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wegen eurer Schuldner äusserster Unvermöglichkeit weder Zins noch Hauptsumme zu erwarten ist." Ist erstgenanntes Werk das eines einzelnen reformatorischen Theologen von ausgezeichneter Tiefe, so möchte sich letzteres Bibelwerk nicht unangemessen als ein Produkt der kirchlichen Schriftauslegung nach der Zeit der Concordienformel bezeichnen lassen, und es tritt uns hier die allgemeine theologische Betrachtung der Sache entgegen. Diese steht aber auch mit der Anschauung des christlichen Volks ganz im Einklange. Das lutherische Volk hat es nach der Zeit der Concordienformel wenigstens stets für unsündlich gehalten, einen mässigen Zins zu geben und zu nehmen. Billig denkende Leute nahmen, - so ist uns aus Sachsen bekannt, gern Eins vom Hundert weniger, als von dem Gesetz erlaubt war. Die lutherische Kirche im Ganzen hat eine Lehre nicht acceptirt, die des genügenden Schriftgrundes entbehrt, und von welcher daher die Symbole schweigen. Und wie guten Anlass hätten doch beide Katechismen an die Hand gegeben, sie zu lehren! Allein Luther begnügt sich, zu warnen, dass man „stehlen“ nicht zu enge nehme, und spricht dasselbe Verlangen noch gebührend von der von der Obrigkeit gestellten Ordnung in Sachen des Mein und Dein aus, wie ähnlich auch in der Zinsfrage: „Uns gebühret nichts weiter, denn zu sagen und zu strafen mit Gottes Wort; aber dass man solchem öffentlichen Muthwillen steure, dazu gehören Fürsten und Obrigkeit, die selbst Augen und den Muth hätten, Ordnung zu stellen und zu halten in allerlei Händel und Kauf, auf dass die Armuth nicht beschweret und unterdrückt würde, noch sie sich mit fremden Sünden beladen dürften.") Ja, vielmehr: die Symbole „stellen" auch „die Gewissen" in dem Sinne von U. Rhegius „zufrieden", wenn die Apologie sagt: „So sind unzählige verworrene Disputationen von Contrakten, da christliche Gewissen nimmermehr gestillt werden können, sie sind denn dieses nöthigen Stückes unterrichtet, dass ein Christ mit gutem Gewissen sich halten kann nach Landrecht und Gebrauch. Denn dieser Unterricht errettet viele Gewissen, da wir lehren, dass die Contrakte sofern von Gott ohne Gefahr sind, sofern sie in den gemeinen Rechten und Landgebräuchen (welche den Rechten gleich gelten) angenommen sind." 2) Dem kirchlichen Symbol ist eine Lehre fremd, welche allen Fürsten namentlich zur steten Gewissensbeschwerung gereichen musste, von den Unterthanen zu geschweigen. 3) War es Rücksicht auf dies,

1) Cat. maj. 249.

2) Apol. VIII, 64. Vergl. §. 56.

3) Zu deren Pflichten gehört nach jener wieder aufgenommenen Lehre, dass sie Zinsen nur mit Protest zahlen.

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dass man eine traditionelle Lehrfassung (die man freilich auch alsbald durchbrach) nicht andeutete, die Luther etwa in wahrem Eifer für Josephs Schaden festhielt, wie Elias meinte, er sei allein übrig geblieben, das alles wäre wohl der sorgfältigsten Forschung werth, und bliebe doch Luther dabei Luther, wie Elias Elias blieb uns ist es hier genug, dass das Symbol dadurch seinen objectiv kirchlichen Charakter gewahrt hat, und wir preisen die göttliche Vorsehung darob.

So wenig nun man erlaube das Gleichniss die theilweise Nichtanerkennung der Offenbarung Johannis in der nachapostolischen Kirche die allgemeine Anerkenntniss von deren Canonicität (weil das Buch sich selbst bezeugt) aufhalten konnte, so wenig hat der Dissensus der reformatorischen Kirche die allgemeine Anerkennung einer Lehre, die wir kurz als nicht die von Luther bezeichnen wollen, aufhalten können, Iweil sie sich den reformatorischen Grundsätzen der Schriftauslegung, der Lehre vom Gesetz und von der christlichen Freiheit als gemäss erwies. Versucht man auch, die Handlungsweise des bürgerlichen Lebens nach dieser Lehre zu bestimmen, so dürfte von Luthers Lehre kaum etwas Anderes, als das Gegentheil zu erweisen seyn. Es erscheint in dieser Beziehung wenigstens bezeichnend, dass Luthers Söhne im ErbtheilungsRezess von 1553 der Schwester jährlich.6 fl. Zinsen von ihrem Geldantheil zusagen, was Melanchthon mit unterschrieb. So zahlte auch die Universität Wittenberg Luthers Söhnen Zinsen auf den noch unbezahlt gebliebenen Theil des Kaufgeldes für das Kloster. Paul Luther bedung seiner Tochter 10 Procent Zinsen aus.')

Und inderthat, will man, dass Leihen und Zinsen nehmen in gewissen Fällen ein Werk der Barmherzigkeit sei, was nicht zu bezweifeln, so soll auch der Christ die Freiheit seines Gewissens hehalten, selbst zu entscheiden, wo er es thun kann oder nicht, nach Augustins Satze: Habe Liebe und thue, was du willst. Soll aber in diesen Fällen doch nur das göttliche Gebot der Rücksicht auf die menschliche Noth weichen, so widerspricht das der Natur der göttlichen Gebote nach der zweiten Tafel gar sehr, deren Uebertretung nie um eines guten Zweckes willen gerechtfertigt werden kann; und dieser Umstand müsste schon gegen die Verbindlichkeit eines solchen Verbots die gerechtesten Zweifel erregen. Es ist also Zinsennehmen, ob es schon das menschliche Verderben zu sündlichem Gebrauch verkehret, und ob es schon nur einer gefallenen Welt (und so auch das Institut der Obrigkeit selbst) an

1) S. Geneal. Luther. p. 400. 413. 533.

gehört,

doch nicht an sich Sünde, weil es nicht im N. T. den Christen untersagt, und auch nicht dem natürlichen Rechte zuwider ist; sondern es wird zur Sünde durch die hinzukommende Absicht des Geizes mit Verleugnung des Glaubens und der Liebe. Demgemäss erklärt es J. Lasseniusgleichsam als die Spitze der Gegenlehre für Anfechtungen und Einflüsterungen des Satans, da ein frommer Reicher beim 15. Psalm erschrickt, und sich, weil er viel auf Zinsen ausgeliehen, für einen verworfenen Wucherer ansieht: denn der Reiche habe stets die Rücksichten der Liebe und Billigkeit gegen seine Schuldner wahrgenommen.')

Die apostolischen Grundzüge für die evangelische Betrachtung dieser Lehre möchten etwa folgende seyn. „Christus ist des Gesetzes Ende. Dem Gerechten ist kein Ge

setz gegeben. Regieret euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetze. Die Hauptsumme des Gebots ist Liebe von reinem Herzen und von gutem Gewissen und von ungefärbtem Glauben. - Die Liebe thut dem Nächsten nichts Böses, so ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung. Lasset euch Niemand ein Gewissen machen, die da sagen: Du sollst das nicht angreifen; welches sich doch alles unter Händen verzehret. Denn warum sollte ich meine Freiheit lassen urtheilen von eines Andern Gewissen ? ist alles euer, es sei Paulus, oder die Welt. Und die da kaufen, als besässen sie es nicht, und die dieser Welt brauchen, dass sie derselbigen nicht missbrauchen; denn das Wesen dieser Welt vergeht. Was ihr thut, das thut alles zu Gottes Ehre. Ich habe es alles Macht, aber es frommt nicht alles. Und habest den Glauben und gut Gewissen."

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Miscellen.

Es

I. Die neue lutherische Theologie und die Vermittlungstheologie mögen immerhin in ähnlichem Verhältnisse zu einander stehen, wie es von Tholuck in seinem Vortrag beim Unionsvereine zu Halle 25. Mai 1869 (laut des in Fabarius Kirchenblatt 1869 Nr. 3 gegebenen authentischen Auszuges) gezeichnet worden ist. Auch wir haben nichts dawider, mit dem Genannten die Vermittlungstheologie zu kennzeichnen,,als die durch die Periode des Pietismus und des Rationalismus hindurchgegangene und durch sie modificirte kirchliche Theologie des 17. Jahrh." Und auch wir auf der

1) S.,,Das betrübte und von Gott reichlich getröstete Ephraim", Trostschrift an einen Reichen.

Zeitschr. f. luth. Theol. 1870. II.

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anderen Seite bekennen mit Stahl'), dass die Geschichte nicht auf die Vergangenheit zurückzuweisen, sondern das unausgesetzte Werden in ihr zu erkennen sei"; mit Thomasius: Was wir wollen, ist eine feste und sichere Basis, sodann eine lebendige und organische Fortbildung auf derselben"; mit Harnack: „Wir alle sind darin einig, dass eine gesunde Kirchlichkeit sich ebenso entschieden für eine schriftgemässe Erneuerung und Fortbildung des gegebenen Systems offen zu er halten, als sie sich ernstlich dem Bekenntnisse zu unterstellen und sich nach dieser Norm die schonungsloseste Selbstkritik aufzuerlegen hat"; mit Kahnis: „Diejenigen, welche dem Lutherthum keine Entwicklungsfähigkeit zuschreiben, stellen ihm den Todtenschein aus", und mit Luthardt: „Wir wissen und wollen nur ein solches Lutherthum, welches die geschichtliche Gestalt ist, in welcher wir das Christenthum selbst gefunden haben und zu besitzen uns bewusst sind.“ Ja selbst mit Tholuck, indem er dem „lutherischen Confessionalismus“ als von ihm selbst zugestanden „die Nothwendigkeit von Modificationen der Lehrfassung" zuschreibt, dürfen wir sagen (wie es das Fabarius'sche Kirchenblatt a. a. O. S. 103 von ihm anführt): „So wie sie gewesen, darf die Vergangenheit der lutherischen Kirche nicht wiederkommen, und sie ist nicht wiedergekommen, und sie wird nicht wiederkommen." Allein dennoch gilt auch hier mit vollem Nachdruck Si duo faciunt idem, non est idem. Auch nach Tholuck kommt ja nun zur genaueren Grenzbestimmung zwischen der neueren lutherischen Theologie und der Vermittlungstheologie Alles an auf „das Maass des Pietätsgefühls gegen die uns angestammte alte lutherische Kirche", Alles darauf, in wie weit „dies Pietätsgefühl mit unserm wissenschaftlichen Wahrheitsgefühle" congruire. Ihm tritt jenes s. g. Pietätsgefühl mit seinem s. g. ,, wissenschaftlichen Wahrheitsgefühl" in den wesentlichsten Stücken „in Gegensatz", uns steht Beides in wesentlichem Einklang. Ihm construirt sich die Lehrfassung neben, uns auf der Basis des lutherisch kirchlichen Bekenntnisses. Ihm hat der Durchgang durch die Periode des Pietismus und des Rationalismus, sein wissenschaftliches Wahrheitsgefühl inficirend und umgestaltend, sein Interesse am Festhalten des Lehrschatzes der angestammten Kirche geschwächt und wesentlich annullirt, uns hat derselbe dasselbe nur tiefer gegründet und aufs bedeutsamste gestärkt und erweitert. Und wenn er seinen Vortrag mit den Worten schliesst: „Steht es nun so zwischen der modernen lutherischen Theologie und zwischen der Vermittlungstheologie, so mag sie mit diesem lendenlahmen Namen uns ver1) Ihn und die Uebrigen citirt der Genannte.

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schonen, und wenn nicht, darf sie sich der Zumuthung weigern, sich ebenfalls dazu zu bekennen?": so dürfen wir demgemäss ihn und seine Genossen weder mit dem lendenlahmen Namen verschonen, noch und noch viel weniger uns die Zumuthung gefallen lassen, „dazu uns ebenfalls zu bekennen." G.

ren.

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II. Statt der Probleme hoher Kirchenpolitik lieber Pflege der Gemeinden!" das ist nach der N. Ev. K.-Z. jüngst aus dem Munde eines hohen preussischen Kirchenoberen den Pfarrern einer Pastoralconferenz empfohlen worden und wird wesentlich so alltäglich und allüberall vom preussischen Kirchenregiment als Norm pfarramtlicher Treue aufgestellt, mit dem Sinne: nicht Sorgen und Ringen um die Wiederherstellung lutherischer Kirche, sondern lediglich und allein schlichte Seelsorge, völlig unbekümmert darum, ob innerhalb alt evangelisch lutherischer, reformirter, neu evangelisch unificirter Kirchengemeinschaft, zieme lutherischen PastoAlso einfaches und folgerechtes Haltenwollen am evangelischen Bekenntnisse der Väter, nicht in schwebelndem Zweifel, sondern in frischem Glauben, das heisst jetzt Agitation „hoher Kirchenpolitik?" Und so meint man denn wirklich, treue lutherische Geistliche sollten damit sich begnügen, für sich allein ad dies vitae et officii ihren Gemeinden zu dienen, und nicht Glieder seyn wollen Eines grossen heiligen Leibes, dessen bewusste Gliedschaft allein erst all ihrem Lehren und Mahnen die volle und ewig dauernde Geltung und Festigkeit gibt? So meint man denn wirklich, ein ernstes, wahrhaft altevangelisch pastorales Wirken werde bei den Gemeinden erfolgreicher seyn, welche dasselbe nur eben gerade bei ihrem Pfarrer wahrnähmen, und nicht ihn getragen sähen von der ganzen Wolke gleicher Wahrheitszeugen in einer gesammten väterlichen Kirche der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft? So meint man wirklich, einer Gemeinde (zumal denn gar einer solchen, die durch Kenntniss der unsittlichen unionistischen Wege selbst in Verwirrung über alles ethische Princip gerathen ist) würden ihre höchsten geistlichen Güter gesicherter seyn, wenn nur Ein sterblicher Mensch, Ein zerbrechliches Rohr, als wenn eine grosse feste bleibende Gemeinschaft sie ihr garantirte? wirklich, das Wort Eines isolirten armen Menschen werde mitten im Strome fortschreitender geistlicher Verwüstung eine Gemeinde bewahren können, nachdem sie einmal auf die schiefe Ebene politischen Kirchenthums gestellt worden ist, vor unaufhaltsamem Hinabrollen in die um und um gähnenden Abgründe eines glaubenslosen Nihilismus? So soll wirklich die allein gewissenhafte und jedem Zeitsturme trotzende Bewahrung einer Ge

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