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gethan, hat uns erlöst, versöhnt mit Gott; und es läßt sich daher hieraus der Schluß ziehen: Lasset uns fröhlichen Sinnes sein; was brauchen wir uns darüber zu kümmern, wie wir uns mit Gott versöhnen sollen; wir sind es ja schon. Aber das Imperfectum des Leidens macht einen stärkern, anhaltenderen Eindruck, als das Perfectum der Erlösung. Die Erlösung ist nur das Resultat des Leidens; das Leiden der Grund der Erlösung. Das Leiden befestigt sich daher tiefer im Gemüthe; das Leiden macht sich zu einem Gegenstande der Nachahmung; die Erlösung nicht. Wenn Gott selber litt um meinetwillen, wie soll ich fröhlich sein, wie mir eine Freude gönnen, wenigstens auf dieser verdorbnen Erde, welche der Schauplah seiner Leiden war?*) Soll ich besser sein als Gott? soll ich also sein Leiden mir nicht aneignen? Ist, was Gott, mein Herr thut, nicht mein Vorbild? Oder soll ich nur den Gewinn, nicht auch die Kosten tragen? Aber weiß ich denn nur, daß er mich erlöst hat? Ist mir seine Leidensgeschichte nicht auch Gegenstand? Soll sie mir nur ein Gegenstand kalter Erinnerung sein oder gar ein Gegenstand der Freude, weil dieses Leiden mir die Seligkeit erkauft? Aber wer kann so denken, wer sich ausschließen wollen von den Leiden seines Gottes?

Die christliche Religion ist die Religion des Leidens. **) Die Bilder des Gekreuzigten, die uns heute noch in allen

*) Deus meus pendet in patibulo et ego voluptati operam dabo? (Form. hon. vitae. Unter den unächten Schriften des h. Bernhard.) Memoria crucifixi crucifigat in te carnem tuam. Joh. Gerhard. (Medit. sacrae. M. 37.)

**),,Uebles leiden weit besser ist, als gutes thun." Luther. (Th. IV. S. 15.)

Kirchen begegnen, stellen uns keinen Erlöser, sondern nur den Gekreuzigten, den Leidenden dar. Selber die Selbstkreuzigungen unter den Christen sind psychologisch tief begründete Folgen ihrer religiösen Anschauung. Wie sollte dem nicht die Lust kommen, sich selbst oder Andere zu kreuzigen, der stets das Bild eines Gekreuzigten im Sinne hat? Wenigstens sind wir zu diesem Schlusse eben so gut berechtigt, als Augustin und andere Kirchenväter zu dem Vorwurf gegen die heidnische Religion, daß die unzüchtigen religiösen Bilder der Heiden fie zur Unzucht aufforderten und autorisirten.

Gott leidet, heißt aber in Wahrheit nichts anders als: Gott ist ein Herz. Das Herz ist die Quelle, der Inbegriff aller Leiden. Ein Wesen ohne Leiden ist ein Wesen ohne Herz. Das Geheimniß des leidenden Gottes ist daher das Geheimniß der Empfindung. Ein leidender Gott ist ein empfindender, empfindsamer Gott.*) Aber der Saz: Gott ist ein empfindendes Wesen, ist nur die religiöse Periphrase des Sazes: die Empfindung ist absoluten; göttlichen Wesens.

Der Mensch hat nicht nur das Bewußtsein einer Thätigkeitsquelle, sondern auch Leidensquelle in sich. Ich empfinde; und empfinde die Empfindung, nicht blos das Wollen, das Denken, welches nur zu oft im Gegensaße mit mir und meinen Empfindungen steht, als zu meinem Wesen gehörig, und, obwohl als die Quelle aller Leiden und Schmerzen, doch zu=

*) Pati voluit, ut compati disceret, miser fieri, ut misereri disceret. Bernhard (de grad.) Miserere nostri, quoniam carnis imbecillitatem, tu ipse eam passus, expertus es. Clemens Alex. Paedag. 1. I. c. 8.

gleich als eine herrliche, göttliche Macht und Vollkommenheit. Was wäre der Mensch ohne Empfindung? Sie ist die musikalische Macht im Menschen. Aber was wäre der Mensch ohne Ton? So gut daher der Mensch einen musikalischen Trieb, eine innere Nöthigung in sich fühlt, im Tone, im Liede seine Empfindungen auszuhauchen, so nothwendig strömt er in religiösen Seufzern und Thränen das Wesen der Empfindung als gegenständliches, göttliches Wesen aus.

Die Religion ist die Reflexion, die Spiegelung des menschlichen Wesens in sich selbst. Was ist, hat nothwendig einen Gefallen, eine Freude an sich selbst, liebt sich und liebt sich mit Recht; tadelst Du, daß es sich liebt, so machst Du ihm einen Vorwurf darüber, daß es ist. Sein heißt sich behaupten, sich bejahen, sich lieben; wer des Lebens überdrüßig, nimmt sich das Leben. Wo daher die Empfindung nicht zurückgesezt und unterdrückt wird, wie bei den Stoikern, wo ihr Sein gegönnt wird, da ist ihr auch schon religiöse Macht und Bedeutung eingeräumt, da ist sie auch schon auf die Stufe erhoben, auf welcher sie sich in sich spiegeln und reflectiren, in Gott in ihren eignen Spiegel blicken kann. Gott ist der Spiegel des Menschen.

Was für den Menschen wesentlichen Werth hat, was ihm für das Vollkommne, das Treffliche gilt, woran er wahres Wohlgefallen hat, das allein ist ihm Gott. Ist Dir die Empfindung eine herrliche, so ist sie Dir per se eine göttliche Eigenschaft. Darum glaubt der empfindende, gefühlvolle Mensch nur an einen empfindenden, gefühlvollen Gott, d. h. er glaubt nur an die Wahrheit seines eignen Seins und Wesens, denn er kann nichts andres glauben, als was er selbst in seinem Wesen ist. Sein Glaube ist das Be

wußtsein dessen, was ihm heilig ist; aber heilig ist dem Menschen nur, was sein Innerstes, sein Eigenstes, der lezte Grund, das Wesen seiner Individualität ist. Dem empfindungsvollen Menschen ist ein empfindungsloser Gott ein leerer, abstracter, negativer Gott, d. h. Nichts, weil ihm das fehlt, was dem Menschen werth und heilig ist. Gott ist für den Menschen das Collectaneenbuch seiner höchsten Empfindungen und Gedanken, das Stammbuch, worein er die Namen der ihm theuersten, heiligsten Wesen einträgt.

Es ist ein Zeichen einer haushälterischen Gemüthlichkeit, ein weiblicher Trieb, zu sammeln und das Gesammelte zusammenzuhalten, nicht den Wogen der Vergeßlichkeit, dem Zufall der Erinnerung, überhaupt nicht sich selbst zu überlassen und anzuvertrauen, was man Werthes hat kennen lernen. Der Freigeist ist der Gefahr eines verschwenderischen, zerstreuten, dissoluten Lebens ausgesetzt; der Religiöse, der Alles in Eins zusammenbindet, verliert sich nicht im sinnlichen Leben; aber dafür ist er der Gefahr der Jlliberalität, der geistlichen Selbst- und Gewinnsucht ausgeseßt. Der Fr- oder wenigstens nicht Religiöse erscheint daher auch, wenigstens dem Religiösen, als ein subjectiver, eigenmächtiger, hochmüthiger, frivoler Mensch, aber nicht deßwegen, weil diesem nicht auch an sich heilig wäre, was jenem heilig ist, sondern nur deßwegen, weil das, was der nicht Religiöse nur in seinem Kopfe behält, der Religiöse außer sich als Object und zugleich über sich seßt, daher das Verhältniß einer förmlichen Subordination in sich aufnimmt. Kurz der Religiöse hat, weil ein Collectaneenbuch, einen Sammelpunkt, einen Zweck, und weil einen Zweck, einen festen Grund und Boden. Nicht der Wille als solcher, nicht das vage Wissen nur die

Zweckthätigkeit, welche die Einheit der theoretischen und praktischen Thätigkeit ist, gibt dem Menschen einen fittlichen Grund und Halt, d. h. Charakter. Jeder Mensch muß sich daher einen Gott, d. h. einen Endzweck sehen. Der Endzweck ist der bewußte und gewollte wesentliche Lebenstrieb, der Genieblick, der Lichtpunkt der Selbsterkenntniß die Einheit von Natur und Geist im individuellen Menschen. Wer einen Endzweck, hat ein Gesez über sich; er leitet sich nicht selbst nur; er wird geleitet. Wer keinen Endzweck, hat keine Heimath, kein Heiligthum. Größtes Unglück ist Zwecklofigkeit. Selbst wer sich gemeine Zwecke sezt, kommt besser durch, auch wenn er nicht besser ist, als wer keinen Zweck sich sezt. Der Zweck beschränkt; aber die Schranke ist der Tugend Meifterin. Wer einen Zweck hat, einen Zweck, der an sich wahr und wesenhaft ist, der hat darum eo ipso Religion, wenn auch nicht in dem beschränkten Sinne der gemeinen Religion, aber doch und nur darauf kommt es an— im Sinne der Vernunft, im Sinne der universellen, der allein wahren Liebe.

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VII. Kapitel.

Das Mysterium der Trinität und Mutter Gottes.

So wenig ein Gott ohne Empfindung, ohne Leidensvermögen dem Menschen als einem empfindenden, leidenden Wesen genügt; so wenig genügt ihm auch wieder ein Wesen nur mit Empfindung, ein Wesen ohne Verstand und Willen. Nur ein Wesen, welches den ganzen Menschen in sich trägt, kann auch den ganzen Menschen befriedigen. Das Bewußt

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