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wie leicht wird sich da auch praktisch das Bewusstsein der eigenen Sünde und Schuld mit dem schmerzlichen Gefühl der an der kreatürlichen Individualität als solcher haftenden Insufficienz vor Gott vermischen und in dasselbe auflösen! Oder sollen diess entfernt liegende Konsequenzen sein? Vielmehr brechen sie nothwendig hervor, so wie man an metaphysische, von Willen und Freiheit unabhängige Verhältnisse - und dergleichen ist doch diese abstrakte Einzelmenschheit, in der wir uns ursprünglich finden unmittelbar ethische Prädikate knüpft, in der Meinung sie dadurch zu ethisiren; diese Vertauschung schlägt unvermeidlich in das Gegentheil um, die ethischen Bestimmungen gehen in bloss metaphysischen zu Grunde. Man kann dann in der That zweifelhaft werden, ob es nicht unter diesen Voraussetzungen ein Fortschritt wäre das schlechthin ursprüngliche Angelegtsein der Menschheit auf die Menschwerdung des Sohnes Gottes nach der im ersten Artikel erörterten Schleiermacherschen Theorie so zu fassen, dass die Stinde selbst in diese teleologische Beziehung der Menschheit auf Christum mitaufgenommen wird als ein um der Menschwerdung willen und als Antrieb zu ihrer innigen Aneignung Geordnetes. Den Vortheil wenigstens würde man damit gewinnen, dass dann eine lebendigere Darlegung des ethischen Gegensatzes im Leben der Menschheit nach seiner eigenthümlichen Bedeutung und eine höhere Würdigung der soteriologischen Begriffe möglich ist.

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Forschen wir nun nach dem Anfang dieser Verwickelungen in einem Werke, welches über die letzten Gründe der Trinität wahre und tiefgeschöpfte Gedanken ausspricht, und dessen fördernde Bedeutung auch für die dogmatische Gestaltung der Christologie wir trotz des hier eingelegten Widerspruches freudig anerkennen, so finden wir ihn in einem metaphysischen Grundgedanken, von dessen Zauber wir auch manche andere Geister auf verwandten theologischen Standpunkten beherrscht sehen. Es ist diess, dass zum Ausgangspunkt für die spekulative Konstruktion der Christologie das Verhältniss der Begriffe: Gattung und Individuum, und

das darauf gegründete Postulat eines in metaphysischem Sinne zugleich universalen Individuums gemacht wird. Ich meinestheils kann meine Ueberzeugung nicht bergen, dass diess einer jener Vexirwege ist, die den Wanderer immer mit dem Scheine des wahren Zieles necken und ihn doch niemals dahin führen. Desshalb dürfte es der Theologie nützlich sein sich zu erinnern, wer sie in der Christologie auf diesen Weg verlockt hat - eine auf pantheistischer Grundlage ruhende Philosophie und eine Anwendung derselben auf das Christenthum im Sinne des entschiedensten Gegensatzes gegen sein historisch verstandenes Wesen. Allerdings muss alle Spekulation im Geiste des wahren Theismus die adäquate Verwirklichung der Idee der Menschheit im Individuum postuliren 1); allein diese Idee ist die ethische, das religiöse Princip natürlich eingeschlossen, und diese Verwirklichung ist möglich innerhalb der engen Schranken des natürlichen Talentes und der äussern Thätigkeit, wie sie den menschlichen Individuen überall, wenngleich in verschiedener Enge und Weite, gesetzt sind; die Enge dieser Schranken ist auf keine Weise ein Hinderniss für den Einzelnen sich an seinem Orte als ein vollkommener Gottmensch, als ein ganz vom göttlichen Leben erfülltes Organ Gottes darzustellen. Aus der Nothwendigkeit dieser Verwirklichung ist also das Postulat eines solchen Universalindividuums, eines schlechthin allgemeinen Einzelwesens, welches die Totalität der menschlichen Natur in sich trägt, oder in welches, nach einem andern Ausdruck, die Idee der Menschheit ihre ganze Fülle ausgeschüttet hat, durchaus nicht abzuleiten; dass der Sohn des Menschen dies oder jenes Talent nicht besitzt, welches in der Totalität der menschlichen Natur seine Stelle hat, das kann seine Urbildlichkeit eben so wenig beeinträchtigen, als dass er

1) Den Grund giebt Ullmann kurz und treffend an in seiner Abbandlung: Polemisches in Betreff der Sündlosigkeit Jesu, Studien und Krit. 1842 S. 707. Darzulegen, wie die aus der formalen Freiheit hiergegen sich erhebende Schwierigkeit aufzulösen ist, würde hier zu weit führen.

nicht in alle Verhältnisse des menschlichen Lebens eingetreten ist, nicht einmal in alle, denen eine universale Bedeutung zukommt. Allerdings sind diese Naturschranken des Geschlechtscharakters, der Nationalität, der besondern Anlage u.s. w., wie sie in ihm gesetzt sind durch die volle Wahrheit seiner menschlichen Natur, seiner Abstammung von Maria, seiner Mutter, zugleich ideell aufgehoben durch die absolute Grösse seines Berufes und durch die erhabene Einfachheit seines ganz und unverrückt daraufg erichteten Geistes; allein das ist etwas ganz Anderes als diese metaphysische Koncentration aller Momente der Totalität in ihm als Centralindividuum und Mikrokosmos der Menschheit. Liebner weist hier, wie Andere vor ihm, natürlich ab, dass Christus actu zugleich der grösste Staatsmann, Künstler, Gelehrte u. s. w. gewesen sein müsse; aber doch soll das Princip des wahren Künstlers, Staatsmannes u. s. w. in ihm gelegen haben 1). Diess ist zweideutig; es kann bedeuten, dass die Religion, das Leben des Geistes in der Gemeinschaft mit Gott das höchste, allumfassende und allvereinende Princip aller dieser Thätigkeiten ist, dass sie in ihrer Vollkommenheit nicht möglich sind, ohne aus dem Alles erneuernden und Alles verklärenden Quell der Religion hervorzugehen; es kann aber auch heissen sollen, dass Christo die besondern Anlagen und Begabungen, durch welche jene Thätigkeiten bedingt sind, wenn auch nur ihren Grundbestimmungen nach zuzuschreiben seien. In dem ersten Sinne sind wir mit diesem Satze vollkommen einverstanden, aber er enthält dann auch nichts, was über das Urtheil, dass die Religion in Christo schlechthin vollendet ist, hinausginge; in dem andern Sinne müssen wir ihn aus den obigen Gründen als eine willkürliche Forderung zurückweisen. - Soll aber die Forderung Eines Individuums, in welches der Gattungsbegriff seine ganze Fülle ausschütte, auf den Realismus der scholastischen Philosophie gestützt werden, so hat Strauss in seiner „,christlichen Glaubenslehre" gegen Göschel zur Genüge dargethan, welche arge

1) A. a. O. S. 316.

Missverständnisse und Verwechselungen dabei unterlaufen; wie denn auch die realistischen Scholastiker selbst an eine solche Anwendung ihres Grundsatzes gar nicht gedacht, vielmehr in der Lehre von der Person Christi Bestimmungen angenommen haben, die damit unvereinbar sind. Auch Liebner könnte sich diese Anwendung schon darum nicht aneignen, weil nach ihm ja das schlechthin allgemeine Individuum" der Menschheit nicht ursprünglich angehören kann, sondern aus einer höheren Sphäre herabkommen muss 1), und weil hiernach das schlechthin allgemeine Individuum doch unmöglich der hypostatisch subsistirende Begriff der menschlichen Gattung sein kann; wiewohl diess leider wieder schwankend gemacht wird durch andere Bestimmungen, die wir hier nicht verfolgen wollen.

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Und hier sei es mir erlaubt zur Vermeidung von Missverständnissen eine Bemerkung einzuschalten. In der Beleuchtung des Gedankens, der uns beschäftigt, sind wir schon einigemal auf Konsequenzen desselben gestossen, welche die Fundamente christlich-theistischen Glaubens hart verletzen. Ich bin nun weit entfernt den Freunden dieser Lehre, mit denen ich mich durch die Gemeinschaft bauender Thätigkeit auf demselben religiösen Grunde im Geiste evangelischer Freiheit verbunden weiss, diese Konsequenzen unterschieben zu wollen, sondern bin vielmehr überzeugt, dass es im Zusammenhange ihrer Ansicht nicht an Vorkehrungen zur Abwehr derselben fehlen wird. Es kann nun gewiss der theologischen Verständigung über den Glauben der christlichen Kirche an den menschgewordenen Gottessohn nur förderlich sein, wenn diese Vorkehrungen sich bestimmt darlegen, damit wir uns über ihre Tüchtigkeit ein Urtheil bilden können. Und so will diese Untersuchung überhaupt nichts weiter sein als eine Anregung zur erneuerten Revision jener christologischen Theorie auf der Grundlage des christlich-theistischen Princips und, wenn es möglich ist, zur Erledigung der hier aufgestellten Bedenken;

1) A. a. O. S. 59.

und eben dieser Zweck ist es, der dieselben scharf und bestimmt hervorzuheben gebot. Lassen sie sich in ihrem Ungrunde darthun, versteht sich, auf der eben bezeichneten Basis, so möchte der Verfasser dieser Abhandlung nicht gern der Letzte sein in der Aneignung einer Ansicht, deren eigenthümliche Vortheile für die wissenschaftliche Konstruktion der christlichen Lehre er vollkommen zu schätzen weiss 1).

Wir fahren in unserer Auseinandersetzung über das Verhältniss von Gattung und Individuum, Idee und Wirklichkeit fort und fragen, wie sich denn nun unter Voraussetzung der oben ausgesprochenen Anerkennung, dass dem in der Idee der Menschheit enthaltenen sittlichen Urbilde seine adäquate Verwirklichung im Individuum nicht fehlen könne, das Urtheil über den Satz stellt, dass der Sohn Gottes auch ohne Dazwischen

1) Dorner in seiner Entwicklungsgeschichte der Lehre von der Person Christi II, S. 1245 ff. geht bei den polemischen Bemerkungen, die er dieser Abhandlung entgegensetzt, in letzter Beziehung ebenfalls von der Idee der Menschheit als eines Ganzen aus, von dem göttlichen Gedanken einer geschlossenen Zahl von menschlichen Persönlichkeiten, die zusammen ein Ganzes zu bilden bestimmt sind. Diese Idee der Menschheit, die in der heil. Schrift nicht unmittelbar gegeben ist, scheint mir aber wenig geeignet, um einer Kritik der Vorstellungen von der Menschwerdung des Logos zum Grunde gelegt zu werden. Denn wie diese Idee sich zu der biblischen Lehre von der xxiŋoia Χριστοῦ verhält und wie wiederum diese biblische ἐκκλησία zu der Fülle der Individuen, die dieser Kirche nur äusserlich angehören, ohne den Glauben und die Gesinnung, welche ihr wesentlich sind, im Geringsten zu theilen, ob und durch welche Vermittelungen diese Individuen Glieder der Kirche oder des Reiches Gottes sind, ob endlich und durch welche Vermittelungen Reich Gottes und Menschheit einander gleich werden sollen, das Alles sind unerledigte Probleme, welche doch erst in's Klare gebracht sein mussten, um jenen Gebrauch dieser Idee zu gestatten. Was aber die biblische Stelle von den zwei Adams betrifft, welche Dorner gegen die hier dargelegte Ansicht von dem einigen Grunde der Menschwerdung des Sohnes Gottes anführt, 1 Kor. 15, 44-49, so glaube ich schon oben S. 91 gezeigt zu haben, dass diese Stelle keineswegs ein Zeugniss für einen andern allgemeineren Grund dieser höchsten Thatsache ist.

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