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rade hinter einem Gedichte von der hl. Elisabeth eine Stätte fand. Für die in den Anmerkungen gegebenen Lesarten von A hätte doch auch Stephan's Abdruck benutzt werden sollen. Daß es selbst hier nicht geschah, bestätigt die angedeutete Seltenheit und Unzugänglichkeit der neuen Stofflieferungen. Sehr verdienstlich muß es erscheinen, daß Rieger die gedankenreichen, wohlgeformten und schwungvollen Schlußstrophen nicht urkundlich, sondern auf Grund von A kritisch berichtigt mitgetheilt hat. Dabei wäre es aber auch wünschenswerth gewesen, wenn sämmtliche Abweichungen der Hs. b hinzugefügt worden wären, nicht sowohl um der Textherstellung willen, sondern um ein Bild zu geben von der handschriftlichen Umwandelung und Entstellung ungeläufig gewordener Kunstformen, welches Moment sich leicht anderwärts verwerthen ließe.

Wenn im Folgenden die Strenge philologischer Kritik manche Fehler in meines Vaters Publication aufdeckt, wenn ich mich auch im Streben nach Wahrheit nicht scheue, in sachlicher Beziehung ihm hie und da zu widersprechen, so werden Einsichtsvolle hierin keine Pietätslosigkeit erblicken. Mein Vater war kein Philologe, und er hat auch nie danach getrachtet, es zu sein oder zu scheinen. Ihm, dem Dichter und Alterthumsfreunde, bleibt ungeschmälert das Verdienst, die geschichtliche, litterarische und dichterische Bedeutung des Spiels von den zehn Jungfrauen zum erstenmale in eindringlicher Weise hervorgehoben zu haben.

Stephan's Text erreicht zwar im Allgemeinen die Urkundlichkeit, aber dennoch gebricht es nicht an Fehlern, Ungleichheiten und unrichtigen Auffassungen des Mundartlichen. Ein Einblick in die Originalhandschrift war daher dringend geboten. Wie einst meinem Vater durch die Güte und Liberalität des Herrn Gymnasialdirectors Dr. Haun zu Mühlhausen in Thüringen die Hs. auf längere Zeit anvertraut war, so wurde mir dieselbe auf mein Ersuchen wiederum durch Herrn Dr. Haun bereitwilligst übersendet, was ich mit gebührendem und freundlichstem Danke auch öffentlich anzuerkennen habe. [Zugleich diente mir die Hs. zu einer nochmaligen Collation des Spiels von St. Katharina, welches ich wegen seiner litterarischen und sprachlichen Wichtigkeit zur Herausgabe vorbereite.]

DICHTUNG UND (ÄLTERE) HANDSCHRIFT. ALTER UND HEIMAT.

Sehen wir ab von dem geschichtlichen Ereignisse, welches ein Spiel von den zehn Jungfrauen hervorrief, so hat die uns vorliegende Dichtung eine besondere litterarische Stellung innerhalb des

deutschen Kirchendramas schon um des Stoffes willen, indem sie die einzige bis jetzt bekannte ist, welche für sich abgegränzt eine Parabel des neuen Testamentes dramatisiert.

Hinsichtlich der Zeit des Gedichtes und seiner Überlieferung giengen die Angaben bis jetzt auseinander. Meines Vaters Zeitbestimmung scheint mir im Allgemeinen, nicht im Einzelnen, die richtige; es kommt darauf an, dies im Interesse der Litteraturgeschichte genauer festzustellen.

Das Alter der Spiele ist bis jetzt meist nach dem Alter der Handschriften angesetzt worden, wenn auch in den meisten Fällen die Herausgeber betonten, die Überlieferung scheine jünger als das Werk. Stephan setzte die Mühlhäuser Papierhandschrift Nr. 20 (früher Nr. 137, beschrieben im genannten Hefte der Stofflieferungen S. 126 f.) in das 15. Jhd. Wenn der sonst in der Handschriftenkunde wohlbewanderte Mann hier einen Fehlgriff that, so ist dies leicht erklärlich: ihm schwebte immer Theoderich Scherenberg, der Dichter des Spiels von Frau Jutten auch als Verfasser der Spiele von St. Katharina und von den zehn Jungfrauen vor, obgleich er schließlich selbst gesteht, daß er für Scherenberg keine Gründe habe, und daß die Schrift des Codex nicht der Art sei, daß man sich nicht leicht um einige Jahrzehnde irren könne (S. 153). Im Nachworte (S. 196) kommt Stephan auch auf die Eisenacher Aufführung (1332) eines Spiels von den zehn Jungfrauen zu sprechen und mit richtigem Gefühle äußert er, daß uns das alte, fürstenmörderische Stück in dem gleichnamigen, von ihm mitgetheilten wohl nicht ganz echt und unversehrt vorliege. Sein Endurtheil geht dahin, daß beide Stücke älter als die Papierhandschrift, aber um die Mitte des 15. Jahrhunderts neu überarbeitet seien.

Stephan's Veröffentlichung blieb glücklicherweise doch nicht ganz unbeachtet. Auch Karl Gödeke kannte sie und verzeichnete die beiden Spiele zuerst MA*) S. 970 f. In dieses chronologisch geordnete Verzeichniss brachte er nicht nur die erhaltenen, sondern auch die bestimmt erwähnten Stücke, und so nannte er das Spiel von den zehn Jungfrauen doppelt: einmal führt er es an unter Nr. 24 zum Jahre 1322 und dann stellt er es unter Nr. 36 zu den Spielen des 15. Jhds. Zugleich verweist er von einer Ordnungsnummer auf die andere. In gleicher Weise wird auch das Spiel von St. Katharina als aus dem 15. Jhd. stammend eingereiht. Gödeke verließ sich also auf Stephan's Zeugniss. Wenn sich Gödeke durch die Lectüre, durch Rechtschreibung und Sprache der Überlieferung keine andere Ansicht bildete, so bin ich am wenigsten geneigt, ihm daraus einen Vorwurf zu machen:

*) Deutsche Dichtung im Mittelalter (Hannover 1854).

es wäre unbillig, von einem Litteraturhistoriker, der ein so weites Gebiet zu überschauen hat, die speciellsten grammatischen und dialectologischen Kenntnisse zu verlangen.

Kurz nach Erscheinen des MA veröffentlichte L. Bechstein den ersten Band der Wartburg-Bibliothek, der schon längere Zeit vorbereitet war. Hier wurde der Mühlhäuser Codex in das 14. Jhd. gesetzt und das uns erhaltene Stück als das Eisenacher zu erweisen gesucht. In Gödeke's Grundrisse (1859) I, §. 92 wird unter Nr. 13 ludus de decem virginibus erwähnt, hier aber steht das Spiel richtig unter den Dramen des 14. Jhds., trotzdem ist die Hs. wiederum als eine des 15. Jhds. bezeichnet. Zugleich wird von meinem Vater gesagt, er habe jenen Nachweis im MA, d. h. die kurze Notiz und die Verweisung von einer Zahl auf die andere, benutzt und das Spiel als ein von ihm neu entdecktes herausgegeben. Ich habe hierauf schon einiges bemerkt im Deutschen Museum, neue Folge 1, 337 und will hier nur versichernd wiederholen, daß mein Vater, als er das Spiel herausgab, Gödeke's MA gar nicht kannte. Ich hätte dort noch hinzufügen können, daß Gödeke keineswegs zuerst' das Spiel mit dem der Eisenacher Predigermönche vom J. 1322 in Verbindung gebracht hat: das geschah ja schon von Stephan in dem erwähnten Nachworte.

Bei der hohen Bedeutung, welche dem Grundrisse mit Recht zukommt, will ich nun hier betonen, daß der Mühlhäuser Codex, der in Current-, Urkundenschrift, nicht in Fractur geschrieben ist, nicht dem fünfzehnten, sondern wirklich dem vierzehnten Jhd. angehört, und zwar hat der steile und schlanke Ductus einen für diese allgemeine Zeitbestimmung sehr alterthümlichen Charakter: das sieht der Kenner auf den ersten Blick, und Vergleiche mit Urkunden haben es bestätigt. Zwar kein Beweis an sich, weder ein diplomatischer noch ein sachlicher, wohl aber mit der früheren Zeit der Hs. im Einklang stehend scheint mir der Umstand zu sein, daß in beiden Stücken nicht allein die Scenerieangaben in lateinischer Sprache abgefasst sind, sondern daß auch ziemlich häufig lateinische Gesänge am passenden Orte der gesprochenen Rede voraufgehen. Wichtiger noch sind ebenfalls in beiden Spielen die aus Responsorien und Antiphonen bestehenden vorspielartigen Einleitungen, welche entschieden kirchliches und alterthümliches Gepräge tragen. Auch das ist handschriftlich nicht außer Acht zu lassen, daß in beiden Spielen die Verse nicht abgesetzt, sondern fortlaufend wie Prosa geschrieben sind.

Mein Vater hatte vom paläographischen Stundpunkte aus ganz recht, wenn er die Hs. mit der Eisenacher Aufführung für gleichzeitig

oder für fast gleichzeitig erklärte. Aber gegen eine so frühe Zeitbestimmung, gegen welche auch Rieger (S. 311) leisen Zweifel äußert, scheint mir mancherlei zu sprechen. Zuerst Einzelheiten der Rechtschreibung, von welchen selbstverständlich nicht eine jede für sich allein den Ausschlag geben kann, die aber in ihrer Vereinigung beweisen. Dahin gehören: die vielen Abkürzungen, der überaus häufige Gebrauch des y, die systemgemäße und richtige Anwendung des cz für z, die vereinzelte fehlerhafte für 3, das öftere Vorkommen des ck für k, Katherine für Katerine (einmal Katerina im Anfang). Sodann die Sprache, welche öfters im Vergleiche zu andern mitteldeutschen Denkmälern des 14. Jhds. jüngere Laute und Formen zeigt, während sich im Spiele selbst die ältere Gestaltung durch Reime und einzelne Archaismen kundgibt. Sprachlich bemerkenswerth ist auch a statt e in der Flexion des Namens Maria, ferner der Mangel der Correlativa swer, swie u. s. w.; nur einmal in St. Kath. swelcherhande. Schließlich bezeugen eine jüngere Abschrift oder Bearbeitung mancherlei Fehler, Missverständnisse und unverkennbare Zusätze, was jetzt alles durch die jüngere Hs. seine Bestätigung erhält. Alle diese Wahrnehmungen bestimmen mich, den Mühlhäuser Codex im Allgemeinen der zweiten Hälfte des 14. Jhds. zuzuweisen. Nimmt man nun den alterthümlichen Ductus hinzu, so ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit für die Entstehungsperiode der Hs. das dritte Viertel des genannten Jhds.

Die Dichtung dagegen ist nach Sprache und Stil älter. Sie zurück in das 13. Jhd. zu setzen, verbietet ganz abgesehen von der Metrik schon die Thatsache, daß in dieser Zeit die uns bekannten Spiele noch der lateinischen Sprache den Vorrang geben und die deutsche Rede nur episodisch erscheinen lassen. Denn das älteste deutsche Passionsspiel, welches nach K. Öhler's Vorgange von K. Bartsch herausgegeben wurde (Germ. 8, 284 ff.), steht doch zu vereinzelt und trägt in seinem Stile zu sehr den Charakter der höfischen Poesie, als daß man auf dieses eine Beispiel hin irgend welchen Schluß wagen könnte. So bleibt für unser Spiel im Allgemeinen die erste Hälfte des 14. Jhds.

Die Handschrift rührt von einem Thüringer her, und seine Sprache stimmt mit der des Gedichtes in der Hauptsache überein. Zudem findet sich am Ende des Spiels von St. Kath. eine deutliche Anspielung auf Erfurt (vgl. Stephan Stoffl. 2, 172, 73 und 154). Die Heimat einer Handschrift bis auf einen ganz kleinen Umkreis zu bestimmen, wird sich ohne äußere Anhaltspunkte kaum erreichen lassen; daß aber der Mühlhäuser Codex aus dem nördlichen Thüringen stammt, was mir jene Beziehung auf Erfurt nicht zu widerlegen

scheint, dafür spricht einigermaßen ihr Fundort, sodann bezeugen es einige Formen, die außerhalb des Reimes stehn, nämlich su fem. u. pl. des Personalpron. statt si, sie, ferner eder statt ader (hochd. oder), vielleicht auch selben im Nom.

Die Heimat des Spiels ist nach den Reimen im Allgemeinen in Mitteldeutschland, speciell in Thüringen zu suchen. Das zeigt der Vocalismus, die Zusammenziehungen sen, geschên u. a., mî = mir, die Apocope der Infinitive, die Form here für herre. Namentlich die beiden zuletzt berührten Fälle weisen entschieden nach Thüringen.

Fasst man nun zusammen, daß die Dichtung in die erste Hälfte des 14. Jhds. gehört, daß sie in Thüringen entstand, daß sie in einer ebenfalls noch im 14. Jhd. verfertigten und ebenfalls in thüringischem Dialecte abgefassten Niederschrift vorliegt, und daß diese für uns älteste Überlieferung gerade in einer Stadt Thüringens aufgefunden wurde, daß ferner die jüngere Hs. aus einem benachbarten und damals mit Thüringen staatlich und volksthümlich eng verbundenen Lande stammt, während sonst aus keinem Theile Deutschlands jemals etwas von einem Spiele von den zehn Jungfrauen verlautete: so ergibt sich doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, daß die bekannt gewordenen Fassungen jüngere Abschriften und in gewissem Sinne Bearbeitungen des berühmten Eisenacher Spieles sind. Und betrachten wir den Inhalt des Spiels, welches vielleicht mit Ausnahme einiger empfindungsreicher Marienklagen alle andern Dramen des Mittelalters an Schönheit, aber auch an Gewalt der Idee überragt, fühlen wir nur einigermaßen den lyrischen Schwung und die erschütternde und für das Gemüth eines mittelalterlichen Menschen gewiss doppelt erschütternde Wirkung des Schlusses nach, dann erhebt sich die Wahrscheinlichkeit fast zur unumstößlichen Gewissheit, daß eben nur dieses Spiel es sein kann, welches jenes tragische Ereigniss veranlasste.

Wenn also dieses Resultat von der Litteraturgeschichte ohne Rückhalt angenommen werden kann, so braucht das Jahr 1322 keineswegs stricte auch als das Entstehungsjahr des Spieles angesehen zu werden. Der Chronist berichtete gewiss nur deshalb von der Aufführung, weil sie einen so denkwürdigen Ausgang hatte. Ja die Stelle cui ludo marchio tunc intererat (bei Rothe: unde dô was lantgrâve Frederich keginwortig) deutet vielleicht gerade darauf hin, daß der sonst immer abwesende und ruhelose Fürst 'damals' erst Gelegenheit hatte, dem Spiel der Predigermönche beizuwohnen. Rothe wendet die Sache so, als sei die Abfassung und Aufführung des Stückes in Folge des glücklich errungenen Friedens geschehen, aber davon steht in der Nachricht des

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