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Bartsch S. 198 199 richtig bemerkt, dabei nicht vergessen, daß „das Gesetz der Hebungen trotzdem noch fortbesteht." Auch ist damit noch nicht ausgeschlossen, daß eine Senkung, d. h. in diesem Falle in beiden Zeilen des Verspaares zugleich, je zuweilen ausfallen darf. Bei Hessler, wie man aus den Bruchstücken bei Roth ersieht, ist dieß sehr häufig der Fall; weniger häufig, wenn auch nicht so selten als Bartsch meint, bei Nicolaus. So baut letzterer Verse von sieben Silben, vier Hebungen und drei Senkungen bestehend und gemessen wie achtsilbige stumpfe, in folgender Weise: 2894 diz ist dî slenkre da mit | kein Gôliam trat Dâvît, 8530 der dritte meistir vorwâr | und trúc daz amt achte jár (wenn nicht amecht zu lesen ist?), 1520 der bischof hiz Cristian¦ und was ein geistlichir man u. s. w. Ferner Verse von sechs Silben, wie siebensilbige stumpfe zu vier Hebungen gemessen, sind z. B. 1460 als sîn andâht in bant | in daz heilige lant, und so 1464–65, 4017-18 wol inmittin gesat | eine vornême stat. Zu fünfsilbigen Versen hat sich Nicolaus wohl nirgends verirrt, er verpönt sie ausdrücklich v. 249. Was sich davon in vorliegendem Texte findet, beruht sicher nur auf Unachtsamkeit seiner Abschreiber und hätte von Strehlke S. 116 nicht sollen in Schutz genommen werden. So v. 743 als vortilgêre, wo mit K zu lesen ist vortiligêre; v. 8960 und lîz ob al daz velt | slain ûf vil gezelt, vielleicht unde l. o. a. d. velt | slagin ûf vile gezelt oder vil manic gezelt; über den ungeheuerlichen Vers 8780 sieh weiter unten.— Von den Versen, welche alle Senkungen ausdrücken, ist noch zu merken, daß die sechssilbigen stets klingend gereimt sind, z. B. 23158–59 und dî dît geleide | alliz ir getreide; daher ist die Stelle v. 11813–16 entweder fehlerhaft überliefert, so daß der erste und dritte Vers je eine Silbe eingebüßt haben, oder das Ganze ist strophisch zu fassen. Sehr selten bedient sich Nicolaus des neunsilbigen Verses, z. B. 6317 und vîr und zwênzic wêpenêre | mit den sich machte der gewêre, so wie 13981, 20992, 21060, 23250, 24066, 26290, 27655, 1792, 2090 u. s. w. Zehnsilbige Zeilen, wie Strehlke S. 116 glaubt, kommen nirgends vor; der einzige eben berührte Fall v. 8781 beruht auf Verderbniss des Textes, dessen Heilung später gezeigt werden wird.

2) Nicht genug aber, daß die einzelne Zeile als solche durch die Silbenzahl begrenzt ist, auch das Verspaar als solches ist durch die Zahl bedingt, indem der Anlage nach die beiden reimenden Hälften

Wort im Reim auf rîm nicht recht passend scheint. Indessen bei einem Dichter wie Nicolaus darf dieß nicht auffallen, wenn man erwägt, daß er vînt: sint, vinde: gesinde, virde: wirde, inzîrt: wirt u. dgl. als Reime sich erlaubt; vgl. Pfeiffer S. LIX.

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durch gleiche Mengen der Silben sich gegenseitig decken müssen, die nachschlagende Zeile das Maß der vorschlagenden nicht überschreiten darf. Das eine folgt nothwendig aus dem anderen. Auch die frühere höfische Poesie hat seit H. v. Veldeken ihr Streben darauf gerichtet, dem epischen Verspaare mehr Einheit und Geschlossenheit zu geben durch gleichmäßigeren Rhythmus seiner Zeilen; nur begnügte sie sich bekanntlich mit dem Zählen der Hebungen und gewährte so einen größeren Spielraum für die mannigfaltigen Formen des Gedankens und der Empfindung" *). Beschränkt ward diese Freiheit der Bewegung aber bereits nach festen bewussten Regeln durch Konrad von Würzburg, den deutschen Nonnus, wie ihn Lachmann mit Recht genannt hat. Er ist der erste, der mit durchgreifender Consequenz mittelst eines gleichmäßigeren Tonfalls seine Verse zu glätten, so wie die zu einem Paar verbundenen Zeilen einander gleich und parallel zu machen sucht. Seine Verspaare haben, abgesehen von der den Auftact bildenden ersten Senkung, bereits ein numerisch bestimmtes Maß, gerade so wie bei Hessler und Nicolaus; ja auch rücksichtlich der Ausnahmefälle, unter denen das Fehlen einer Senkung in einer der zwei Vershälften gestattet ist, hat er mit unserem Dichter die größte Ähnlichkeit, vergl. darüber Haupts Zeitschr. 2, 372 folg. und zum Engelhard 366; daher darf man vermuthen, daß Hessler unter den „alten Meistern," auf deren Vorbild er sich beim Bau seiner Verse beruft, v. 1385 u. 1389, vorzugsweise den Konrad von W. im Auge gehabt habe, dessen goldene Schmiede ihm jedenfalls bekannt war.

Die Art nun, wie Hessler und Nic. sich über dieses ihren poetischen Formen überall zu Grunde liegende Gesetz äußern, ist verschieden gedeutet worden. Noch Bartsch schwankt, indem er S. 199 1. 1. darüber sagt mit Bezug auf die Worte di lenge helt der silben zal: Natürlich kann Nicolaus nicht meinen, daß je zwei mit einander reimende Verszeilen auch gleiche Silbenzahl haben müssen, sondern es ist allgemein zu verstehen: es dürfen neben allzulangen nicht allzukurze Verse in einem Gedichte vorkommen, außerhalb der vom Dichter gesteckten Grenzen. Indess wird man bei Nic. auch die specielle Beziehung auf ein einzelnes Reimpaar gelten lassen, denn meist verbindet er bis auf den willkürlich fehlenden Auftact Verse von gleicher Länge." Wenn aber die in dem letzten Satze ausgesprochene Beobachtung richtig

*) Der seine Verse nach der Zahl der Silben wägende Hessler kann dagegen als Beispiel angeführt werden für die Eintönigkeit und Steifheit, bis zu welcher sich spätere Dichter verirrten. So stehen z. B. zwölf siebensilbige Verse unmittelbar hinter einander in den Saarbrücker Bruchstücken bei Roth Dichtungen. S. 7.

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ist, woran Niemand zweifeln kann, der des Nicolaus Verse gelesen hat, so muß auch die Forderung der darüber gegebenen Regel eine entsprechende sein; es ist nicht gut denkbar, daß Nic. später bei der Ausführung selber das Gegentheil sollte gethan haben von dem, was er vorher als Norm aufstellt. Um indessen vollständig ins Reine zu kommen, muß man sich erst klar zu machen suchen, was der Dichter unter rêm verstanden hat; aber gerade hier scheint man sich viel zu sehr an die moderne Bedeutung des Wortes gehalten zu haben, indem man es vorzugsweise, ja von mancher Seite ausschließlich, wie unser „Reim“ im jetzigen Kunstverstande homoeoteleuton gefasst hat. Das Mittelalter scheint es jedoch nicht immer in diesem engeren Sinne gebraucht zu haben, sondern, wie heut zu Tage noch in manchen Dialecten unseres Volkes, in dem weiteren Sinne von Verszeile (Verspaar), also ganz gleichbedeutend mit den im Lateinischen hin und wieder auftretenden rhythmi teutonici, germanici, vulgares = deutsche Verse. Darauf deuten die Prädicate und der Zusammenhang, in welchem es sich da und dort bei den Alten findet. So lässt Wolframs rîme brëchen und r. samenen (Parz. 337, 26) nach der Auslegung, welche J. Grimm den Worten gibt, kaum etwas anderes als gereimte Verse unter rême vermuthen. Ferner wenn Rud. von Ems dem H. v. Veldeken nachrühmt, daß er rehter rîme aller erste began (v. d. Hag. Ms. 4, S. 866), so ist vielleicht mit allzu einseitiger Hervorhebung dieß auf die Silben des Endreimes bezogen worden. Das Neue der durch Heinrich auf deutschen Boden verpflanzten Kunst bestand aber darin nicht allein; mit Recht wird schon anderen Dichtern kurz vor ihm die Handhabung vollkommener reiner Reime zugeschrieben, wie dem Verf. des Pilatus. Ein nicht geringeres Verdienst erwarb er sich durch das rhythmische Ebenmaß seiner Verse, indem er nicht mehr wie vor ihm geschah und im Volksgesange so wie in den Dichtungen der Geistlichen zuweilen nach ihm noch zu geschehen pflegte, Verse von ungleich vielen Hebungen oder sonst von unverhältnissmäßiger Länge auf einander reimte; und hierin hatte er jedenfalls die Bahn gebrochen. Wenn der Umdichter Heinrichs des Glichesäres von sich sagt sumelicher rime sprach er mê dan ê dran wære gesprochen, so kann ebenfalls über die Bedeutung von rîme kein Zweifel sein. Thomasin v. Zircl. 56 ob mir lichte geschiht | etlichen rim ze überheben | daz er nien werde reht gegeben wird zwar von Lachmann z. Iwein S. 484 und nach ihm von Rückert zu d. St. auf die Verwendung des Reimwortes gedeutet, doch läßt sich ebenso gut auch der Gebrauch allzulanger oder ungleicher Verse darunter denken; ein Fehler, dessen sich Thomasin in der That hin und wieder schuldig

gemacht zu haben scheint; vergl. z. B. Rückert zu v. 1249. Im Renner 17782 heisst es ein rîm an drîn worten stêt | ofte, sô einer fürbaz gêt | über siben oder achte wort; 18698 zweinzic rîme ziuhe ich dâ herîn | die sint hern Vridanks und nicht mîn, und so 19519. Andere 'Stellen weiter unten in der Anmerkung. In diesen beispielsweise herangezogenen Fällen hat rême seiner Bedeutung nach noch viel Ähnlichkeit mit dem althochd. Worta rim bei Graff 2, 506 series numerus; vergl. auch daselbst garimjan, numerare. Wie nun aber die oben aufgeführten Beispiele, ebenso lassen die bei Nicolaus und die bei Hessler (höchstens mit Ausnahme von v. 1411 u. 1412) meines Erachtens keine andere Auffassung zu. Bartsch hat zuerst darauf aufmerksam gemacht. Es gehört dahin Jerosch. 299 und mîn rîm werden gebuit | an dem ende û glichen luit und besonders v. 234-241 ouch des tichteres zunge | an der matérjen strâze | sol dî rechte maze | behalten an den rîmen, | glich zu glichem lîmen, | an lenge sinne lûte. Diese Worte haben nur dann Sinn, wenn man unter rime die Verszeilen versteht. Ich verstehe daher die Stelle so: Was die Länge der mit einander reimenden Zeilen (lenge), ihren Gedankenausdruck (sin) und ihren Endreim (lût) betrifft, so soll man hier stets das rechte Maß inne halten und nur Gleiches zu Gleichem fügen. Die drei zuerst genannten Punkte werden dann in den folgenden Versen, wie Bartsch 1. 1. und Strehlke S. 9 richtig bemerken, einzeln weiter ausgeführt.

Mit dem glich zu glichem limen ist wohl die Ebenmäßigkeit, der Parallelismus der gereimten Zeilen bezeichnet, namentlich in Rücksicht auf den Reim und die Zahl der Hebungen und Senkungen. Dasselbe Gesetz drückt Hessler folgender Maßen aus:

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wand ich sie gar durchmezzen
und ebengliche hân gewegen

d. h. ich habe die Zeilen des Reimpaares so gegeneinander abgemessen, abgewogen, daß sie in Bezug auf die Menge der Füße einander correspondieren. Dass die Deutung von Bartsch, welcher hierbei an die "gleiche Quantität der Reimsilben" denkt, nicht richtig ist, erweist der Zusammenhang mit den folgenden Versen, in welchen näher vom Zählen der Silben, den längeren und kürzeren Reimzeilen die Rede ist; da ist offenbar rim lengen und lanc rim nur vom Vers, nicht vom Endreim zu verstehen. Über lenge vergl. die Erklärungen von Bartsch S. 199

und Strehlke *). Den Ausdruck limen hat Nicolaus von älteren Dichtern entlehnt, die sich dessen in ähnlichem Zusammenhange bedienten; so Trist. 119, 35 vom Blikker: wie er diu mezzer wirfet | mit behendeclichen rimen, | wie kan er rime limen | als ob sie dâ gewahsen sîn; Wigal. 297, 9 und begunde si wider limen | mit ganzen niuwen rîmen; Albr. v. Halberstadt ed. Bartsch S. 2, 29 ob ir vundet in den rîmen | die sich zeinander limen | valsch oder unrecht; Konrad Trojan. 276 ich büeze im sîner brüche schranz, | den kan ich wol gelîmen | zeinander hie mit rîmen, daz er nicht fürbaz spaltet; Eraclius ed. Maßm. S. 4. mit rîme die ich zusamne lime; Rudolf v. Ems bei v. d. Hagen Ms. 4, 866 rîmen: limen; Martina 292, 5 ich hân getichtet ze rime | mit kranker kunste lîme. Verwandt sind auch die ab und zu gebrauchten Ausdrücke rime slihten, r. rihten, worüber zu vergleichen ist. J. Grimm zu Reinh. S. 114 u. Maßm. zu Otte S. 620. Ob auch der Ausdruck binden mit Bezug auf den vorliegenden Fall zu verstehen sei, ist fraglich. Hesler sagt 1381 folg. rîm zu rîme vinden | und die nicht rechte binden | und die nicht wegen gliche | daz stêt unhoveliche; und Nicolaus 26663 ouch hânt dî rême recht gebint (: kint); vergl. auch die vorhin in der Anm. citierten Stellen aus Suchenwirt und Kellers Erz. Mir scheinen die Ausdrücke binden, gebint, bunt vorzugsweise das Binden der Reimsilben zu bezeichnen, was Nicolaus so ausdrückt: mîn rîm werden gebût an dem ende ûf glichen lût.

Mit Rücksicht auf das eben Gesagte kann man nun, wenn von rime brechen oder r. zubrechen oder r. zusniden die Rede ist (vergl. Hesler 1340, 1360 und H. v. Krolewitz 3979), dieß darauf beziehen, daß entweder die Ebenmäßigkeit der zu einem Paar verbundenen Verse oder daß der Gleichklang der Endsilben gestört ist. Zusätze oder Weglassungen können solches im ersten, falsche Laute im zweiten Falle bewirken. Spuren von Unebenheit rücksichtlich des ersten Falles finden sich auch in den Texten der besseren Dichter nicht selten; sie haben hier nach gewöhnlicher Annahme theils in dem mangelnden Kunstsinn

*) Dichterstellen, in welchen des Zählens der Verssilben gedacht ist, sind noch folgende: Rumelant in MS. 3, 56 (6) Vil lieber Marner, dû hast die mûseken an der hant, die silleben an dem vinger gemezzen; Suchenwirt S. 68 der ich ze tichten hân gedacht, wie vor der meister zunge vlacht | matêrg zuo reim mit sluz im punt, der silben zal, der kunsten grunt | ir herz was ankerheftig; Erzähl. aus altd. Handschr. ed. Keller 643, 20-24 die wort meisterlich gemezzen | wurden ûz wîses herzen grunt. | Jeder rîm ûf sînem bunt | an siben worten was gerecht, | ir wort wârhaft unde slecht. Ähnlich drückt sich Hugo von Trimberg im Renner 17782 aus, welche Stelle oben bereits mitgetheilt wurde. Beachtung verdient überdieß noch die Bedeutung, welche hier wort hat Silbe; auch Hesler scheint es v. 1479 so gebraucht zu haben.

GERMANIA. VII.

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