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Beweis, daß die germanischen Todtenspenden eben in Korn bestanden haben. Bei den Menschen, erzählt dies Gedicht, heißt das Korn (der Gerste) Bygg, das Gebaute; bei den Göttern heißt es Bar, der Ertrag; bei den halbgöttlichen Vanen Vaxt, das Granige; bei dem Volke der Riesen Aeti, das Essen; bei dem Geschlecht der Zwerge Lagastaf, der Maßstab des Gesetzes; aber in dem Todtenreiche der unterirdischen Göttin Hel wird es Hnipinn genannt. Letzterer Name bezeichnet das wallende, Alles zudeckende Saatfeld, ein Bild von gleich plastischer Trefflichkeit, wie ehedem des Odendichters Ramler „blonde Ceres, die ganz verhüllt in Ähren geht". Und wie nun der Getreidebau älter ist als unser geschichtliches und naturgeschichtliches Wissen; wie die Sprache mit dem Namen Gottesgabe, dänisch Gudsgave, das Korn als eines jener Geheimnisse bezeichnet, deren Anfang wir nicht ergründen, sondern nur Gott allein überlassen können; so muß es auch mit in den ursprünglichsten Ideen der Menschheit liegen, wenn man um den Grund fragt, warum die in Korn bestehende Todtenspende in altindischen und altdeutschen Satzungen unter denselben Rechtsfolgen erscheint. Daraus ergibt sich zugleich der sprechende Beweis, daß ein solcher Brauch sammt seiner Übungsart nicht aus diesem oder jenem Religionssystem abentlehnt, nicht gleich einer Mode mechanisch auf weitere Völker übertragen worden sein kann, daß er vielmehr aus der überall sich gleichenden Menschenempfindung unmittelbar entsprungen ist und in dem Unentbehrlichsten, dem täglichen Brode, gleichmäßig sich verkörpert hat. Gerade unter solchen Völkern oder Volksschichten wird er daher noch am deutlichsten erkennbar sein, deren ursprüngliches Sittengesetz und Rechtsleben am wenigsten von äußerlicher Gewalt hat beeinflußt werden können.

Ferner ist zu erwägen, daß das Todtenopfer ein von der Treue der Blutsverwandtschaft eingegebener Liebesdienst, ein Sühn- und Dankopfer ist, in Speise und Trank dazu bestimmt, von der gemeinsamen Verehrung dargebracht und in gemeinsamer Stimmung aufgezehrt, consumirt zu werden; denn nur so betrachtet, wird sich jener sittliche Widerwille ermäßigen, mit dem heute ein verfeinertes Urtheil die oft zu greifbare Naturwüchsigkeit manches alten Volksbrauches beanstanden möchte. Nach der Hülle und Fülle, das heisst wörtlich, nach Kruste und Krume aller zu einer Todtenspende aufgebrauchten Brode, veranschlagt jetzt noch unser oberdeutsche Landmann die seinen Verstorbenen nachgetragene Achtung, wie dauerhaft sein Angedenken, sein Nachruhm in der Gemeinde verbleiben werde und, da dem Abgeschiedenen eine umfassende Erinnerung hievon zugetraut wird, wie ihn ein

diesem irdischen Angedenken entsprechendes Maß von Befriedigung und Seligkeit im Jenseits erfüllen werde. Denn wie sollte er des Anblickes nicht herzlich froh sein, wenn die versammelte Sippschaft, statt in stummer, alle Nahrung abwehrender Trauer zu verharren, seinen Namen nennt, einmüthigen Stolzes die Becher erhebt und mit neugeschöpfter Zuversicht die zaghaften Gedanken und Sorgen niedertrinkt. Eben weil dies so das Naturgemäße war, so mußte ihm das früheste Christenthum auf seinem Wege zu allen Völkern auch allenthalben begegnen. Aber es ergieng dabei den Glaubensboten wie uns noch; ein solcher Gedankensprung schien ihnen zu vermessen, ein solcher Stimmungswechsel zu unvermittelt, zu erfrecht und roh. Speise und Trank auf die Gräber zu tragen, dorten zu genießen und mit den Armen zu theilen, war zu den Zeiten des hl. Augustin so sehr allgemeiner Brauch, daß dieser Kirchenvater in seinen Confessionen erzählt, wie er noch seine eigene fromme Mutter Monica von dieser Unsitte der Mailänder Christen habe abhalten müßen. Der Abt Augustin Calmet zu Senon meldet in seiner Abhandlung von den Vampyren: Wir haben in der Raritätenkammer unseres Klosters irdene Gefäße und Teller, auf denen noch Knochen von Ferkeln und Hühnern zu sehen sind; sie sind tief unter der Erde der Klosterkirche des hl. Mansuetus zu Toul aufgefunden worden und beweisen, daß man hier einst den Leichen Speise und Trank beigesetzt hat. In der Sammlung Karolingischer Kirchenstatute von Rhegino ist jedem Bischof aufgetragen, bei der jährlich zur Synode versammelten Diocesangeistlichkeit Umfrage darüber zu halten: Ob Jemand zur Nachtzeit über einen Todten singe, esse oder trinke und sich gleichsam über dessen Tod freue. Doch die Kirche lenkte nachmals selbst ein, allgemein Menschliches tolerierend oder es nach Möglichkeit in eine spirituelle Beziehung umkleidend. Sie setzte den Todtensonntag mit dem Sonntag Lätare auf einen und denselben Festtag zusammen, die Heidenfreude zu gleicher Zeit mittels der Christentrauer ermäßigend; und so konnten schon die Quedlinburger Mönche wiederum die gröbliche Heidenfolgerung lehren, je mehr man bei Todesfällen schmause, um so mehr würden die Verstorbenen gelabt: plenius inde recreantur mortui. Flögel, Groteskkomisches 192. Und da Glauben und Aberglauben keinem Zeitlauf unterthan sind, so ist es gedenkbar, daß sich dieselbe Behauptung auch jetzt noch unter dem Volke vernehmen lassen kann. Der bairische Oberpfälzer nennt das Abhalten des Leichenmahls das Eindaichteln des Todten, ableitend von gothisch daults, das Mahl; „Je mehr dabei getrunken wird, sagt er, desto besser ist's, es kommt dem Todten

zu gut." Dies ist kein beiläufiger Scherz, sondern wird uns durch die Autorität Schönwerths verbürgt, des landeseingebornen Ethnographen der Oberpfalz. Selbst wenn von dem kirchlichen Todtensonntag behauptet wird, das für diese Frist gebackene Brod ergebe in einer Unze mehr Sättigung als an andern Tagen zwei Pfund, so liegt auch unter diesem abergläubischen Worte eine herbe thatsächliche Erfahrung verborgen, die nämlich, daß ein schmerzlichfrisches Andenken am raschesten und wohlfeilsten zu ersättigen ist. Erst der systematische Aberglaube macht den Satz absurd, indem er aus dieser natürlichen Erfahrung einen Lehrsatz von der magischen Wirkung des Seelbrodes heraus folgert. Doch daß wir uns deshalb nur nicht voreilig gegen ihn ereifern und dann doch thun, wie er! daß wir jene magische Wirkung nicht dem Zweckbrode absprechen und sie doch hinter unsern zahlreichen Zweckessen wieder finden wollen! denn hier wie dorten läuft doch Alles auf die Vorstellung hinaus, die der Essende mitbringt. Bei einem Zweckessen wird von den Meinungsgenossen in der erklärten Absicht gemeinsam getafelt, hier im voraus schon an jenem Frohgefühle sich ersättigen zu wollen, welches durch eine erst noch zu verwirklichende Idee später einmal der bleibende Besitz dieser Genossenschaft werden soll. Wie viel oder wie wenig dabei consumiert wird, dies hängt ganz allein von der Stimmungsfähigkeit der Versammelten ab; auf der Spitze des Enthusiasmus und in der Tiefe des Schmerzes pausiert der Appetit gleichmäßig, nur ganz moderne Gefühlsdilettanten und Zweckesser fechten sich zwischen Beiden arglos mit Messer und Gabel hindurch. Sogar das Substantielle der Nahrung und des Geschirres darf aus dem Alltäglichsten bestehen, wenn beides nur die ideellen Beziehungen zulässt, die einem geweihten Symbol zukommen. Den griechischen Göttern diente das bloße Füllhorn, den germanischen der Kessel als Mittel schmausender Seligkeit; den frommen Äthiopen mußte der Sonnentisch, den Rittern der Tafelrunde der hl. Gral in jeder Nacht frische Paradieseskost spenden, und im Kindermärchen thut's das Wort Tischchen deck dich! So kann auch der Todtentag bald als ein von der natürlichen Trauer gebotener Fasttag, bald als ein von dem Nationalstolze überlaut begangenes Banket gefeiert werden und bei beiden sinnbildlich oder wirklich der Schmerz sich selbst verzehren wollen; auf jeder Stufe der Entwicklung wird der Volksgeist das hiefür ausreichende Mittel, den zu dieser Anschauung verwendbaren Gegenstand ausfindig machen, er braucht nur das Allergewöhnlichste, die tägliche Nahrung zu symbolisieren und ihr eine religiöse Bedeutsamkeit beizulegen. Das deutsche und das griechische Nationalepos, beide der Spiegel unverstellter

Menschenart, haben daher von dieser doppelten widerspruchsvollen Gemüthsstimmung zu erzählen und wie sich dieselbe beiderseits ausgleicht. Wenn der erschlagene Nibelungenheld begraben ist, so finden sich manche seiner Freundschaft, die dreier Tage lang vor großem Kummer weder essen noch trinken; doch wahrheitsgetreu setzt das Lied sogleich hinzu: si nerten sich nâch sorgen, sie fingen in ihrem Leid doch wieder an, Nahrung zu nehmen. Wenn Vater Priamos die Stadt verlässt und im Feindeslager die Leiche des Sohnes beim Mörder Achilleus sich erbitten muß, erhält er sie zwar, zugleich aber soll der Gebeugte mit Achilleus im Zelte zu Nacht speisen. Hier ist es, wo die Ilias unserer Missstimmung über einen in seinem Herzeleid essenden Vater eine merkwürdige Belehrung gibt: das Brod ist kummerstillend; oder wie Schiller im Sieges feste jenes homerische Wort übersetzt: Denn auch Niobe, dem schweren

Zorn der Himmlischen ein Ziel,
Kostete die Frucht der Ähren

Und bezwang das Schmerzgefühl.

Dies ist die erwähnte Nährkraft, die vor jedem andern Brode dem Todtenbrode beigelegt wird. Dasselbe drückt der Spruch in Zend-Avesta aus (übersetzt von Spiegel 1, 85): Niemand, wenn er nicht isst, ver mag etwas; und zustimmend steht Psalm 104, 15, daß das Brod des Menschen Herz erfreue. Es ist aber vom Heilsamen nur ein kleiner Schritt zum Heilkräftigen, daher rühren die tausendfachen Wundercuren, die das einfache Brod verrichten muß. Wer über Land geschickt werden soll, der schneidet sich vom Hauslaib in der Tischlade erst ein Stück ab; in der Tasche mitgetragen, bewahrt es Jung und Alt vor plötzlichem Heimweh, vor Bezauberung, vor dem Anfall der Hunde. Dem armen Soldaten in der Fremde begegnet das Graumännchen und schenkt ihm ein Krüstchen Brod: Hier riechst du dran, dann hast du keinen Hunger, und denkst du dran, dann hast du keinen Durst! Curtze, Waldecker Volksüberlieferungen 56.

Wenn nun im Nachfolgenden einige geschichtlich verbürgte Züge aus den Leichenbräuchen unserer heidnischen Vorzeit mitgetheilt werden, so sind sie zu dem besondern Zwecke ausgewählt, zugleich ein erklärendes Licht auf jene Grabspenden, Seelfeste und Seelbrode voraus zu werfen, mit deren genauerer Schilderung sodann vorliegender Bericht abschließt.

Die jetzt noch geltende Benennung Seelgeräthe, Jahrzeit, Anniversarium begreift alles in sich, was ein Verstorbener nach katholischem Ritus kirchlich vergabt und zu seinem oder der Seinigen Gedächtnisse

alljährlich am Stiftungs- oder Sterbtage zu Wohlthätigkeitszwecken ausbieten lässt. Man liest Seelmessen, man vertheilt alle Gattungen von Lebensmitteln, man bietet Seelbäder aus, wie jetzt noch in München geschieht, einstens aber gleichmäßig in ganz Süd- und Norddeutschland geschah, man speist die Armen in Genossenhäusern, die im ältern Nürnberg einst gleichfalls Seelhäuser hießen, und beköstigt die dienstthuende Geistlichkeit an einer reichbesetzten Tafel. Als sich daraus clericale Schmausereien entwickelten und man das Anstößige heraus zu fühlen begann, suchte man nach beschönigenden Erklärungsgründen und leitete den Brauch von den Liebesmahlen der ersten Christen her. Allein von dieser entlegenen Beziehung lässt sich in der deutschen Kirchengeschichte auch nicht ein leiser Schimmer erkennen. Eben so wenig reicht das kirchliche Allerseeienfest allein hin, die Entstehung und Übungsweise des Volksbrauches zu erklären. Bevor Abt Odilo von Clugny zu Ende des eilften Jahrhunderts an dieses Kirchenfest gedacht und dann Papst Johannes XVI. dasselbe auf den zweiten November festgesetzt hatte, feierten die Heiden um eben diese Zeit Novembers das Fest zugleich des scheidenden Sommers und der mit demselben hingeschiedenen Seelen. Da zog alsdann das große Heer der Todten um, wurde von dem zum Opfer versammelten Volke begrüßt und mit frisch aufgestellten Speisen zur Weiterreise gestärkt; oder es wurden auch statt der Todten, die keine Wegzehrung mehr begehrten, ihre Stellvertreter, die Armen und Siechen, mit Trank und Speise erquickt. Bedingungsweise wurden solcherlei heidnische Opfer von den Bekehrern zugestanden, von der Kirche alsdann gemildert und umgebildet und eben dadurch für unser geschichtliches Wissen gerettet; denn auch jetzt noch behauptet das Todtenopfer wenigstens in Form des Almosens seine kirchliche Berechtigung. Der Priester Goffine, welcher 1719 starb, fragt in seinen neuerdings stark verbreiteten „Evangelien und Episteln“ (Augsb. 1826. 2, 293): Wie ist den im Fegfeuer leidenden Seelen zu helfen? und antwortet darauf: durch Almosen; denn es steht geschrieben: Beraube den Todten der Gnade nicht. Sehen wir nun aus den uns erreichbar gewesenen Quellen, wie unsere deutsche Vorzeit diese Pflicht auffasste und erfüllte.

Beim Feste der Goldenen Messe zu Hildesheim, die zum Schlusse der sg. Gemeinwoche 14 Tage nach Michaelis (29. Sept.) begangen wurde, hatte das Hildesheimer Stift alle herbei gekommenen Gäste und Fremden nach altbestimmter Norm zu begasten. Aber das dabei Allen gleichmäßig Zukommende war ein obligates großes Zweckbrod. Als der Klosterreformator Bruschius eben zur Zeit dieses Festes das Stift

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