), dass das Innerliche nicht überall zum Aeusserlichen, sondern dass das lobende und bekennende Herz überall zum Grunde gelegt werde. Es ist und bleibt ein göttliches Reservat, das Herz so zu erforschen mit dem Worte Gottes, dass Seele und Geist, Mark und Bein geschieden werden; wer will das beschreiben, was Gott selbst ausdrücklich mit dem Worte sich vorbehalten hat: „Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen, und gebe einem Jeglichen nach seinem Thun und nach den Früchten seiner Werke" (Jerem. 17,9.). Der Staub schweige und verhalte seinen Mund, wo der Richter über Lebendige und Todte dasteht. Es ist genug dem Knechte, dass er seufzen könne: „Schlecht und Recht behüte mich; denn ich harre dein“ (Ps. 25, 21). So habe ich mich in dieser Selbstlebensbeschreibung alles anatomirenden Psychologisirens (wie es etwa Lavater in dem Tagebuche eines Beobachters seiner selbst"3 geübt hat) mit Fleiss enthalten; zu gross ist die Versuchung, mit Confessionen der Art nicht sowohl die göttliche Gnade, als sich selbst herauszustreichen; es kann seyn, dass wo man eben am gewaltigsten sich selbst anklagt, man doch nur eben sich selbst gemeint hat. Ich bemühte mich, eben blos ein Knecht zu seyn und immer mehr zu werden, und man weiss es ja wohl, dass wenn der Knecht vom Felde heimkehrt, da klebt ihm noch so Manches an, das abgethan werden muss, ehe es ihm vergönnt werden kann, an des Herrn Tisch sich niederzusetzen, den Wein neu zu trinken in dem Reiche des Vaters Jesu Christi. Wenn aber vom Maass des Bekennens der einzelnen Sünden die Rede ist, so möchten wohl alle, die mit David seufzen gelernt haben: „So du, Herr, willst Sünde zurechnen, wer kann bestehen? (Ps. 130, 3) Wer kann merken, wie oft er fehle! Verzeihe mir, Herr, auch die verborgenen Fehler" (Ps. 19, 3 vgl. Ps. 79, 9) sie möchten alle eben das als ein Recht der Christen in Anspruch nehmen, dass, was der Herr zugedeckt, mit dem Blute der Versöhnung durchstrichen hat, das soll nicht einzeln vorgeführt werden, obwohl die böse Richtung und der unglückliche Erfolg, der bittre Same und die schlechte Frucht nicht nur vor Gott, sondern auch vor Menschen, mit aller Offenheit bekannt werden sollen. Fasst doch auch der bekennende David alles, was er in seiner Jugend begangen hatte, mit dem einen Worte zusammen:,, Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend, sondern gedenke meiner nach deiner grossen Barmherzigkeit!" (Ps. 25, 27.)-Nur der ungebrochene Sinn eines hochmüthigen Deisten kann, wie Jean Jacques Rousseau, in rasender

Vermessenheit vor den Weltenrichter mit den Worten hintreten wollen: „Lass die Posaune des jüngsten Gerichts erschallen wann sie wolle, ich werde mit diesem Buche in der Hand vor dem höchsten Richter mich darstellen."5 So spricht der Thon zu seinem Töpfer: „Warum machst du mich also"; aber die Weisheit, die von oben ist, spricht: „,Hat nicht der Töpfer Macht aus einem Klumpen zu machen ein Fass zu Ehren und das andere zu Unehren?" (Röm. 9, 20 f. Jes. 64, 8.)

[ocr errors]

So werde ich denn (Gott helfe mir dazu!) nicht verschweigen, wie ich oft von der Welt und ihren Lockungen mich hinreissen liess, wie die bösen Keime der Ruhmsucht, der Eitelkeit, des Wohlgefallens an mir selbst oft in meinem Herzen sich regten; auch das ist mir unverborgen ich werde es nicht verhehlen, wie ich auf einer ziemlich langen Lebensstrecke nahe daran war, das sanfte Joch Christi ganz abzuschütteln, und wie ich kämpfen musste in allen Jahren meines Lebens, dass nicht auch an mir das schreckliche Zeichen der letzten Zeit: „Die Liebe wird in Vielen erkalten“ (Matth. 24, 14), sich erfüllte. Im Uebrigen genügts mir dran, stets vor Augen und im Herzen wach zu erhalten die Worte des unübertrefflichen Gebetsliedes: „Jesu hilf siegen, wenn in mir die Sünde, Eigenlieb, Hoffahrt und Missgunst sich regt, Wenn ich die Last der Begierden empfinde, Und sich mein tiefes Verderben darlegt, So hilf, dass ich vor mir selbst mag erröthen. Und durch dein Leiden mein sündlich Fleisch tödten"! (J. H. Schröder.) Dabei bleibet die Summe unverkürzt: dass dem Herrn allein die Ehre, uns aber die Schmach unseres Angesichts gebührt.

4. Was man übrigens von den verschiedenartigsten Standpunkten gegen das Selbstbekenntniss anzuführen pflegt, konnte mich im geringsten nicht abhalten, ein solches Bekenntniss zu schreiben und die Soliloquia animae publik werden zu lassen. Es wird geltend gemacht: man solle den Hingeschiedenen die Ruhe gönnen in ihren Kammern; auch nach der Schrift seien sie zu ihrem Frieden gekommen. Ich weiss freilich nur davon, dass der Gerechten Seelen in Gottes Hand sind, und dass keine Qual (nach dem Tode) sie anrühret (Weish. 3, 1); selig sind nur, die von nun (von der Erscheinung Christi) an im Herrn sterben; denn sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach. (Offenb. 14, 13). Der Eingang zu Hippels Lebensläufen von der gewöhnlichen Inschrift auf den Römischen terminis gehört nicht hieher, das Plebejische, de mortuis nil nisi bene" würde ja, als Regel geltend gemacht, namentlich alle wahre Personalgeschichtschreibung zerstören; auch einem Nero, Caligula, Caracalla,

[ocr errors]

würden so unsterbliche Kränze geflochten. Es wird ferner den Selbstbekenntnissen entgegengehalten: man solle doch den Hinterlassenen, den Familien keine unnöthige Aergerniss oder Bekümmerniss machen. Alle dergleichen Einreden kümmern mich im geringsten nicht; ich schreibe Geschichte, und die Geschichte leidet keine Schminke, keine Schönpflästerchen, keine Schmeichelei. Die „Eloges" (selbst ein Plinianisches 7) sind keine Bekenntnisse, sondern eben nur Panegyrik 8.

[ocr errors]

- son

5. Diese Betrachtungen sind es, die mir den Muth gegeben haben, noch in einer späten Abendstunde mein Leben zu beschreiben. Je mehr ich aber in diese Arbeit hineinkam, desto klarer stellte sich die Nothwendigkeit heraus, derselben eine kirchengeschichtliche Grundlage zu geben, die an- und umliegende kirchengeschichtliche Entwickelung zu einem grossen Theile mit aufzunehmen, auch manches rein Pädagogische mit hineinzuflechten. Denn nicht nur in grossen Momenten findet eine Wechselwirkung zwischen den Einzelleben und der Geschichte, statt wie gering auch der Einzelne als Factor anzuschlagen seyn mag dern das Einzelleben in seinen Schicksalen überhaupt, geistig aufgefasst, ist ein Product der göttlichen Schickungen und der menschlichen Freiheit; es sind wie Strahlen, die vom Throne Gottes ausgehen, des Herrn, der da ändert Zeit und Stunde Strahlen, welche diesen verborgenen Zusammenhang zwischen dem Leben der Menschen und dem Weltlauf so wie der höchsten Regierung in der Stadt Gottes, die da bleibt mit ihren Brünnlein, herstellt. So muss das Leben betrachtet werden von dem, welcher ein Mensch Gottes" werden will. Dies im Lichte des Worts zu deuten, oder wenigstens eine solche Deutung anzustreben, sind namentlich alle diejenigen berufen, welchen der Herr tiefere Einblicke in dieses Wort schenkte, welche er zu Dienern des Worts bestellte, damit auf Zions Mauern weder Tag noch Nacht Schweigen seyn möchte. - Von Kindheit auf lag ich gleichsam an den Brüsten der Geschichte; es verwandelte sich Alles für mich sofort in geschichtliche Substanz; in der Aneignung selbst der Erkenntnisse war und blieb dies der Grundton meines Lebens; und wie die Prophetie nachher, als der göttliche Weltstrom, welcher die Geschichtsentwickelung trägt, sich vor meinen erstaunten Blicken aufschloss, da lernte ich immer besser zusammenfassen, was Gott uns zur Anbetung seiner wunderbaren Wege, zur Vorbereitung für die Ewigkeit gegeben hat. Allein der Herr würdigte auch mich armen, unwerthen Knecht zum unmittel

[ocr errors]

baren Dienste seiner Kirche zu berüfen; mit demselben Augenblicke, lange doch im Stillen vorbereitet, war mir die unverlöschliche Signatur des Kampfes für diese seine heilige Kirche gegeben. Gewagt habe ich, mich als einen solchen Kämpfer zu bezeichnen; denn ich weiss es: der Herr hat mich auf diesen Platz hingestellt; er hat Alles abgeschnitten, wo ich zur Rechten oder zur Linken ausweichen wollte; er hat mich oft (so dass ich mit St. Petrus ausrufen musste:,,Weiche von mir, Herr; denn ich bin ein sündiger Mensch") gelingen lassen, was ich für diese Zwecke unternahm; er hat mir das äussere Leben, den Frieden mit der Welt, auf vielfache Weise vergällt, er hat mich an die Grenze hingeführt, wo auch ich, wenn auch gewiss in unendlicher Entfernung, mit dem Apostel sagen durfte:,,Durch Ehre und Unehre, durch-gute und durch böse Gerüchte, als die Verführer und doch wahrhaftig, als die Unbekannten und doch bekannt, als die Sterbenden, und siehe, wir leben, als die Nichts inne haben, und die doch Alles haben." (2 Cor. 6, 8. 9.) Zum Preise des göttlichen Namens darf ich sagen: Nicht nur ist die Zeit, in welche ich kam, eine grosse, gewaltige gewesen; nicht nur bin ich in derselben gerüttelt und umgeschüttelt worden 10, sondern ich habe meinerseits auch etwas für die Kirche in der gegenwärtigen Zeit thun dürfen; und wenn es auch nur das Geringste wäre, so will ja der Herr, der den Becher kaltes Wassers, in eines Jüngers Namen dargereicht, mit grosser Verheissung umkränzt (Matth. 10, 42), auch dieses Geringste nicht ungesegnet seyn lassen. Ins Stammund Mutterland der Reformation ward ich geführt; da wurzelte ich mit allen meinen Kräften und Vermögen; so wie ich die vorbereitende Führung als ein Grosses und Herrliches achte, so danke ich Gott von Herzen, dass er mich gerade hieher als in meine geistige, zugleich die ursprüngliche väterliche Heimath leitete und führte, und werde, so lange ich athme, dieser tiefsten Dankbarkeit nicht vergessen. So ist nun der Kampf für die evangelisch-lutherische Kirche, die Kirche, in welcher ich geboren und erzogen bin, auch mit Gott sterben werde, für diese Kirche aller Orten in ihrem ökumenischen Charakter, der rothe Faden nicht nur, sondern der wesentliche Inhalt dieser Lebensbeschreibung. Das, was in mir gelebt, was den bessern Theil meines Selbst bestimmt, das, was mich zum Zeugniss angetrieben oder zum Leiden gestärkt, das, was mein Herz erfüllt hat — das ist mein Leben. Auch kann das Fragmentarische, das Ungenügende, Unvollendete der Darstellung mich nicht davon abhalten, ein Zeugniss abzulegen.

« السابقةمتابعة »