Hic pendet, fugiunt lictores, insuper ipse 325 Comperit et clamans: „quisquis es, inquit, ave!" Ast ubi devenit vox ista scolaris ad aures Invasit nimius terror et horror eum. Tunc surgens stupidus loca proxima girat ocellis, 330 Occius ergo loco discedas, cogitat ille, 335 Stare timor prohibet sed vetat ire pudor. Quisquis es aut ubi sis, a quo vox ista resultat, Ex sacco loquitur iterato pendulus ille: „Nil timeas juvenis, sit procul iste timor. 340 In sacco sedeo, sedet hic sapientia mecum, 345 Utque scias, saccus quid contulerit mihi præsens, Ut sit nota mihi machina tota poli. f. 80. col. a. 355 Et didici tumidi maris indagare profundum; 365 Experior certe deliros esse scolares, Qui multas quærunt circumeuntque scolas. Hic tibi, si detur saltim brevis hora studendi, 370 Hiis nugis simplex juvenis male traditus orat, 375 380 Jam novi, quanta saccus virtute redundet, In cujus pausat phylosofia sinu. Jam satis es sciolus, adeo jam doctus es, ut te Quisquis es in sacco, sit mihi pausa brevis *). " Pendulus, ac iterum verba rependit ei: Utque scolas istas me velle relinquere speres 390 Absit, deciperis, spes tua tota perit. Mallem mori, socie, quam perdere delicias has, Si mihi sim nequam, cui bonus esse queo. *) Corrigiert steht hier: „sit mihi pausa" anstatt „mihi sit hora." Fehlerhafterweise stehen hier zwei Pentameter nach einander, s. o. V. 71. 72. 54 ADOLF WOLF, RAPARIUS. Non tibi delicias sacci me vendere speres, Absit, in hunc saccum non ita venit homo. col. b. Et quia discendi multo flammescis amore, WIEN. 400 Hoc miser audito pendenti lætus obedit, 405 Exit hic, ast alter festinat, ut ingrediatur, 410 Deponasque caput ad humum, talosque supinans, Hæc dicens miserum libravit in ethera sursum, Et derisoris voce locutus ait: 415 „Ecce, quod optasti, quod quæsisti, quod amasti, 420 Jam puto cepisti doctissimus esse sophista, Quem talis sacci claustra beata tenent. 430 ADOLF WOLF. UND SEINE BEURTHEILER. VON SAN-MARTE. 55 So einstimmig auch die Litterarhistoriker in dem Ausspruch zu sein pflegen, daß der Parzival des Wolfram von Eschenbach ein höchst tiefsinniges, seinem innersten Kern nach tief religiöses Gedicht sei, so begnügen sie sich doch entweder meist mit solchem allgemeinen Urtheil, das dem Leser überlässt, es sich selber nach seiner Ansicht zu begründen, oder wenn sie schärfer auf eine Analyse des religiösen Inhalts eingehen, so wandeln sie im besten Fall in einem Helldunkel, in welchem weder die Personen feste Gestalt, noch der Gedanke klaren Inhalt gewinnen. Ein Hauptgrund dieser wenig erbaulichen Erscheinung bei der Beurtheilung des großen Gedichtes unseres deutschen Meisters scheint mir hauptsächlich darin zu liegen, daß sie dieses Gedicht und die darin vorgetragene Sage vom heiligen Gral und der Geschichte der Erlösung des Parzival und Amfortas nicht als ein in sich fest abgeschlossenes Ganze unabhängig von allem früheren oder späteren Beiwerk, welches die altfranzösische und nachwolframsche Litteratur lieferte, sondern in Zusammenhang mit diesem ihrer Kritik unterwarfen, und so mussten sie freilich bei diesem Versuch, das Unvereinbare zu vereinigen, scheitern; wodurch sie jedoch nicht berechtigt wurden, in dem Missmuth über das verfehlte Resultat das Ganze als unklar, verworren, hypermystisch und unverständlich zu verwerfen. Sie mögen Recht haben in Beziehung auf die französischen Überlieferungen der Gralund Parzivalsage - ich fühle mich nicht berufen, für diese eine Lanze zu brechen, und überlasse das gern den Franzosen selbst, aber entschiedenes Unrecht begehen sie, wenn sie in gleicher Weise auch über Wolfram den Stab brechen und ihm beilegen, wovon er nichts wusste, ja nach seinem eigenen Zeugniss nichts wissen wollte, und was er daher für seinen Zweck und seine Auffassung des Gegenstandes als unbrauchbar verwarf oder unberührt bei Seite liegen ließ. Man richte ihn lediglich nach seiner That, nach seinem Gedicht, und man wird gerechter sein. Es thut dem Herzen wehe, wenn wir einem alten Lehrer und Freunde aus der Jugendzeit nach langen Jahren wieder begegnen, und ihn dann im späteren Alter gänzlich verändert finden, und ihn das verwerfen hören, was er uns früher mit Begeisterung gelehrt und gepriesen hat. Einen ähnlichen in der That schmerzlichen Eindruck machte mir das wegwerfende Urtheil, welches Rosenkranz (die Poesie und ihre Geschichte. Königsberg. Bornträger, 1855. S. 487-489) über Wolframs Parzival fällt, und es kann mich nicht versöhnen, wenn er ihn auch S. 512 „ein noch so hoch stehendes Kunstepos" nennt, da ich den Gedankengehalt von der vollendeten künstlerischen Form nicht zu trennen vermag. Der Name des geehrten Verfassers und jenes sein Werk sind zu bedeutend, als daß ein solches Verdammungsurtheil nicht schwer in die Wagschale fallen und leicht das zahlreiche Geschlecht unserer jetzigen schnellfertigen Litteraturgeschichtenschreiber verführen sollte, es ohne weiteres Besinnen nachzuschreiben und weiter zu verbreiten: wie ja schon gerade in diesem Litteraturgebiet gewisse Sätze zu stereotypen Floskeln geworden sind, die blind wiederholt werden. Wenn ich daher zur Abwehr desselben nach langem Zögern dem gleichwohl dankbar verehrten Lehrer mit aufgebundenem Helm entgegentrete, so habe ich wenigstens schon den Trost und Vortheil für mich, den Litterarhistoriker Rosenkranz v. J. 1830 als deckenden Schild zur Seite zu haben, und mit diesem vereint denselben v. J. 1855 zu bekämpfen. Es scheint nöthig, den Verf. erst selbst sprechen zu lassen, wobei nur die einzelnen Sätze zur besseren Sonderung mit Zahlen bezeichnet sind. S. 483 und 487 wird die Richtung der bretonischen Sage häretisch genannt, und der Verf. fährt fort: (1.) „Der Gral ist allerdings eine christliche Reliquie. Er wird von Hütern verehrt, die Christen sind und sich Templeisen (templois, templiers) nennen. Aber er ist eine Reliquie eigenthümlicher Art. Die Ableitung des Wortes Gral kann uns weiter keinen Aufschluß über die wunderbare Function des Grales geben, nach welcher er nämlich seine Verehrer kleidete und nährte, sie durch sein Anschauen am Leben erhielt und durch leuchtende Inschriften, die auf seinem Rande erschienen, den Seinigen Befehle gab, ähnlich wie der jüdische Hohepriester auf seinem Brustschilde aus den Buchstaben desselben göttliche Verkündigungen las. Er war also ganz souverän.“ (2.) „Von einer Unterordnung der Templeisen, die selber Priester waren, unter den Klerus und unter den Papst ist nirgends eine Spur. Der Gral verlieh jedoch nicht nur irdisches Wohlsein, sondern sicherte auch die künftige Seligkeit. Seine Verehrer waren also in dieser Beziehung völlig unabhängig von der Kirche. Der Gral rekrutierte sich durch seine Orakel und verkündete die Namen der Personen, die er sich zu seinem Dienste gewählt hatte.“ |