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gibt mir nicht die Kraft, das Geseß zu erfüllen; nein! es ist barbarisch; es befiehlt nur, ohne sich darum zu bekümmern, ob ich es auch erfüllen kann und wie ich es erfüllen soll; es überläßt mich rath- und hülflos nur mir selbst. Aber wer mir mit seinem Beispiel voranleuchtet, der greift mir unter die Arme, der theilt mir seine eigne Kraft mit. Das Geseß leistet keinen Widerstand der Sünde, aber Wunder wirkt das Beispiel. Das Gesez ist todt; aber das Beispiel animirt, begeistert, reißt den Menschen unwillkührlich mit sich fort. Das Gesez spricht nur zum Verstande und seßt sich direct den Trieben entgegen; das Beispiel dagegen schmiegt sich an einen mächtigen, sinnlichen Trieb — an den unwillkührlichen Nachahmungstrieb an. Das Beispiel wirkt auf Gemüth und Phantasie. Kurz, das Beispiel hat magische, d. h. sinnliche Kräfte; denn die magische, d. i. unwillkührliche Anziehungskraft ist eine wesentliche Eigenschaft, wie der Materie überhaupt, so der Sinnlichkeit insbesondre.

Die Alten sagten, wenn die Tugend sich sehen lassen könnte oder würde, so würde sie durch ihre Schönheit Alle für sich gewinnen und begeistern. Die Christen waren so glücklich, auch diesen Wunsch erfüllt zu sehen. Die Heiden hatten ein ungeschriebenes, die Juden ein geschriebenes Geseß, die Christen ein Erempel, ein Vorbild, ein sichtbares, persönlich lebendiges Gesez, ein Fleisch gewordnes, ein menschliches Geseß. Daher die Freudigkeit namentlich der ersten Christen daher der Ruhm des Christenthums, daß nur es allein die Kraft habe und gebe, der Sünde zu widerstehen. Und dieser Ruhm soll ihm nicht abgestritten werden. Nur ist zu bemerken, daß die Kraft des Tugenderempels nicht sowohl die Macht der Tugend, als vielmehr die Macht des Beispiels über

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haupt ist, gleichwie die Macht der religiösen Musik nicht die Macht der Religion, sondern die Macht der Musik ist *), daß daher das Tugendbild wohl tugendhafte Handlungen zur Folge hat, aber ohne die Gesinnungen und Beweggründe der Tugend. Aber dieser einfache und wahre Sinn von der erlösenden und versöhnenden Macht des Beispiels im Unterschiede von der Macht des Gesezes, auf welchen wir reducirten den Gegensaz von Gesez und Christus, drückt keineswegs die volle religiöse Bedeutung der christlichen Erlösung und Versöhnung aus. In dieser reducirt sich vielmehr Alles auf die persönliche Kraft jenes wunderbaren Mittelwesens, welches weder Gott, noch Mensch allein, sondern ein Mensch ist, der zugleich Gott, und ein Gott, der zugleich Mensch ist, und welches daher nur im Zusammenhang mit der Bedeutung des Wunders begriffen werden kann. In dieser ist der wunderbare Erlöser nichts andres, als der realisirte Wunsch des Gemüths, frei zu sein von den Gefeßen der Moral, d. h. von den Bedingungen, an welche die Tugend auf dem natürlichen Weg gebunden ist, der realisirte Wunsch, von den moralischen Uebeln augenblicklich, unmittelbar, mit einem Zauberschlage, d. h. auf absolut subjective, gemüthliche Weise erlöst zu werden. Gottes Wort, sagt z. B. Luther, richtet alle Dinge schleunig aus, bringet die Vergebung der Sünde und gibt

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*) Interessant ist in dieser Beziehung ́ das Selbstbekenntniß Augustins. Ita fluctuo inter periculum voluptatis et experimentum salubritatis: magisque adducor . . . cantandi consuetudinem approbare in ecclesia, ut per oblectamenta aurium infirmior animus in affectum pietatis assurgat. Tamen cum mihi accidit, ut nos amplius cantus, quam res quae canitur moveat, poenaliter me peccare confiteor. Confess. 1. X. c. 33.

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Dir das ewige Leben, und kostet nicht mehr, denn daß Du das Wort hörest und wenn Du es gehört hast, gläubest. Gläubest Du es, so hast Du es ohne alle Mühe, Kost, Verzug und Beschwerung."*) Aber das Anhören des Wortes Gottes, dessen Folge der Glaube ist, das ist selbst eine,Gabe Gottes". Also ist der Glaube nichts andres als ein psychologisches Wunder, ein Wunderwerk Gottes im Menschen, wie Luther gleichfalls selber sagt. Aber frei von der Sünde und dem Schuldbewußtsein wird der Mensch nur durch den Glauben die Moral ist abhängig vom Glauben, die Tugenden der Heiden sind nur glänzende Laalso moralisch frei und gut nur durch das Wunder. Daß die Wunderkraft eins ist mit dem Begriffe des Mittelwesens, ist historisch selbst schon dadurch erwiesen, daß die Wunder des alten Testaments, die Gesetzgebung, die Vorsehung, kurz alle die Elemente, welche das Wesen der Religion constituiren, schon im spätern Judenthum in die göttliche Weisheit, in den Logos verlegt wurden. Dieser Logos schwebt aber bei Philo noch in der Luft zwischen Himmel und Erde, bald als ein Abstractum, bald als ein Concretum, d. h. Philo schwankt zwischen sich selbst als Philosophen und sich als religiösen Ifraeliten, zwischen dem positiven Element der Religion und der metaphysischen Idee der Gottheit, jedoch so, daß das abstracte Element selbst bei ihm ein mehr oder weniger phantastisches ist. Im Christenthum kam erst dieser Logod zu vollkommner Consistenz, das Abstractum wurde ein entschiednes Concretum, d. h. die Religion concentrirte sich jezt ausschließlich auf das Element, das Object, welches ihre

*) T. XVI. p. 490.

wesentliche Differenz begründet. Der Logos ist das personificirte Wesen der Religion. Wenn daher Gott als das Wesen des Gemüths bestimmt wurde, so hat dieß erst im Logos seine volle Wahrheit.

Gott als Gott ist noch das verschloßne, verborgne Gemüth; das aufgeschloßne, offne, sich gegenständliche Gemüth oder Herz ist erst Christus. Erst in Christus ist das Gemüth vollkommen seiner selbst gewiß und versichert, außer allem Zweifel über die Wahrhaftigkeit und Göttlichkeit seines eignen Wesens; denn Christus schlägt nichts dem Gemüthe ab; er erfüllt alle seine Bitten. In Gott verschweigt noch das Gemüth, was ihm auf dem Herzen liegt; es seufzt nur; aber in Christus spricht es sich vollkommen aus; hier behält es nichts mehr für sich zurück. Der Seufzer ist der noch ängstliche Wunsch; er drückt sich mehr durch die Klage aus, daß das nicht ist, was er wünscht, als daß er offen, positiv heraussagt, was er will; im Seufzer zweifelt noch das Gemüth an der Rechtskräftigkeit seiner Wünsche. Aber in Christus ist alle Seelenangst verschwunden; er ist der in Siegesgesang über seine Erfüllung übergegangne Seufzer, die frohlockende Gewißheit des Gemüths von der Wahrheit und Wirklichkeit seiner in Gott verborgnen Wünsche, der thatsächliche Sieg über den Tod, über alle Gewalt der Welt und Natur, die nicht mehr nur gehoffte, die bereits vollbrachte Auferstehung; Er ist das Herz, das aller drückenden Schranken, aller Leiden frei und ledig ist, das selige Gemüth die sichtbare Gottheit *).

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*),, Weil uns Gott seinen Sohn gegeben, so hat er uns alles mit ihm geben, es heiße Teufel, Sünde, Tod, Hölle, Himmel, Gerechtig

Gott zu sehen, dieß ist der höchste Wunsch, der höchste Triumph des Herzens. Christus ist dieser erfüllte Wunsch, dieser Triumph. Gott nur gedacht, nur als Denkwesen, d. i. Gott als Gott ist immer nur ein entferntes Wesen, das Verhältniß zu ihm ein abstractes, gleich dem Freundschaftsverhältniß, in welchem wir zu einem räumlich entfernten, persönlich uns unbekannten Menschen stehen. So sehr auch seine Werke, die Beweise von Liebe, die er uns gibt, uns sein Wesen vergegenwärtigen, es bleibt doch stets eine unausgefüllte Lücke, das Herz unbefriedigt; wir sehnen uns darnach, ihn zu sehen. So lange uns ein Wesen nicht von Angesicht zu Angesicht bekannt ist, sind wir doch immer noch im Zweifel, ob es wohl ist und so ist, wie wir es vorstellen; erst im Sehen liegt die lezte Zuversicht, die vollständige Beruhigung. Christus ist der persönlich bekannte Gott, Christus daher die selige Gewißheit, daß Gott ist und so ist, wie es das Gemüth will und bedarf, daß er ist. Gott als Gegenstand des Gebets ist wohl schon ein menschliches Wesen, indem er an menschlichem Elend Theil nimmt, menschliche Wünsche erhört, aber er ist doch noch nicht als wirklicher Mensch dem religiösen Bewußtsein Gegenstand. Erst in Christus ist daher der

keit, Leben; Alles, alles muß es unser seyn, weil der Sohn, als ein Geschenk, unser ist, in welchem alles mit einander ist.“ Luther (T. XV. p. 311). „Das beste Stück an der Auferstehung ist schon geschehen; Christus, das Haupt der ganzen Christenheit, ist durch den Tod hindurch und von den Todten auferstanden. Zudem ist das fürnehmste Stück an mir, meine Seele, auch hindurch durch den Tod und mit Christo im himmlischen Wesen. Was kann mir denn das Grab und der Tod schaden.“ (T. XVI. p. 235.),,Ein Christenmensch hat gleiche Gewalt mit Chrifto, ist eine Gemeine und fißet mit ihm in gesammten Lehn." (T. XIII. p. 648.),, Wer sich nun an Christum hängt und hält, der hat so viel als er.“ (T. XVI. p. 574.)

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