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Wer aus Schiller's Jugendgedichten eines herausgreift und, rein für sich, an den Maßstab einer strengprüfenden Kritik legt, wird gewiß sehr viele ästhetische Mängel zu rügen haben; na= mentlich muß ihm Manches als widerwärtiger Schwulst und Bombast erscheinen, worin ein Beurtheiler, der mit historischem Blick das Ganze der Leistungen unsers Dichters übersieht, die gewaltigen Erstlingsflüge eines immer zum Idealen hinaufstrebenden Geistes bewundern wird. So erscheinen auch die riesenhaften Bilder, die stets wiederkehrenden vom Chaos, von Sonnen und Planeten, von Himmel und Hölle entlehnten Tropen in anderem Lichte, wenn man an der Hand eines Biographen, wie Hoffmeister, in die innere Geschichte dieses genialen Feuerkopfes eingeführt wird. Auch in der vorliegenden Ode fehlt es nicht an solchen gigantischen Tropen und Figuren. Die seelenvollen Harmonien, die unter Laura's Hand aus den Saiten des Klaviers dringen, werden mit neugeborenen Seraphim verglichen, die aus ihren Himmeln fliegen, mit Sonnen, die, vom Schöpfungssturm aufgejagt, aus dem Riesenarm des Chaos entrinnen.

In der Anthologie ist das Gedicht um zwei Strophen länger, die wir unten mittheilen werden. Ob der Dichter wohl gethan, diese Strophe bei der Aufnahme der Ode in seine Gedichtsammlung wegzulassen, darf bezweifelt werden. Sie enthalten freilich Manches, was seinem gereisten Geschmack zuwider sein mußte; allein in der jezigen Form fehlt es dem Gedichte an dem wünschenswerthen Abschluß. Der Strophenbau ist, was die Verszahl betrifft, unregelmäßig; der herrschende trochäische Rhythmus wird (wie in der Leichenphantasie) an einer Stelle vom daktylischen unterbrochen.

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In der Anfangsstrophe ist meistert" in V. 1 mehr dem ältern Sinne des Wortes gemäß gebraucht (wenn dein Finger nach Meisterart durch die Saiten fährt). Im Althochdeutschen bedeutete das Wort „Gewalt worüber ausüben (Graff II, 890)“, woraus sich erst später im Neuhochdeutschen der Begriff entwickelt hat einen Gegenstand oder dessen Urheber auf anmaßliche Weise ungünstig beurtheilen." V. 2 f. ist zur Statue entgeistert, iki entkörpert," d. h. jezt, als wäre ich bloßer Körper, unregsam, der leblosen Bildsäule gleich; jezt, als wäre ich bloßer Geist, als wäre ich dem Körper, der Last des Irdischen ganz entrückt. Zum leztern Gedanken paßt der Ausdruck „steh' ich da" in V. 3 nicht zum Besten. Man sagt sehr gut: ich stehe da wie eine Statue, aber nicht: ich stehe da wie ein entförperter Geist. Die drei Schlußverse mit der Anspielung auf Philadelphia, den bekannten Tausendkünstler, der im dritten Viertel des vorigen Jahrhunderts umherzog und durch seine physikalischen Kunststücke ungeheures Aufsehen erregte, bieten dem Interpreten große Schwierigkeiten dar. Diese sind nicht damit gelöst, daß ein neuerer Erklärer behauptet, der Sinn des Sages „Philadelphia fordert von tausend Nervgeweben Seelen" könne nur der sein: er belebt zahllose Körper, er verrichtet tausend Todtenbeschwörungen. Abgesehen davon, daß Philadelphia's Künste nicht in tausend Todtenbeschwörungen bestanden, so würde das Wiederbeleben von Leichen ein unschickliches Analogon zur Wirkung von Laura's Spiel sein. Vielmehr scheint der Dichter gerade umgekehrt sagen zu wollen: Philadelphia entgeistert durch seine staunenerregenden Künste Tausende seiner Zuhörer zu leblosen Körpern, wie Laura mich durch ihr Spiel zur Statue entgeistert; er fordert die Seelen aus ihren Körpern, d. H. entrückt ihre Seelen durch grenzenloses Staunen in den Bannkreis seiner Künste.

Die zweite Strophe schildert die Wirkung von Laura's

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Gesang auf die unbelebte Welt. Die Lüfte säuseln leiser und lauschen hingeschmiedet zum Gesang" d. h. an den Gesang fest geschmiedet. Man könnte zweifeln, ob im Folgenden die „lauschenden Naturen" (V. 6) allgemeiner als Naturwesen, oder specieller als die Himmelskörper aufzufassen seien. Lehteres wird schon durch das Stehenbleiben im ew'gen Wirbelgang" (in ihrem ewigen Kreislaufe) wahrscheinlich, durch den Gebrauch des Wortes Naturen", aber im Sinne von Weltkörpern in der Phantasie an Laura Str. 5, V. 1 (vgl. oben die Erläu terung dazu) so gut als gewiß. Das relative wie“ (V. 7) als Reimwort, auch so im Gedicht Amalia (Str. 2, V. 2) vorkommend, würde sich Schiller in späterer Zeit nicht leicht erlaubt haben; die neuesten Lyriker machen sich freilich aus dergleichen kein Gewissen. Unangenehm ist im lezten Verse das dem Gesetz schönen Lautwechsels widerstrebende Vorherrschen des Vokals i, worin hier keine Lautmalerei liegt. Zudem stört die Hinweisung auf die Gewalt von Laura's Blicken, da es sich hier nur um die Zaubermacht ihres Spiels handelt.

Die dritte und vierte Strophe charakterisiren dann Laura's wechselvolles Spiel näher durch mannigfache Vergleichungen. Der Ausdruck ein wollüstig Ungestüm" in Etr. 3, V. 2 hat zu wenig sinnliche Bildlichkeit. Die Schlußverse von Str. 3 lauten in der Anthologie:

Funkelnd fuhren aus der Finsternuß,

Etrömt der gold'ne Saitenguß.

Der Dichter veränderte diese Verse, um das veraltete „Finsternuß zu vermeiden, in folgende:

Funkeln fuhren aus der Nacht,

Strömt der Töne Zaubermacht

wobei jedoch zu bedauern ist, daß der abstractere Begriff „Baubermacht" weniger zu „strömt" paßt, als der im gleichen Bilde

bleibende Saitenguß". - Die. vierte, in ihrem mittlern Theil daktylische Strophe könnte als ein Meisterstück ausdrucksvoller, malerisch schöner Darstellung gelten, wenn sie nicht durch ein Doppelpaar sehr schlerhafter Reime (nun, Orgelton - Felsen, wälzen) entstellt wäre. Sie ist nicht zehnzeilig, wie man sie in der Gedichtsammlung irrthümlich gedruckt findet, sondern reicht bis zum Verse „Thränenwellen der Cochtus schleift“ einschließlich. In V. 1, der in der Anthologie lautete:

Lieblich ist, wie über bunten Kieseln,

änderte Schiller das Adjectiv „bunten“, das allerdings insofern müßig war, als es nichts den Klang Modificirendes bezeichnet, späterhin in glatten".

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In der fünften Strophe sehen die mehr oder minder synonymen Ausdrücke: sprich! ich frage, gib mir Kunde, lüg mir nicht! Lückenbüßern sehr ähnlich. Auch ist die Form „Elysen“ für Elysium nicht zu billigen; Joach. Meyer ließ dafür in der Ausgabe von 1855 „Elhsien“ (Plur. von Elysium) drucken.

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In der Anthologie folgen dann noch zwei vom Dichter später unterdrückte Strophen, die dem Ganzen einen bessern Abschluß geben. Sie schließen sich enge an den jeßigen Schlußvers („Die man in Elysen spricht“) an und gipfeln in dem Gedanken „Es ist ein Gott!" Der Dichter fühlt sich durch Laura's Töne nach Elysium verseßt, fühlt sein Auge entschleiert, sein Ohr entriegelt, sein Inneres durch himmlisches Feuer von den Schlacken des Jrdischen geläutert und gewinnt die Ueberzeugung von einem bessern Jenseits und vom Dasein Gottes. Die beiden Strophen lauten:

Von dem Auge weg der Schleier!
Starre Riegel von dem Ohr!
Mädchen! Ha! schon athm' ich freier

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Läutert mich ätherisch Feuer?

Tragen Wirbel mich empor?

Neuer Geister Sonnensitze

Winken durch zerrißner Himmel Rize --

Ueber'm Grabe Morgenroth!

Weg, ihr Spötter, mit Injcktenwige!

Weg! Es ist ein Gott!

Tas Vild in den Anfangsversen dieser Schlußstrophe kehit in Schiller's Eedichten mit einigen Modificationen mehrfach wieder, z. B. im Triumph der Liebe:

Wer zerriß das Heiligthum,

Zeigte dir Elysium

Durch des Grabes Rize?

oder im Lied an die Freude:

Durch den Riß gesprengter Särge

(Sieht man) Sie im Chor der Engel stehn.

6. Die Entzückung.

An Laura.

1781.

In der Anthologie jührt diese Ode die Ueberschrift: Die seligen Augenblicke an Laura, wodurch der Inhalt schärfer bezeichnet ist, als durch den etwas vagen jezigen Titel. Doch hatte Schiller sie bereits unter der Ueberschrift „Entzückung an Laura" in Ständlin's Musenalmanach auf das J. 1782 einrücken lassen. Im Almanach, wie in der Anthologie, besteht sie aus neun Strophen, von denen Schiller nur die vier ersten in die Sammlung seiner Gedichte aufgenommen hat. Die fünf weggelassenen enthalten in der That der in's Ungeheure gestei

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