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Erster Brief.

2 n den Herrn von Sch.

Sie wissen, daß ich mich schon eine beträchtliche

Zeit mit mystischen Schriften beschäftige, daß ich einen nicht unbedeutenden Werth darauf lege, mich auch gelegentlich darüber geäußert habe, und, wie natürlich, von einigen unserer hellen Köpfe, darüber gehörig zurecht gewiesen worden bin. Sie hören und lesen so manche verschiedene Urtheile über Mystik. Man spricht und schreibt manchmal darüber, als ob sich nichts als Unsinn, und manchmal, als ob sich hohe, tiefe Weisheit darin finde. Sie sagen mir, Sie hätten manches Einzelne von der Art gelesen, was Sie angezogen und angesprochen; Manches habe man Ihnen aber vorge= legt, was Sie durchaus nicht verstanden håtten. Sie interessiren sich für die Sache, wie für alles Wahre und Gute, wünschten wenigstens zu wissen,

ob etwas, und was daran, wahr und gut sey. Darum bitten Sie mich, Ihnen meine Meinung darüber zu sagen und es Ihnen, ohne die dunkle Sprache der Mystiker, klar zu machen, was denn die Leute wollen, wozu es dienen kann, und warum sie so warme Anhänger, aber eben so heftige Feinde haben. Långst hått' ich Ihren Wunsch erfüllt; - denn was thåte man nicht einem Manne zu Gefallen, der die Wahrheit überall, und nur die Wahrheit sucht? - Mehrmals macht' ich mich auch daran. Aber ich fand bald, daß ich mich nicht auf Wenig beschränken dürfe, wenn ich Sie nicht zu unzähligen Fragen veranlassen wollte, die ich voraussehen konnte, die also kürzer zu beantworten waren, wenn ich sogleich bei Darstellung des Geistes der Mystik Rücksicht darauf nahm. Natürlich gab aber dies keinen Brief, sondern eine Sammlung von Briefen, keine Correspondenz, sondern ein Buch. Unter dem Nachlesen und Nachdenken über den Gegenstand, verglichen mit dem Urtheil unserer meisten Gelehrten, fand ich, daß die meisten alten Mystiker selbst Gelehrten unbekannt geblieben waren, daß man sie nicht verstanden, weil man es nicht für der Mühe werth gehalten hatte, sich in ihre Sprache hineinzustudiren, und daß man oft den Sinn verdammt hatte, der erst von den Tadlern in ihre Schriften hineinge

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tragen worden war. Sie wissen ja, wie geschickt und geübt manche Ausleger darin sind, das, was ihnen allein Wahrheit ist, all den Schriftstellern unterzuschieben, die sie etwas Vernünftiges sagen lassen wollen oder sagen lassen zu müssen glauben. In dem Gegentheile sind sie denn natürlich eben so geübt. Ich fand so viel Wahres, Großes und Tiefes in den alten Mystikern; ihre Schriften hatten oft meinem Gemüthe, meinem innersten religiösen Sinn so viel gegeben; ich fand in ihnen so viel Uebereinstimmung mit der Bibel, mit der Natur, mit dem Gang meiner eigenen, innern Führung, daß ich glaubte, auch manche andere Wahrheitsliebende könnten wohl, so wie Sie, fragen, und auch diese könnten Winke bekommen, was sie in den alten ehrwürdigen Tho= mas von Kempen, Tauler, Arndt, und in den noch ålteren Gerson, Bonaventura und Hugo à Sancto Victore, zu suchen hätten. Ich wählte mir eine Zeit der Muse, suchte meine Sammlungen aus den Schriften dieser Männer zusammen, ordnete sie unter und neben meinen Beobachtungen, dachte mir Sie mit Ihrer Wißbegierde, Wahrheitsliebe, mit Ihrem weiten, viel seitigen Sinn, der nie durch den Verstand empfinden, aber auch nicht was blos manche Weiber können, durch das Herz denken will.

So schrieb ich einen Brief nach dem andern, und Sie erhalten gedruckt, was ich Ihnen schreiben wollte, statt einer Reihe von Briefen ein Buch.

Ich denke, es soll für Mehrere, als für Sie, seyn. Man hat immer treffend für Viele geschrieben, wenn man einen Einzelnen aus dem Kreise, für den man schreiben will, einen Notablen dieses Kreises, recht in's Auge faßt und sich vor der Seele erhält.

3 weiter Brief.

An denselben.

Freilich fällt es dem Unbefangenen auf, daß My

stik so warme Verehrer für sich, und so erbitterte Feinde, so arge Spötter gegen sich hat; daß große Gelehrte, Bibelkenner, Bibelerklårer so sehr dagegen, und Bibelkenner, einige Bibelverehrer so sehr dafür sind. Aber geht es nicht mehreren Menschen, Büchern, Anstalten, theologischen und philosophischen Systemen so? Hören Sie Manche über Spinoza, Jean Paul, über die Brüdergemeinde, über Schelling und seine Naturphilosophie reden; so ist die Quintessenz aller Genialität, Weisheit, das einzige, wahre Christenthum, die einzige, wahre Philosophie in den Schriften dieser Männer, in diesen Systemen oder Kirchen zu finden. Hören Sie Andere, so ist Spinoza ein Atheist, Jean Paul versteht sich oft selbst nicht, ist überladen mit Bildern, die Brüdergemeinde ist ein religiöser Nothstall, in dem die Menschen zu

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