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Esopus von Burkhard Waldis. Herausgegeben und mit Erläuterungen versehen von Heinrich Kurz. Leipzig 1862. B. I SS. XLVIII u. 422. Bd. II SS. 320 u. 230. 8°. (Letztere Abtheilung des zweiten Bandes enthält die Lesarten, Anmerkungen und das Wörterverzeichniss.)

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Diese neue Ausgabe des trefflichen, bis jetzt so schwer zugänglichen Fabeldichters bildet den Anfang einer neuen deutschen Bibliothek", welche Kurz von andern Mitarbeitern unterstützt herauszugeben beabsichtet und die eine Sammlung seltener Schriften der ältern deutschen Nationalliteratur enthalten soll. Der dem „Esopus" vorgebundene Prospect besagt hierüber das Nähere und braucht Ref. also hierauf nicht näher einzugehen. Er hat es hier nur mit der vorliegenden Arbeit zu thun, welche von der Art und Weise, wie das Unternehmen ausgeführt werden soll, eine Probe bietet, und kann dem Herausgeber wie dem Verleger nur Glück dazu wünschen, daß dieselbe so vortrefflich ausgefallen, und unter dem betreffenden Publicum eine durchaus günstige Meinung auch hinsichtlich der folgenden Bände erwecken muß. Sprechen wir zuvörderst von dem, was der Herausgeber geleistet, der sich durch seine bisherigen Arbeiten auf dem Gebiete der deutschen Litteratur und deren Geschichte einen so guten Namen erworben, so lässt sich dies kurz und bündig in dem Urtheil zusammenfassen, daß er das im Prospect Verheißene wirklich ausgeführt habe; denn er hat einen diplomatisch genauen Text gegeben, ferner demselben kurze aber genügende Erläuterungen beigefügt und endlich eine erschöpfende, obschon gleichfalls gedrungene Einleitung über den Verfasser und seine Schriften vorausgeschickt. Er hat aber noch mehr gethan und treffliche Anmerkungen über die Geschichte jeder einzelnen Fabel geliefert, die dem Forscher auf dem Gebiete der erzählenden Dichtung sehr willkommen sein werden und die Ref. weiter unten noch etwas näher besprechen will. Überdieß hat der Herausgeber die unter dem Text befindlichen Sach- und Worterklärungen zur Bequemlichkeit des Lesers dann noch einmal in ein alphabetisches sorgfältiges Verzeichniss zusammengestellt, welches mehrfache Dienste leisten wird. Hinsichtlich aller dieser Punkte verweisen wir auf die Einleitung und bemerken nur, daß die genannten Erklärungen, wie bereits erwähnt, vollkommen ihrem Zwecke entsprechen und zum genauern Verständniss auch für das größere Publicum, für welches diese Ausgaben gleichfalls bestimmt sind, sich als ausreichend erweisen werden, wenn sich auch hin und wieder einzelnes bei einer neuen Auflage möchte berichtigen oder nachtragen lassen; so z. B. in folgender Stelle Buch II, Fabel 45, V. 39 ff.:

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hat meynen nicht, wie Kurz erklärt, die Bedeutung „gesinnt sind", sondern heißt so viel wie lieben, wie gewöhnlich im Mhd. und auch noch einmal bei Waldis; s. das Wörterverzeichniss s. v. zu IV, 100. 151. Freilich ist dies Wort an obiger Stelle nur im ironischen Sinne gebraucht, wie aus den unmittelbar darauf folgenden Versen hervorgeht, wo es heißt: „Bey dem sie zwantzig Jar gesessen,

Könnens in einer stundt vergessen;

Doch wissens viel davon zu waschen" u. s. w.

Ferner heißt es B. III, F. 51, V. 44. 45.

,,So will ich dir ein Wachszlicht geben,
So grosz vnd lang die schon fahr Mast."

GERMANIA VII.

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Zu fahr Mast bemerkt der Herausgeber mit einem Fragezeichen „Fockmast? vorderen Mast? Hauptmast?" Allerdings ist der Hauptmast oder große Mast gemeint, doch hieß er nicht der Fahrmast, sondern der Schönfahrmast, weshalb das große Segel auch jetzt noch das Schönfahrsegel genannt wird.

Der Ausdruck „Friederichen anrufen“ (I, 55, V. 55) scheint nicht auf eine bestimmte Persönlichkeit (Friedrich den Weisen, wie der Herausg. meint) zu gehen, sondern nur im allgemeinen Frieden machen wollen zu bedeuten und vielleicht eine sprichwörtliche Redensart gewesen zu sein, die durch die Paronomasie der Worte Frieden und Friederich entstanden sein mochte; wie wir etwa jetzt von einem zänkischen Menschen sagen würden: „der ist auch nicht von Friedrichsstadt.“ Ähnliche Wortspiele sind nicht selten und so heißt es auch bei Waldis selbst IV, 3, 55: „Ich wolt zu St. Frumholt mich geloben", was Kurz richtig erklärt durch : »Ich will fromm werden." Vgl. oben Bd. V. S. 295.

Doch dies genüge zu zeigen, wie vielleicht sich da und dort die Worterklärungen abändern ließen, und eben so könnten die sachlichen Nachweise an manchen Stellen vervollständigt werden. Wenn z. B. I, 83, 20 ff. gesagt ist: Es bgibt sich zwischen des menschen mundt Manch fall vnd zwischen dem Becher rundt, Dadurch der trunck offt wird verstört,

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Wie vns ein ander Fabel lert,"

so ist damit das bekannte lat. Sprichwort multa cadunt inter calicem supremaque labra" gemeint, welcher Hexameter aus einem griechischen übertragen ist. πολλὰ μεταξὺ πέλει κύλικος καὶ χείλεος ἄκρου"; s. Corp. Paræm. Gr. ed. Leutsch im Index.

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ist Horaz gemeint, s. dessen 14. Epistel des ersten Buches, welche die Unzufriedenheit der Menschen mit ihrem Stande zum Gegenstand hat.

Wenn ferner bei Waldis IV, 81, 9. 10, eine junge Frau von einem alten Manne sagt: Er kan dir doch nit geben muth,

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Wie man jensit des Wassers thut,“

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so bat

und der Herausg. dazu bemerkt: der Sinn ist leicht zu ermitteln," derselbe vollkommen Recht; die ihm unerklärliche Redensart erklärt sich indeß durch eine ähnliche des Tanhuser 3, 15 (MSH. 2, 85a):

„Von amûre seit' ich ir;

daz vergalt si dulze mir,

si jach, si lite ez gerne,

daz ich ir tæte, als man den vrouwen tuot dort in Palerne" (Palermo). Beide Wendungen, die des Waldis sowohl wie die des Tanhuser, sind scherzhafte Localisierungen allgemein üblichen Thuns, und dem Ref. will es fast bedünken, als habe Waldis seinen Ausdruck dem des ältern Dichters nachgebildet; denn daß er die frühere deutsche Litteratur kannte, zeigt sich an mehreren Stellen des Esopus (vgl. die Bemerkungen von Kurz Bd. I, S. XXXVI), und

man muß sich nur wundern, daß diese nicht zahlreicher sind, da sich von einem Dichter wie Waldis, wohl annehmen lässt, daß er mit seinen Vorgängern in gröBerm Maße vertraut gewesen sein wird, als bisher erhellt, wäre es auch nur, um sich in der Sprache zu vervollkommnen, von der er selbst zu gestehen scheint, daß sie ihm schwer ankam zu schreiben (vgl. Gervinus 3, 49). Es hat sich ihm vielleicht zufällig nicht die Gelegenheit geboten, sie häufiger, als es geschehen, namentlich anzuführen, und es käme daher nur darauf an, seinen anderweitigen Reminiscenzen und Anspielungen hinsichtlich des ältern deutschen Schriftenthums nachzugehen, So meint Gervinus (3, 50), daß Waldis offenbar den Renner gekannt, wenn er ihn auch nicht nenne; hat Ref. Recht mit seiner Zurückführung obiger Stelle auf den Tanhuser, so erweiterte sich der betreffende Kreis noch mehr und vielleicht gelingt es, diesen im Folgenden noch ferner auszudehnen. In der 62. Fabel des II. Buches nämlich, welche überschrieben ist „Von einer Witwen eins Mann begirig" sagt diese wackere Frau zu einer Freundin, welche ihr einen Hämmling zum Ehemann vorschlägt:

du magst an Galgen gahn

Mit solchem vnfreundtlichen Mann
Wiewol mich nicht das ding bewegt,!
Welchs man zu nacht im Betthe pflegt,
So stehts doch an eim Manne wol,
Das er hab, was er haben soll.
Vnd ich in auch derhalb nit nem,

Doch ob sichs bgeb vnd dazu kem,
Das er im zorn wider mich schnort

Und ich mit worten gegen mort,
Das er denn het bey jm ein Fründt,
Der vns wider versönen kündt."

Hier nun möchte es scheinen, als ob Waldis ein Schwank wie Scheidung und Sühne (Wip und man in v. d. Hagens Gesammtab. Nr. 34) vorgeschwebt habe, deßen Schluß wir hier folgen lassen:

„ie sâ kusten sie sich,

Dô nam der zorn ein ende; ́

er vie sie bî der hende

Und wîste s' an ein bette hin.

do ergie ein suone under in,
Diu grôze vröude machte;

sie lachte, und er lachte,

Do sie schieden von dem bette,

sie kusten sich ze wette

Und sungen ein liet ze prîse

in einer vil hôhen wîse."

Noch deutlicher jedoch zeigt sich hei Waldis in der nach der angeführten Stelle folgenden Nutzanwendung die Anspielung auf eine andere ältere Erzählung; er sagt nämlich :

Der Ehestandt zwischen Fraw vnd Man

Mag keines wegs im fried bestahn,
Es sey denn das der freuden Nagel,
An welchem hangt das vnder Gagel,

Sie beiden fest zusammen hafft:

Sonst geht die lieb nicht in jr krafft u. s. w. Hiermit nun vergleiche man den Schluß von der weisse Rosendorn" (v. d. Hagen

a. a. O. Nr. 53), wo es so heißt:

"

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Dô riet ich dem schoenen wîp,

daz si die vut zuo dem lip

Vil vaste nagelen hieze,

und des niht enlieze.

Dô bat mich diu stæte,

daz ich ir daz tæte.

Dô tet ich, des si mich bat:

hin wider an die alten stat

Sazt ich die vut, als ich wol kunt,

einen nagel sâ ze stunt

Ich vil vaste dar durch treip:

diu vut immer mêr beleip.

Also rât ich eim ietlichen man,

der ie liebez wîb gewan,

Daz er sînem wîbe

nagle die vut ze dem lîbe,

Daz ir diu vut iht entrinne,

oder er ist versûmt sîner minne.“

Ref. glaubt nicht zu irren, wenn er aus diesen Stellen, deren Zahl bei eingehenderm Nachforschen sich wohl noch vermehren ließe, auf eine bei Waldis anzunehmende genauere Kenntniss unserer ältern Litteratur meint schließen zu dürfen, obwohl, was die Erzählungen betrifft, Waldis nicht gerade die uns jetzt vorliegenden Bearbeitungen, sondern andere Formen derselben gekannt haben mag.

Aber auch noch weitere Ausbeute dürfte eine derartige sorgfältige Durchforschung des alten Fabeldichters gewähren und uns seine Bekanntschaft mit volksthümlichen Vorstellungen, Redeweisen u. s. w. noch deutlicher erkennen lassen als bisher. So hat z. B. schon der Herausgeber auf das III, 87 geschilderte Nobishaus aufmerksam gemacht. Zu seinen Anführungen füge man noch Gödeke zu Joh. Römoldt (1855) S. 75, wo viele Beispiele der Ausdrücke Nobishaus und Nobiskrug gesammelt sind. Nobiskratten sagt man zu Toggenburg (Canton St. Gallen); s. Zeitschr. für deutsche Mythol. 4, 2 Nr. 20. Vgl. auch des Ref. Bemerkungen zu seiner Ausgabe des Gervas. von Tilbury (Hannover 1856) S. 168. Wenn ferner Waldis an der in Rede stehenden Stelle sagt, daß die Seelen der Landsknechte in der Hölle zu Blättern eines dort stehenden Baumes werden, so beruht dies ohne Zweifel auf einem Volksglauben, wie denn auch in der polnischen Sage von dem Räuber Madej von einem Apfelbaume die Rede ist, dessen Früchte Seelen sind. Grimm, d. Myth. 788.

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Die 39. Fabel des I. Buches beginnt mit den Worten:
»Vor zeiten, als die Beume redten,

Wie auch dasselb die Steine theten."

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Auch hier liegt gewiß eine volksthümliche Anschauung und Redeweise zu Grunde, ähnlich jener andern als noch die Thiere sprachen," oder wie Fischart sagt (Geschicht-Klitt. ed. Scheible S. 420): In illo tempore, da die Thiere redten." Vgl. Grimm Reinh. Fuchs S. V; denn auch Bäume galten ja einst für belebt und man

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legte ihnen deshalb auch eine Sprache bei; s. Dunlop-Liebrecht Anmerk. 393 und zu Gervas. S. 63.

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hat bereits Grimm, Rh. Fuchs S. LX bei Gelegenheit einer ähnlichen Stelle im lat. Isengrimus hingewiesen (s. Kurz zur Stelle). Wir sehen hier eine volksthümliche Weise große Entfernungen zu messen, nämlich nach zerschlissenen Schuhen, die sich auch noch in andern Sagen und Märchen wiederfindet und wobei wie hier bei Waldis oft auch der Teufel im Spiele ist; s. z. B. Panzer, Beitr. zur deutsch. Mythol. 2, 57 „der Teufelsstein". Letztere Sage findet sich auch ähnlich in Belgien wieder. Der Teufel wollte nämlich das Kloster zerstören, welches der h. Remacle in Stavelot baute und schleppte in dieser Absicht einen Felsen herbei, wurde jedoch durch einen Mönch vermittelst eines Korbes voll verschlissener Schuhe ganz ebenso betrogen, wie durch das altc Weib in der baierischen Sage. Der Felsen, den er dabei unmuthig fortwarf, ist zwischen den Dörfern Spineux und Wanne auf dem Wege von Stavelot nach Vieil-Salm noch zu sehen und heißt bis auf den heutigen Tag Faix du diable. S. Pimpurniaux (Borgnet) Guide du Voyageur en Ardenne 1re éd. Brux. 1856, I, 122 ff. Eine ähnliche Sage wird auch auf der finnischen Insel Bunsala erzählt, und hier vertritt, wie oft, der Riese die Stelle des Teufels, s. Morgenblatt 1841 S. 227. Oft auch sind die Schuhe eisern, so in der Ragnar-Lodbrokssage, s. Grimm a. a. O.; ferner in einem italienischen Märchen, s. des Ref. Übersetzung von Basile's Pentamerone 2, 184; und so auch in einem neugriech. Volksliede, s. Passow, Popularia Carmina Græc. recent. Leipz. 1860, Nr. 505, v. 78 (p. 384). Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um ferneres Nachsuchen bei Waldis zu veranlassen.

Wenden wir uns nun zu Kurz's Anmerkungen, welche die einzelnen Stücke betreffen, so finden wir darin eine sehr schätzenswerthe Arbeit, worin er sich bemüht hat, die erste nachweisbare Quelle und anderweitige Bearbeitungen eines jeden von Waldis im Esopus behandelten Stoffes, der übrigens nicht bloß aus Fabeln, sondern auch aus Schwänken und wie es scheint zuweilen auch aus eigenen Erlebnissen besteht, in gedrungener Weise anzugeben.

Wer sich mit derartigen Nachforschungen beschäftigt, wird zu beurtheilen wissen, wie mühsam sie sind und daher dem Herausgeber für das von ihm Geleistete zu großem Danke verpflichtet sein, sich aber auch andererseits nicht darüber wundern, daß mancherlei Lücken darin geblieben oder sich Ungenauigkeiten eingeschlichen. Dies sind Mängel, die sich auf diesem Gebiete, wie auf manchem andern fast nicht vermeiden lassen und daber Nachsicht erwarten dürfen. Dazu kommt, daß der Herausgeber, wie er am Schluß seiner Einleitung anführt, sich auf diejenigen Nachweisungen beschränkt hat, die er selbst in Händen hatte. Was es heißt, hinlängliche litterarische Hilfsmittel entbehren zu müssen, weiß Ref. aus eigener Erfahrung nur gar zu gut. Gleichwohl muß im allgemeinen bemerkt werden, daß der Herausgeber oft größere Kürze hätte anwenden und sich mit bloßer Verweisung auf die Angaben seiner Vorgänger auf diesem Felde begnügen können, ohne sie, wie oft geschehen, zu wiederholen. Auch Anfübrungen, die auf nur entfernt ähnliche Stellen und Gedanken bei andern Schrift

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