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Die Aufklärungsperiode.

hatte, auf keine Weise vereinigen ließen, sondern auch in Beziehung auf den kirchlichen Gottesdienst ihrem subjectiven Belieben einen immer größeren Spielraum zu verschaffen bemüht waren. Immer lauter sprach sich daher zuvörderft ihre Unzufriedenheit mit den bisherigen alten Agenden aus, die mit ihren veralteten Formen und ihrem, die verjährten Vorurtheile einer früheren Zeit firirenden Inhalt den Bedürfnissen eines aufgeklärteren Zeitalters nicht mehr entsprächen, und immer eifriger wurde das Bestreben, zunächst in dieser Beziehung denn die Opposition gegen die alten Agenden war jedenfalls gefahrloser, als der offene Kampf gegen die Bibel- und Kirchenlehre den vermeintlichen Forderungen des Zeitgeistes und der fortgeschrittenen Bildung" zu genügen.

Nun konnte allerdings da, wo noch von Alters her eine der altLutherischen Agenden im Gebrauch, und das Volk an sie so gewöhnt war, daß es sich dieselbe nicht leicht nehmen ließ, nichts weiter geschehen, als daß man hier und da in den Gebetsformularen Einiges änderte. Leichter war es dagegen schon da, wo wenigstens ein Theil der Gemeine so „gebildet und aufgeklärt" war, daß er den bisherigen Gottesdienst zu altväterisch, und die Agende im Inhalt, wie im Ausdruck, dem Geist der Zeit nicht mehr entsprechend fand; und ganz freien Spielraum hatte die Aufklärungssucht des Predigers da, wo die gottesdienstliche Praris der reformirten Kirche eingeführt war, und die Gemeine nur das singen und hören durfte, was der Prediger für fie ausgewählt und ausgearbeitet hatte. Denn wer konnte es ihm in diesem Falle wehren, wenn er am ersten Osterfeiertage, nach dem Abfingen eines frostigen Morgenliedes, am Altar ein selbstverfaßtes Gebet vorlas, in welchem er unter den Wohlthaten der christlichen Religion hauptsächlich die hervorhob, daß sie die Menschen vom Irrthum und Aberglauben befreite; hierauf die Gemeine ein Lied über die Gespensterfurcht) fingen ließ, und in der darauf folgenden Predigt von der Furcht der Weiber beim Anblick des weißgekleideten Jünglings in dem Grabe Jesu Gelegenheit nahm, die Gespensterfurcht ausführlich

1) Ein solches hat z. B. Wokenius geliefert, und da es für die geist- und geschmacklose Nüchternheit jener Zeit charakteristisch genug ist, so möge wenigstens der Anfang desselben hier einen Plaß finden:

Mel. Nun lasset uns den Leib ic.
Gott! deine Todten sind in Ruh,
Den Leichnam deckt die Erde zuj
Jhr Geist lebt in der Ewigkeit,
Wo ihn nichts Jrdisches zerstreut.

Zurück zur Erde kehrt er nicht,
Er lebet bei dir seiner Pflicht;
Der Leib, den hier das Grab umschränkt,
Ward zur Verwesung eingesenkt.

Wie sollt' es auch wohl denkbar sein,

Daß du Verstorbene zur Pein,

Zum Schrecken derer ließest sehn,

Die diesen Erdenpfad noch gehn? 2.

Nothwendigkeit einer Reform des protest. Gottesdienstes. 321

abzuhandeln? Selbst das Vaterunser hörte man, wie die zahlreichen gereimten und ungereimten Paraphrasen beweisen, häufig nicht in der Sprache der Bibel, sondern in der poetischen Sprechweise des Predigers, und dem Einen war es sogar gelungen, auch den Segen in ein zierliches Distichon umzuarbeiten.

Ein Gottesdienst aber, der den Gemeinen nichts Anderes bot, als geschmacklose Kirchenlieder, trockene Gebetsformeln, und eine lang= weilige Predigt, die oft nur ein breites Salbadern über Gegenstände des alltäglichen, bürgerlichen und häuslichen Lebens war, das Niemanden erbaute und Keinem frommte, mußte natürlich leere Kirchen zur Folge haben. Die Christlichgesinnten blieben weg, weil die Kirche ihnen das Bedürfniß einer christlichen Erbauung nicht befriedigte, und die Weltlichgesinnten, weil sie das Bedürfniß der kirchlichen Erbauung nicht hatten und kannten. Und doch sollten auch sie es nur zu bald fennen lernen! Der ungeheure Kampf gegen die Gottesgeißel des Jahrhunderts nahm das festeste Vertrauen auf Gott in Anspruch, und die durch das Unglück tiefgebeugten Herzen bedurften des göttlichen Trostes mehr, als je. Endlich war der furchtbare Dränger überwunden, und je weniger man den Sieg hatte hoffen dürfen, desto mehr mußte er als ein sichtbares Gnadengeschenk des barmherzigen Gottes erscheinen, desto mehr aber auch den lebhaften Drang erzeugen, sich in Andacht vor dem Allmächtigen zu demüthigen, und ihm auf das Inbrünstigste zu danken. Einem solchen Gefühle religiöser Erregung aber konnten natürlich die Formen des immer nüchterner gewordenen protestantischen Gottesdienstes nicht genügen. Daher war es allen Denen, welche durch die Abschaffung der altkirchlichen Agenden aus dem Verbande mit dem glaubenskräftigen Zeitalter der Reformation ganz herausgekommen waren, in der That aus der Seele gesprochen, wenn es in dem Königl. Preuß. Publicandum vom 14. Sept. 1814 hieß:

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Schon lange fühlt man ziemlich allgemein in den Preuß. Staaten, daß die Formen des Gottesdienstes in den meisten protestantischen Kirchen nicht das Erbauliche, Feierliche haben, was, die Gemüther erregend und ergreifend, sie zu religiösen Empfindungen und frommen Gesinnungen stimmen und erheben könnte. Der Symbole giebt es wenige und die eingeführten find nicht immer die bedeutungsvollsten, oder haben einen Theil ihrer Bedeutsamkeit verloren; die Predigt wird als der wesentlichste Theil des Gottesdienstes angesehen, da sie doch, obgleich höchst wichtig, eigentlich nur die Belehrung und Ermunterung zum Gottesdienste ist; die Liturgien find theils so unvollständig, theils so ungleich und unvollkommen, daß Vieles der Willkür der einzelnen Geistlichen überlassen bleibt, und daß die Gleichförmigkeit der kirchlichen Gebräuche, eine der Hauptbedingungen ihrer wohlthätigen Wirkungen, beinahe ganz verloren geht. Diese Mängel sind sichtbarer geworden in der legten Zeit, wo der, durch die großen Weltbege= benheiten, durch die Drangsale, den Kampf und die Siege des VaterTandes neubelebte, religiöse Sinn des Volkes das Bedürfniß, sich auf eine würdige Art auszudrücken und auszusprechen, lebhaft und tief gefühlt hat."

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Die neue Preußische Agende.

Dieses Bedürfniß zu befriedigen, war nun der Zweck

der neuen Preußischen Agende,

welche im Jahre 1822 zum ersten Mal erschien, und das Jahr darauf, mit den, für zweckmäßig erachteten Verbesserungen, aufs neue herausgegeben wurde; und ihr zu Folge ist der Hauptgottesdienst an Sonnund Festtagen folgender:

I. Der liturgische Theil.

1) Ein Gefang der Gemeine, wie er in den lutherischen und reformirten Kirchen von jeher üblich war, eröffnet ihn. Während des Schlußverses tritt der Geistliche vor den Altar, wo er still für fich betet, nach Beendigung des Gesanges sich zu der Gemeine wendet, welche aufstehen und die Liturgie bis zum Schluß stehend anhören. soll, die mit der, auch in der katholischen Kirche den Gottesdienst eröffnenden Weiheformel beginnt:

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geiftes! Amen."

„Unsere Hülfe sei im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat."

(Ps. 124, 8., welcher Spruch auch in der katholischen Messe dem Confiteor vorangeht).

2) Das Sündenbekenntniß: „Allbarmherziger Gott und Vater! in tiefer Demuth erkennen und bekennen wir vor dir unsere vielfachen Sünden und Vergehungen. Siehe erbarmend auf uns nieder, und vergieb uns Reuigen alle unsere Sünden, um des Verdienstes deines lieben Sohnes, unsers Heilandes, Jesu Christi, willen. Amen."

Die Voranstellung desselben hat, wie bereits durch die vorangegangenen Darstellungen dargethan ist, die Agende mit der Praris der katholischen, reformirten und anglicanischen Kirche gemein, und die Worte find, wie bekannt, die des ehemaligen, nur hier kürzer gefaßten, Beichtformulars, wie es früher nach der Predigt auf der Kanzel vorgelesen wurde. Uebrigens ist dem Geistlichen die Wahl unter mehreren, in der Agende beigegebenen Formularen freigestellt.

3) Der Spruch nach dem Sündenbekenntniß, entsprechend dem Introitus, welcher in der katholischen Kirche an die Stelle des altchriftlichen Psalmengesanges trat; und wie im Alterthum auf den Psalmengesang, so folgt auch hier (wie in der katholischen und anglicanischen Kirche)

4) Das kleine Gloria: „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anbeginn, wie es ist, und wie es sein wird von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

5) Das Kyrie, wie Luther es in seiner Formula Missae beibehalten hatte, und zwar seiner ausdrücklichen Erklärung in der deutschen Messe" gemäß, nur dreimal: Kyrie eleison, Christe elei= son, Kyrie eleison.

6) Das (große) Gloria, das aber in der längeren Form, wie es in der katholischen Kirche jedesmal nach dem Kyrie gesungen oder gesprochen wird, in der Regel nur an Festtagen gebräuchlich ist, wäh rend man sich für die gewöhnlichen Sonntage mit den biblischen Wor

Die neue Preußische Agende.

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ten: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen" begnügt.

7) Der Gruß: „Der Herr sei mit euch 2c." (entsprechend dem "Dominus vobiscum. Et cum spiritu tuo«, welches im Alterthum der biblischen Lection voranging).

8) Die Collecte.

9) Die Epistel, mit dem darauf folgenden Spruch und dem, vom Chor gesungenen Hallelujah, wie Luther fie in seiner Formula Missae aus dem katholischen Ritual beibehielt.

10) Das Evangelium mit dem, von Alters her darauf folgenden Responsorium Gelobt seist du, o Christus" (Laus tibi, Christe).

11) Das Glaubensbekenntniß, wie es in der katholischen Kirche und in Luther's Formula Missae auf das Evangelium folgt.

12) Der Spruch nach dem Glaubensbekenntniß (entsprechend dem kurzen Psalmengesang, der sich in der katholischen Kirche dem, auf das Credo folgenden Offertorium anschließt).

13) Die Präfation, wie sie von alten Zeiten her auf das Offertorium folgte, und die Einleitung zur Abendmahlsfeier bildete. Der Geistliche spricht:

,,Richtet auf eure Herzen, und lasset uns danken dem Herrn, unserem Gott:

,,Recht ist es, und wahrhaft würdig und heilbringend, dir, Allmächtiger, Dank zu sagen zu allen Zeiten und an allen Orten, durch Jesum Christum, unseren Herrn, um deffentwillen du uns verschonet hast, uns unsere Sünden vergiebst, und die ewige Seligkeit verheißest, und mit allen Engeln und Erzengeln und dem ganzen Heere der himmlischen Heerschaaren fingen wir dir und deiner unendlichen Herrlichkeit einen Lobgesang."

Chor: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth! Alle Lande find seiner Ehre voll. Hosianna in der Höh'!

Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höh'!

(ganz entsprechend dem alten Sanctus, Benedictus und Osanna in excelsis).

14) Das allgemeine Kirchengebet und

15) das Unser Vater, in derselben Weise, wie beides im Al

terthum dem Genuß des Sacraments voranging.

Hierauf verläßt der Geistliche den Altar, und es folgt

II. Der didaktische Theil.

Seine einzelne Bestandtheile sind:

1. das Hauptlied, als Vorbereitung zur Predigt;

2. die Predigt, welche mit einem kurzen Gebet oder Segenswunsche, und der darauf folgenden Vorlesung des Tertes beginnt, und häufig mit dem Unser Vater schließt;

3. die Publicanda;

4. der Segen, nach welchem der Geistliche die Kanzel verläßt, und die Gemeine einen kurzen Gesang anstimmt.

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Die neue Preußische Agende.

Sind nun, wie dies an Sonn- und Festtagen meist der Fall ist, keine Communicanten da, so ist der Gottesdienst hiermit geschloffen; find aber welche da, so folgt hierauf

III. Die Communion

als dritter Theil desselben, den der, am Schluß des Gesanges wieder an dem Altar erscheinende Geistliche damit beginnt, daß er

"

1. die Ermahnung an die Communicanten vorliest:

Geliebte in dem Herrn! Da wir jezt das Gedächtnißmahl unseres Herrn Jesu Christi zu halten Willens sind, das zur Stärkung und Befestigung unseres Glaubens von ihm eingesezt worden ist, so prüfe ein Jeder sich selbst, wie uns hierzu der Apostel Paulus ermahnt; denn dies heilige Sacrament ist den betrübten Gewiffen, die ihre Sünden bekennen, Gott fürchten und die Erlösung begehren, zur Stärkung und zum Troste gegeben, wenn sie zugleich dabei den ernsten Vorsaz faffen, sich zu beffern, die Sünde zu fliehen und ein rechtschaffenes Leben zu führen. Da wir uns nun sündhaft und schuldig erkennen müssen, und uns selbst zu helfen unvermögend find, so hat Christus, der Sohn Gottes, unser geliebter Herr, sich über uns erbarmt, und ist um unserer Sünden willen Mensch geworden, auf daß er das Geseß und den Willen Gottes für uns erfülle, und den Tod und Alles, was wir mit unseren Sünden verschuldet haben, zu unserer Erlösung auf sich nehme und erdulde. Um dieses zu bekräftigen, seßte Er sein heiliges Abendmahl ein, auf daß ein Jeder, der von diesem Brote iffet, und aus diesem Kelche trinket, an die dabei gesprochenen Worte und empfangenen Zeichen Jesu Christi glaube, auf daß er in dem Herrn Christo und Christus in ihm bleibe, und ewig lebe. Dabei sollen wir sein gedenken, und seinen Tod verkündigen, nämlich, daß er für unsere Sünden gestorben, und zu unserer Rechtfertigung wieder auferstanden sei. Dankbar für diese unaussprechliche Gnade nehme daher Jeder sein Kreuz auf sich, um ihm nachzufolgen, und uns nach seinen Geboten unter einander zu lieben, wie er uns geliebt hat: denn wir sind alle Ein Leib, weil wir alle Eines Brotes theilhaftig sind, und aus Einem Kelche trinken. Wer aber unwürdig, d. i. mit unbußfertigem Herzen, ohne Glauben an die Verheißung Gottes, ohne Verföhnlichkeit und ohne den Vorsaß der Besserung von diesem Brote iffet und aus diesem Kelche trinket, der ist schuldig des Leibes und des Blutes des Herrn und erntet die Verdammniß, wovor Gott uns alle gnädiglich bewahren möge."

2. Das kurze Gebet, welches hierauf folgt, lautet:

„Herr, der du mit deinem Tode der Welt das Leben gabst, erlöse uns von allen unseren Sünden und von allem Uebel; verleihe uns die Kraft des Willens, deinen Geboten immer treu zu bleiben, und gieb nicht zu, daß wir uns jemals von dir trennen, der du mit dem Vater und dem heiligen Geifte regierest in Ewigkeit. Amen."

Hierauf folgt

3. die Confecration, welche mit der Anrede: Knieet nieder, und vernehmet die Einsehungsworte!" eingeleitet wird;

4. der Friedenswunsch: „Der Friede des Herrn sei mit euch

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