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und die Bürgerschaft genöthigt worden sei, in dieser Höhle Zuflucht und Nahrung zu suchen. Daß diese geschichtliche Erklärung bei der Bevölkerung selbst nicht ausreichend ist, geht aus einer zweiten sogleich folgenden hervor; selbstredend aber bleibt hier besonders der Name des Festplatzes Hohlestein. Der Frauen Holl Stein zeigt sich urkundlich in Wertheimer Gerichts-Protokollen (Wolf, Hess. Sag. Nr. 12), ebenso sitzt im Walde bei Andreasberg Frau Holle weinend auf den drei Brodsteinen. Pröhle, Harzsagen, S. 135. Diese ihrem entschwundenen Gemahl untröstlich nachweinende Holle ist symbolisiert als die in der Sonne wohnende Götterfrau Huld, im Bann des Wintersolstitiums gehalten und getrennt vom Geliebten, bis dieser, wenn die Sommersonne um Johanni den Solstitialpunkt wieder gewonnen hat, die Waberlohe durchreitet und mit einem heißen Kusse die Verzauberte aus ihrem Schlaf erweckt. Dann hält die Erlöste in Goldschuhen ihren Hochzeitstanz, wirft den zu Gaste geladenen Menschen die Hochzeitskuchen aus, man entzündet die verkündenden Osterfeuer und schleudert die brennenden Feuerräder und Holzscheiben an Schleuderstäben zu Thal. Daher heißt dieses Fest rings am Bodenseegelände auch der Funkentag. Der Thurgauer Eßtag ist früher nicht zu Ostern, sondern auf Jakobi, 25. Juli, begangen worden; und damals suchte man seinen Ursprung in der angeblichen Stiftung einer Mutter Bilgeri von Bischofszell, die zum Andenken ihrer beiden in der Thur ertrunkenen Söhnlein seit 1430 alljährlich am zweiten Sonntag nach Jakobi jedem Bedürftigen ein Maß Gerste hatte austheilen lassen. Mag nun diese Stiftung geschichtlich richtig sein, so ist doch auch sie gleichfalls nicht der Grund jenes allgemeinen Gerstentages. Denn am gleichen Tage wird im angrenzenden Appenzeller Lande im Dorfe Gonten ein seit unbekannter Zeit gestifteter Tanz- und Schmaustag unter kirchlicher Vorfeier abgehalten, welcher nach einem sg. Hersche, dem angeblichen Ahnherrn eines gleichfalls angeblichen Appenzeller Landammanns, die Herschenjahrzeit genannt wird. Es begibt sich da am Jakobitage die gesammte Sippschaft erst in Trauerkleidern zu einem Seelgottesdienst in die Kirche des Dorfes Gonten, darnach aber zieht man in rasch gewechselter Stimmung von der Kirche aus ins Weißbad, um hier bei Hackbrett und Geige zu tanzen und zu schmausen. Alles dabei ist traditionelle Vorschrift und kann ohne gesetzliche Ahndung nicht geändert werden. Als man vor etwa 86 Jahren das Gastmahl einmal vom Weißbad nach Gonten selbst verlegte, trat die Obrigkeit dazwischen und büßte den Gontner Gastwirth um 60 Thaler, weil er ohne Befugniss hatte tanzen lassen. Und so steht denn der weitere Verlauf dieses Rechtsfalles in

der Gesetzessammlung der Appenzellischen Monatsblätter 1827 mit amtlicher Beglaubigung zu lesen. Bei Todesstrafe hatte Karl der Große einst den Deutschen verboten gehabt, auf den Gräbern ihrer Vorfahren zu tanzen, zu singen und zu schmausen; hier aber ist dieser heidnische Todtentanz noch immer in Übung und sogar obrigkeitlich garantiert. Und wie vieles Ähnliche mag noch anderwärts am Leben sein, das gleichfalls eine harmlosere Form annahm und dadurch unverfolgt, aber auch unbeachtet geblieben ist. Der Bauer im bairischen Lechrain konnte. endlich polizeilich gezwungen werden, seine Kirchweih auf den Sonntag zu verlegen und den Kirmesstumult durch die gebotene Sonntagsheiligung etwas zu ermäßigen. Doch dafür entschädigt ihn der darauf folgende Montag mit der Nachkirchweih, und diesen verbringt er gerade so wie die Appenzeller Herschenzunft im Weißbad. Des Morgens lässt er ein Seelenamt sammt Vigil, Requiem und Libera für alle verstorbenen Gemeindeglieder abhalten und opfert dabei das Kirchtrachtbrod oder den üblichen Altarlaib; die übrige Zeit und die Nacht dazu wird in der Dorfschenke verschmaust, verspielt und vertanzt. Was hier das Todtenopfer des Altarlaibs genannt ist, so besteht dies hier sowohl als auch in verschiedenen andern Gegenden Baierns und Tirols in einem Quantum Mehl oder Korn. Wollte ehedem der Erbe seines verstorbenen Freundes Sünden büßen, so überschüttete er dessen Grab mit einem Haufen Kornes, bis Grabhügel oder Grabstein davon ausgeebnet oder überdeckt war, und gab diesen Kornberg öffentlich preis; etwas hievon ist katholische Bauernsitte geblieben. In der Charwoche überschüttet der Bauer im Innthal mit Mais, der Bauer in Altbaiern mit Korn das im Kirchenschiff zur Verehrung ausgelegte Crucifix. Ganz so, wie vormals die heidnische Mordbuße in so viel Gold bestand, als die Leiche des Ermordeten schwer war, sucht hier der Bauer das Maß seiner Sünden, für welche der Heiland gekreuziget worden, durch ein der Größe des Kirchencrucifixes gleichkommendes Kornquantum aufzuwägen, und in gleichem Sachzusammenhange überträgt er auch am Allerseelenfeste das Gewicht des von ihm kirchlich geopferten Kornes auf das Seelenheil seiner, Verstorbenen. Die bei solchen Gelegenheiten im Kirchenschiffe aufgeschüttete Fruchtmasse verbleibt entweder der Kirchenstiftung oder wird zur Pfarrer- und Küsterbesoldung geschlagen. Wo der Kornbau weniger vorherrscht, überbringt man auch andere Frucht; so stellen z. B. die Deutschtiroler in Valsunga am Allerseelentag gekochte Bohnen in Holznäpfen auf die Gräber. In den bairischschwäbischen Kornebenen äußert sich der Luxus der Kornbauern namentlich am Allerseelentage. Die Todtenburg oder Trauertumba, die

man alsdann unter dem Hochaltare aufschlägt, wird zum Gedächtnisse und Heil der Verstorbenen etagenweise mit allen möglichen Victualien beladen und garniert. Man nennt dies Opfer den Aufsatz. Er besteht aus mancherlei Körben, Schüsseln und Säcken. Die Schüsseln enthalten Mehl, Musbohnen und Kernenfrucht; dies ist der sogenannte Seelnapf, der dem Schulmeister für die Besorgung des Weihbrunnens gehört, mit dem man heute frisch die Gräber besprengt. In dem einen Korbe liegt eine schwarze Henne mit gebundenen Füßen, in dem andern ihr Schock Eier; daneben in Tücher eingeschlagen ist das Rauchfleisch, die Butterballe, der gewundene Wachsstock, dieser in allen Farben und Formen wechselnd, bald nur faustgroß, bald von der völligen Größe eines Scheffels. Je zwischen zwei Seelzöpfe, das sind Weizenwecken im vorgeschriebenen Werth von 16 Kreuzern, wird ein Laib Roggenbrod gelegt, drunter im Kornsäcklein steht der Metzen Roggen. So ist es in der Augsburger Diöcese üblich. Groß ist der Wetteifer der Gebenden, nicht minder groß die Zahl der Gehrenden; denn außer der Unzahl der armen Seelen sind da heute die wirklich Armen und Kranken zu speisen, die Witwen und Waisen der Gemeinde, die Schulkinder, endlich die Kirche mit ihren Dienern und Chorknaben, die alle zusammen in diese Spenden sich zu theilen haben, alle unter derselben Verpflichtung, der armen Seelen dafür im Gebet besonders gedenken zu wollen. Auch der mit einer Krankheit Behaftete opfert heute, damit der Almosenempfänger ihm das Übel wegbeten helfe, denn das zur Seligkeit dienliche Korn muß auch zur Gesundheit in Beziehung stehen, Seligwerden und Genesen hieß einst in unserer Kirchensprache ebendasselbe; und abermals meint man nach den Quantitäten des Geopferten um so zuverläßiger die begehrte Heilung voraussetzen zu dürfen. Man opfert in den Gegenden der Eifel Korn für solche Kinder, die nicht zunehmen wollen; in der Capelle zu Allscheid so viel, als das Kinderhäubchen fasst (denn man sucht dabei den Sitz der Krankheit im Haupte), in derjenigen zu Finten zweimal so viel als das Kind wiegt. Der eine Theil gehört der Kirche, der andere den Armen. Schmitz, Eiflersagen 1, 65. Gegen chronische Kopfleiden lässt man im Bairischen Walde, namentlich um Bodenmais am Arber, rohe Menschenhäupter in natürlicher Größe aus Thon brennen, füllt ihr Inneres mit Gerste und hängt sie bei Capellen und an Wallfahrtsbäumen auf. Bavaria I, 1001.

Hier sehen wir den Einwurf voraus, den die Feinfübligkeit eines denkenden Lesers gegen uns in Bereitschaft halten wird. Darf man denn, fragt er, diese zuletzt erwähnten Bräuche schon um deswillen mit zur ursprünglichen Volkssitte, ja noch mehr, mit zu unsern reli

GERMANIA XI.

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giösen Alterthümern zählen, weil sie so ganz ungewöhnlich derb sind; kann denn das Grobsinnliche nicht noch am neuesten Tage Brauch werden, wie in den untersten Schichten die Rohheit sich überall versteht und methodischen Zusammenhang gewinnt? Letzteres allerdings! Aber dennoch benimmt dieser Einwurf den geschilderten Bräuchen nichts an ihrer Echtheit, Ursprünglichkeit und Berechtigung; denn der Gedanke, den sie ausdrücken, wenn auch bis zum Exceß unbeholfen und bis zum Lächerlichen naiv, ist ja zugleich der von der Naturwissenschaft anerkannte Satz von der Metamorphose der Dinge, wornach nichts in der Welt verloren geht und aus dem Tode sich immer das höhere Leben entwickelt. So wird hier die Fäulniss des Leichnams hineingebettet in die Keimkraft des zugleich mitversenkten Fruchtkorns und aus der Zersetzung des einen wird die Wiederbefruchtung des andern oder gar beider poetisch gefolgert. Überdies stammt das ganze Gleichniss und die poetische Licenz, in welcher es der Bauer anwendet, nicht direct von ihm her, sondern ist nur bei ihm liegen geblieben, wie so manche andere alte Mode in Sprache, Brauch oder Tracht. Dieser jetzige Bauernbrauch war im Jahre Tausend noch Fürstenbrauch gewesen und hatte so viel Geltung, daß er auch in den weit entwickelteren Culturformen des dreizehnten Jahrhunderts die Gestalt unseres berühmtesten Minnesängers mit einem mythischen, bis heute andauernden Lichtschimmer zu umkränzen vermochte. Dies aufzuzeigen, reichen zwei hervorstechende Beispiele hin.

Graf Richard, Herzog von der Normandie (allbekannt durch Uhlands gleichnamiges Gedicht), starb 996. Er lässt bei Lebzeiten die Abtei Fécamp erbauen und unter ihrer Dachrinne seinen steinernen Sarkophag errichten. Dieser wird dann, so lange der Herzog noch lebt, alle Freitage mit Weizen angefüllt für die Armen, wobei ihrer jeder eben so oft fünf Rouenser Sous an Geld mitempfängt. Der Autor, welcher diese Stiftung verbürgt, ist Robert Wace, ein normännischer Dichter des 12. Jahrhunderts, dessen Reimchronik uns in der Übersetzung von Franz von Gaudy (1835, 142) mit dem eben erwähnten Umstande vorliegt.

Hält man mit diesem Berichte die Würzburgersage vom Tod und Begräbniss unseres Dichters Walther von der Vogelweide zusammen, so wird dieselbe in dieser Verbindung nicht nur weniger empfindsam lauten als bisher, sondern auch nicht mehr als bloße Namenssage gelten. Die von Oberthür in den „Minne- und Meistersängern Frankens (1818)" aus einer handschriftlichen Lateinchronik mitgetheilte Stelle besagt nämlich, es habe sich Walther seinen Sängernamen von der Vogel

weide (pascua avium) damit befestigt, daß nach seiner letztwilligen Verfügung in die vier Nischen seines Grabsteins, welcher unter der Linde im Lusamgarten des Lorenzostiftes zu Würzburg lag, täglich frischer Weizen gestreut werden mußte, damit bei ihm die Vögelein noch ihren Azungsherd und ihre Weide fänden. Das Capitel aber im Neumünster habe darauf diesen Opferweizen zu Semmeln verbacken und sie den Kanonikern an des Dichters Jahrzeit austheilen lassen. Man braucht diese Sage in keiner Weise erst umzudeuten, und selbst ihr Schlußsatz, der jetzt einem bloßen Hiebe gegen mönchische Genußsucht gleichsieht, hat als echt und vollberechtigt mit zu gelten. Wiederholen sich doch die gleichen Zeugnisse anderwärts und schon früher, z. B. von Kaiser Heinrich dem Vogelsteller. Nach seinem Tode schickte die Kaiserin Mathilde um seiner Seelenruhe willen stets einen Diener in den Wald, um an derjenigen Stelle auf dem Rothenberge die Vögel zu füttern, wo ihr Gemahl einst seinen Vogelherd gehabt hatte. Pröhle, Harzsagen 1, 292. Walthers Beiname von der Vogelweide ist kein dichterischer, sondern ein weidmännischer und bezeichnet das Geschäft des Falkoniers; aber er wurde einseitig umgedeutet, da man auch Walthers Stiftung einseitig auffasste. Diese letztere sollte freilich den über dem Dichtergrabe fortsingenden Vögeln mit zu gut kommen, aber um so weniger die Überlebenden vom Mitgenusse ausschließen. Denn wie hätte dies gerade der Dichter zu bestimmen vermocht, dessen höchster Liederpreis die Milde, die Freigebigkeit, die selbst an dem saracenischen Saladin von ihm so hochgeschätzte menschenfreundliche Großmuth ist. Auf daß diese Milde ihn auch im Tode noch schmücke, soll sein Grabstein täglich frisch mit Korn überschüttet werden, damit die Armen ihre Weizensemmel und die Vögel ihr Weizenkörnlein hier finden. Aber haben wir denn diesen Zug der ritterlichen Sage nicht bereits im Vorausgegangenen in seiner bäuerischen Anwendung reichlich genug aufgezeigt? Mehl und Frucht stellt der Landmann beim Seelgottesdienste auf die Trauertumba, die Zweckbrode des Seellaibchens, der Zöpflein und Spitzwecken verschenkt er an die Begehrenden, Altar und Kirchencruzifix überschüttet er reichlich mit jeder von ihm gewonnenen Körnerfrucht Alles, um im Namen der Verstorbenen die Armen zu speisen; bis etwa auf die armen Vögelein. Doch auch sie bleiben bei ihm nicht vergessen. Ihnen stellt er um Weihnachten eine ungedroschene Korngarbe auf die Stange vors Haus, damit auch sie das ihrige mit am Weihnachtsschmause haben. Und indess wir denken, dies möchte zwar irgendwo, aber doch nur als eine gutherzige Ausnahme geschehen, wird es uns von der Allg. Augsb. Ztg. (1858, Nr. 7)

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