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Der Piasa, eine indianische Tradition.

Dieser Bach heißt Piasa. Der Name ist indianischen Ursprungs und bedeutet in dem Dialekte der Jlini,,Menschen zerreißender Vogel." Nahe der Mündung dieses Flusses ist in einer Höhe, die keine menschliche Kunst zu erreichen vermag, an der glatten, senkrechten Felsenwand die Gestalt eines ungeheuren Vogels mit ausgebreiteten Flügeln eingehauen. Der Vogel, den diese Figur darstellt, hieß bei den Indianern Piasa, und davon erhielt auch der Bach diesen Namen.

Die Tradition vom Piasa lebt noch jest im Munde aller Indianerstämme des obern Mississippi und derer, die einst das Illinoisthal bewohnten. Sie wird so erzählt: Viele Tausend Monden vor Ankunft der Blaßgesichter, als der große Magolyna und Mastodon, deren Gebeine man jest ausgråbt, noch in diesem Lande der grünenden Prairieen lebten, gab es einen Vogel von so ungeheurer Größe, daß er mit Leichtigkeit einen Hirsch forttragen konnte.

Da er seit dieser Zeit Menschenfleisch gekostet hatte, so wollte er spåter auf nichts anderes mehr Jagd machen. Er war ebenso verschlagen als stark, und pflegte plöhlich auf einen Indianer herabzuschießen, ihn in seinen Krallen nach einer Höhle der nahe gelegenen Bluffs zu tragen und dort zu fressen. Hunderte von Kriegern versuchten es Jahre lang, ihn zu tödten, aber nie gelang es ihnen. Ganze Dörfer waren beinahe entvölkert worden, und alle Stämme der Illini befiel banger Schrecken.

Endlich zog Onatoga, ein Häuptling, dessen Kriegsruhm felbst über die großen Seeen gedrungen war, gegen ihn aus. Er trennte sich von seinem Stamme, fastete einen ganzen Monat lang in abgeschlossener Einsamkeit, und flehte zum großen Geiste, dem Herrscher des Lebens, daß er seine Kinder vor dem Piasa schüßen möge. Am lehten Tage seines Fastens erschien ihm der große Geist im Traume und befahl ihm, zwanzig seiner Krieger, jeder mit einem Bogen und vergifteten Pfeile bewaffnet, auszuwählen und an einem bezeichneten Orte zu verbergen. Nahe dem Orte, wo fie verborgen liegen mußten, sollte ein anderer Krieger als Opfer des Piasa frei und offen hingestellt werden, und sobald der Piasa sich auf ihn stürze, sollten ihn die versteckten Krieger augenblicklich mit ihren Pfeilen durchbohren.

Als der Häuptling am Morgen erwachte, dankte er dem

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großen Geiste, kehrte zu seinem Stamme zurück und erzählte seinen Traum. Schnell waren die Krieger ausgewählt und in den bezeichneten Hinterhalt versteckt; zum Opfer erbot sich Dnatoga selbst. Er erklärte sich bereit, für sein Volk zu sterben. Frei und offen stellte er sich im Angesichte des Bluffs hin, und sah bald den Piasa auf einer Klippenzacke sizen, wie er mit gierigen Augen nach seiner Beute spåhte. Onatoga richtete seine månnliche Gestalt in ihrer ganzen Långe auf, und seinen Fuß fest an den Boden gesezt, begann er den Todtengesang der Krieger anzustimmen. Einen Augenblick darauf erhob sich der Piasa in die Luft und fuhr schnell wie ein Blisstrahl auf den Häuptling herab.

Kaum hatte er jedoch sein Opfer erreicht, als jeder Bogen schnellte und jeder Pfeil bis an seine Federkrone in des Piasa's Leib drang. Der ungeheure Vogel stieß ein wildes, furchtbares Gekreisch aus, das weit über den Strom hinaus ertönte. Dnatoga war gerettet; kein Pfeil, selbst nicht des Piasa's Klauen hatten ihn berührt; der Herr des Lebens, in Bewunderung der hochherzigen That Onatoga's, hatte über ihn einen unsichtbaren, schüßenden Schild gehalten. Zum Gedächtniß dieses Ereignisses wurde das Bild des Piasa in die Felsenwand gehauen.

So lautet die indianische Tradition, deren Wahrheit sich freilich nicht verbürgen läßt. So viel ist jedoch gewiß, daß das in den Felsen gehauene Bild eines großen Vogels noch immer sichtbar ist, und zwar in einer Höhe, zu der Niemand dringen kann. Wie und zu welchen Zwecken es gemacht wurde, mögen Andere entscheiden; aber selbst noch heutigen Tages fährt kein Indianer in seinem Canoe an der Insel vorüber, ohne sein Gewehr nach der Figur des Vogels abzufeuern. Die Zeichen der Kugeln, welche an den Felsen prallten, sind fast unzählbar.

Gegen Ende März des Jahres 1840, fährt mein Traditionist fort, wurde ich veranlaßt, die Bluffs unterhalb der Mündung des Illinois und oberhalb der des Baches Piasa zu durchwandern. Meine Neugierde war hauptsächlich auf die Untersuchung einer Höhle gerichtet, die in obiger Tradition als eine von denen bezeichnet wird, in welche der Vogel seine Menschenopfer zu schleppen pflegte. Begleitet von einem

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kundigen Führer, der einen Spaten trug, trat ich meine Excursion an. Der Eingang der Höhle war außerordentlich schwer zu ersteigen; an einem Punkte, bis zu welchem wir geklettert waren, befand ich mich 100 Fuß hoch an dem senkrechten Abs falle des Bluffs, mit kaum so viel Raum, um einen Fuß darauf sehen zu können. Ueber mir thürmte sich dke undurchbrochene Felsenwand in die Höhe, während unter mir der Strom rollte. Nach langem und gefährlichem Klimmen erreichten wir die Höhle, die ungefähr 50 Fuß über dem Strome liegt. Mit Hülfe eines langen Pfahls, dessen eines Ende wir auf den Felsenvorsprung und das andere in die Oeffnung der Höhle schoben, gelang es uns, sie zu erreichen. Nichts kann einen tiefern Eindruck machen, als die Aussicht von dieser Höhle aus. In schweigender Majestät rollte unter uns der Mississippi hin; hoch über unsern Häuptern hing eine Ceder ihre Zweige über die Klippe, auf deren Spige ein kahler Adler saß. Kein anderes Geräusch oder Lebenszeichen umgab uns; Sabbathstille herrschte über der ganzen Gegend; kein Wölkchen war am Himmel sichtbar, kein Windesathem fächelte. Ruhig und glatt wie ein See lag der breite Mississippi vor uns und die Landschaft trug noch dasselbe Gepråge der Wildniß, wie einst, als das Auge der Weißen sie noch nie gesehen hatte. Das Dach der Höhle war gewölbt und kaum weniger als 25 Fuß hoch; die Höhle selbst zeigte unregelmäßige Erweiterungen und Verengungen, doch mochte fie, soweit ich es schätzen konnte, im Durchschnitt 20 bis 30 Fuß breit sein. Der Boden derselben war, soweit er reichte, über und über mit Menschenknochen bedeckt. In der größten Verwirrung lagen Schädel und andere Gebeine durcheinander geworfen umher, bis zu welcher Tiefe kann ich nicht entscheiden. In jedem Theile der Höhle gruben wir 3-4 Fuß tief und fanden nichts als Knochen. Hier müssen die Ueberreste von Laufenden aufbewahrt sein; wie, von wem und zu welchem Zwecke, ist unmöglich zu errathen.

Wenn Du an den Sagen und Ueberlieferungen der Indianer Geschmack findest, so empfehle ich Dir,, Mündliche Ueberliefe rungen zur Charakteristik der nord - amerikanischen Indianer von Schoolcraft," einem der gelehrten Welt bereits durch seine früheren literarischen Arbeiten bekannten Manne. Er war viele

Schoolcrafts,,mündliche Ueberlieferungen."

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Jahre lang Chef des indianischen Departements im Gouvernement der Vereinigten Staaten und hatte in seiner offiziellen Stellung vielfache Gelegenheit, eine genauere Bekanntschaft mit dem eigentlichen Wesen der sogenannten Wilden zu erlangen, die durch seine Heirath mit einer Dame von indianischer Herkunft noch vermehrt wurde. Sie betrachteten ihn, so zu sagen, als ihren Landsmann und bewiesen gegen ihn ein Vertrauen und eine Offenheit, denen sie sich, durch schmerzliche Erfahrungen belehrt, im Umgange mit den Weißen selten hinzugeben pflegen.

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Der weiße See in der Grafschaft Susser.

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Seine

Seine Fälle (Geneffee
Cascades).
- Owasko u. s. w.)

Der gefrorene Brun

nen in Oswego. Die Catskill-Berge. Seine Kanäle. Seine Eisenbahnen und sein Handel. Zwei Geseze, die Verlassenschaft verstorbener Fremden und die Steuerfreiheit der Prediger betreffend.

Buffalo.

Solltest Du eine Reise nach den Vereinigten Staaten unternehmen, um Dich an ihren Naturwundern und Naturschönheiten zu ergötzen, und den Kunstfleiß, die Betriebsamkeit und Rührigkeit ihrer Bewohner kennen zu lernen, so bestimme eine långere Zeit für den Staat New-York; denn dieser hat unftreitig die meisten und merkwürdigsten Naturschönheiten, die großartigsten von Menschenhånden ausgeführten Werke, den ausgedehntesten und lebhaftesten Handel, und führt den Namen,,The Empire State" mit gutem Rechte. Die Harzgegenden sind schön, die sächsische Schweiz ist noch schöner, die eigentliche Schweiz übertrifft beide mit ihren Bergen und Gletschern und Thalern, allein solche Naturwunder und Naturschönheiten, wie sie der Staat New York besigt, können sie nicht aufweisen, und von dem frischen, freien, geschäftigen Leben, wie wir es in ihm finden, können sie sich gar keinen Begriff machen. Die Niagara - Fålle kennst Du, ebenso die Genessee-Fålle bei Rochester, die ich im 2. Theile meines Buches:,,Die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika" S. 354 beschrieben habe.

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