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(3.) „Der Dienst selber bestand in einem Kultus sehr einfacher Art, wenn auch nicht ohne prachtvolle Dekoration. Allein von einer Darbringung des Messopfers, diesem Centrum der römischen Kirche, ist ebenfalls keine Spur. Selbst am Charfreitage schwebt eine weiße Taube vom Himmel nur dazu herab, eine Oblate in das Gefäß zu legen, welche die Wunderkräfte der Ernährung und Erhaltung besitzt." (4.) Die männlichen Templeisen müssen den Wald durchstreifen, der um Munsalwäsche herum liegt, Unberufene abzuhalten, oder sie müssen die Missionen ausführen, welche ihnen der Gral auflegt. Im Allgemeinen ist dieses Alles ziemlich geistlos."

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(5.) Manche Andeutungen scheinen aber auf eine häretische Doctrin vom Ursprung des Bösen zu führen, die einen gnostischen Charakter verräth, z. B. die Geschichte Lucifers, aus dessen Krone der Erzengel Michael im Kampfe mit ihm den Stein herausgeschlagen haben soll, aus welchem wunderbarer Weise die Schüssel verfertigt wurde, die dem Erlöser zu seinem letzten Mahle diente; so daß also der Gral auch die vorweltliche Genesis des Bösen, das aber von der Liebe des menschgewordenen Gottes überwunden ist, repräsentiert.“

(6.) „Nun war der Gedanke, einen priesterlich ritterlichen Charakter aus dem naiven Naturmenschen Parzival zu schaffen, und ihm den Ritter Gawan als einen Virtuosen der chevaleresken Lebenskunst gegenüberzustellen, in der That ebenso poetisch, als den Gral mit der Tafelrunde zu kontrastiren. Allein auch hier dürfen wir nicht vergessen, daß Parzival zum Königthum im Gral ohne alle kirchliche Vermittlung gelangt."

(7.) Er hat bei seiner ersten Anwesenheit auf Munsalwäsche nach der Bedeutung der Wunder zu fragen vergessen, die seinem Auge vorüberzogen; in der That recht unbegreiflich, um nicht zu sagen stumpfsinnig."

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(8.) Hinterher irrt er dann vier Jahre auf gut Glück umher, seinem Pferde den Weg überlassend, den es ihn führen will, weil er an Gottes Vorsehung zweifelt. Als er endlich durch Trevrecents Belehrung bekehrt wird, sucht er den Gral, thut aber eigentlich nichts wahrhaft Gutes, Schönes und Großes, solches Glück zu verdienen, das ihm dann plötzlich zu Theil wird, und seine Geschichte vollends zu einem geistigen Stillstande bringt."

(9.) "Daher kommt es, daß die weltliche Seite, die in Gawans Abenteuern in Chastel Marveille kulminiert, eigentlich viel menschlicher und lebendiger ist, als die geistliche, die von dem Fetischismus der unpersönlichen Reliquie bedrückt wird.“

(10.) „Das priesterliche Ritterthum hätte im Kampf sich die Märtyrerkrone verdienen müssen, allein die verworrene Mystik der Sage hat es nicht zu dieser Consequenz des Urgedankens kommen lassen."

(11.) „Die Composition ist nun ein recht weitschichtiges Durcheinander der seltsamsten Dinge und Begebenheiten geworden, worin die Phantasie stets neuen Stoff zur Verwunderung findet" (S. 489).

Anders lautete das Urtheil in desselben Autors „Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter" (Halle, Anton und Gelbeke, 1830), und zwar S. 269: „Obwohl Wolfram seinen Stoff vorgefunden, so ist dennoch seine Kraft unermesslich gewesen. An Gelehrsamkeit, Bildlichkeit und Gefühl steht er Niemandem nach, an Wahl des Ausdrucks, an Gefälligkeit des Metrums, an Wohlklang und Bestimmtheit kaum Gottfried von Straßburg; an Religiosität und Größe der Gesinnung übertrifft er Alle. In keinem Dichter hat sich das Positive des deutschen Mittelalters so wie in ihm konzentriert und einen solchen Umfang im Verein mit solcher Tiefe gewonnen." S. 270: „In Wolfram strebte das Romantische und Scholastische zur gegenseitigen Durchdringung, gerade wie in jener Zeit selbst diese Tendenzen mit einander als das Abbild des Kampfes zwischen Reich und Kirche in ihrer Analyse begriffen waren. . . . Nach seiner Anschauung ist der Mensch frei über der Natur, der Genosse Gottes. Gott aber ist das sich ewig offenbarende Räthsel, was der menschliche Geist zu betrachten und worüber zu sinnen er nicht müde wird, weil seine Lösung sein eigener Begriff ist." S. 271: Wie sehr auch Wolfram in die Formen des Religionskultus seiner Zeit versenkt sei, nirgends geht ihm das Bewusstsein aus, daß der Mensch wie bei seiner Sünde so bei ihrer Sühne als er selbst gegenwärtig sein müsse. In Parzivals Geschichte entwickelt er Vortrefflich, wie der Geist seine vergangenen Thaten vernichten könne.... Die Reue ist nach ihm der einzige Weg, seine Entzweiung mit Gott aufzuheben; um in diesem Schmerz des Bösen nicht zu vergehen und in beständiger Buße zu bleiben ist nichts anderes übrig, als die éine wahre Liebe zu lieben, die Liebe Gottes." S. 278: „Der Gral ist die Offenbarung des göttlichen Wesens." S. 282: „Das feierliche Mahl aller Graldiener ist ein Kultus, es ist kein gemeines Mahl, sondern fast eine Agape." S. 299: „War Parzival zuvor mit Gott durch ein keckes Trotzen auf seinen guten Willen und auf sein Verdienst entzweiet und hat er ihn mit demselben Maße wie sich gemessen, so entstand nun durch den Begriff seiner Liebe und Menschwerdung die entgegengesetzte Entzweiung in ihm, daß er nämlich sich selbst

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zürnte und hasste, und durch Buße und Demuth Gott mit sich zu versöhnen suchte. Statt das Böse in sich zu sehen, hatte er es in Gott gesetzt und gemeint, daß dieser ihn hassen könne. Nun er aber seiner wesentlichen Einheit mit ihm sich bewusst geworden, strebte er auch, sich zur Wirklichkeit dieser Versöhnung zu erheben." S. 300: Völlige Befriedigung beendigt das Gedicht. . . . Die Frage, was Gott sei, der Zweifel über sein Wesen und die Lösung desselben gibt dem Gedicht seine innerste unendliche Bedeutung."

Es können nicht wohl zwei Auffassungen desselben Gedichtes sich schroffer gegenüberstehen und die Beurtheilung von entgegengesetzteren Gesichtspunkten ausgehen als diese desselben Schriftstellers; wir glauben den Unterschied zwischen beiden kurz und scharf dahin bezeichnen zu können: die erstere stützt sich auf das Dogma der Hierarchie, die letztere auf das reine Evangelium, wie die h. Schrift es bietet; und beides, Hierarchie und Evangelium, waren die gewaltigen Hebel, welche den von den Lehrstühlen zu Paris und von den Kanzeln selbst hochgestellter Priester bis in die unteren Schichten des Volkes gedrungenen tiefen religiösen Zwiespalt in Bewegung setzten, waren die Fahnen, um welche die religiösen Parteien zu Ende des zwölften Jahrhunderts sich schaarten, und waren die Zielpunkte, nach denen sie rangen, bis die siegende Kirche ihre Gegner mit Feuer und Schwert zu vertilgen begann. Die Kämpfe der Hohenstaufen gegen Rom geben Zeugniss, wie mächtig auch Deutschland diese Bewegung ergriff; Fürsten, Ritter und Dichter nahmen sie mit vollem Bewusstsein in sich auf; Guiots Bible und andere ähnliche Schriften, die provenzalischen Dichter, die zahlreichen Ketzersecten des südlichen Frankreichs und nördlichen Italiens und Spaniens bezeugen dasselbe für jene Länder. Bildete sich doch allmählich unter den Waldensern eine unter dem Einflusse der provenzalischen Poesie erwachsende Litteratur, welche meist geistlichen Inhalts, aber in poetischer Form die eigenthümlichen Grundsätze der Secte unter dem Volke gangbarer und flüssiger machte. Wir erinnern an das berühmte, etwa 1180 geschriebene Lehrgedicht La nobla Leyczon," welches waldensische Ideen durch die h. Geschichte hinführt, und an andere Poesien, wie „La Barca,“ „Lo novel sermon,' "Lo novel confort," "Lo Payre eternol," "Lo desprecza del mont" (contemtio mundi) und „L'avangeli de li quatre semenez," was das Gleichniss Matth. 13, 5 von viererlei Samen behandelt. Sie alle enthalten insbesondere starke antipapistische Elemente und gehören zu den Erzeugnissen des Antihierarchismus, die den Kampf gegen Rom von dem mehr kirchlichen Gebiete auf den Boden des Volksthums verpflanzten. Wie

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zürnt nicht Bernhard von Clairvaux über Abälard: er habe es dahin gebracht, daß in Paris schon von den Gassenbuben auf den Straßen über die Lehren der Trinität disputiert werde! Es war ein Sturm, welcher die ganze abendländische Christenheit in allen Schichten der Bevölkerung durchtobte, ein Gährungsprocess, der, damals mit Gewalt niedergeschlagen, dreihundert Jahre später in der Reformation sich wiederholte und zum Durchbruch kam. Wenn daher Reichel (Studien zu Wolframs Parzival. Wien, Gerold, 1858, S. 6) mir bei meiner Deutung des Gralorakels und Parzivals unterlassener Frage (Parz. Übersetz. 2, 509) den Vorwurf macht, daß ich weit mehr theologische Elemente zu Hilfe genommen habe, als aus dem Gedicht zu rechtfertigen ist, so meine ich dagegen, daß gar nicht genug Theologie des zwölften Jahrhunderts zum Verständniss unseres Gedichtes zu Hilfe genommen werden kann, und mein Versuch *), von dieser Seite dasselbe zu durchdringen, ist nur erst ein erster Anfang dazu. Denn was wir jetzt nach Jahrhunderten mühsam und dennoch nur lückenhaft zur Erklärung der äußeren geschichtlichen Erscheinungen jener religiösen Kämpfe hervorsuchen müssen, das umgab die damalige lebende Welt wie eine feurige Atmosphäre, in welcher sie athmete und die sie in allen Poren des Lebens durchdrang. Die Elemente des religiösen Zwiespaltes, die jetzt kaum der Fachgelehrte zu durchschauen und methodisch zu ordnen weiß, waren damals in Kopf und Mund der Massen und trieben sie zu Thaten; und liefern in fast jeder anderen Beziehung die Dichtungen jener Zeit ein treues Spiegelbild damaliger Erscheinungen in Thun und Denken, so muß dies auch von einem Werke gelten, das vorzugsweise eine religiöse Tendenz hat, die schon in dessen ersten zwei Zeilen sich ausspricht. Überhaupt wäre es zu wünschen, daß auch die jetzigen Kirchenhistoriker in Schriften und akademischen Vorträgen bei dem stets wachsenden Studium der älteren deutschen wie französischen Litteratur auf die in diesem Gebiete angestellten Forschungen und wieder aufgefundenen Schätze mehr Rücksicht nähmen. Sie würden dann noch vieles finden, was der Reformation oft schon sehr früh präformierend vorangieng, und würden deutlicher erkennen, wie die dogmatischen Sätze sich in Glauben und Gesinnung des Volkes praktisch gestalteten und bei ihm ihren besonderen Ausdruck fanden. Denn ein Anderes ist es, wie die Doctrin den Glaubenssatz formuliert,

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*) S. die schon in diesen Blättern besprochenen,,Parzivalstudien," Heft II: „Über das Religiöse in den Werken Wolframs von Eschenbach und die Bedeutung des h. Grals in dessen Parzival." Hall e, Waisenhaus, 1861.

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und ein Anderes, wie der Laie ihn aufnimmt und wiedergibt. Auf welcher Seite aber Wolfram steht, ob er Welf oder Ghibelline, römischhierarchisch oder apostolisch-evangelisch ist, das entscheidet über den Standpunkt, von welchem aus sein Gedicht beurtheilt und begriffen werden muß. Und mag man daher auch etwa den Dichter als Ketzer verdammen, so darf man doch von seinem Gedicht nicht fordern, daß es lehre, was er verwirft, sondern um es zu würdigen muß man eingehen in seine religiöse Richtung, die er völlig klar und unverholen zu Tage legt.

Auf Grund jener historischen Weltlage und religiösen Geistesströmung am Ende des zwölften Jahrhunderts kann die Absicht unseres Dichters nicht wohl mehr zweifelhaft sein: daß er in dem Templeisenthum eine christliche Genossenschaft, ein Reich der Gläubigen und Auserwählten des Herrn ohne römische Hierarchie, ohne Papst und bevorrechtete Priesterschaft, ohne Bann, Interdict und Ketzergerichte schildern wollte, worin vielmehr Gott selbst durch die Offenbarung des Grals im Geist des reinen Evangeliums Herrscher und Richter seiner Gemeinde ist, und daß er das christliche Priesterthum in das nach wahrer Gotteserkenntniss ringende Individuum, nicht in einen exclusiven Stand legte, so hoch er diesen auch achtet; und daß er von dem damals noch makellos blühenden Tempelherrenorden die dichterische Hülle zu der idealen Gestaltung dieser Genossenschaft entlieh (Studien 1. c. S. 220 flg.). Diese Idee, nach römischer Ansicht offenbar ketzerisch, führte es mit sich, daß das allein selig machende Gralreich ebenso zum römisch-orthodoxen Christenthum, wie es durch die bestehende sichtbare Kirche repräsentiert ward, wie zum Heidenthum in Gegensatz trat; aber es ist ein schöner Zug des Dichters, daß er sich weder zur offenen Polemik gegen die herrschende Kirche, noch zum Fanatismus gegen das Heidenthum hinreißen lässt. Wie also darf man sich wundern, wenn in dem Gedichte von einer Unterordnung der Templeisen unter Klerus und Papst keine Spur zu finden ist“ (Nr. 2 oben), daß Parzival „ohne alle kirchliche Vermittlung zum Gralkönigthum gelangt" (Nr. 6), und daß er „sich nicht die Märtyrerkrone im Kampfe verdiente, wie es consequent der Urgedanke der Dichtung erfordert hätte" (Nr. 10)? Dieser Urgedanke aber gründet sich nicht im Dictatus Gregorii VII, noch im Ausspruche Innocens's III: „Papa veri dei vicem gerit in terra, " sondern im Evangelio unmittelbar und im Spruch des Apostels 1 Petr. 2, 9, 10: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden Dess, Der euch berufen hat von

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