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Was gab ihm sein neues Leben zur Entschädigung für die Opfer, die er brachte? Fragen nach der inneren Seligkeit des Lebens, welche jene Zeit nicht beantworten konnte und die erst Dante in seinem „Paradiese" dichterisch zu lösen verstand" (S. 365) — alle diese Äußerungen zeigen, daß dem geistvollen Schriftsteller dennoch ebenso der evangelische Leitfaden, der uns durch das geheimnissvolle Dunkel des Gedichtes führt, entschlüpft, als auch überhaupt die poetische Struktur des ganzen Gedichtes in seinen drei Hauptkreisen, die es umfasst, entgangen scheint. Rosenkranz von 1855, wie er die Geschichten vom Gral und das Treiben der Templeisen im Allgemeinen ziemlich geistlos" (Nr. 4) findet, erkennt in der ganzen Composition „nur ein recht weitschweifiges Durcheinander der seltsamsten Dinge und Begebenheiten, worin die Phantasie stets neuen Stoff zur Verwunderung findet" (Nr. 11), obwohl er 1830 (1. c. S. 269) dem Dichter doch noch eine unermessliche Kraft" zuschrieb. Gervinus (S. 353) findet zwar jenes träumerische Handeln ohne Princip, das dünkelhafte Wesen ohne Grund, jene tapferen Thaten ohne Zweck, das Gewirr der Abenteuer ohne Ende, alles, was in den bretonischen Romanen so stehend ist, auch im Parzival: aber (S. 356) er setzt doch nach Tiefe des Planes und Größe der Ideen den Parzival über Gottfrieds Tristan, und findet das scheinbar Zufällige in den äußeren Begebenheiten mit dem Nothwendigen in des Helden innerer Entwickelung ganz vortrefflich in Beziehung und Verknüpfung gesetzt (S. 362). Es genügt uns aber nicht von ästhetischer Seite die auch von Vilmar, Reichel, Göschel (die Sage v. Parz. u. dem h. Gral. Berlin, W. Schulze, 1855) u. s. w. hervorgehobene Bemerkung: die vielen Abenteuer Gawans sollen im Gegensatz der übersinnlichen Welt des Grals nur die Herrlichkeit der irdischen Welt schildern: Gawans weltliche Ritterlichkeit, er, der Virtuose chevaleresker Lebenskunst“ (Nr. 6), soll dem geistlichen Ritterthum Parzivals zur Folie dienen: die Arthurfeste und die Zauberburg Klinschors bilden interessante Contraste zu dem heiligen Leben auf der Gralsburg, u. dgl. m. Alles das ist zwar richtig und trifft die Wahrheit, aber nur zum Theil und erschöpft sie bei Weitem nicht. Mochte es als gewagt gelten, aus dem Gedicht eine Glaubensrichtung des Dichters herauszulesen, die weit über seine Zeit hinauszugehen scheint, die gleichwohl aber in keiner kleinen Fraction seiner Mitwelt herrschend war, und zwar dergestalt herrschend, daß selbst die Kirche davon erschüttert und sie. zu den gewaltsamsten Mitteln zu ihrer Unterdrückung getrieben ward, können wir aber Schritt für Schritt in einem Theile desselben und nach einer Richtung hin, und zwar im dargelegten Verhältniss des

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Menschen zu Gott (Gral, Amfortas, Parzival), die Erzählungen des Gedichtes folgerecht in die positiven Sätze der Glaubenslehre überist dieses gelungen tragen: so darf die Untersuchung nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern sie darf hoffen, daß bei einem so tiefsinnigen Dichter und Denker wie Wolfram auch das Gleiche auf die übrigen Theile Anwendung findet, also auch auf das Verhältniss des Menschen zum Bösen außer uns und das Verhältniss des Menschen zur Welt; und dann werden wir nicht mit Hoffmann (S. 89) sagen dürfen die Verbindung Arthurs mit dem Gral sei eine bloß äußerliche, nur durch Parzivals Figur vermittelte, und Klinschors Geschichte gehöre gar nicht zur Sache" (S. 93). Ohne einen strengen, inneren geistigen Zusammenhang des Grals mit Arthurs Weltreich und den Anfechtungen des Unglaubens und Bösen wäre die Durchführung der herrschenden Idee in Parzivals Geschichte nur einseitig und unvollständig, während das Gedicht durch diesen Zusammenhang dagegen ein wirklich weltumfassendes wird. Der Strom der Welt, in welchem die Tafelrunde schwimmt, und die Zauberburg, wo die düsteren feindseligen Mächte Qual und Verderben gegen alles Geschaffene; was Freude und Tugend athmet, brüten, sind vielmehr Gegensätze jenes Gottesreichs des Grals, die mehr als nur eine poetische Dekoration bedeuten und mehr als ästhetischen Reiz bezwecken. Die weitere Ausführung dieser beiden letzteren Punkte wird der für das Verständniss unseres Dichters sich interessierende Leser im dritten Heft meiner ParzivalStudien, das unter der Presse ist, finden; doch möge mir gestattet sein, bei dieser Gelegenheit wenigstens einige vorläufige Andeutungen zu geben.

Kirchenlehre und Volksglaube, gestützt auf die h. Schrift, erkannten ein Reich des Satans und seiner Engel und Dämonen, deren Walten auch über die Erdgebornen gieng, als Feinde Gottes und aller derer, die fromm und treu ihm anhiengen, an, und auch Wolfram lässt ein solches demgemäß in seiner Dichtung bestehen. Äußerlich zwar, wie jedes andere irdische Königreich anzusehen, hat es seinen Sitz im fernen Orient, dem Lande der Zauber, Ungeheuer und unermesslicher, Schätze, dem Wohnplatz der missgeschaffenen Sprösslinge adamitischer Weibesgier, wo das Heidenthum in unbeschränkter Macht und Blüthe stand; und von hier gehen alle Anfechtungen gegen das Gral- wie gegen Arthurs Weltreich aus. Allein so wenig wie in der Geschichte Parzivals ihm der Erlöser, Engel und Heilige (abweichend von den Prosaromanen von Percival und de St. Gréal) persönlich entgegentreten, ihn lehren und führen, so wenig begegnet uns auch hier der

leibhafte Satan mit Horn, Schweif, Pferdefuß und Krallen, wie Dante's Vorgänger schon ihn ausführlich malten, sondern seine Repräsentanten und Organe reihen sich künstlerisch und menschlich in sein romantisches Epos als durchaus natürliche Figuren ein, worüber wir indess ihren infernalischen Charakter nicht vergessen dürfen. Sekundille, die Heidenkönigin, verlockt den Gralkönig Amfortas zu verbotener Minne, d. h. zum Abfall von Gott; zwar ermannt er sich insoweit, sie im Stich zu lassen, aber er fällt bald wieder in die Schlingen der Orgeluse, in deren Dienst er die giftige Wunde, und zwar von einem Heiden empfängt, der den Gral bekämpfen will, in welchem wir daher nur einen Abgesandten der Finsterniss zu erkennen vermögen; und so macht Gott, wie ja fast immer, den Bösen zum Werkzeug seiner strafenden Gerechtigkeit gegen Amfortas. Auch Klinschor stand mit Sekundillen, der er die Spiegelsäule und andere Schätze stiehlt, in Beziehung; sein verbrecherischer Umgang mit der Königin Iblis, die nicht ohne Bedeutung den Namen des muhamedanischen Satans führt, und die mit satanischer Bosheit selbst sein Verbrechen verräth, treibt ihn nach seiner schmachvollen Bestrafung zur Schwarzkunst und macht ihn zum eifrigsten Jünger des Schwarzen. Klinschor am wenigsten ist, wie Rührmund (v. d. Hagen, Germania, Jahrb. der Berl. Gesellsch. IX, 14) meint: „eine Karrikatur Abälards und ein Vorläufer des Faust, nur mit mehr wälschem als deutschem Charakter." An ihn reihen sich jene Unseligen, Irot, Gramoflanz, Orgeluse, und schließen Pacte mit ihm zu ihrem Schutz gegen ihn, und diese ziehen auch Arthurs Verwandte, Gawan und seine Schwester, in ihre feindseligen Conflicte, wie Klinschor selbst dem Arthur Weib und Mutter entführte und auf der Zauberburg einsperrte. So schlingt sich kunstvoll das dichterische Gewebe der Erzählung um alle Repräsentanten der oben von uns bezeichneten drei Reiche, ohne daß jedoch der Dichter deren symbolische Bedeutung und ihr ethisches Verhältniss zu einander aus dem Sinne verliert. Wir erkennen dabei, daß Arthur und seine Tafelrunde ein Christenthum haben und üben, wie es eben in den höfischen Kreisen zu des Dichters Zeit herkömmlich war. Sie hören regelmäßig Messe, beobachten getreu die gebotenen Kultusformen, die fahrenden Herren und Ritter führen Kapläne und kirchliche Ornamente sogar auf Reisen mit sich, beten auch wohl in der Noth, wie Gawan auf dem Zauberbette, oder herkömmlich in der Kirche wie Ginevra; aber nicht Einer lässt sich die Äußerung einer tieferen Gotteserkenntniss oder die mehr als übliche Formel wäre, entschlüpfen; und auf gleich äußerlicher Stufe hält sich auch ihre höfische Moral. Gewiss ist es nicht andächtige

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Verehrung des h. Stuhls, sondern scharfe, beißende Ironie, wenn der Dichter den Baruch, den heidnischen Papst, mit dem h. Vater in Rom vergleicht, der auch Ablaß ertheilt und bei dem man beidnische Orden sieht wobei indess zugleich die Lehre der Kirche hineinspielt, daß die Dämonen die heiligen Gebräuche der christlichen Kirche im heidnischen Gottesdienste nachahmen. Dieser sichtbaren äußerlichen Kirchengemeinschaft mit ihrer todten Werkheiligkeit steht die Genossenschaft des Gral-Evangeliums gegenüber, und wie nach Wolframs Ansicht die Kirche jener ersteren Gesellschaft zwar nicht geeignet ist, zur Gralseligkeit zu führen, so hält er sie doch für genügend stark, mit ihren Heilsmittel dem „Teufel außer uns" zu begegnen, den Herzeloide und Gurnemanz dem Parzival bezeichnen, und der in der That von Kirche, Volksglauben und zahllosen Legenden so materiell und äußerlich, um nicht zu sagen massiv, aufgefasst ward, daß der bedrängte Mensch sich seiner auch mit jenen äußerlichen Mitteln, welche diese Kirche bot, mit gewissen Gebetsformeln, Schlagen des Kreuzes, Segenssprüchen u. s. w. erwehren konnte. Darum konnte es auch dem weltlichen, jedoch im Geist dieser Kirche genügend frommen Ritter Gawan gelingen, im Bund mit seiner zuht, männlichen Rechtschaffenheit und seinem Heldenmuth, den Zauber von Schastel-Marveille zu überwinden und dieses dämonische Zauberland der gewöhnlichen Christenwelt zurückzugeben; aber zur Gralseligkeit gelangte er desshalb noch nicht. Nach Wolframs Meinung aber ist ein solcher Versucher für den wahren Jünger des Grals gar nicht vorhanden, jedenfalls gegen ihn machtlos; denn wie der Erlöser auf der Höhe des Berges zum Satan sprach: „Hebe dich weg von mir, denn es steht geschrieben, du sollst anbeten Gott deinen Herrn und ihm dienen" (Matth. 4, 10), so weist Parzival Orgelusens Verlockung mit voller innerer Festigkeit zurück: Ichn wil iwer minne niht, Der grâl mir anders kumber giht! Sus sprach der helt mit zorne“ (P. 619, 11), und lässt die Bestürzte in tiefster Beschämung stehen.

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Gawan aber hat eine doppelte Mission und geht darauf unbewusst, wie Parzival auf die seinige, ein. Einmal folgt er der vom Gral ausgehenden, von Kundrien am Plimizol ausgesprochenen Aufforderung zur Befreiung der gefangenen Frauen, und, daraus folgend, zur Zerstörung von Klinschors Zaubern, somit zur Überwindung dieser vorgeschobenen Colonie des Reiches der Finsterniss. Jedoch gibt der Dichter ihm noch eine zweite Mission, die innig mit seiner klaren Anschauung dessen, was im damaligen Ritterleben verwerflich war und den Keim künftiges Verderbens wirklich in sich trug, zusammenhängt.

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Er geißelt die ungezügelte Kampflust ohne sittlichen Zweck, er tadelt scharf die lächerlichen Grillen eines hochgespreizten Stolzes und verkehrten ritterlichen Ehrgeizes, und noch schärfer in sehr zahlreichen Aussprüchen die zu seiner Zeit schon großen Ausschweifungen des ritterlichen Minnedienstes und die Vergötterung der Minne, die im Tristan ihren weltlichen, im Mariendienst ihren geistlichen Ausdruck fand—was alles nicht allzulange nach ihm in Übermuth des Adels, Raubwesen und gröbster Unsittlichkeit neben abergläubischer Bigotterie seinen verderblichen Ausgang nahm, wie es bei einer Erziehung nicht wohl anders möglich war, welcher die strenge sittlich-religiöse Grundlage fehlte. Dieser sinnlichen, überkünstelten Minne stellt er das Ideal wahrer christlicher Gattenliebe, die wahre Liebe" Parzivals und Kondwiramurs gegenüber. - Die ungemessene Leidenschaft Orgelusens zu Lidegast, die in blutgierigen Rachedurst gegen dessen Mörder Gramoflanz umschlägt, die sie zum Bündniss mit Klinschor und sogar dazu treibt, daß sie sich selbst dem zum Preise aussetzt, der ihr zum Rachewerkzeug dienen würde, ferner der überstolze Hochmuth des Gramoflanz und sein wilder Hass gegen Gawan zeigen die tiefste sittliche Verirrung, die sich fast zur Geisteszerrüttung steigert. Auch der Fährmann Plippalinot, Orgelusens kriechender Diener, krankt an sittlicher Fäulniss. Sie alle sind in den Banden des Bösen. Gawan erhält den Beruf zugetheilt, den er nicht ohne Straucheln und mehrmals in naher Gefahr zu fallen erfüllt, das edle Ritterthum über die unreine Minne und den unwürdigen Dienst derselben zu erheben, zugleich aber auch jene Gefallenen und Verirrten aus den dämonischen Banden ihrer wilden Leidenschaften zu reißen. Und wie trefflich dieß gelingt, sehen wir an dem Wege der Demüthigung, Reue und Buße, den, ähnlich wie Parzival in seiner Richtung, auch Orgeluse und Gramoflanz gehen müssen, bis sie aus ihrem sittlichen Verfall sich wieder erheben; und gleichwie der Graljünger durch den Glauben, werden diese verirrten Weltkinder durch Edelsinn und wahre Herzensliebe zu Preis, Ehre und zeitlichem Glück zurückgeführt und den Mächten der Finsterniss entrungen. Das ist meines Erachtens die ethische und theologische Bedeutung von Gawans Abenteuern, die nur zu leicht durch den bunten, in allen Farben spielenden Glanz der Dichtung verhüllt wird, aber unverkennbar darin enthalten ist.

Auch Feirefiß, mutterhalb Heide und Parzivals Halbbruder, wird von Sekundillen selbst als dessen dritte Geliebte umstrickt; in ihrem Dienst zieht er in das christliche Abendland, und sein Zusammentreffen mit Parzival ist der letzte Versuch der finsteren Mächte, einen Todesstoß

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