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wegen seiner fortwährenden Klagen schilt: ώ κακόδαιμον ἄνθρωπε τί κέκραγας; τί δέ μοι παρέχεις πράγματα;

4.

Der Mann vom Galgen (Grimm III, S. 268).

Der eigentliche Sinn dieses Bruchstückes ist wohl, daß die alte Hexe die Leber des Gehängten ausschnitt, um sie als Zaubermittel zu gebrauchen. Ich mache bei dieser Gelegenheit auf die merkwürdige Romanze aufmerksam, welcher Göthe in seiner italienischen Reise (Band 24, Seite 308) erwähnt. Hier kommt ein Dieb in der Absicht, um von dem Leichname eines Gerichteten einzelne Glieder zu ähnlichen Zwecken zu stehlen, und sucht die Alte, welche den Leichnam bewacht, durch Vorschützung anderer Gründe zu bereden, damit sie ihn nicht an der Ausführung hindere.

GRÄZ.

KARL SCHENKL.

ÜBER DIE TONLANGEN VOCALE DES NIEDER

DEUTSCHEN.

Ein wesentlicher Unterschied im Vocalismus der mhd. und mnd. Sprache wird durch das im Mnd. geltende Gesetz der Tonlänge bewirkt, nach welchem der kurze Vocal hochtoniger offener Silbe vor tonloser Silbe gedehnt wird. Man hat aus dieser ,,Nichtachtung der organischen Kürze“ der mnd. Sprache gern einen Vorwurf gemacht, doch sehr mit Unrecht! denn es ist keineswegs ein Mangel an feinem Gefühl für die Beachtung der Kürze und Länge, durch welchen jene Regel hervorgerufen ist, sondern sie ergibt sich durch einen völlig organischen Vorgang. Wie nämlich in einer älteren Zeit der Sprachentwicklung das Gewicht der Endungen häufig den Wortstamm schwächte, so war es umgekehrt ganz naturgemäß, daß zu eben der Zeit, als die Endungen durch Schwächung ihrer langen oder doch vollen Vocale in stumpfes e ihr Gewicht verloren, der Stamm wieder erstarkte. So naturgemäß es ist, daß durch das Gesetz des Umlautes ein aus der Endung in den Stamm sich zurückzieht, oder daß durch das Gesetz der Brechung ein a statt in der Endung im Stamme hörbar wirkt, eben so naturgemäß ist es, daß durch das Gesetz der Tondehnung der quantitative Werth der Endungsvocale auf den Stamm reagiert, da er in der Endung aufhört beachtet zu werden. Diese Übertragung eines Werththeiles der tonlos werdenden Silbe auf die hoch

tonige geschieht nach einem allgemein giltigen rhythmischen Gesetze, demselben, welches im musikalischen Vortrage befiehlt, die

Figur

fast wie die verwandte f f

zu Gehör

zu bringen. Aus der Natur der Sache ergibt sich, daß Tondehnung besonders die Pänultima zweisilbiger Wörter betrifft, aber im Allgemeinen kommt weder die Silbenzahl in Betracht, noch sind die tonlangen Vocale auf die Pänultima eingeschränkt. -Silben, welche, sei es durch langen Vocal oder durch Position, an sich lang sind, nehmen selbstverständlich keine Gewichtsvermehrung aus der Endung an.

Durch die Tondehnung hört also ursprünglich kurzer Vocal auf, kurz zu sein. Ob aber die dadurch entstehenden tonlangen Vocale mit den entsprechenden organisch langen lautlich identisch seien, bedarf genauerer Untersuchung. Zwar, was das a anbetrifft, kann ein Unterschied vom â nicht nachgewiesen werden, da nicht wohl einzusehen ist, in welcher Weise der Laut des a+a, wie wir die Tonlänge ā auffassen können, von der Steigerung â, die eben auch ă+ă ist, unterscheidbar wäre. Zahlreiche Reime zwischen â und a bestätigen die Identität. Anders steht es um die übrigen tonlangen Vocale. Dies sind, da Umlaute, wenigstens im Mnd., mangeln, und da ein tonlanges i und u nirgends auf niederdeutschem Gebiete vorkommt, nur è und ō. Diejenigen, welche Gleichheit des è und ō mit dem ê und ô in der Pänultima zweisilbiger Wörter statuieren, nehmen mit J. Grimm an, daß auch die Empfindung für die eigentliche und echte Länge abgestumpft sei. Als Grund zu dieser Annahme der Verkennung des langen Vocals in der Pänultima wird geltend gemacht, daß diesem, abweichend vom mhd. Versbau, im Verse gewöhnlich die vierte Hebung zusteht. Allein dieser Grund wird hinfällig, sobald man ihn dahin wendet, daß in der mnd. Verskunst es üblich ward, den. klingenden Endreim nur für eine Hebung mit überzähliger Silbe zu rechnen. Um so gewichtigere Gründe, der Geschichte der Lautentwicklung entnommen, sprechen dafür, aufs Strengste und é, ō und 6 auch in der Pänultima zu trennen.

Noch heute steht scharf der Unterschied tonlanger und organisch langer E im Niederd. fest, auch wo dieselben sich sonst in gleicher Lage befinden, indem überall einen breiten Laut, dem ä in wäge ähnlich, erhält, das é aber entweder dem nhd. Laute des ê in Seele entspricht, oder einem ei sich nähert. Ohne diesen Unterschied würden viele Wörter verschiedenen Begriffes zusammenfallen, z. B. němen (capiunt) nêmen (ceperunt), bēden (orare) lêden (praebere), brēde (tabulae)

GERMANIA XI.

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brede (latae), lesen (lectum) lésen (legerunt), stede (locus) stêde (firmiter), leven (vivere) lêven (carum) u. s. f. Nur vor dem schwachen Consonanten stumpft sich die Unterscheidung ab, so daß z. B. swēren (jurare) mit swêren (gravem) ziemlich gleich lautet. Der Sprachgeist findet ein Mittel, auch hier den Unterschied aufrecht zu halten, indem das vor halbvocalischem r in ê verwandelt wird [vgl. engl. ee], während alle unberührt stehen bleiben. So trennt der Mecklenburger und Pommer z. B. weren (defendere) von wîren (fuerunt), ēren (suum) von îren (honorare), scheren (tondere) von scharen (forfices). Wie im 19. und 18. Jahrhundert, so steht die Trennung der e und ê auch um 1600 fest. Chryträus im Nomenclator von 1583 u. 1613 wendet für tonlanges é ein eigenes Zeichen an, welches ihm, so viel ich sehe, nie zur Bezeichnung des ê dient. Da nun unmöglich anzunehmen ist, daß in späterer Zeit der sprachlichen Entwicklung eine so streng systematische Scheidung zweier, ihrem Ursprunge nach verschiedener Laute durchführbar wäre, wenn beide früher schon zusammen geflossen waren, so ergibt sich der Schluß, daß von Ursprung der tonlangen Vocale an und auch in der Pänultima zweisilbiger Wörter verschieden waren. Zur Bestätigung dient noch, daß an Stelle des ê, wo es dem Wurzellaute A entstammt, oft â, wo es vom I herkommt, oft ei, wo es zur U-Reihe gehört, oft ie in allerlei Sprachquellen der mnd. Zeit eintreten, daß aber diese Laute nicht das ē zu vertreten im Stande sind.

Mindestens ebenso sicher ist der Beweis für die Unterscheidung des ō und zu führen. Um auch hier vom derzeitigen nnd. Bestande auszugehen, merken wir an, daß nach Einführung eines unorganischen Umlautes ins Niederdeutsche die Umlautung des ō ein ā (einen nach hochdeutschem Begriffe zwischen und ä schwebenden Laut) hervorruft. Dieses ä steht zwar auch als Umlaut des â in einigen Fällen, aber niemals als Umlaut des ô, dem wirkliches e gebührt, z. B. äver (supra) vom mnd. ōver, æver (ripa) vom mnd. over. Aber auch die unumgelauteten Vocale sind unterschieden, indem sich ô überall behauptet hat, während für das ältere ō beständig ein dumpf klingendes à eintritt. Das à für ō kommt bereits von 1400 an, anfangs bunt mit wechselnd, in Handschriften und Drucken vor; aber nirgends, es möchte denn vereinzelter Schreibfehler vorliegen, nimmt es die Stelle eines organischen ô der Pänultima ein, was schier unbegreiflich wäre, wenn in dieser Silbe ō und ô identisch gewesen wären. Einzig in der Verbindung or scheint der Unterschied frühe verwischt, und zwar dadurch, daß die Schwäche des Consonanten das or dem or näherte. Waren aber im Übrigen und in der Zeit von 1400 bis jetzt

getrennt, so wird sicherlich für die frühere Zeit Gleiches anzunchmen sein.

Auch für die vor 1400 liegende Zeit haben wir einen directen Beweisgrund zur Hand, daß Tonlänge und organische Länge nicht überein kommen. Derselbe liegt in dem Umstande, daß tonlanges i und u im reinen Niederdeutsch nicht vorhanden sind, noch je vorhanden waren. In allen Fällen, wo kurzes i und u in die Bedingungen der Tonlänge eintreten, werden sie durch die Tondehnung zugleich in e oder gebrochen. Daher ergeben sich die mnd. Formen vēle, mede, hemel, gève, sēde, sōne, böden, gegenüber den mhd. vil, mit, himel, gibe, site, sun, buten, aus dem Altsächsischen filu, midi, himil, gibu, sidu, sunu, budun; oder Flexionen wie spēle (ludo), schēpe (naves) von den unflectierten Formen spil, schip. Solche Brechung geschieht aber nie mit einem î oder û in der Pänultima. Wäre in dieser Silbe bloß betontes i oder ù an Stelle des organisch langen Lautes getreten, so würde der Grund nicht aufzufinden sein, weshalb nicht auch in solchem Falle das sonst gebräuchliche oder ō Platz greifen sollte.

Mithin ist der Unterschied der tonlangen und organisch langen Vocale für die ganze Zeit des Mnd. und Nnd. festgestellt. Wir sind zugleich in Stand gesetzt, über die Klangform der tonlangen Vocale eine Aussage zu machen. Beachten wir nämlich außer dem ä-ähnlichen Laute des gegenwärtigen e, daß schon in frühester Zeit das durch den. Ton gedehnte i zu ē, u zu ō, und weiter ô zu ā ward, so erkennen wir, daß die Tondehnung nicht bloß eine quantitative Vermehrung des Vocallautes bewirkt, sondern zugleich auch eine breitere Klangform hervorruft.

Es bleiben noch einige Einwendungen zu betrachten, die vorstehende Deduction erhoben werden könnten.

die gegen

1. In den Formen der ablautenden Verba der I- und U-Classe, welche den zweiten Präteritalablaut haben [Plur. Ind. und Opt. Praet.], erwarten wir è und ō, mhd. i und u entsprechend, finden aber in der Gegenwart ê und ô, während das Part. Praet. richtig das è und ō [ü] aufweist, z. B. grêpen (rapuerunt), grepen (raptum); slôten (clauderunt), släten (clausum). Es ist aber keine theilweise Confusion der langen und tonlangen Vocale anzunehmen, sondern nach einem in der Formenlehre der deutschen Sprachen mehrfach sich geltend machenden Grundsatze sind die beiden Präteritalablaute in éinen, und zwar den gewichtigeren, vereinigt worden. Die Zeit dieser Vermischung der beiden Präteritalstämme ist nicht genau anzugeben, da sie nach den verschiedenen Ge

genden niederdeutschen Landes verschieden ist; annähernd dürfte das Jahr 1600 die mittlere Zeitbestimmung abgeben.

2. Auch contrahierte Formen sên, schen aus sehen, schehen vermögen nicht als Instanzen gegen die vorgetragene Ansicht zu dienen, so wenig wie das vereinzelte, unter dem Einfluss des j entstandene jegen statt gegen.

3. Wenn die Denkmäler älterer Sprache, welche als Zeichen der Länge in einsilbigen Wörtern Verdopplung des Vocals oder Hinzufügung eines e gebrauchen, z. B. tijt = tît, groet = grôt, raet = rât, dies Zeichen der Länge in betonter Pänultima meist weglassen, so darf dies nicht als Beweismittel dienen, daß eine Minderung des quantitativen Werthes eingetreten sei. Das Zeichen der Länge, welches erwünscht war, wo die Quantität der Silbe fraglich sein konnte, erlaubten die mittelalterlichen Schreiber sich wegzulassen, um Raum und Zeit zu sparen, in solchen Silben, in denen die Länge sich von selbst verstand. 4. In den Reimen mnd. Gedichte werden tonlange und organisch lange Vocale mit einander gebunden. Diese Thatsache kann zwar nicht bestritten werden; wohl aber, daß solche Reime als genaue zu betrachten seien. Wir besitzen eigentlich kein genau reimendes mnd. Gedicht größerer Ausdehnung, wenn wir von Veldeke's und Holle's Werken absehen. Beide freilich reimen nicht zwischen langen und tonlangen Vocalen, und folgen strenge dem mhd. Versgesetze, nach welchem ein Reimwort mit langer Pänultima die dritte und vierte Hebung, ein Reimwort mit bloß tonlanger Pänultima nur die vierte Hebung trägt. Das Vorhandensein der tonlangen Vocale wird bei beiden durch die e und o für und u bewiesen. Was die übrigen Dichter betrifft, so ergibt die Beobachtung ihrer Reime, daß, je genauer im Übrigen ein Dichter zu reimen weiß, um so seltener bei ihm die Formeln : ê, ō: ô vorkommen, und umgekehrt, daß da, wo diese Reimformen häufig sind, auch sonst viele unreine Reime sich einstellen. Bei der Beurtheilung der Reime muß aber ins Auge gefasst werden, daß à als rein reimend mit â, weil lautlich eins, gilt; daß ferner Reime zwischen er.. und êr.., wie zwischen ōr.. und ôr.. am wenigsten gemieden werden, weil die Beschaffenheit des Consonanten die Unterscheidung verwischte; daß endlich das umschreibende, häufig reimende Formelwort dêde (fecit) die Freiheit haben muß, bald auf êde, bald auf ede zu reimen. Für spätere Dichter kommt auch die Frage in Betracht, wie es mit der sub 1 erwähnten Vereinigung der Präteritalablaute stehe. Unter diesen Gesichtspunkten werden sich bei den geschickteren Dichtern die Reime zwischen Tonlängen (, ) und Längen (ê, ) leicht als seltene Ausnahmen ausweisen. Als Belege können die Reime des Redentiner

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