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,,Hinabgefahren zur Hölle", kein Mythus, sondern biblische Wahrheit.

Gegen Schweizer auf Grund von 1 Petr. 3, 17-22.

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Von

Dr. phil. Hermann Müller,

Gymnasiallehrer.

Hinabgefahren zur Hölle als Mythus ohne biblische Begründung durch Auslegung der Stelle 1 Petr. 3, 17-22 nachgewiesen von A. Schweizer, Dr. Prof. theol.“,

unter diesem Titel ist um Ostern 1867 bei Fr. Schulthess in Zürich eine kleine Schrift von 49 Octavseiten erschienen, die mehr beachtet worden als sie es verdient. Wir hoffen unser Urtheil im Folgenden zu begründen. Jetzt sagen wir nur so viel, dass dieselbe weder etwas Neues enthält, noch das Alte durch neue Argumente stützt. Dazu kommt der spielende, leichte, fast leichtfertige Ton, besonders des in der Charwoche geschriebenen Vorworts, der des Gegenstandes unwürdig jeden ernsten Leser verstimmen muss. Schweizer hebt an: „Die weitere Ausführung eines Satzes meiner Glaubenslehre schicke ich gern voraus, als ein Zeichen dass der so lange gehemmte zweite Band fortschreitet und die Sage als wolle ich ihn nicht schreiben ein Mythus ist. Als Mythus hat sich mir gerade auch die Höllenfahrt Christi enthüllt und noch dazu als ein im N. T. nicht begründeter." Was ist davon ergötzlicher, das Wortspiel mit dem „Mythus", oder die Meinung, im N. T. gebe es auch begründete,,Mythen"? Der Verf. denkt wohl an die Himmelfahrt und demnächst an die Auferstehung! Begnügen wir uns an dieser Probe. Wer weiss, wohin die Revision von Zürich 'führt. „Möge sie von jeder Höllenfahrt so entfernt bleiben wie unsere Petrusstelle", wünscht ihr der Herr Revisor. Um die patriotische Gabe" wenigstens beneiden wir die Schweizer nicht; sie ist vielmehr eines von den Danaergeschenken, die diesem Volke jetzt zugemuthet werden. 1)

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Auch das lassen wir billig auf sich beruhen, ob der fragliche Artikel allein noch auf die Petristelle gestützt wird. Bemerkenswerth ist jedenfalls, dass bis auf diesen Tag bedeutende Theologen in der „höllenfahrtlichen Auslegung“ verstrickt

1) Vergleiche die energische Abwehr durch Stutz: Die Thatsachen des Glaubens. Vorträge über die religiösen Streitfragen unserer Zeit und unseres Orts u. s. w. Zürich bei Franz Hanke 1865. Eine ausserordentlich empfehlenswerthe interessante Schrift.

geblieben sind; merkwürdig aber, dass hier Schweizer und Männer wie Joh. Gerhard zusammentreffen, vielleicht weil sie in anderen Vorurtheilen verstrickt waren. Ob im „Referendum der Theologen das reformirte Veto obsiegen werde", muss dem Kenner der einschläglichen Literatur mindestens zweifelhaft erscheinen. Allein auf ein Zeugenverhör ists nicht abgesehen und auf die Majorität kommt nichts an. Am allerwenigsten kann es dem darauf ankommen, der das „Herkommen" so geringschätzt.

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Doch um nun das an der Schrift selbst Bemerkenswerthe hervorzuheben, so ist es etwa Folgendes. Es tritt uns darin ein Theolog entgegen, der mit einem alt überlieferten Dogma und mit den es begründenden Bibelstellen sein Spiel treibt. Kein Wunder, denn weil die Idee der reinen Erlösungsreligion das erste und oberste Princip des Protestantismus ist, SO können abgeleitete Principien, wie die alleinige Autorität der hl. Schrift in Glaubensdingen und die Rechtfertigung aus dem Glauben allein, nur soweit Geltung haben, als sie jener Idee nicht widersprechen......“ Müsste z. B. das Christenthum auch die Erzählungen der Bibel als geschichtliche übernehmen, so könnte es nur so lange bestehen, als die Menschen der vollen religiösen Wahrheiten entbehren......" Und was die Grundsäule alles Protestantismus und alles Christenthums zugleich betrifft, das Materialprincip nämlich, dass der Mensch vor Gott gerecht werde allein durch den Glauben an Christum mit jeglichem Ausschluss der Werke, so soll dieses nach Schweizer wiederum sagen wollen, „nur scharf sagen wollen, das Christenthum sei eine reine Erlösungsreligion. Allein diese Erlösung hänge an keinem individuellen Momente Jesu Christi, sondern an der in ihm lebenden Idee."') Haben wir nicht ein Recht dem Theologen jeden Sinn und alles Verständniss der göttlichen Heilsthatsachen abzusprechen, der da lehrt: „Fortan darf der Begriff Glaube und Evangelium nicht mehr auf historische Erzählungen bezogen werden, denn selbst Paulus, auch wenn er Christum im Fleische gekannt hatte, will ihn fürder nicht mehr kennen?" 2) Wem es darauf ankommt: „die Ideen der ethisch religiösen Vollendung anstatt der zweiten Trinitätsperson geltend zu machen“ 3), der kann an dem heilsgeschichtlichen Leben dieser Person, d. i. Jesu Christi, des erhöhten

1) Vgl. Stutz S. 47 auf Grund von Schweizer's Glaubenslehre. Bd. 1. S. 106. 110.

2) Schweizer: Evangelium Johannis. Vorwort S. 9. 3) Schweizer: Glaubenslehre. S. 117. trage.

Dagegen Stutz im ersten Vor

Menschensohnes kein sonderliches Interesse haben. Wer dem Blute Jesu Christi, vermeintlich in Einklang mit dem Apostel Paulus, der nichts predigen wollte, als den gekreuzigten Christus, „eine unmittelbar sühnende Wirkung" nicht zuschreibt, sondern in der Hinrichtung am Kreuze nur die Freimachung der christlichen Erlösungsreligion von der verdammenden alten Gesetzesreligion" herbeigeführt sieht (S. 2) 1), der kann begreiflicherweise der Hadesfahrt Christi auch nicht die geringste Bedeutung zuschreiben. Diesem Manne stand ihre Bedeutungslosigkeit, Zwecklosigkeit, Unmöglichkeit auf Grund seiner „Principien“ schon längst und von vornherein fest; jetzt richtet er sich hoch auf, denn es ist ihm nun auch gelungen sie durch „Auslegung" des festen Bollwerks, der bekannten Petristelle, als unbiblisch zu beseitigen. Woher doch diese Angst vor der Bibel und das Bestreben immer die Bibel selbst gegen christliche Dogmen ins Feld zu führen? Warum nicht lieber das System mit seinen Principien, die reine Idee, das religiöse Bewusstseyn des 19ten Jahrhunderts und was weiss ich sonst noch, offen und ehrlich auf den Kampfplatz stellen? Dies Verfahren aber charakterisirt eine ganze Partei; es ist ein Zeichen unserer Zeit. Nicht minder ein Zeichen der Zeit ist dieses. Die rationalistische Kritik hat von jeher an dem Passus von der Höllenfahrt ihre Hebel eingesetzt, um das Symbolum apostolicum zu desavouiren und zu destruiren. Gegen das apostolische Glaubensbekenntniss ist auch die Spitze von Schweizer's leichtfahrender Revision des genannten Passus gerichtet. Wir berufen uns auf Aussprüche wie sie S. 21 u. S. 49 deutlich zu lesen sind. Zwar geht auch uns die „Fatalität“, die nicht fürs „,kirchliche Dogma", sondern nur für diejenigen entsteht, welche Petri Worte fälschlich für eine Degression ansehen, nichts an, aber in der Verwerfung des „apostolisch genannten Glaubensbekenntnisses als Hauptsumme des Glaubens" können wir Schweizer allerdings nicht beistimmen, sondern wir wollen es genau und in seinem ganzen Umfange" beibehalten, nicht ,, neu vorschreiben", denn dazu hat kein Mensch weder das Recht, noch die Pflicht, noch auch die Veranlassung. Auf den Umstand, dass der „Artikel" verhältnissmässig erst spät ins Symbolum gekommen, scheint unser Kritiker selbst kein Gewicht zu legen, da das Vorhandenseyn desselben im Bewusstseyn der Kirche und ihrer Hauptlehrer doch zu evident

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1) Die kirchliche Auffassung der paulinischen Versöhnungslehre hält Schweizer vermuthlich mit Baumgarten für eine,,Materialisirung" des reinen ideellen Gehaltes.

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erwiesen ist. 1) Wider Apollinaris hätte man doch schwerlich durch Aufnahme der Höllenfahrt ins Symbol sich geholfen, wenn der Artikel nicht sonst schon sich aufgedrängt hätte" (S. 10). Sehr richtig bemerkt. Aber woher drängte er sich denn auf? Wir glauben mit der gesammten Kirche, weil sein Inhalt biblisch war und ist und bleiben wird. Vielleicht behütete den Prof. Schweizer auch sein „gesunder reformirter" Takt vor der Zustimmung zu einer Kritik, wie sie der Basler Theolog Polanus aufgenommen (S. 9). Jedenfalls ist ihm das apostolische Glaubensbekenntniss für seine mythische Auslegung. Doch aber scheint er mit seinen Gesinnungsgenossen, den Neuprotestanten, die Furcht vor dem „papiernen Pabst" zu theilen, wie aus der spöttischen Anführung der Concordienformel (S. 8) hervorgeht. Denn in einer Anmerkung gibt er, gleichsam als ein infandum! mit einem proh dolor! die Notiz: ,,Jetzt noch bindet man in Sachsen alle Geistlichen und Lehrer an diese alte Bekenntnissschrift." Man denke! Als für die ganze Art und Weise Schweizer's charakteristisch führen wir schlüsslich noch folgendes Curiosum an. Unter den Gründen gegen den triumphirenden Zug Christi in die Hölle" 2) kommt auch der vor: „Petrus könne seinem Christus nicht zutrauen, dass er eine Genugthuung in solch fast schadenfrohem Triumphzug fände." Dann folgen die Worte (S. 24 unten): „Es ist sehr merkwürdig, dass hingegen polemische Dogmatiker in einen so über Verlorene triumphirenden Christus sich ohne Bedenken gefunden haben, gleichsam in ein Vorbild ihrer eigenen Gesinnung, welche im Triumphiren über ungläubige und andersgläubige und niedergeworfene Gegner eine erhebliche Genugthuung zu finden pflegt." Wahrlich! da merkt man Absicht und

Zu den einleitenden, des Gegners Standpunkt kennzeichnenden Bemerkungen gehört es auch, auf die Feinheiten seiner Darstellung aufmerksam zu machen. Schweizer ist ein kluger Mann, denn er macht uns wohl mit Luthers „Rathlosigkeit" gegenüber der Petrusstelle, mit Augustins, mit Gerhards ,,des grössesten lutherischen Dogmatikers", mit Hofmanns u. A. „geachteten Stimmen im alt- und neulutherischen" Lager sehr ausführlich bekannt, dagegen von Augustins Ausspruch:

1) Vergl. statt vieles Anderen die bündige Darstellung in Güders beachtenswerther Schrift: Die Lehre von der Erscheinung J. Chr. unter den Todten. Bern 1853. S. 170-179.

2) Wenn übrigens Güder die Zumuthung der F. C.:,,wie solches zugegangen, sollen wir uns mit hohen Gedanken nicht bekümmern", eine naive nennt, so überlassen wir ihm diese,,Naivität", den Männern des Concordienwerkes aber den heiligen Erust und die tiefste Sorge für das Heil der evangelischen Kirche.

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wer anders, als ein Ungläubiger, könnte leugnen, dass Christus bei den Verstorbenen gewesen ist" 1), von Luthers demüthiger Unterwerfung unter den „wunderlichen Text und finstern Spruch", und von seinem energischen Festhalten an dem realen descensus Christi nach seiner ganzen Person, von Gerhard's lichtvoller Erklärung der übrigen für die Höllenfahrt sprechenden Stellen, sagt er uns kein Wort. Schweizer ist ein kluger Mann, denn von Zwingli's ,,bahnbrechender" aber rationalistischer Erklärung, von Calvin's Deutung seiner Verwerfung des Zwischenacts als einer „kindischen Meinung", von Beza's feiner Exegese, von Wolleb's Bezeichnung der Höllenfahrt als einer lächerlichen Erfindung" erfahren wir hinreichend genug; dass dagegen Zwingli's Behauptung durch Calvin's anerkannte Gegengründe unmöglich gemacht wird, dass Calvin die Worte im Symbol „ein nicht verächtliches Mysterium der grössten Sache" enthalten lässt, und sie zur Ergänzung unserer Erlösung" 2) für nothwendig und - dazu für biblisch begründet hält 3), von dem Allen erfahren wir kein Wort. Damit wäre auch der sehr gelehrte Professor nicht so leicht fertig geworden, wie mit Leo Jud's Zürcher Katechismus und mit B. Suicerus, „seines Ahnherrn" Urtheile: „das Erdulden der Sündenstrafe dürfe man nicht ein Hinabgefahren zur Hölle nennen" (gegen Calvin); denn „dieser letzten Reste traditioneller Einflüsse entledigt man sich sehr bald" (S. 9). Höchst seltsam. Dem Verfasser gilt die Tradition sonst so wenig, und dennoch findet er es oft rathsam, sich auf die Tradition beachtenswerther Vorgänger zu berufen! (vgl. S. 13 Anm. 1. S. 21. 24. 39. 40 u. a.) Zum Schluss noch ein Curiosum. Mit wenig Witz und viel Behagen, scheint es, wird zweimal der Ausspruch Ewald's citirt (S. 21 u. 29): „Petrus hatte seine Stärke anderswo als im Schriftstellern !" Weiss doch jedes Kind, dass die Apostel ihre Stärke nicht im Schriftstellern, sondern im Beweisen des Geistes und der Kraft hatten! Hätten sie ihre Worte genau abwägen, ihre Geschichten mathematisch genau construirend erzählen wollen wie unsere Negativen zu verlangen scheinen, wo bliebe die „,wissenschaftliche Kritik"? wo die „Kunst" der Exegese, die zwar nicht Berge, aber

1) Ep. CLXIV ad. Ev. p. 855 B. Ed. Bened. Par.: Quis ergo nisi infidelis negaverit, fuisse apud inferos Christum?

2) Instit. cap. VII:

......

maximae rei non contemnendum mysterium ...... ad redemtionis nostrae complementum. C. p. 150. Argent. 1545.

3) Ibid. VI p. 129: Actam fidei nostrae historiam succincle distincteque hic recenseri, nihil autem contineri (i. é. in symbolo) quod solidis Scr. testimoniis non sit sonsignatum. Andere Zeugnisse für unser Symbol u. A. J. T. Müller: Die symbol. Bücher der evang. -luth. Kirche. Einleitung S. XXXIV ff.

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