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der Andere nicht gebunden, das kann anders gedacht werden, das ist eine zufällige, nur subjective Ansicht. Was ich aber denke im Maaße der Gattung, das denke ich, wie es der Mensch überhaupt nur immer denken kann und folglich der Einzelne denken muß, wenn er normal, geseßmäßig und folglich wahr denken will. Wahr ist, was mit dem Wesen der Gattung übereinstimmt, falsch, was ihr widerspricht. Ein anderes Gesetz der Wahrheit gibt es nicht. Aber der Andere ist mir gegenüber der Repräsentant der Gattung, der Stellvertreter der Andern im Plural, ja sein Urtheil kann mir mehr gelten, als das Urtheil der zahllosen Menge. „Mache der Schwärmer sich Schüler, wie Sand am Meere; der Sand ist Sand; die Perle sei mein, Du o vernünftiger Freund!“ Die Beistimmung des Andern gilt mir daher für das Kriterium der Normalität, der Allgemeinheit, der Wahrheit meiner Gedanken. Ich kann mich nicht so von mir absondern, um vollkommen frei und interesselos mich beurtheilen zu können; aber der Andere hat ein unparteiisches Urtheil; durch ihn berichtige, ergänze, erweitre ich mein eignes Urtheil, meinen eignen Geschmack, meine eigne Erkenntniß. Kurz, es findet eine qualitative, kritische Differenz zwischen den Menschen statt. Aber das Christenthum löscht diese qualitativen Unterschiede aus, es schlägt alle Menschen über einen Leisten, betrachtet sie wie ein und dasselbe Individuum, weil es feinen Unterschied zwischen der Gattung und dem Individuum kennt: ein und dasselbe Heilmittel für alle Menschen ohne Unterschied, ein und dasselbe Grund- und Erbübel in allen.

Eben deßwegen, weil das Christenthum aus überschwänglicher Subjectivität nichts weiß von der Gattung, in welcher

allein die Lösung, die Rechtfertigung, die Versöhnung und Heilung der Sünden und Mängel der Individuen liegt, bedurfte es auch einer übernatürlichen, besondern, selbst wieder nur persönlichen, subjectiven Hülfe, um die Sünde zu überwinden. Wenn ich allein die Gattung bin, wenn außer mir keine anderen, qualitativ anderen Menschen eristiren, oder, was völlig eins ist, wenn kein Unterschied zwischen mir und den Andern ist, wenn wir Alle vollkommen gleich sind, wenn meine Sünden nicht neutralisirt und paralysirt werden durch die entgegengesezten Eigenschaften anderer Menschen; so ist freilich meine Sünde ein himmelschreiender Schandfleck, ein empörender Greuel, der nur durch außerordentliche, außermenschliche, wunderbare Mittel getilgt werden kann. Glücklicher Weise gibt es aber eine natürliche Versöhnung. Der Andere ist per se der Mittler zwischen mir und der heiligen Idee der Gattung. Homo homini Deus est. Meine Sünde ist dadurch schon in ihre Schranke zurückgewiesen, in ihr Nichts verstoßen, daß sie eben nur meine, aber deßwegen noch nicht auch die Sünde des Andern ist.

XVIII. Kapitel.

Die christliche Bedeutung des freien Cälibats und
Mönchthums.

Der Begriff der Gattung und mit ihm die Bedeutung des Gattungslebens war mit dem Christenthum verschwunden. Der früher ausgesprochne Saz, daß das Christenthum das Princip der Bildung nicht in sich enthält, erhält dadurch eine neue Bestätigung. Wo der Mensch die Gattung

unmittelbar mit dem Individuum identificirt und diese Iden tität als sein höchstes Wesen, als Gott sezt, wo ihm also die Idee der Menschheit nur als die Idee der Gottheit Gegenstand ist, da ist das Bedürfniß der Bildung verschwunden; der Mensch hat Alles in sich, Alles in seinem Gotte, folglich kein Bedürfniß, sich zu ergänzen durch den Andern, den Repräsentanten der Gattung, durch die Anschauung der Welt überhaupt ein Bedürfniß, auf welchem allein der Bildungstrieb beruht. Allein für sich erreicht der Mensch seinen Zweck er erreicht ihn in Gott, Gott ist selbst dieses erreichte Ziel, dieser realisirte höchste Zweck der Menschheit; aber Gott ist jedem Individuum allein für sich gegenwärtig. Gott nur ist das Bedürfniß des Christen – den Andern, die Menschengattung, die Welt bedarf er nicht nothwendig dazu; das innere Bedürfniß des Andern fehlt. Gott vertritt mir eben die Gattung, den Andern; ja in der Abkehr von der Welt, in der Absonderung werde ich erst recht gottesbedürftig, empfinde ich erst recht lebendig die Gegenwart Gottes, empfinde ich erst, was Gott ist, und was er mir sein soll. Wohl ist dem Religiösen auch Gemeinschaft, gemeinschaftliche Erbauung Bedürfniß, aber das Bedürfniß des Andern ist an sich selbst doch immer etwas höchst Untergeordnetes. Das Seelenheil ist die Grundidee, die Hauptsache des Christenthums, aber dieses Heil liegt nur in Gott, nur in der Concentration auf ihn. Die Thätigkeit für Andere ist eine geforderte, ist Bedingung des Heils, aber der Grund des Heils ist Gott, die unmittelbare Beziehung auf Gott. Und selbst die Thätigkeit für Andere hat nur eine religiöse Bedeutung, hat nur die Beziehung auf Gott zum Grund und Zweckist im Wesen nur eine Thätigkeit für Gott Verherrlichung

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seines Namens, Ausbreitung seines Ruhmes. Aber Gott ist die absolute Subjectivität, die von der Welt abgeschiedene, überweltliche, von der Materie befreite, von dem Gattungsleben und damit von der Geschlechtsdifferenz abgesonderte Subjectivität. Die Scheidung von der Welt, von der Materie, von dem Gattungsleben ist daher das wesentliche Ziel des Christen.*) Und dieses Ziel realisirte fich auf sinnliche Weise im Mönchsleben.

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Es ist Selbstbetrug, das Mönchthum nur aus dem Orient ableiten zu wollen. Wenigstens muß man, wenn diese Ableitung gelten soll, dann auch so gerecht sein und die dem Mönchthum entgegengesezte Tendenz der Christenheit nicht aus dem Christenthum, sondern aus dem Geiste, aus der Natur des Occidents überhaupt ableiten. Aber wie erklärt sich dann die Begeisterung des Abendlandes für das Mönchsleben?. Das Mönchthum muß vielmehr geradezu aus dem Christenthum selbst abgeleitet werden: es war eine nothwendige Folge von dem Glauben an den Himmel, welchen das Christenthum der Menschheit verhieß. Wo das himmlische Leben eine Wahrheit, da ist das irdische Leben eine Lüge wo Alles die Phantaste, die Wirklichkeit Nichts. Wer ein ewiges himmlisches Leben glaubt, dem verliert dieses Leben seinen Werth. Oder vielmehr es hat schon seinen Werth ver- .

*),,Das Leben für Gott ist nicht dis natürliche Leben, welches der Verweßlichkeit unterworfen ist.... Sollten wir denn nicht seuffßen nach den zukünftigen Dingen und diesen zeitlichen allen. feindt seyn?....... Darum follten wir dieß Leben und diese Welt getrost verachten und von Herzen seuffzen und Verlangen haben zu der künfftigen Ehre und Herrlichkeit des ewigen Lebens." Luther. (I. Th. S. 466. 467.)

loren: der Glaube an das himmlische Leben ist eben der Glaube an die Nichtigkeit und Werthlosigkeit dieses Lebens. Das Jenseits kann ich mir nicht vorstellen, ohne mich nach ihm zu sehnen, ohne mit einem Blicke des Mitleids oder der Verachtung auf dieses erbärmliche Leben herabzuschauen. Das himmlische Leben kann kein Gegenstand, kein Gesez des Glaubens sein, ohne zugleich ein Gesez der Moral zu sein: es muß meine Handlungen bestimmen *), wenn anders mein Leben mit meinem Glauben übereinstimmen soll: ich darf mich nicht hängen an die vergänglichen Dinge dieser Erde. Ich darf nicht, aber ich mag auch nicht, denn was find alle Dinge hienieden gegen die Herrlichkeit des himmlischen Lebens?**)

Allerdings hängt die Qualität jenes Lebens von der Qualität, der moralischen Beschaffenheit dieses Lebens ab, aber die Moralität ist selbst bestimmt durch den Glauben an das ewige Leben. Und diese dem überirdischen Leben entsprechende Moralität ist nur die Abkehr von dieser Welt, die Negation dieses Lebens. Die sinnliche Bewährung dieser geistigen Abkehr aber ist das klösterliche Leben. Alles muß sich zulezt äußerlich,

*) Eo dirigendus est spiritus, quo aliquando est iturus. Meditat. sacrae Joh. Gerhardi. Med. 46.

**) Affectanti coelestia, terrena non sapiunt. Aeternis inhianti, fastidio sunt transitoria. Bernhard. (Epist. Ex persona Heliae monachi ad parentes). Nihil nostra refert in hoc aevo, nisi de eo quam celeriter excedere. Tertullian. (Apol. adv. Gentes c. 41.) „Darum sollte man lieber einem Christen - Menschen rathen, daß sie die Krankheit mit Geduld tragen, ja auch begehren, daß der Tod komme, je eher, je lieber. Denn wie S. Cyprianus spricht, ist nichts nüßlicheres einem Christen, denn bald sterben. Aber wir hören lieber den Heygen Juvenalem, der da spricht: Orandum est ut sit mens sana in corpore sano." Luther (Th. IV. S. 15).

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