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Empfindung besitzt nie jenes schöpferische Vermögen, aus welchem die erwähnten Volkssagen selbst entsprungen sind. Der wassergesättigte Gips, gewöhnlich Mondmilch genannt, heißt beim Älpler Bergziger; nicht bloß daß man diese milchig aussehende Erde früherhin häufig aß und gleich der Milchspeise des Zigers zubenannte, der Entlebucher Senne glaubt bestimmt, daß die Mondmilch und die übrige Milch seiner Herde dem günstigen Einflusse des Mondes zuzuschreiben sei. Naturmythen, pag. 252. Zu derselben Anschauung führt der Volksglaube mit seinem Hundert von Erbsätzen. Man darf, heißt es, mit dem Finger nicht in den Himmel deuten, sonst greift man einem Engel ins Auge; im Felde soll man den Heurechen nicht mit der Zahnreihe gegen Himmel legen, bei Tische das Messer nich: nach oben gekehrt, denn alles dies. sticht in den Himmel. Die Räuber legen beim Essen die Spitze des Messers umgekehrt gegen sich; der Jäger aber von sich, wie sich's gehört. „Ich leg's wie ein Jäger," spricht er, „ihr aber legt's wie Spitzbuben!" Grimm KM. 3, Nr. 105. Als man zu Anfang des Jahrhunderts bei uns die Blitzableiter einführte, weigerte sich das Aargauer Landvolk sehr dagegen und behauptete, damit wollten die französischen Heiden und ihre neuen Anhänger dem lieben Gott nur die Augen ausstechen. Folgerichtig kehren sich diese Sätze auch um und lehren, wie nützlich es sei, in der Gabe schon den Geber zu ehren, wie man mit der beobachteten Schonung des Himmlischen auch zugleich des Irdischen schone.

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Man soll die Milch nie mit einem schneidenden oder stechenden Instrument umrühren, sonst empfinden die Milchkühe Schmerzen am Euter, ergeben rothe Milch. Man soll die Milchsuppe nur einbrocken, nicht aber einschneiden, sonst wird man zugleich mit der Brodschnitte auch der Stallkuh den Nutzen" die Milchergiebigkeit abschneiden. Beim ersten Schnitt, den der Mann, welcher zugleich steinreich und steinhart ist, zur theuern Zeit ins Brod thut, fließt Blut aus dem Laib. Müllenhoff, schlesw. holst. Sag. pag. 145. Grimm, deutsche Sag. Nr. 240. Märchen 2, pag. 552. Wolf, niederländ. Sag. Nr. 153. 362. 363. Selbst wenn man das Vorbrod, sagt der bairische Bauer, ehe es recht gar gebacken ist, übergierig aus dem Ofen nimmt, so blutet's beim Anschnitt. Schöppner, bair. Sagenb. Nr. 882.

Aus dieser Zusammengehörigkeit der ersten unentbehrlichsten Lebensmittel unter einander und mit den primitivsten Lebenskräften folgerte man eine gleiche Abkunftsgeschichte derselben aus dem Himmel und gab ihnen zusammen einen ähnlichen Grad der Heiligung. Aus der greifbarsten Realität entsteht dann ein Symbol des Glaubens und

des Rechtes für die Sippschaft und den ganzen Stamm. Hier werden wir auf die Milch- und Blutsbruderschaft geführt. Einen Bund, sagt Herodot 4, 70, machen die Skythen auf folgende Art, sie mögen ihn machen mit wem sie wollen. Sie gießen Wein in einen großen irdenen Krug, vermischen ihn mit dem Blute derer, die da den Bund schließen, indem sie sich mit einem Messer stechen oder mit einem Dolch ein wenig die Haut aufritzen. Sodann tauchen sie in den Krug ein Schwert, Pfeile, eine Streitaxt und einen Wurfspieß. Und wenn sie dieses gethan, halten sie ein langes Gebet, sodann trinken die den Bund SchlieBenden davon und auch die Angesehensten aus ihrem Gefolge. Eine ähnliche Verbrüderungssitte der Tataren nebst den einschlägigen Bräuchen der Geten ist nachzulesen in Grimm's GDS. 136. Das Bluttrinken bei den Germanen muß lange in Schwang gewesen sein, ohne daß diese rauhe Sitte durch eine besonders erdachte Zuthat gleichsam gemildert und zahmer gemacht worden wäre. Schon sind die Nibelungen durch Feuer und Schwert überwältigt, allein zum Tod verschworen bleibend, schöpfen sie Alle neue Kraft, indem sie an die Leichen der Gefallenen niederknien und aus deren Wundenblut den Durst stillen: dâ von gewan vil krefte ir etliches lip. 2054. Das Volkslied, welches Afzelius, schwed. Sag. 3, 207, mittheilt, sucht denselben rohen Brauch poetisch zu verschleiern. Der junge Ingemar und seine Geliebte Malfred flüchten in die Marienkirche bei Näsum in Bleckingen, und gerathen hier in dieselbe Nibelungennot, denn ihr Verfolger Lawmandsson lässt die Kirche anzünden.

Das sprach der junge Ingemar am Altare bei der Glut:

Wir schlachten unsre Rosse und kühlen uns in ihrem Blut! Ausdrücklich aber findet sich das Bluttrinken des Skandinaviers abgeschafft. Nachdem der Held Örvarodd die räuberischen Wikinger vertilgt hatte, fuhr er nach Svealand, um hier den muthvollen Hjalmar vom Hofe Königs Ingwe zu bekämpfen. Nach mehrtägigem Fechten schlossen beide Frieden und stellten zusammen diese Wikingsgesetze fest: Niemals rohes Fleisch zu essen oder Blut zu trinken, niemals Bauern und Kaufleute zu plündern, niemals Weiber zu bewältigen. Diese dreifache Satzung beschwuren sie in folgender Weise nach dem alten Herkommen der Milchbruderschaft. Sie schnitten einen breiten Rasenstreifen los, befestigten die Enden in die Erde, erhoben ihn in der Mitte auf zwei Speeren, traten beide darunter, schnitten sich eine Wunde und ließen das Blut im Sande ihrer Fußspur zusammen fließen. Darauf knieten sie und schwuren, wie Brüder ihr Schicksal zu theilen und des Andern Tod zu rächen. Wedderkop, Bild aus d. Nord. 2,

39 ff. In solcher Fußspur erschaut alsdann der Milchbruder, wie es dem Abwesenden ergeht, je nachdem sie sich mit Erde, Wasser oder Blut füllt. Grimm, GDS. 137. Das hier abgeschaffte Bluttrinken tauchte dann in halbskythischer Weise wieder auf den Universitäten auf. Zu Helmstädt und Leipzig tranken einst die Hasen (sogen. Craßfüchse) Bruderschaft, indem sie aus dem aufgeritzten Arm etwas Blut in den Becher rinnen ließen und diesen kniend leerten. Ein Überrest hievon ist auch Folgendes: Wollen zwei Freunde einst in die Ferne hin sich Nachricht von einander geben, so lassen sie in gegenseitig gemachte Wunden Blut von einander träufen und diese verheilen; so oft der Eine dann in die Narbe sticht, fühlt es der Andere, und die Zahl der Stiche ergiebt ihm die Bedeutung. Schindler, der Aberglaube 1858, 165. Noch ist eine nun gleichfalls wieder veraltete Burschensitte zu erwähnen; man schrieb sich mit eigenem Blute gegenseitig Stammbuchblätter; in den eigenen Reisestock schnitt man des Leibburschen Namen ein und röthete diese Zeichen mit eigenem Blute, oder statt dessen röthete man später den in die Ziegenhainer geschnittenen Namen mit Zinnober aus. Noch soll man das Blatt besitzen, auf dem mit seinem eigenen Blute der große Baiernchurfürst Maximilian sich der hl. Jungfrau verschrieben habe: „in mancipium tuum me tibi dedico consecroque, virgo Maria, hoc teste cruore atque chirographo Maximilianus, peccatorum coryphæus." Ich kenne jedoch die Quelle dafür nicht und kann auch die Angabe nicht verbürgen, als habe dem spanischen Philipp III. wegen einer bedauernden Äußerung, die diesem Monarchen über zwei von der Inquisition zum Tode verurtheilte Franziskaner entfiel, sein Beichtvater ein bißchen seines ketzerischen Blutes abzapfen und gleichfalls verbrennen lassen.

Zu Furth in der baierischen Oberpfalz ist der Drachenstich ein alljährlich wiederkehrendes, mit mehrfachen Masken im Freien aufgeführtes Volksschauspiel, bei dem die Georgenlegende den Verlauf der Handlung ausmacht. Aus Reifen u. Leinwand wird ein Drachenleib zusammengewölbt, in dessen Innern der Todtengräber des Orts dirigiert. Der gegen den Drachen dreimal ansprengende Ritter stößt ihm zuerst den Speer in den Rachen, haut den sich Krümmenden dann mit dem Schwerte, und hat beim dritten Anritt ein Pistol gegen ihn abzufeuern. Was jetzt des Knalleffects wegen bis zuletzt verspart ist, mußte ehedem die erste Angriffsweise und ein Pfeilschuß gewesen sein. Wenn der Speerstoß des Reiters die in der Gaumenhöhlung verborgene Blase nicht rechtzeitig trifft, so zieht irgend ein Metzgermeister sein langes Messer und durchsticht dem Drachen das rindblasene Herz,

so daß zur Freude des Volkes das Blut heraus springt. Begierig tauchen die Bäuerinnen ihr Tüchlein darein, theilen dies in Stücke und stecken es fetzenweise in die Felder zum Gedeihen der diesjährigen Flachssaat. Auch als sympathisches Mittel dient dies Drachenblut „und ist eben so gesucht, wie das Blut der armen Sünder bei Hinrichtungen. Dieses Volksfest soll zu Furth seit den Pestzeiten bestehen; wahrscheinlich war es die Metzgerzunft dorten gewesen, die dem gemiedenen Orte als Todtengräber zu Hilfe kamen, wie ja auch bei der Münchner Pest die Metzger und Scheffler sich zuerst wieder auf die verödeten Straßen heraus wagten, den daselbst hausenden Drachen erlegten und zum Gedächtnisse daran jetzt noch dorten das Brunnenspringen und den Schefflertanz abhalten. Vgl. Holland, Gesch. d. altd. Dichtkunst in Bayern, S. 636. Somit ergiebt das an beiden Orten vergossene Drachenblut hier frisches Ochsenfleisch und neu gebundenen Wein, dorten Flachswuchs und Körperstärke. Zuletzt darf dabei auch das Brod nicht mangeln. Dies bringt jener von St. Clemens, dem ersten Heidenbekehrer Lothringens, zu Metz erlegte Drache herbei, den man daselbst den Graoulli nennt. Wenn alljährlich dieses riesige Drachenbild durch die Straßen geführt wurde, so hatte jeder Bäcker der Stadt die Verpflichtung, dem am Hause vorbei ziehenden Thiere die lange Stachelzunge gänzlich mit Weißbroden zu bestecken. Alles zusammen wurde den Stadtarmen ausgetheilt. Hievon handelt Hockers Schrift: Die Mosel, und zugleich ein brieflicher Bericht von A. Stöber in Mülhausen, an den ich die Bitte richte, hiefür meinen besten, freilich schon verspäteten Dank hier entgegen zu nehmen.

Wenn nunmehr noch der Rechtssage vom schreienden Blute und den Satzungen der Blutrache Grund und Zusammenhang mit dem Bisherigen zugewiesen sein wird, so hat damit die vorliegende Arbeit ihr Ende erreicht.

Die Kirche nennt solche Sünden himmelschreiende, welche dem uns eingebornen Rechtsgefühle widersprechen, das, wie der Blutumlauf in den Adern, in jedem Menschenherzen sich von selbst bewegt. Man zählt solcher Sünden viere: Arme unterdrücken, Waisengut erpressen, den Nachbar sittlich zu Grunde richten, dessen Blut vorsätzlich vergießen. In der letztgenannten Sünde sind eigentlich die drei ersten miteingeschlossen. Unschuldig vergossenes Blut hat eine Stimme, es redet, Abels Blut schreit gegen Himmel, aus Blutstropfen rufen in Märchen und Sage Menschenstimmen. So wird denn das Denk- und Sprachvermögen der Seele überhaupt gänzlich auf das Blut übertragen. Odysseus giebt den Schatten im Hades Blut zu trinken, damit diese Eidola

wieder beseelt, erinnerungs- und redefähig werden. Bevor sie den Bluttrunk genossen haben, vermögen sie nur schwirrend sich kund zu geben, wie es ein stehender Zug aller Gespenstergeschichten ist, daß das Gespenst auf unsere erste Anfrage nicht zu reden vermag, sondern bloß mit stummen Seufzern verschwindet. Alle schon entthronten Götter, alle schon verstorbenen Menschen leiden an diesem Blutmangel; zum Ersatz muß ihnen daher das blutige Opfer eines Thieres oder Menschen gebracht werden. Allem Glauben an Vampyrismus, mit dem schon die Hellenen sich trugen und jetzt noch besonders die Südslaven, liegt die Empfindung zu Grunde, der Verstorbene, des Blutes entbehrend, verlasse sein Grab, un dem Lebenden Blut aus dem Leibe zu saugen. Hexen sind alt und blutleer, darum trifft auch sie der Vorwurf, daß sie Kinder schlachten. Wenn der Hellene den chthonischen Gottheiten keine blutigen Choen mehr opfert, sondern nur noch Trankopfer von Wasser und Wein, so sind sie eben dadurch antiquierte Götter, die Herrschaft ist ihnen entzogen und nun ihren Regierungsnachfolgern, den Olympiern, gesichert. Dasselbe Schlachtopfer, das dann noch den anerkannten Unterirdischen verbleibt, verbleibt auch noch dem Teufel: Schwarzer Hund, Bock, Stier und Schwein werden der Hekate, den Eumeniden u. s. w. geschlachtet. Der Teufel, nicht minder ein gestürzter Engel, leidet an einem ähnlichen Blutmangel, und geizig besteht er auf dem einen Tröpfchen Blut des Menschen, der sich zu ihm in ein Schutzverhältniss begeben will. Göthes Mephisto sagt ja:

Blut ist ein ganz besondrer Saft,

Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blute.

Hat der Todte kein Blut, liegt aber im Blut die Seele, so ist es die Pflicht des Überlebenden, ihm diesen Mangel zu vergüten, und zumal wenn er unschuldig den Tod erlitten hat, ihm sein Bluträcher zu werden. Von der germanischen Blutrache sind ausgenommen und befreit Geschwister gegen Geschwister, denn so verlangt es das Naturgesetz der Blutstreue, welches als erstes vor jedem andern gilt. Erst wenn einmal Geschwister die Sippschaft brechen und Brüder sich bekriegen, erst dann wird bei so unerhörtem Frevel, wie die Edda ausdrücklich sagt, der Untergang der Welt heran nahen. Denn nicht der Tod war das Härteste und Schrecklichste für den an Wunden gewöhnten Deutschen, sondern das Aufgeben der Sippe. Bekannt ist, wie jene Stelle vom Abhauen des Fußes und Ausreißen des uns ärgernden Auges (Matth. 5, 27) im altsächs. Heliand dahin übersetzt ist, man solle lieber von seinem Freunde und Stammgenossen lassen, als mit ihm vereint in Sünde willigen. Obenan steht im Gesetze die Erfüllung

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