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XXXV.

Am XVIII. Sonntage nach Trinit.

Evangelium: Matth. XXII. v. 34 — 46.

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s ist ein Vorwurf, welcher den Christen der vorigen Zeiten häufig gemacht wird, M. Z., daß fie dem Glauben, dem Festhalten dessen, was man in der Religion für wahr anzusehen hat, einen viel zu hohen Werth beyzulegen pflegten; die Liebe aber, die Beobachtung und Ausübung dessen, was die Religion gebietet, dabey vernachlässigten. Er ist auch, wenn wir die Wahrheit gestehen wollen, nichts weniger, als ungegründet, dieser Vorwurf. Denn jene immerwährenden, sich einander gleichsam verdrångenden Streitig keiten, die seit den ältesten Zeiten des Christenthums alle Jahrhunderte hindurch geführt wor den sind, was betrafen sie? Es waren Glau benssachen, es waren Meynungen über die Lehren und Geheimnisse der Religion, worüber man sich am meisten entzweyte, für die man mit der größten Erbitterung kämpfte; über das Thun war man fast immer einstimmig. Woher kam es, daß in der Gemeine Jefu Spaltungen ent

standen, daß sich die Christen in so viele Par theyen trennten, und abgesonderte, für sich bestes hende Kirchen bildeten? Nur selten veranlaßte die Ausübung der Religion dergleichen Trennungen; aber die Verschiedenheit dessen, was man glaubte, die Meynungen, die man von den Lehren der Religion festgesezt hatte, stifteten Uneinigkeiten aller Art; sie sind es, was die noch immer vorhandenen Kirchen und Partheyen bezeichnet und von einander absondert. Und wenn sich die Bes kenner Jesu sogar einander haßten, wenn sie sich. feindselig einander behandelten und verfolgten, waren es die Vorschriften der Religion, was sie aufbrachte, was sie mit Wuth und Grausam, Feit erfüllte? O der Inbegriff dieser Vorschriften ist ja Liebe; wie hätten sie einander mißhandeln können, wenn sie dieser eingedenk geblieben wåren? Aber Gegenstände des Glaubens waren es, wofür man eiferte, worüber man anders Denkende ver urtheilen zu können meynte, was man mit Ge= walt, selbst mit Feuer und Schwerdt vertheidigen zu müssen wähnte.

Die Zeiten haben sich geändert, M. 3., man ist von der Verirrung, die ich jezt beschrie ben habe, nicht bloß zurück gekommen, auf den entgegengesezten Abweg ist man in unsern Tagen. gerathen; man will vom Glauben gar nichts mehr wissen, und dringt bloß auf Liebe. Denn das werden euch alle, aus denen der Geist der Zeiten spricht, ohne Bedenken sagen, über Meynungen sich zu entzweyen, sen thörichtz es müsse jedem frey stehen, was er von den oh nehin unbegreiflichen Lehren des Christenthums

halten wolle; wenn er an Gott und Unsterblichkeit glaube, so sey dieß hinlänglich; alles Uebri ge sey vollkommen gleichgültig, und müsse dem Gurdünken und Gewissen eines Jeden anheim gestellt bleiben. Desto mehr müsse man auf Liebe dringen; daß man menschenfreundlich einander bulde, daß man gegen Jedermann wohlwollend handle, daß man redlich und rechtschaffen in jedem Verhältniß seine Pflicht erfülle, darauf komme alles an. Wer mehr verlangt, wer den Glauben an die eigenthümlichen Lehren des Christenthums für nothwendig erklärt; der gilt in unsern Tagen für einen finstern Kopf, der hinter seinem Zeitalter zurückgeblieben ist, oder für einen unduldfamen Eiferer, der nicht gehört zu werden ver

dient.

Und so ist er denn zu allen Zeiten aufge= löst, getrennt, gewaltsam zerrissen worden, der schöne Bund des Glaubens und der Liebe, den das Evangelium Jesu stiftete. Denn daß Christen, daß ächte Bekenner Jesu nicht glauben kön. nen, ohne zu lieben, und nicht lieben können, ohne zu glauben, das fällt in die Augen, sobald man einen Blick in die Schriften der Apostel wirft. Da sind es Aussprüche des Herrn selber: alle, die an den Sohn glauben, sollen nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben: wer glaubt und ge tauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. Da heißt es ausdrücklich: das ist fein Gebot, daß wir glauben an den Namen feines Sohnes Jesu Chrifti, und

lieben uns unter einander. Da wird überall ein Glaube gefordert, der durch Liebe thatig ist. Da wird Liebe von reinem Herzen, von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben, als der Hauptzweck der christlichen Lehre vorgestellt. Da wird selbst von dem künftigen Leben gesagt: nun aber bleibt Glauben, Hoffnung, Liebe, diese Drey. Man kann sich wider einen Glauben, der ein blosses Führwahrhalten gewisser Lehren seyn soll, und wider eine Liebe, die alles dahin gestellt seyn läßt, was Gott von fich geoffenbaret hat, man kann sich wider die Verirrung der åltern und neuern Zeit nicht står ker erklären, als es überall in der Schrift ge schehen ist. Das mag uns aufmerksam machen, M. Br., das mag uns veranlassen, über das Verhältniß des Glaubens und der Liebe nachzudenken, und unsern eignen Zustand in dieser Hin ficht sorgfältig zu prüfen. Euch dieß zu erleich tern, foll der Endzweck meiner heutigen Predigt seyn; und ich bitte den Anfänger und Vollender unsers Glaubens, daß er unser Vorhaben fegne. Doch wir wollen ihm diese Bitte gemeinschaft lich vortragen in stiller Andacht.

Evangelium: Matth. XXII. v. 34-46.

Wäre es mit der Liebe allein gethan, M. Z., káme bey der Religion auf Ueberzeugungen und Glauben gar nichts, auf ein pflichtmässiges Ver halten und Leben aber alles an; so hätte es Jefus bey der Antwort, die er dem Schriftgelehr ten in dem vorgelesenen Evangelio gegeben hatte,

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können bewenden lassen. Mit aller nur möglichen Stärke hatte er die Liebe gegen Gott und Menschen für die Hauptsache erklärt; er hatte ausdrücklich bezeugt, in den zweyen Geboten von dieser liebe hangedas ganze Gesek und die Propheten: er hatte also die Hervorbringung dieser Liebe als den Hauptzweck der Religion vorgestellt. Könnte diese Liebe ohne Glauben Statt finden, könnte man sie haben und üben, ohne gewisse Einsichten und Ueberzeugungen von Gott und seinen Anstalten zu besihen: so wåre es nicht nöthig gewesen, ein Wort weiter hinzu zu sehen. Aber ihr sehet, Jesus lenkt das Gespräch recht geflissentlich auf eine Glaubenslehre; die versammelten Pharisåer sollen ihm sagen, welche Vorstellung man sich von Christo zu bilden habe; wie dunket euch um Ehristo, fragt er sie, weß Sohn ist er? Sehet einmal, sie hätten ihm geantwortet, was unser Zeitalter ihm antworten würde, auf dergleis chen Dinge komme nichts an, solche Fragen könne man an ihren Ort gestellt seyn lassen: glaubet ihr wohl, daß er mit dieser Antwort zufrieden gewesen seyn würde? Wie, Er, der die niedri gen Begriffe der Pharisaer von Christo so sorgfältig berichtigte, der es diese Männer so stark empfinden ließ, der Messias müsse weit mehr seyn, als sie sich vorstellten, David selbst schriebe ihm göttliche Würde zu: Er hätte es für einerley halten sollen, ob man sich auf diesen Gegenstand einlassen wolle, oder nicht, ob man sich denselben so oder anders denke? Konnte er es deutlicher zu verstehen geben, die wahre Liebe gegen Gott und Menschen sege richtige Ueberzeugungen von

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