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Zweite Predigt zur Nachfeier des Reformationsfestes.

Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott dem Vater und von dem HErrn JEsu Christo, dem Sohne des Vaters, in der Wahrheit und in der Liebe, jei mit euch allen. Amen.

Geliebte Brüder und Schwestern in Christo JEsu!

„Ich glaube Eine heilige allgemeine christliche Kirche, die Gemeine der Heiligen", so heißt es in dem ältesten, in dem apostolischen Symbolum. So haben daher alle Christen zu allen Zeiten und in allen Ländern, Große und Kleine, Gelehrte und Einfältige, geglaubt und bekannt. Hieraus ersehen wir: Die Kirche JEsu Christi, außer welcher kein Heil und keine Seligkeit ist, ist erstlich ein unsichtbares, und sodann ein über die ganze Welt sich erstreckendes Reich.

Sie ist erstlich unsichtbar, denn sie ist, laut des apostolischen Symbolums, ein Gegenstand des Glaubens; der Glaube aber ist nach Gottes Wort „eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet". Ebr. 11, 1. Die wahre Kirche ist eigentlich nichts anderes, als die Gemeinschaft aller von Herzen Gläubigen und Geheiligten in Christo JEsu, ihrem HErrn. Diese sind nun zwar alle freilich nicht unsichtbare Geister, sondern sichtbare Menschen: wer kann aber den von dem Heiligen Geiste in ihren Seelen gewirkten Glauben sehen? Und wer kann es daher auch nur Einem Menschen ansehen, daß er ein Gläubiger sei, und es daher auch nur von Einem Menschen sagen, daß er in ihm die Kirche, oder auch nur ein Glied der Kirche sehe? Die wahre Kirche, außer welcher kein Heil und keine Seligkeit ist, ist ferner freilich überall, wo die Gnadenmittel sichtbar gehandhabt werden, wo nemlich Gottes Wort rein und lauter gepredigt und die heiligen Sacramente nach Christi Einseßung verwaltet werden. Wo die wahre Kirche sei, dies kann daher freilich jedermann leicht erkennen. Da aber die wahren Christen, welche allein zur wahren Kirche gehören, überall mit falschen Christen vermischt sind, wie der Weizen mit dem Unkraut, wer kann nun die wahren Christen aus den falschen herausfinden, und also die Kirche sehen? Niemand; man sieht wohl die Menschen, unter denen die Kirche sich befindet, diejenigen aber, welche darunter die Kirche allein ausmachen, sieht und kennt nur der, von dem es heißt: „Der veste Grund Gottes bestehet, und hat dieses Siegel: Der HErr kennet die Seinen." Daher nennt denn Christus auch seine

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Kirche ein Himmelreich auf Erden, das nicht mit äußerlichen Geberden komme; und der heilige Apostel Paulus nennt sie den Leib JEsu Christi, die Braut des HErrn, ein geistliches Haus, ja, das Jerusalem, das droben ist, und die Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind. Doch die Kirche, außer welcher kein Heil und keine Seligkeit ist, ist nicht nur ein unsichtbares, sondern auch ein über die ganze Welt sich erstreckendes Reich. Nachdem nemlich Christus die heiligen Apostel ausgesendet hat in alle Welt, und diese das Evangelium unter allen Völkern geprediget haben, so gibt es nun auch unter allen Zonen des Himmels Seelen, welche an Christum wahrhaftig glauben und die daher zu seiner Kirche gehören. Christi Kirche ist daher auch überall, wohin nur des Evangeliums seliger Schall gedrungen ist, nach jener unwiderruflichen und ewig gewissen Verheißzung: „Das Wort, so aus meinem Munde gehet, soll nicht wieder zu mir leer kommen; sondern thun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende.“ Jef. 55, 10. 11. Von keinem Volk, von keiner Stadt, von keinem Lande, ja, von keinem Erdtheil kann daher gesagt wer den: Siehe, hier ist Christus, oder da“ (Matth. 24, 23.), das heißt, nur hier, oder nur da ist seine Kirche und seine verheißene Gnadengegenwart. Als einst die afrikanische Secte der Donatisten behauptete, die wahre Kirche sei allenthalben ausgestorben und nur in Afrika, nemlich in ihnen allein, habe sie sich erhalten, da antwortete ihnen der heilige Auguftinus: Nicht Afrika, sondern der Weltkreis ist das Gebiet des Reiches Christi; denn es stehet von Christo geschrieben: „Heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben, und der Welt Ende zum Eigenthum." Ps. 2, 8. Wie es aber kein einzelnes Volk und keine einzelne Stadt und kein einzelnes Land, ja, keinen einzelnen Erdtheil gibt, von dem man sagen könnte: Hier allein ist die Kirche, außer welcher kein Heil und keine Seligkeit ist: so gibt es auch keine einzelne sichtbare Kirchengemeinschaft, die dies von sich rühmen könnte. Mag eine einzelne sichtbare Kirche vor allen anderen Gottes Wort noch so rein haben; mag sie vor allen anderen die heiligen Sacramente noch so treu verwalten und gebrauchen; mag sie vor allen anderen durch christliche Zucht, Ordnung und Reichthum an guten Werken noch so herrlich glänzen: dennoch kann sie nicht sagen: Wir allein sind Gottes Haus, hier bei uns allein ist Christi Kirche; denn Gottes Wort sagt, Christus herrsche selbst mitten unter seinen Feinden (Ps. 110, 2.), das heißt, Christus habe seine Unterthanen auch da, wo seine Feinde, Ungläubige, Spötter, Verführer, Keßer und Tyrannen, toben. Als daher der theure Mann Gottes Elias meinte, er sei allein von Gottes Kirche übrig geblieben, weil er ganz Israel von Baalspfaffen verführt und dasselbe anstatt des wahren Gottes dem Baal dienen sah, da erhielt er die göttliche Antwort: „Ich habe mir lassen überbleiben sieben

tausend Mann, die nicht haben ihre Kniee gebeuget vor dem Baal.“ (Röm. 11, 1—5. 1 Kön. 19, 1—18.) Ueberall daher, wo Gottes Wort noch für Gottes Wort gilt, hat Christus seine Gläubigen, ob auch falsche Lehrer dasselbe verkehren und verfälschen; Christus ist kein so armer König, der nur in Einer Stadt, in Einer Provinz, in Einem Lande König wäre : wo immer in aller Welt das Wort von seiner Gnade tönt, da macht er sich Unterthanen und stiftet, den Höllenpforten zu Tros, seiner Kirche seliges Reich.

Auch wir Lutheraner müssen daher bekennen, und wir bekennen es mit Freuden: auch außerhalb der sichtbaren lutherischen Kirche hat Christus sein Reich; auch außerhalb der sichtbaren lutherischen Kirche hat Christus noch Gläubige; auch außerhalb der sichtbaren lutherischen Kirche gibt es seligwerdende Seelen.

Aber wie? meine Zuhörer, haben wir nicht erst vor acht Tagen das Fest der lutherischen Kirchenreformation gefeiert? Ist es wahr, daß Viele selig werden, welche den Namen Lutheraner nicht tragen, warum feiern wir noch den Tag, an welchem einst Luther den Grundstein zu dem Reformationswerk legte, als einen Festtag des Jubels und der Freude? Ist es wahr, daß die sichtbare lutherische Kirche nicht die allgemeine heilige christliche Kirche ist, außer welcher kein Heil ist, warum halten wir noch fest an unseren kirchlichen Bekenntnissen? warum reißen wir diese Mauern nicht nieder, welche unsere Kirche von allen anderen Gemeinschaften trennen? Warum bleiben wir noch in den engen Grenzen unserer evangelisch-lutherischen Kirche? warum sondern wir uns noch ab von allen anderen Parteien in der Christenheit? Warum reichen wir nicht allen Gliedern dieser Parteien die Hand der brüderlichen Gemeinschaft? und warum nehmen wir also nicht Theil an der jest so hoch gefeierten Union?

Wohl meinen Viele, wenn sie hören, daß Gottes Kirche eigentlich unsichtbar und über den ganzen Erdboden verbreitet sei, also könne man getrost der sichtbaren rechtgläubigen Kirche den Rücken kehren und Gemeinschaft halten mit allen Religionen und Secten. Aber, meine Theuren, dies folgt so wenig daraus, so wenig aus dem Saße: Auch die Christen sind Sünder - dieses folgt, daß also ein Christ die Freiheit habe, zu sündigen mit Wissen und Willen. Doch dies laßt mich euch in gegenwärtiger Stunde etwas genauer erörtern.

Text: 1 Joh. 2, 19.

Sie sind von uns ausgegangen; aber sie waren nicht von uns. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns find.

Schon zur Zeit der heiligen Apostel traten, meine Zuhörer, Irrlehrer auf, welche neben den rechtgläubigen, von den Aposteln gegründeten, Kirchen eigene Gemeinden stifteten, damit sie darin ungehindert und ungestraft das Wort nach ihrem Sinne deuten und vortragen könnten. Diese Jrrlehrer umgaben sich meist mit einem großen Heiligenschein. Sie gingen, wie Paulus sagt, oft einher in Demuth und Geistlichkeit der Engel (Col. 2, 18-23.). Dadurch ließen sich zuweilen auch Glieder der rechtgläubigen Gemeinden täuschen, verließen diese Gemeinden und schlossen sich den Gemeinschaften der Irrlehrer an. Was spricht nun hierzu der heilige Apostel in unserem Terte? Erklärt er es etwa für gleichgiltig, ob man bei der rechtgläubigen Gemeinde bleibe oder nicht? Erklärt er etwa, daß solche abfällige Christen doch gute Christen blieben und, wenn auch nicht zur wahren sichtbaren, doch zur wahren unsichtbaren Kirche gehörten? Nein; mit großem Ernste schreibt er: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns: denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber auf daß sie offenbar würden, daß sie nicht alle von uns sind." Hiermit erklärt der heilige Johannes: wer von einer sichtbaren rechtgläubigen Gemeinde abfällt, der beweis't damit, daß er kein rechtschaffener Christ, also kein Glied der unsichtbaren Gemeinde der Heiligen sei; denn wer das ist, der bleibt bei jener. Hiernach laßt mich jezt die Frage beantworten:

Warum soll und kann uns der Glaube, daß die wahre Kirche eigentlich unsichtbar und über die ganze Welt zerstreut sei, nicht verleiten,

die rechtgläubige fichtbare Kirche zu verlaffen?

Ich antworte: weil diejenigen, welche zur unsichtbaren Kirche gehören wollen, eine doppelte Verpflichtung haben:

1. die Pflicht, sich von denjenigen abzusondern, welche Gottes Wort verfälschen und in ihren Irrthümern hartnäckig verharren, und

2. die Pflicht, sich zu denen zu halten, welche treulich bei Gottes Wort bleiben und den wahren Glauben. rein und lauter bekennen.

Du aber, HErr JEsu, wollest geben, daß das in dieser Stunde gepredigte Wort an unser keinem verloren sei, daß die von Deiner recht gläubigen Kirche bereits Abgefallenen heilsam erschreckt, die Lauen und Gleichgiltigen in Sachen der Religion und Kirche aufgeweckt, die im Zweifel Stehenden gewiß gemacht und die treuen Bekenner Deines Namens gestärkt werden, damit wir alle des Glaubens Ende erreichen, welches ist der Seelen Seligkeit. Erhöre uns um Deiner Gnade und Wahrheit willen. Amen.

I.

Ein so gefährlicher Irrthum es auch ist, meine Zuhörer, wenn man meint, die sichtbare lutherische Kirche sei die Kirche, außer welcher kein Heil ist, und daß daher nur die sogenannten Lutheraner selig werden können, so ist es doch ebenso irrig, wenn man im Gegentheil glaubt, weil viele Menschen selig werden, die keine Glieder der sichtbaren lutherischen Kirche sind, so sei es gleichgiltig, zu welcher sichtbaren Kirche man sich halte; wer in einer irrgläubigen Kirche sich befinde, könne ohne Seelengefahr darin bleiben, und wer zur rechtgläubigen lutherischen Kirche gehöre, könne dieselbe auch ohne Seelengefahr wieder verlassen und sie mit einer anderen vertauschen.

Wohl ist es wahr: die wahre Kirche ist eigentlich unsichtbar und über die ganze Welt zerstreut. Aber dieser Glaube soll und kann uns keinesweges verleiten, die rechtgläubige sichtbare Kirche zu verlassen, oder die Gemeinschaft mit ihr gering und für gleichgiltig zu achten. Denn gerade diejenigen, welche zur unsichtbaren Kirche gehören wollen, haben zwei wichtige Dem entgegenstehende heilige Pflichten, und zwar 1. diese Pflicht: sich von allen denjenigen abzusondern, welche Gottes Wort verfälschen und in ihren Irrthümern hartnäckig verharren.

Gehen wir zurück bis zur Kirche Adams, und verfolgen wir die ganze Geschichte der Kirche von Anfang bis zum leßten der Apostel, dem heiligen Evangelisten Johannes, so finden wir, daß sich die Rechtgläubigen auf Gottes Befehl immer von den Falschgläubigen abgesondert haben und daß Gott, wenn sich die Rechtgläubigen endlich in die Gemeinschaft der Jrrgläubigen verlocken ließen, daran nicht nur kein Gefallen getragen, sondern dies auch immer mit schweren Gerichten heimgesucht hat. Kaum hatte Cain falschen Gottesdienst angerichtet, so schied sich die rechtgläubige Kirche Adams von seiner Kirche, und Cain mußte mit den Seinen hinaus. Als sich später zu Noah's Zeit die Kinder Gottes mit den Kindern der Menschen, das ist, mit denen, welche Gottes reines Wort verlassen hatten, vereinigten, da litt die Kirche so große Noth, daß Gott, um die rechtgläubige Kirche Noah's zu erhalten, die ganze übrige Welt verderben mußte. Als ferner die rechtgläubige Kirche Sem's bis auf die Familie Abraham's zusammengeschmolzen und überall falscher Gottesdienst aufgekommen war, da erhielt Abraham endlich den ausdrücklichen Befehl, sich von der falschen Kirche, zu welcher auch sein Vater gehörte, zu scheiden; Gott sprach zu ihm: „Gehe aus deinem Vaterlande, und von deiner Freundschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das ich dir zeigen will." Und was war nun die ganze Führung des Volkes Israel anders, als die stete Bemühung Gottes, die rechtgläubige Israelitische Kirche von allen falschen Kirchen in

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