صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

ruht. Aber eben so verkehrt ist es, wenn man aus puren speculativen, d. i. metaphysischen, abstracten Gründen die Incarnation deduciren will, denn die Metaphysik gehört nur der ersten Person an, die sich nicht incarnirt, keine dramatische Person ist. Eine solche Deduction ließe sich höchstens nur dann rechtfertigen, wenn man mit Bewußtsein aus der Metaphysik die Negation der Metaphysik deduciren würde.

Aus diesem Erempel erhellt, wie sich die genetisch - kritische oder empirisch - philosophische Methode, die Methode der neuen Philosophie von der Methode der alten speculativen Philosophie unterscheidet. Die neue Philosophie philosophirt nicht über die Menschwerdung als ein besonderes, stupendes Mysterium, wie die vom mystischen Scheine verblendete Speculation; sie zerstört vielmehr die Illusion, als stecke ein besonderes, übernatürliches Geheimniß dahinter; fie kritisirt das Dogma und reducirt es auf seine natürlichen, dem Menschen immanenten Elemente, auf seinen innern Ursprung und Mittelpunkt auf die Liebe.

Das Dogma stellt uns zweierlei dar: Gott und die Liebe. Gott ist die Liebe; was heißt aber das? Ist Gott noch Etwas außer der Liebe? ein von der Liebe unterschiednes Wesen? Ist es so viel, als wie ich auch von einer menschlichen Person im Affect ausrufe: sie ist die Liebe selbst? Allerdings, sonst müßte ich den Namen: Gott, der ein besondres, persönliches Wesen, ein Subject im Unterschiede vom Prädicat ausdrückt, aufgeben. Also wird die Liebe zu etwas Besondrem gemacht: Gott hat aus Liebe seinen eingebornen Sohn gesandt. Die Liebe wird so zurück und herabgesezt durch den dunkeln Hintergrund: Gott. Sie wird zu einer persönlichen, wenn auch wesenbestimmenden Eigenschaft; sie behält

daher im Geiste und Gemüthe, objectiv und subjectiv, den Nang nur eines Prädicats, nicht des Subjects, nicht der Substanz; sie verschiebt sich mir als eine Nebensache, ein Accidenz aus den Augen; bald tritt sie als etwas Wesentliches vor mich hin; bald verschwindet sie mir wieder. Gott erscheint mir auch noch in andrer Gestalt, als in der Liebe; auch in der Gestalt der Allmacht, einer finstern, nicht durch die Liebe gebundnen Macht, einer Macht, an der auch, wenn gleich in geringerem Maaße, die Dämone, die Teufel Theil haben.

So lange die Liebe nicht zur Substanz, zum Wesen selbst erhoben wird, so lange lauert im Hintergrunde der Liebe ein Subject, das auch ohne Liebe noch Etwas für sich ist, ein liebloses Ungeheuer, ein dämonisches Wesen, dessen von der Liebe unterscheidbare und wirklich unterschiedne Persönlichkeit an dem Blute der Keßer und Ungläubigen sich ergößt das Phantom des religiösen Fanatismus! Aber gleichwohl ist das Wesentliche in der Incarnation, obwohl noch gebunden an die Nacht des religiösen Bewußtseins, die Liebe. Die Liebe bestimmte Gott zur Entäußerung seiner Gottheit. *) Nicht aus seiner Gottheit als

*) So, in diesem Sinne feierte der alte unbedingte, begeisterungsvolle Glaube die Incarnation. Amor triumphat de Deo, sagt der h. Bernhard. Und nur in der Bedeutung einer wirklichen Selbstentäußerung, Selbstverläugnung der Gottheit liegt die Realität, die Vis der Incarna= tion, wenn gleich diese Selbstnegation an sich nur eine Phantasievorstellung ist, denn bei Lichte betrachtet negirt sich nicht Gott in der Incarnation, sondern er zeigt sich nur als das, was er ist, als ein menschliches Wesen. Was die Lüge der spätern rationalistisch - orthodoren und biblischpietistisch - rationalistischen Theologie gegen die wonnetrunknen Vorstellungen und Ausdrücke des alten Glaubens in Betreff der Incarnation vorgebracht, verdient keine Erwähnung, geschweige Widerlegung.

solcher, nach welcher er das Subject ist in dem Sage: Gott ist die Liebe, sondern aus der Liebe, dem Prädicat kam die Verläugnung seiner Gottheit; also ist die Liebe eine höhere Macht und Wahrheit, als die Gottheit. Die Liebe überwindet Gott. Die Liebe war es, der Gott seine göttliche Majestät aufopferte. Und was war das für eine Liebe? eine andere als die unfrige? als die, der wir Gut und Blut opfern? War es die Liebe zu sich? zu sich als Gott? Nein! die Liebe zum Menschen. Aber ist die Liebe zum Menschen nicht menschliche Liebe? Kann ich den Menschen lieben, ohne ihn menschlich zu lieben, ohne ihn so zu lieben, wie er selbst liebt, wenn er in Wahrheit liebt? Wäre sonst nicht die Liebe vielleicht teuflische Liebe? Der Teufel liebt ja auch den Menschen, aber nicht um des Menschen, sondern um seinetwillen, also aus Egoismus, um sich zu vergrößern, seine Macht auszubreiten. Aber Gott liebt, indem er den Menschen liebt, den Menschen um des Menschen willen, d. h. um ihn gut, glücklich, selig zu machen. Liebt er also nicht so den Menschen, wie der wahre Mensch den Menschen liebt? Hat die Liebe überhaupt einen Plural? Ist sie nicht überall sich selbst gleich? Was ist also der wahre, unverfälschte Tert der Incarnation, als der Tert der Liebe schlechtweg, ohne Beisaß, ohne Differenz von göttlicher und menschlicher Liebe? denn wenn es auch eine eigennüßige Liebe unter den Menschen gibt, so ist doch die wahre menschliche Liebe, die allein dieses Namens würdige, diejenige, welche dem Andern zu Liebe das Eigne aufopfert. Wer ist also unser Erlöser und Versöhner? Gott oder die Liebe? Die Liebe; denn Gott als Gott hat uns nicht erlöst, sondern die Liebe, welche über die Differenz von göttlicher und menschlicher Persönlichkeit erhaben ist. Wie Gott sich selbst aufgege

ben aus Liebe, so sollen wir auch aus Liebe Gott aufgeben; denn opfern wir nicht Gott der Liebe auf, so opfern wir die Liebe Gott auf, und wir haben troß des Prädicats der Liebe den Gott, das böse Wesen des religiösen Fanatismus.

Indem wir nun aber diesen Tert aus der Incarnation gewonnen, so haben wir zugleich das Dogma in seiner Unwahrheit dargestellt, das scheinbar übernatürliche und übervernünftige Mysterium auf eine einfache, dem Menschen an sich natürliche Wahrheit reducirt, eine Wahrheit, die nicht der christlichen Religion allein, sondern, implicite wenigstens, jeder Religion als Religion mehr oder minder angehört. Jede Religion, die auf diesen Namen Anspruch hat, sezt nämlich voraus, daß Gott nicht gleichgültig ist gegen die Wesen, die ihn verehren, daß also Menschliches ihm nicht fremd, daß er als ein Gegenstand menschlicher Verehrung selbst ein menschlicher Gott ist. Jedes Gebet enthüllt das Geheimniß der Incarnation, jedes Gebet ist in der That eine Incarnation Gottes. Im Gebete ziehe ich Gott in das menschliche Elend herein, ich lasse ihn Theil nehmen an meinen Leiden und Bedürfnissen, Gott ist nicht taub gegen meine Klagen; er erbarmt sich meiner; er verläugnet also seine göttliche Majestät, seine Erhabenheit über alles Endliche und Menschliche; er wird Mensch mit dem Menschen; denn erhört er mich, erbarmt er sich meiner, so wird er afficirt von meinen Leiden. Gott liebt den Menschen - d. h.: Gott leidet vom Menschen. Liebe ist nicht ohne Mitgefühl, Mitgefühl nicht ohne Mitleiden denkbar. Habe ich Theilnahme für ein empfindungsloses Wesen? Nein! nur für Empfindendes empfinde ich nur für das, was ich meines Wesens fühle, worin ich

mich selbst fühle, dessen Leiden ich selbst mitleide. Mitleiden sezt gleiches Wesen voraus. Ausdruck dieser Wesensununterschiedenheit Gottes vom Menschen ist die Incarnation, ist die Vorsehung, ist das Gebet. *)

Die Theologie freilich, welche die metaphysischen Verstandesbestimmungen der Ewigkeit, der Unbestimmbarkeit, Unveränderlichkeit und andere dergleichen abstracte, das Wesen des Verstandes ausdrückende Bestimmungen im Kopfe hat und festhält, die Theologie freilich läugnet die Leidensfähigfeit Gottes, läugnet aber eben damit auch die Wahrheit der Religion. **) Denn die Religion, der religiöse Mensch glaubt im Acte der Andacht des Gebetes an eine wirkliche Theilnahme des göttlichen Wesens an seinen Leiden und Bedürfnissen, glaubt an einen durch die Innigkeit des Gebetes, d. h. durch die Kraft des Herzens bestimmbaren Willen Gottes, 'glaubt an eine wirkliche, gegenwärtige, durch das Gebet bewirkte Erhörung. Der wahrhaft religiöse Mensch legt unbedenklich sein Herz in Gott; Gott ist ihm ein Herz, das für alles Menschliche empfänglich. Das Herz

Nos scimus affici Deum misericordia nostri et non solum respicere lacrymas nostras, sed etiam numerare stillulas, sicut scriptum in psalmo 56. Filius Dei vere afficitur sensu miseriarum nostrarum. Melanchthonis et aliorum (Declam. T. III. p. 286. p. 450.)

**) Der h. Bernhard hilft sich mit einem köstlich sophistischen Wortspiel: Impassibilis est Deus, sed non in compassibilis, cui proprium est misereri semper et parcere. (Sup. Cant. Sermo 26.) Als wäre nicht Mitleiden Leiden, freilich Leiden der Liebe, Leiden des Herzens. Aber was leidet, wenn nicht das theilnehmende Herz? Ohne Liebe keine Leiden. Die Materie, die Quelle des Leidens, ist eben das allgemeine Herz, das allgemeine Band aller Wesen.

« السابقةمتابعة »