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Vernunft ist, so zu sagen, ein bingliches, das Herz ein persönliches Wesen. Ich bin ist Sache des Herzens; Ich denke Sache des Kopfes. Cogito ergo sum? Nein! sentio, ergo sum. Fühlen nur ist mein Sein, Denken mein Nichtsein, Denken die Position der Gattung, die Vernunft das Nichts der Persönlichkeit. Denken ist ein geistiger Selbstbegattungsact. Der populäre Beweis davon ist die Sprache: Sprechen ist eine gegenseitige Befruchtung, Begattung. Nur die Wesen verstehen sich darum, die zu einer Gattung gehören; der Mittheilungstrieb ist der geistige Geschlechtstrieb. Werke zeugt der Kopf, Menschen das Herz. Die Vernunft ist kalt, weil ihr Wahlspruch das audiatur et altera pars, weil sie nicht dem Menschen allein das Wort redet; das Herz aber ist der Mensch, der nur für sich allein Partei nimmt. Die Vernunft liebt auch, was nicht ihres Gleichen, das Herz aber nur, was seines Gleichen ist. Wohl erbarmt sich auch das Herz der Thiere, aber nur weil es im Thiere kein Thier ers blickt. Das Herz liebt nur, was es mit sich selbst identificirt. Was Du diesem Wesen anthust, das thust Du mir selbst an. Das Herz liebt nur sich selbst, kommt nicht über sich, nicht über den Menschen hinaus - der übermenschliche Gott ist nichts andres, als das übernatürliche Herz —; das Herz gibt uns nicht den Begriff eines Andern, eines von Uns Unterschiedenen. „Die Natur ist für das Herz ein Echo, in dem es nur sich selbst vernimmt. Die Empfindung versezt sich außer sich im Uebermaaße ihrer Seligkeit, sie ist die Liebe, die sich keinem Dinge vorenthalten kann, sich jedem hingibt, indem sie nur das als seiend weiß, was sie als empfindend weiß"*). Die Vernunft dagegen erbarmt sich der Thiere, nicht weil sie sich selbst in ihnen findet oder sie mit dem Menschen identificirt, sondern weil sie dieselben als vom Menschen unterschiedne, nicht nur um des Menschen willen eristirende, sondern auch

**) S. des Verfaffers Leibniß p. 182.

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als selbstberechtigte Wesen anerkennt. Das Herz opfert die Gattung dem Individuum, die Vernunft das Individuum der Gattung auf. Der Mensch ohne Gemüth ist ein Mensch, der keinen eignen Heerd hat. Das Gemüth ist das Hauswesen, die Vernunft die Res publica des Menschen. Die Vernunft ist die Wahrheit der Natur, das Herz die Wahrheit des Menschen. Populärer: die Vernunft ist der Gott der Natur, das Herz der Gott des Menschen — ein Unterschied, der übrigens in dieser Schärfe, wie auch die übrigen Unterschiede, nur in der Antithese Gültigkeit hat. Alles, was der Mensch wünscht, aber die Vernunft, aber die Natur versagt, gewährt ihm das Herz. Gott, Unsterblichkeit, Freiheit im supranaturalistischen Sinne eristiren nur im Herzen. Das Herz ist selbst die Existenz Gottes, die Eristenz der Unsterblichkeit. Begnügt euch mit dieser Eristenz! Ihr versteht euer Herz nicht das ist das Uebel. Ihr wollt eine factische, eine äußere, eine objective Unsterblichkeit, einen Gott außer euch. O welche Täuschung!

Aber wie das Herz den Menschen von den Schranken und zwar wesenhaften Schranken der Natur erlöst; so erlöst dagegen die Vernunft die Natur von den Schranken der äußerlichen Endlichkeit. Wohl ist die Natur das Licht und Maaß der Vernunft - dieß gilt gegen den naturlosen Idealismus. Nur was natürlich wahr, ist auch logisch wahr; was keinen Grund in der Natur, hat gar keinen Grund. Was kein physikalisches, ist auch kein metaphysisches Gesez. Jedes wahre Gesetz der Metaphysik läßt sich und muß sich physikalisch bewähren lassen. Aber zugleich ist auch die Vernunft das Licht der Natur dieß gilt gegen den geist- und vernunftlosen Materalismus. Die Vernunft ist die zu sich selbst gekommene, in integrum sich restituirende Natur der Dinge. Die Vernunft reducirt die Dinge aus den Entstellungen und Veränderungen, die sie im Drange der Außenwelt erlitten, auf ihr wahres Wesen zurück. Die meisten, ja fast alle Krystalle um in die Augen fallende Beweise zu geben kommen

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in der Natur in noch ganz andern Gestalten vor, als in ihrer Grundgestalt; ja viele Krystalle kommen nie in ihrer Grundgestalt zum Vorschein. Indeß die Vernunft der Mineralogie hat die Grundform ausgemittelt. Es ist daher nichts thörichter, als die Natur der Vernunft als ein ihr an sich unbegreifliches Wesen entgegenzuseßen. Wenn die Vernunft die veränderten und verunstalteten Formen auf die primitive Grundform zurückführt, thut sie nicht, was die Natur selbst im Sinne hatte, aber nur in Folge äußerer Hindernisse nicht ausführen konnte? Was thut sie also anders als daß sie die äußern Störungen, Einflüsse und Hemmungen beseitigt, um ein Ding so darzustellen, wie es sein soll, das Dasein der Jdee gleich zu machen; denn die Grundgestalt ist die Idee des Krystalls. Ein anderes populäres Beispiel. Der Granit besteht aus Glimmer, Quarz und Feldspath. Aber oft sind ihm noch andere Steinarten beigemengt. Hätten wir nur keine andern Führer und Docenten als die Sinne, so würden wir ohne Bedenken alle die Steine, die wir nur immer im Granit finden, auch zu ihm rechnen; wir würden zu Allem, was uns die Sinne vorsagten, Ja sagen und so nie zum Begriffe des Granits kommen. Aber die Vernunft sagt zu den leichtgläubigen Sinnen: Quod non. Sie unterscheidet; sie sondert die wesentlichen von den zufälligen Bestandtheilen. Die Vernunft ist die Hebamme der Natur, sie explicirt, sie läutert, fie corrigirt, ste berichtigt und ergänzt die Natur. Was nun das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Nothwendige vom Zufälligen, das Eigne vom Fremden sondert, was das gewaltsam Getrennte der Einheit und das gewaltfam Vereinte seiner Freiheit zurückgibt, ist das nicht göttlichen Wesens? solches Thun nicht das Thun der höchsten, der göttlichen Liebe? nicht das Thun einer erlösenden Macht? Und wie wäre es möglich, daß die Vernunft das lautere Wesen der Dinge, den Originaltert der Natur herstellte, wenn sie selbst nicht das lauterste, reinste, originalste Wesen wäre? Aber die Vernunft hat keine Vorliebe für diese oder jene Gat

tung der Dinge. Sie umfaßt mit "gleichem Interesse das ganze Universum: fie interessirt sich für alle Dinge und Wesen ohne Unterschied, ohne Ausnahme sie würdigt den Wurm, den der menschliche Egoismus mit Füßen tritt, der= selben Aufmerksamkeit, als den Menschen, als die Sonne am Firmament. Die Vernunft ist also das allumfassende, das allbarmherzige Wesen, die Liebe des Universums zu sich selbst. Nur der Vernunft ist das große Werk der Auferstehung und Apokatastasis aller Dinge und Wesen, der allgemeinen Erlösung und Versöhnung aufgetragen. Auch nicht das vernunftlose Thier, auch nicht die sprachlose Pflanze, auch nicht der gefühllose Stein soll von diesem Allerseligenfest ausgeschlossen sein. Aber wie wäre es möglich, daß sich die Vernunft für alle Wesen ohne Ausnahme interessirte, wenn die Vernunft nicht selbst unbeschränkten, universalen Wesens wäre? Ist es möglich, daß sich beschränktes Wesen mit unbeschränktem Interesse oder beschränktes Interesse mit unbeschränktem Wesen verträgt? Woraus erkennst Du denn die Beschränktheit des Wesens als eben aus der Beschränktheit des Interesses? So weit das Interesse, so weit erstreckt sich das Wesen. Unendlich ist der Wissenstrieb, unendlich also die Vernunft. Die Vernunft ist die oberste Wesensgattung - darum schließt sie alle Gattungen in das Gebiet des Wissens ein. Die Vernunft kann daher der Einzelne nicht in sich fassen; die Vernunft hat nur in der Gattung ihre adäquate Existenz und zwar in der Gattung, wie sie nicht nur in der Vergangenheit und Gegenwart bereits sich erplicirt hat, sondern auch in der uns unbekannten Zukunft noch expliciren wird. In der Vernunftthätigkeit fühle ich einen Unterschied zwischen mir und der Vernunft; dieser Unterschied ist die Gränze der Individualität; im Gefühl fühle ich keinen Unterschied zwischen mir und dem Herzen; mit dem Unterschied fällt auch das Gefühl der Beschränktheit hinweg. Daher kommt es, daß vielen Menschen die Vernunft endlich, nur das Gefühl unendlich zu sein scheint. In der That ist aber auch das Gefühl, das Herz

des Menschen als eines Vernunftwesens so unendlich, so allgemein als die Vernunft, indem der Mensch nur das wahrhaft vernimmt und versteht, wofür er Herz, Gefühl hat.

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Die Vernunft ist also das von den unwesentlichen Schranken gereinigte Wesen der Natur und des Menschen in ihrer Identität das allgemeine Wesen, der allgemeine Gott; das Herz aber, in seiner Differenz von der Vernunft gedacht, der Privatgott des Menschen. Gott ist das emancipirte, das von den Schranken, d. i. Gesezen der Natur erlöste Herz des Menschen. Das schrankenlose Herz ist das Gemüth, Gott das unbeschränkte Selbstgefühl des menschlichen Gemüthes. Damit kommen wir auf die Differenz von Herz und Gemüth. Das Gemüth im Einklang mit der Natur ist das Herz, das Herz im Widerspruch mit der Natur ist das Gemüth. Oder: das Herz ist das objective, realistische Gemüth, dieses das subjective, idealistische oder richtiger spiritualistische Herz. Die Thräne, welche die Braut Christi über ihren himmlischen Bräutigam vergießt, kommt aus dem Gemüthe, aber die Thräne der realistischen Braut über den irdischen natürlichen Bräutigam quillt aus dem Herzen. Das Gemüth ist transcendenten, übernatürlichen Wesens das kranke, das leidende, mit der Natur zerfallene, mit der Welt entzweite Herz *) — die Sehnsucht nach Gott und Unsterblichkeit, oder auch wirklich schon, wenn es mit Willenskraft die Negation der Welt vollbracht hat, keinen Widerspruch mehr empfindet, der überschwengliche Genuß himmlischer Seligkeit und Unsterblichkeit - die Entzückung bis in den Himmel. Das Herz anerkennt auch, was dem Herzen widerspricht, anerkennt die Macht des Schicksals, anerkennt auch den Tod der Geliebten,

*) Pascal nennt die Krankheit den natürlichen Zustand des Christen und Augustin (Sermones ad pop. p. 385. c. 7) das Leben im Fleische d. h. dieses wirkliche Leben eine ununterbrochene Krankheit.

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