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oder verhältnismäßig (bonum et malum relativum) heißt. Gewiß aber werden sehr viele Leser fra= gen: Ob denn die Sittlichkeit nicht auch die Recht = lichkeit einschließe, mithin das Rechtsgeseh nicht auch ein Sittengeset sei? Hierauf dient Folgendes zur Antwort.

Die alten Weltweisen gaben der Philosophie melstens drei Haupttheile: Vernunftlehre oder Logik (pars rationalis) - Naturlehre oder Physik (pars naturalis) Sittenlehre oder Ethik (pars moralis). 3ur lehtern rechneten sie auch die Staats= lehre oder Politik (pars civilis), so daß sie diese nur als einen Untertheil, Anhang oder Fortsetzung von jener betrachteten. Selbst Aristoteles, welcher Ethik und Politik in zwei besondern Schriften abhandelte, sagt doch ausdrücklich im Anfange derselben, daß beide einen und denselben Zweck oder Gegenstand haben, nåmlich zu untersuchen, worin das höchste Gut des Menschen bestehe und wie es am sichersten erreicht werde. Ihr Unterschied bestehe nur darin, daß die eine auf den einzelen Menschen, die andre auf den Menschen in der Bürgergesellschaft sehe, mithin zeige, wie derselbe Zweck, nach welchem der Einzelmensch streben solle, für ganze Staaten und Völker zu erreichen sei.

Indessen gaben auch einige Philosophen ihrer Wissenschaft nur zwei Haupttheile, einen theoreti= schen und einen praktischen, und ordneten dann je

nem die Logik und Physik, diesem die Ethik und Politik unter; was in der Sache selbst keinen wesent= lichen Unterschied macht. Deshalb wollen wir uns auch nicht bei der Frage aufhalten, ob, wie Manche behaupten, diese Anordnung von Aristoteles her rühre oder nicht.

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Wichtiger aber ist der Umstand, daß die alten Weltweisen nichts von einer besondern Rechtslehre wissen und daher auch von keinem besondern Rechtsgesehereden. Sie befaffen vielmehr das Rechtliche øder Juridische mit unter dem Titel: des Sittlis chen, Moralischen oder Ethischen, nehmen alse die lehtern Ausdrücke in einem weitern Sinne,in welchem auch das Rechtsgesetz ein Sittengefeß und selbst die Rechtslehre eine Sittenlehre genannt wer= den kann. Diese Ausdrücke beziehn sich also dann auf alles, was ein Gegenstand der Freiheit ist, auf das ganze menschliche Thun und Laffen, wiefern es vom Billen abhangt, mit einem Worte, auf alles Prak= tifche. Moralphilosophie in dieser Bedeutung heißt daher ebensoviel als praktische Philofoz phie.

Es findet jedoch in Ansehung des menschlichen Handelns ein merkwürdiger Unterschied statt, je nach= dem es bloß als ein äußeres, sich wechselseitig auf einander beziehendes, oder als ein inneres, aus ge= wissen Gesinnungen oder Triebfedern hervorgehendes,

betrachtet wird. Dieser Unterschied muß sich auch in der Gesetzgebung der Vernunft ankündigen, wieferne dadurch unser Handeln bestimmt werden soll. Er kündigt sich aber dadurch an, daß die Vernunft ihren Gefehen, wieferne sie das Handeln in der ersten Beziehung bestimmen, eine zwingende Kraft beilegt, im Falle man ihnen nicht gehorchen wollte. Den Geseßen aber, welche das Handeln in der zweiten Beziehung bestim= men, legt sie eine solche Kraft nicht bei, weil sich Ge= finnungen als innere Triebfedern der Handlungen gar nicht erzwingen lassen; sie überlässt daher deren Befolgung dem guten Willen oder dem Gewissen des Men= fchen; fie fodert für dieselben einen ganz freien Gehors sam. Wenn sie z. B. sagt: Beraube keinen Menschen feines Eigenthums! so erlaubt sie in, mit und durch dieses Gesetz auch dem Eigenthümer, sein Hab' und Gut mit Gewalt gegen den Räuber zu vertheidigen; ja fie erlaubt dieß auch jedem gesellschaftlichen Ganzen in Bezug auf alle die, welche Andre ihres Eigenthums berauben möchten. Wenn sie aber sagt: Liebe alle Men= schen als deine Brüder und thue ihnen alles, was du kannst, zu Gefallen! so ist für sich klar, daß sich die Befolgung eines solchen Gesezes nicht erzwingen lässt.

Nun betrachten wir aber das Recht als etwas Erzwingbares, indem wir jedem, der es unserseit verlegen möchte, Widerstand entgegenseßen, sobald wir nur können, und auch von jedem, deffen Recht wir

etwa verletzen möchten, gleichen Widerstand erwarten. Darum heißen die Geseße der ersten Art Rechtsge= sete. Die der zweiten hingegen heißen Tugendge= sege, weil die Tugend, wenn sie mehr als bloßer Schein sein soll, aus einer guten Gesinnung hervorge= hen muß, folglich über allen 3wang erhaben ist. Wenn man also die Tugendgesehe auch Sittengeseße und die Tugendlehre auch Sittenlehre nennt, so ist offenbar, daß diese Ausdrücke in einem engern Sinne genommen werden, als vorhin, wo sie das Rechtliche mit unter sich befassten.

In diesem engern Wortsinne nun sind wir allerdings befugt, ja gendthigt, Rechtlichkeit und Sittlichkeit, so wie Rechtsgeseße und Sitten= geseze von einander zu unterscheiden. Denn die wis= senschaftliche Genauigkeit fodert in jeder Beziehung die Trennung des Ungleichartigen, wenn es auch im Leben oder in der Wirklichkeit noch so innig verbunden ist. Oder hat wohl jemand schon die Naturlehrer deshalb getadelt, daß sie in ihrer Wissenschaft eine Thierwelt und eine Pflanzenwelt unterscheiden, obgleich Thiere und Pflanzen beiderseit organische Wesen und in der wirklichen Welt so genau verbunden sind, daß sie nicht nur in, mit und durch einander leben, sondern auch nicht einmal durch scharfe Gränzlinien unterscheidbar find; weshalb man sich auch genöthigt sahe, thierähn

liche Pflanzen (3oophyten) und pflanzenähnliche Thiere (Phytozoen) als Mittelarten anzunehmen.

Wir haben jedoch hier noch einen besondern Grund, jener Unterscheidung Raum zu geben. Es ist nåmlid) vielfältig über das Verhältniß der Politik zur Moral gestritten worden. Die Politik, sagten Ei nige, muß durch und durch moralisch sein; fie muß nicht nur auf moralischen Grundsäßen ruhen, sondern auch auf moralische Zwecke hinarbeiten, und zwar leßteres sowohl theoretisch als Staatswissenschaft, wie auch praktisch als Staatskunst. Das war auch Plato's Idee; denn dieser Philosoph wandte sogar seine Theorie von den vier Haupttugenden auf den Staat an, in= dem er meinte, daß nicht bloß der Einzelmensch, son= dern auch der ganze Staat weise, måßig, tapfer und gerecht sein solle. Andre hingegen sagten: Politik und Moral gehen einander gar nichts an; jene hat ihre ganz eigenthümlichen Zwecke des Staates Macht, Reichthum, Ehre, Wohlsein u. s, w. zu verfolgen, und kann sich in der Wahl der Mittel zu diesen Zwecken nicht an die Vorschriften der Moral binden; denn da würde man oft, statt klug zu handeln, sehr dumm handeln, indem man aus lauter Liebe und Großmuth sich den höchsten Gefahren aussehte, die augenscheinlichsten und wichtigsten Vortheile aus den Hånden ließe, ja wohl gar den ganzen Staat einem Hirngespinnste von sitt licher Vollkommenheit aufopferte. So haben von jeher

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