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I. Abhandlungen.

Dr. A. G. Rudelbachs

Confessionen.*

Autobiographische Umrisse.

1. Theil: 1792-1828.

Zweiter Zeitabschnitt 1800-1805.

Inhalt: Anfang des neuen Jahrhunderts. Die Nachwirkungen der ersten Französischen Revolution. Die destructiven und die gleichzeitig heraustretenden regenerativen Kräfte. Sturmlauf gegen das Christenthum in Dänemark (O. Horrebow). Die Lineamente des Confessionarius Chr. Bastholm. Die Geistlichen überhaupt in Kopenhagen. Malthe Möllers Repertorium. Signaturen auf sittlichem Gebiete. Das Dänische Volksschulwesen seit Friedrich IV. Einfluss der methodischen Bestrebungen bis und mit Pestalozzi. Die regenerativen Kräfte insbesondere. Die Bischöfe Balle und J. N. Brun. Der frühere Minister O. H. Guldberg. Balle's Kampf für die wahre Religionsfreiheit im Sinne eines Athanasius. Die Apologeten des Christenthums. Meine Bewahrung in den ersten Schuljahren. Das Basedow'sche Institut. Der gefährliche Fallstrick des Ehrgeizes. Deutsche Literatur nach grösserm Massstabe angeeignet. Grönlands Bibliothek.

1. Ueberblickt man, wie es sich wohl geziemet, das Leben von der Vogelsperspective aus, die uns das Wort Gottes und die weit hinausblickende gereifte christliche Erfahrung an die Hand geben, so rollt sich hier, beim Anfange des neuen Jahrhunderts, ein Schauspiel auf, wie es wohl kaum grossartiger in der Geschichte da gewesen ist. Ein Kampf steht vor unsern Augen da, der einerseits alle Gebrechlichkeit, alle Noth und allen Jammer, ja auch alle Verbrechen gegen die

Von diesen autobiographischen Mittheilungen, im Ganzen auf drei Bände berechnet, werden in unserer Zeitschrift nur die drei ersten Artikel gegeben als Specimina des Ganzen. Die Red. Zeitschrift f. luth. Theol. 1861. IV.

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Menschheit in sich fasst, welche das achtzehnte Jahrhundert dem neunzehnten als Erbe hinterliess, und andererseits Kräfte erweckt, die in der That berufen waren, beides, zu pflanzen und zu zerstören, und die nicht ruhen konnten, bis sie das Reich Gottes, den wahren Nibelungenhort, auch für das christliche Volk wiedergewonnen hatten, dem-man denselben als einen Traum, als ein Wahngebilde von grauen Zeiten mit aller Macht zu entreissen sich rüstete. Wir suchen, mit einem Blick zugleich auf unsere engsten Kreise, in beider Beziehung eine Uebersicht zu gewinnen.

Man ist geneigt, alle Schuld der sittlichen Entartung, der Verwüstung auf religiösem Gebiete, wie sie jetzt immer klarer hervortreten, auf die Rechnung der ersten französischen Revolution zu schieben; und es ist ja nicht zu leugnen, dass von hier aus ein Strom des Verderbens sich ergoss, der allen christlichen Ländern wie ein Giftstoff eingeimpft wurde. Vergessen wir jedoch nicht, einerseits, dass der grosse Abfall von Gott und seinem geoffenbarten Worte in einem Mangel der ersten Liebe sich gründete, der schon im altersschwachen, viele unreine Elemente in sich aufnehmenden, Pietismus sich kundgethan, und andererseits, dass eben die regenerativen, rettenden Kräfte, wie sie gleichzeitig heraustraten, im Schoosse des achtzehnten Jahrhunderts empfangen waren, so dass auch hier eine Reihe von Gruppen sich nachweissen lässt zum Troste der Kirche Gottes, zum Zeichen, dass der Herr sein Volk noch nicht verlassen, dass er noch eine Gnadenheimsuchung bereit hatte 2. Gewiss aber ist, auf der Scheide der zwei Jahrhunderte, wo jene Revolution als ein unheilbringendes Gestirn (sidus malignum) aufgegangen war, da ging der in alle Furchen ausgestreute böse Same üppig auf; und namentlich auch in Dänemark, obwohl dies Land nach seiner ganzen Lage gesicherter, verborgener schien, wucherte er so gewaltig, dass man einem christlichen Zeugen aus dieser Zeit wohl nicht Unrecht geben mag, wenn er behauptet, der Sturmlauf gegen die geoffenbarte Religion sei hier noch weiter gegangen, es sei die Zerstörung hier noch tiefer, eingreifender in alle Verhältnisse, als in Deutschland gewesen3 Es waren die Tage des grossgewordenen, mit unum wundenem Spott herausfordernden Naturalismus heraufgekommen. Das ,,Evangelium des Tages" 4 (ein solches schrieb ja Voltaire, gleichsam eine Rüstkammer, woraus die ihm nachtretenden Antichristen ihre Waffen holten) liess sich hier unter anderen in dem Blatte „Jesus und die Vernunft", das, von einem theologischen Candidaten Otto Horrebow redigirt, es bis auf acht Bände brachte, also vernehmen: „die Bibel sei ein

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altes Fabelbuch, sei das Stammbuch aller Irrthümer und Secten; nicht nur im Charakter der Apostel lassen sich die Wurzeln des Ehrgeizes, des Eigennutzes, der Heuchelei nachweisen, sondern auch der Meister habe in seinen Reden oft auf die Leichtgläubigkeit der Zuhörer gerechnet, sich oft zur Hitze hinreissen lassen, so dass er auch in Scheltworte ausbrach, namentlich aber habe er durch den von ihm verkündigten Glauben an eine speciellste Vorsehung Gottes vielfach geschadet."5 Menschen, wie dieser, von zerrütteten Sinnen, mit Brandmal im Gewissen, standen überall obenan in der Tagesliteratur; ihr Pöbel fiel ihnen wie Wasser zu; zu diesem Pöbel gehörten aber alle, die irgendwie auf Bildung und Freisinnigkeit Anspruch erheben wollten. Für Dummheit galt der feste Christenglaube, als ein Zeichen der Aufkläruug die Frivolität und wüstes Leben. An der Tagesordnung waren Vorschläge zur Abschaffung des geistlichen Standes, zur Niederlegung der theologischen Facultät; vorangegangen waren Vorschläge zu sogenannter „Verbesserung der Liturgie" (seit 1785 und fortgesetzt bis in die ersten Jahre des neunzehnten Jahrhunderts) namentlich von dem, dem Ausbruch der wilden Kräfte steuern wollenden Confessionarius Christian Bastholm, und unter diesen Vorschlägen war dies einer: man solle die zehn Gebote mit dem angehängten Fluch (5 Mos. 17,26) bei jedem Gottesdienst verlesen, An mehreren Orten rückte man die Lutherischen Altäre aus, damit es ja nicht den Schein gewinnen sollte, als ob der Prediger wirklich zu Gott im Gebet sich wenden könne. In Kopenhagen waren fast alle Prediger Naturalisten oder Rationalisten, oder ein „unselig Mittelding", und selbst wenn sie, wie der ältere H. G. Clausen, Eifer zeigten für die sittliche Wohlfahrt des Volks, unterbanden sie doch vielfach die Nerven der wahren Sittlichkeit, durchschnitten ihre Sehnen; sie kannten nicht den Hunger und Durst nach Gerechtigkeit. Freimüthige Bekenner der Gottheit Christi (wie der Prediger J. Benzon, Rörbye, L. Smith) galten als Dunkelmänner oder Aufwiegler gegen die Rechte der Vernunft; bald hoffte man, ihre Namen an den Galgen der Geschichte schlagen zu können". Auch an der Universität hatte die destructive Richtung ihre Vertreter, wenigstens an einem namhaften Theologen, Claus Frans Hornemann, freilich noch in Semlerischem Geiste, obwohl er schon 1800 es dahin gebracht hatte, eine „Parallele zwischen Socrates und Christus" zu ziehen. Unter diesen Umständen musste auch das als eine Art von Phänomen gelten, dass selbst ein junger Theolog, der in Jena vorzüglich unter Eichhorn und Gabler studirt, Malthe Möller, in seinem „Reperto

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rium für die Religionslehre des Vaterlandes" (1795-1802), voll sittlichen Ernstes, aber ebenso voll Suffisance, eine werdende totale Revolution in der Behandlung der Theologie verkündigte; welch eine er damals meinte, das zeigen seine Worte:,, Scholastische Theologie und Mönchslegenden sind nicht Christenthum; die Gottheit Christi ist eine theologische Spitzfindigkeit; es ist ein Unterschied zwischen dem heiligen Geiste des Christenthums und der dritten Person in der Gottheit, deren Nullität überhaupt ich behaupte; in dem höchsten Wesen ist weder Trinität noch Binität, sondern Unität; Christus hat selbst die Weissagungen erfüllt; diese sind nicht an ihm erfüllt worden." (Repertorium, Heft I, S. 41 f.)

2. So war nicht nur in der Kirche ein Riss eingetreten, sondern in den Augen Tausender stand sie selbst als ein grosser Riss, der durch die Menschheit gegangen, da. Die Sünde der Väter ward heimgesucht an den Kindern, die in ihren Wegen wandelten, ins dritte und vierte Glied; die Väter hatten Herlinge gegessen, und der Kinder Zähne waren stumpf geworden (Jerem. 31, 29). Wie das kirchliche Zeugniss weithin geschwächt, gedrückt, in den Staub getreten, so war auch das ganze gesellschaftliche Leben in seiner innersten, ethischen Wurzel angegriffen. Man kann sich kaum einen Begriff machen von der sensualistisch-materialistischen Richtung, die hier vorherrschte; Henrik Steffens ist ein Zeuge davon gewesen; seine ersten Jugendjahre fielen in diese Zeit 10. Das schwelgerisch- üppige Leben breitete sich selbst in vielen Familien aus; es war, wie ein kurz vorher genannter Theolog sagt: „raffinirte Frivolität in den höhern und wilde Ruchlosigkeit in den niederen Classen. "11 Die Klubbs, die in den höheren Schichten (wie zumal die „Norwegische Gesellschaft") zugleich literarische Coterien, waren Heerde und Mittelpunkte der Freigeisterei, des leichtsinnigen Lebens geworden; 12 Trinklieder nicht nur mit wahrhaft bacchantischem Charakter, sondern Trunksucht waren an der Tagesordnung; schale, plumpe Einfälle galten als der Triumph des Witzes; begabte junge Männer (Steffens selbst) liessen sich von der Theaterwuth hinreissen, spielten selbst Comödie. 13 Die Pointe der Tagesunterhaltungen war freilich die Politik; allein wo man der Freiheit huldigte, da war es die freche, sansculottische, und die ein Wort dagegen zu erinnern sich unterstanden, wurden ohne weiteres geächtet. So offenbarte sich neben der Zügellossigkeit der Sitten die Feindschaft gegen das Kreuz Christi ohne Hülle und Scham; es war, als ob ein ganzes christliches Volk dem Herrn den Rücken gekehrt hätte. Das Pressgesetz vom 27. September

1799 steuerte dem wilden Freiheitsschwindel, sofern derselbe den Zaun des Staates durchzubrechen sich vermass; die Schranke, die dasselbe der kirchlichen Verwüstung entgegensetzen wollte (und wohl auch nur konnte), beschränkte sich darauf, dass wer Gott, Freiheit, Unsterblichkeit in öffentlicher Schrift verleugne oder die Religionsgrundsätze der Kirche verhöhne, der sei dem Arm des Gesetzes verfallen.

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Ein grünes Plätzchen so schien es hatte man dem werdenden Geschlechte noch aufbehalten; leider war auch dieses doch keine Oase, am wenigsten ein Reichthum an Quellen, die zum ewigen Leben aufspringen. Bekanntlich hatte die dänische Regierung seit den Tagen der Reformation sich mit wahrhaft väterlicher Fürsorge der Schulanstalten angenommen; namentlich war unter Friedrich IV. (1699—1730), gleichzeitig mit den preiswürdigen Missionsbestrebungen und Vervielfältigung der Erbauungsmittel, eine Organisation der Volksschulen angegriffen, die auf sicher gelegtem Grunde nur das zu wünschen übrig liess, was wachsende Erfahrung und die fernerweite Heranbildung tüchtiger Lehrer noch als Zwecke setzten. Es war, wie ich mich anderswo ausgedrückt habe, eine glühende Kohle, die hier vom Altar genommen die Lippen berührte im Wesentlichen eine der Eigenthümlichkeit durchaus nicht entbehrende Hinüberpflanzung der pädagogischen Grundsätze, die, im Hallischen Waisenhause zur Herrschaft gekommen, immer weiter und stärker Wurzel trieben. Böse Tage traten zumal seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts ein, die am wenigsten die geregelte Form des grundsätzlich pietistischen Wesens unter der Regierung Christians VI. (1730-1746) zurückhielt obgleich auch hier in den letzten Fasern mancher Segen für Kirche und Schule zurückblieb ; immer mehr bergab ging es, seitdem der Philanthropismus (der hier weites Terrain gewann) den Leib, die Mittel des Unterrichts, mit der Seele desselben vermengte, alte bewährte Grundsätze der Erziehung ohne Scheu opferte, und die Beschneidung der vermeintlichen Auswüchse des Christenthums so fleissig trieb, dass zuletzt bei vielen Pädagogen das Christliche nur als eine tabula rasa zurückstand. Immer blieb doch in Dänemark der Eifer für die Verbesserung des Schulwesens sich gleich; leider ward aber auch hier die negative Richtung die durchherrschende; der Ausbreitung ward die Intensität und feste Begründung zum grossen Theil geopfert. Man klammerte sich besonders seit 1790 (damals ward das erste Seminar auf dem sogenannten „blauen Hofe" bei Kopenhagen errichtet, welches man als ein Normal-Seminar zu betrachten sich gewöhnte) an

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