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sind es höchstens zwei, die dieses Lob beanspruchen können, das Benediktiner Stift Sanct Ulrich und Afra in Augsburg und das Kloster Ottobeuren.

Von dem erstern wissen wir bestimmt, daß diese Kunst sogleich mit der Gründung im Jahre 1012 in dasselbe durch Mönche aus Tegernsee und Sanct Gallen, die darin für die ersten Meister galten, einzog und fortan eifrigst gepflegt wurde. Nicht so zuverläßig möchte das von dem Kloster Ottobeuren nachzuweisen sein, dessen Handschriften bei der Säcularisation leider sehr zerstreut wurden, so daß die hiesige Bibliothek nur zwei ältere lat. Codices aus demselben besitzt *), während weitaus die größte Anzahl des hiesigen Handschriftenschatzes **) aus dem Kloster Sanct Ulrich und Afra stammt. Es dürfte demnach nicht allzu gewagt erscheinen, wenn wir aus diesen und später noch beizubringenden Gründen den Schreiber der Handschrift in diesem Kloster suchen.

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Diese Quarthandschrift bestund aus Lagen von 8 Blättern von dickem, sammetartigem, rauchig gelblichem Pergament. Die erhaltenen Fragmente gehörten dem ersten Quaterne an und bildeten darin die Blätter 2, 4, 5 und 7. Blatt 7 hat bei der Ablösung Schaden gelitten, weshalb der Text nur theilweise zu entziffern war. Der Gesammttext dieser 4 Blätter umfasst 581 Verszeilen ***), welche aber nicht abgesetzt, sondern fortlaufend wie Prosa geschrieben sind, jedoch so, daß die einzelnen Verszeilen durch Punkte bezeichnet werden.

Wegen des auf allen Seiten freigelassenen breiten Randes enthält jede Seite nicht mehr als 27 Zeilen. Die größern Abschnitte des Gedichtes beginnen abwechselnd mit rothen, blauen und grünen, zwei, bisweilen drei Zeilen hohen Anfangsbuchstaben, während die Anfangsbuchstaben der kleinern nur abwärts roth durchstrichen sind.

*) Und selbst von diesen ist nicht bestimmt nachzuweisen, ob sie unmittelbar aus dem Ottobeurer Kloster in die hiesige Bibliothek gekommen seien.

**) Derselbe findet sich verzeichnet in: G. C. Mezgers Geschichte der vereinigten königl. Kreis- und Stadtbibliothek in Augsburg. Augsburg 1842. S. 53–128.

***) Nach der Berliner Handschrift, herausgegeben von Hoffmann im 2. Bande seiner Fundgrube, vertheilen sie sich in folgender Weise:

I. Seite 148, 37 bis Seite 150, 21,

II. Seite 152, 14 bis Seite 155 und

III. Seite 158, 1 bis Seite 159, 27.

Nach der Wiener Handschrift, herausgegeben von Jul. Feifalik, bilden sie:

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Der Schreiber kannte keine Abbreviaturen *), keine Interpunctionsnoch Theilungszeichen. Accente zur Bezeichnung langer Silben kommen höchst selten vor, und wo sie gesetzt sind, scheinen sie von einer spätern Hand herzurühren.

Er kannte ferner keine Schluß-8, sondern an- wie aus- und inlautend nur langes, und keine Punkte über dem i.

v und u wechseln, doch ist v vorherrschend.

Selten schreibt er statt des gewöhnlichen das sogenannte französische, und das nur nach dem Vocale o, also: or.

Wie die eben angegebenen Merkmale, so deuten namentlich auch der runde Ductus der mit einem scharfen abschneidenden Querstrich versehenen Buchstaben (gothische Minuskel), so wie der Charakter der farbigen großen Anfangsbuchstaben eher auf einen Schreiber des 12. als des 13. Jahrhunderts.

Während schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts in Folge der höfischen Epik nach Veldeke's, Hartmann's etc. etc. Vorgang ein großes Gewicht auf die Technik des metrischen Baues, auf kunstvolle und genau gemessene Verse und reine Reime gelegt wird, finden sich dagegen im Texte unserer Fragmente Schluß- und andere Verse mit 5, 6 und mehr Hebungen, so wie eine überwiegend große Anzahl assonierender Reime, welche im 13. Jahrhundert strenge verpönt waren **). Würde demnach die hiesige Handschrift dem 13. Jahrhundert angehören, so ist wohl mit Gewissheit anzunehmen, daß entweder vom Schreiber oder von einer andern kundigen Hand diesen groben Verstößen gegen die höfische Epik durch Auflösung der Assonanzen und Umwandlung in regelrechte Verse würde abgeholfen worden sein, wie das beim Wiener Codex nur zu sichtlich der Fall ist.

Einen weitern Beweis für das höhere Alter und die Ursprünglichkeit des Textes der hiesigen Fragmente finde ich, im Gegensatze zu Feifalik, in den von ihm sogenannten Erweiterungen des Textes unserer Fragmente gegenüber der Einfachheit und Kürze, um derer willen er dem Wiener Codex die erste Stelle einzuräumen sich verleiten ließ und aus diesem Grunde in demselben, den übrigen gegenüber, die ursprünglichste und ächteste Fassung erkennen zu müssen glaubte.

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*) Ausgenommen vñ und dz, und daß u nach w fehlt, wie: wcher, wnder. **) Z. B.: 8 u. 9. rede: wege. 26. blöme: rowe. 28. michel sicher. 30. svn : wistom. 36. sele: here. 44. anger: stangen. 88. getrõben: genügen. 90. lere sele. 106. Jacobe : hohe. 145. tibe: frasûme. 233. gâbe: benême (für gabe wohl gabe zu lesen) etc. Auf 420 Verse 54 Assonanzen; demnach auf 8 Verse je ein assonierender Reim.

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Diese Erweiterungen sind nicht etwa Zusätze einer spätern Zeit, sondern ursprünglich und vollberechtigt, denn sie enthalten historische Hinweisungen auf kirchliche Zustände des 12. Jahrhunderts.

Recht deutlich zeigt sich dieses, wenn wir 46-48 und 72-84 betrachten. In beiden Stellen eifert der Dichter gegen den irretuom, d. h. gegen ketzerische Lehren. Er bezeichnet dieselben allgemein als manichäische Irrthümer. In der That aber meint er damit die vom hl. Bernhard von Clairvaux im Jahre 1140 ausgegangene Opposition gegen das Dogma von der Conceptio immaculata Deiparae, die auch zu seiner Zeit noch viele Anhänger zählte. Als ein orthodoxer Priester tritt er darum als Polemiker für die Kirche in die Schranken und will durch seine Dichtung dem Dogma zu Geltung und Ansehen verhelfen. Nur von diesem Gesichtspunkte aus, meine ich, erhält die Stelle ih weiz dez tiwiles strit

diche winthalsen gît,
bozes nit becchen
aitergez hecchen

der vnwirdischen diet
daz sie schelten div liet,
Idiv in wislicher ahte
vergelten niemen mahte

mit grozim gote widerwegen.

ih wæne sie den floch vvr den segen
von gote enphahent

die sih daran vergahent (= 55-67)

ihre richtige Erklärung, Sinn und Bedeutung. Nur auf diese Weise kann man sich die Polemik des Dichters erklären und sie berechtigt und zeitgemäß finden. Um diesen Zweck zu erreichen, wendet er sich zunächst an den geistlichen Stand in den Klöstern und widmet diesem seine Dichtung Mönchen und Nonnen

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dz si ez alle mizen lesen,
die gotes kint wellen wesen;

vñ och mνzen scowen

phaffen vñ frowen. (= 10-13)

Fragt man sich nun, was den Abschreiber oder, besser gesagt, den Überarbeiter der Wiener Handschrift bewogen habe, diese polemisierenden Stellen auszulassen, so wird die Antwort einfach nur dahin lauten können, er fand diese Polemik zu seiner Zeit, wo das Dogma wieder zu Geltung gelangt war, nicht mehr zeitgemäß und am Platze. Zu Anerkennung gelangte es aber erst um die zweite Hälfte des

13. Jahrhunderts, wesshalb Pfeiffer und Bartsch auch schon aus diesem Grunde in vollem Rechte wären, wenn sie der Überarbeitung des Marienliedes, wie sie in der Wiener Handschrift vorliegt, ihre Stelle erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts anweisen.

Daß der Benediktiner Orden bereits im 12. Jahrhundert einen besondern Eifer und Thätigkeit für Aufrechthaltung dieses angefochtenen Dogmas entwickelt habe, ist eine bekannte Thatsache.

In den Klöstern dieses Ordens, wo man vor allem bemüht gewesen sein wird, sich möglichst bald Abschriften des Wernherschen Marienlebens zum Vorlesen zu verschaffen, wird man auch die ältesten Handschriften dieses Gedichtes zu suchen haben. Aber kaum dürfte das irgendwo früher der Fall gewesen sein, als in dem Stifte St. Ulrich und Afra, dessen Äbte mit den Augsburger Bischöfen, gerade zu der Zeit, wo Wernher sein Marienlied dichtete, wetteiferten, den der Verehrung der hl. Jungfrau geweihten Festen durch eine erhabenere Feier und glanzvollere Begehung derselben eine höhere Würde und kirchliches Ansehen zu verschaffen. Zum Belege für diese Behauptung verweise ich auf die unten angeführten Stellen, welche ich dem: ‚Catalogus Abbatum Monasterii S. S. Udalrici et Afrae Augustensis' des Fr. Wilhelm Wittwer (Ende des 15. Jahrhunderts) entnommen habe. Sie finden sich im 1. Hefte des 3. Bandes des ,Archivs für die Geschichte des Bisthums Augsburg vom Domcapitular Anton Steichele' *). Und diese Wahrnehmungen sind es vorzugsweise, die mich bestimmten, diese Handschrift gerade einem Schreiber dieses Klosters zuzuweisen und zugleich darin einen weiteren Beweis für das höhere Alter und die Ursprünglichkeit derselben zu finden.

Ich habe oben unter den Vorzügen der hiesigen Fragmente namentlich die Correct heit derselben hervorgehoben. Wenn ihnen hierin keine der übrigen Handschriften und Fragmente gleichkommt, so sind sie doch auch nicht ganz frei von Schreibfehlern, z. B. 34. notdufte. 224 clagelige. 244 maisterscehfte. 245 genedichate. 259 schut für spht. 315 gesvrdert für gesundert, 317 wolle für volle. 320 u. 322 begunge, während anderwärts begunde etc. etc. Es sind ihrer aber im

*) So klagt Abt Udalscalcus † 1148: Serpunt exsangues hæresis vel scismatis angues, Exacuunt dentes perversum dogma tenentes.' Und von Abt Udalrich de Castro Biberbach † 1176 heißt es: Hic diem annunciationis b. Mariæ Virginis in summis celebrari jussit.' Und Abt Hainricus † 1183: 'Conceptionem sive festum Sancte Dei genetricis Marie consilio et hortatu fratrum et auctoritate et precepto Domini Conradi, Archiepiscopi Moguntini, et voluntate Udalscalci, Episcopi Augustensis, celebrem apud nos et nostro monasterio in summis celebrari jussit.' a. a. O. Seite 109. 131. 144.

Ganzen so wenige und so unbedeutende, daß ich füglich darüber hätte hinweggehen können, wenn nicht der gewichtige Umstand damit verbunden und zu erwähnen wäre, daß mehrere derselben von einer gleichzeitigen und wie es scheint andern Hand theils durch überschriebene Buchstaben verbessert, theils durch unterschriebene Punkte angedeutet worden sind. Offenbar liegt diesen Verbesserungen das löbliche Bestreben zu Grunde, eine möglichst getreue Copie von dem originalen Texte der Vorlage zu erhalten. Wie nun, wenn die Vorlage das Original des Dichters gewesen wäre? Der Fleiß und die Liebe, die der Schreiber auf die schöne Ausstattung der Handschrift verwendete, die Gewissenhaftigkeit und Treue, womit er sie copierte, so wie die bessernde Hand lassen eine derartige Vermuthung zu.

Um so auffallender ist es daher, daß die von K. Bartsch aufgefundenen Fragmente, die, wie die Vergleichung zeigt, zweifellos auf die Benützung einer und derselben Quelle wie die hiesigen zurückweisen, so sehr an Incorrectheit leiden *).

Es zeigt sich indess bei näherer Prüfung bald, daß diese Mängel ihren Grund nur in der Handwerksmäßigkeit und Gedankenlosigkeit des Abschreibers haben. Man vergleiche beispielsweise nur folgende Stellen:

Augsburger Fragmente:

Bartsch's Fragmente:

von siner wunneclichen cronen.
und ein schade der gar verwindet.
harte hilt sie den lip.

ir sin fuor als ein wedele.
tut vor deme winde daz loup.
di tochter ist herlich.

ir wart nie kein vrowe glich.

183. von siner wnneclichen chonen: 199. vñ ain scahte der gar verswindet: 208. harte chelte sie ir lip: 324. ir sin vor en wedele: 325. sam von dem winde daz lŏp: 561. din tohter ist hêr un wîch: 562. ir ne wart nie niemen gelich: Der Text des Docenschen Fragmentes (B) hat bisher für den ältesten und ursprünglichsten gegolten. Bartsch hat ihm deswegen, wo er sich in der Germania a. a. O. über das Verhältniss der verschiedenen Textesrecensionen ausspricht, die erste Stelle neben seinen Fragmenten (C) angewiesen **), und Hoffmann will (Fundgruben 2. Bd.) in ihm sogar das Original des Dichters erkennen. Nun stimmen aber sprachlich wie orthographisch die hiesigen Fragmente mit dem Docenschen Texte vielfach zusammen.

*) Ich konnte diese Vergleichung nur nach dem Nachtrage anstellen, in welchem Feifalik S. 189 ff. die Lesarten dieser Fragmente mittheilt. Es kommen dabei 401-564 und 813-887 in Betracht.

**) Sieh Germania 6, 117.

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