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Die freie Gemeine in Königsberg.

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mer völligeren Einigung mit dem Göttlichen und dadurch auch unter einander hoffend entgegen.

5. Unsere freie evangelische Gemeine bekennt:

a) daß sie des frohen Glaubens lebt, eine christliche und eine pro-
testantische Gemeine zu bilden;

b) daß die Wahrheit, die ihr Gesez ist, sich weder in den be-
stehenden Verhältnissen der Gegenwart offenbart, noch das
Streben der Mehrheit in unserem Volke beherrscht;
c) daß sie sich freut, in dem bewußten und öffentlich ausgespro-
chenen Streben nach der Wahrheit mit den Deutsch-Katholi-
schen, den in der protestantischen Kirche entstandenen freien
evangelischen Gemeinen und denjenigen Juden vereint zu sein,
welche in den Gesezen ihres Volkes nichts finden, was sie
hindert, die dankbare Verehrung, mit der wir die Weisen
ihres Volkes betrachten, ihrerseits Jesus von Nazareth_zu
widmen, und in Freiheit und Liebe die Wahrheit des Men-
schenlebens zu erkennen.

6. Troß ihrer Lossagung von den bisherigen kirchlichen Behörden oder von der ,,Consistorialkirche," wie Rupp und seine Anhänger die evangelische Landeskirche nennen weiß sie sich demnach als eine Gemeine der protestantischen Kirche, indem sie auf Grund der Erklärung im 7. Artikel der Augsburger Confession daran festhält, daß die Kirche überhaupt die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die Sacramente laut des Evangelii

verwaltet werden."

7. Die Kirche aber bilden nach unserer Lehre Alle, die an die freie Liebe glauben; alle mündigen männlichen und weiblichen Mitglieder der Gemeine sind gleich berechtigt. Die Kirche besteht, wo das Evangelium rein gepredigt, d. i. wo es als die freie Liebe verkündet und fein bürgerliches Vorrecht und kein äußerer Vortheil an das Be= kenntniß dieses Evangelii geknüpft wird. Die Kirche besteht, wo die Sacramente laut des Evangelii gereicht werden, d. i. wo man nicht vergißt, daß auch der Gebrauch der ehrwürdigsten Formen der Taufe und des Abendmahls, zum Buchstabendienst entartet, wenn man sie dem Geiste gleichstellt. 1)

8. Unsere freie evangelische Gemeine hält es für eine ihrer heiligsten Pflichten, in enger, auch äußerer Verbindung mit den, unter Katholiken, Protestanten und Juden sich bildenden freien Gemeinen die Zeit vorzubereiten, in der sich einft unser ganzes Volk zu einer freien Gemeine deutscher Brüder vereinigt. 2)

1) Daher bindet sich Dr. Rupp auch bei der Taufe nie an irgend ein Formular, am wenigsten an die von Christo selbst verordnete Taufformel. Bei einer am 7. März 1847 vollzogenen Taufe z. B. sprach er: „Ich taufe dich, Amalie, nach der alten apostolischen Taufe, daß Jesus der Christ sei, der Heiland des Menschengeschlechtes: ich netze dein Haupt mit Wasser, zum Zeichen, daß deine Seele rein bleibe, rein, wie der Quell aus den Bergen rinnt. Wie die Wasser gen Himmel aufsteigen und wieder zur Erde zurückkehren, so mögest du stets deines himmlischen Vaterlandes eingedenk sein."

2) Daß es übrigens mit der,,wahren Bruderliebe“ auch der Königsberger freien

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Die freie Gemeine in Königsberg.

Zur Erreichung dieses Zweckes hat sich die Gemeine vorläufig denn keine von diesen Bestimmungen soll, wie ausdrücklich erinnert wird, ein Geses sein, von dessen Anerkennung und Befolgung die Theilnahme an der Gemeine abhängt; vielmehr will damit die Mehrheit nur ihre Rathschläge und Wünsche ausgesprochen haben über folgende ,,Lebensordnung" geeinigt.

1. Die Aufnahme in die Gemeine erfolgt, indem der Aufzunehmende sich (vor dem Vorstande) bereit erklärt, zur Erreichung des von der Gemeine aufgestellten Zweckes mitzuwirken und seinen Namen in das Gemeinebuch einträgt. Die Gemeine weist Keinen zurück, sieht es aber gern, wenn der Aufzunehmende selbst vor der versammelten Gemeine ausspricht, warum er die Aufnahme nachsucht. 1)

Gemeine noch nicht so ganz Ernst war, mußte Rupy sehr bald aus der Hartnäckigkeit entnehmen, mit der man sich einer von ihm gestellten und leicht zu erfüllenden Bedingung widersette. Er forderte, wie unter Anderen Hartmann Rasche, ein Mitglied der Gemeine und Rupp's Freund, referirt, das „Du,“ in dem sich jedes Ich selbst verleugnen und gerade darum wiederfinden sollte. „Der Verstand sagte: Ift es nicht ungereimt, daß man Gott, Verbrecher, Verstorbene, Kinder, Berwandte, Freunde und Dienstboten mit „Du," die Uebrigen mit „Sie" anredet? Rupp aber, der keine bloße Verstandescombination, sondern Wahrheit und Liebe will, bestand darauf, daß sich die Mitglieder der Gemeine, wenn sie sich wirklich als Brüder betrachteten, auch wie Brüder mit „Du“ anreden müßten." Und dennoch ruhte man nicht eher, als bis er von seiner Forderung abstand.

1) Ein für diesen Zweck zur Melodie „Hier liegt vor deiner Majestär“ gedichtetes Lied von Hartmann Räsche lautet:

Zu ihm, der über Sternen thront,

Erhebt sich unser Dank,

Die Liebe, die im Innern wohnt,
Ergießt sich im Gesang.

Die ihr euch heut dem Vater weiht

Und Bürger seines Reiches seid,

Wir reichen euch die Bruderhand,

Ach, uns umschließt ein heilig Band,
Ein heilig Band,

Ein theures, heil'ges Band.

So wie die Glieder an dem Leib,

Ein Herzblut all' durchglüht;

Wie mit dem Mann das treue Weib

Weit in die Fremde zicht:

So herrscht in der Gemein' Ein Geist,

Der uns den Brüdern dienen heißt;

Vor Gottes ew'gem Angesicht

Stehn wir vereint und wanken nicht,
Wir wanken nicht,

Die Brüder wanken nicht.

Ihr habt der Lügentyrannei

Mit Leib und Seel entfagt;

Bom Priesterjoche seid ihr frei,

Weil frei zu sein ihr wagt.

Biel Opfer zwar stehn euch bevor,

Doch zum Erlöser schaut empor;

Den Frieden, den die Welt nicht giebt,

Die freie Gemeine in Königsberg.

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2. Die freie evangelische Gemeine erkennt alle ihre mündigen männlichen und weiblichen Mitglieder für gleich berechtigt bei der Entscheidung der in ihr entstehenden Fragen. Mündig wird man in der Gemeine mit dem vollendeten zwanzigsten Jahre.

3. Was die Gemeineversammlungen betrifft, so findet jeden Sonn- und Feiertag und jeden Freitag eine ordentliche Versammlung statt.

In der Sonn- und Feiertagsversammlung hält einer der Prediger einen Vortrag. Gesang der Gemeine beginnt und schließt die Versammlung. In ihr werden gewöhnlich auch Taufe und Liebesmahl gefeiert.

Die Freitagsversammlung ist theils der Besprechung über Vorschläge zu neuen Bestimmungen und Einrichtungen, oder Abänderung bestehender und zur Wahl der Gemeinebeamten, theils der Besprechung der neuesten, in der Lesegesellschaft umlaufenden Schriften, und Vorträgen über die Bildung des Menschengeschlechtes zur Wahrheit, Freiheit und Liebe gewidmet.

4. Den Vorstand der Gemeine bilden fünf, aus der Mitte derselben gewählte Glieder. Er hat die Einnahmen und Ausgaben der Gemeine, ferner die Locale zu den Gemeineversammlungen zu besorgen, die Kirchenbücher zu führen und alle sonstigen Anordnungen der Gemeine zu vollziehen.

5. Alles, was in der Gemeine zur Berathung kommen soll, ist vorher von den Aeltesten," einem Collegium von fünfzehn Personen, in einer Vorberathung zu prüfen.

"

6. Die religiös-sittliche Heranbildung der nachwachsenden Gemeineglieder, und die öffentliche Verkündigung des Gemeinebewußtseins vertraut die Gemeine einem Prediger, der die erforderliche wissenschaft= liche Bildung durch Universitätsstudien erlangt und der Gemeine bewährt hat. Der Prediger hat

a) den Confirmanden-Unterricht zu ertheilen,

einmal zu predí

gen und die gottesdienstlichen Handlungen zu verrichten, c) Sig ohne Stimme in den Zusammenkünften der Aeltesten und des Vorstandes.

7. Die freie evangelische Gemeine stiftet eine Lesegesellschaft, um die Benuzung der Hilfsmittel, welche die Literatur für Bildung zur Wahrheit, Freiheit und Liebe darbietet, zu erleichtern. Die Zeitschriften, Flugschriften und Bücher dieser Lesegesellschaft, deren Auswahl, Anschaffung und Austheilung von einem Leseausschuß unentgeldlich besorgt wird, kann Jeder gegen einen monatlichen Beitrag von 3-5 Sgr. benugen.

8. Behufs der Armenpflege stiftet die freie evangelische Gemeine einen Verein, der seine Thätigkeit nicht nur den Armen der Gemeine, sondern auch Anderen ohne Unterschied der Religion widmet,

Giebt er dem, der die Wahrheit liebt,

Die Wahrheit liebt,

Die ew'ge Wahrheit liebt.

358 Die freien Gemeinen in Halle und Nordhausen.

soweit seine Mittel es erlauben. Dieser Verein umfaßt vier besondere Anstalten:

a) eine Erziehungsanstalt für die Kinder gänzlich gesunkener und verdorbener Personen der ärmsten Volksklaffen;

b) einen Sparverein für Personen der arbeitenden Klassen, die für ihre wöchentlichen Einzahlungen in die Sparkasse den Vortheil haben sollen, die im Großen und Ganzen, und daher billiger eingekauften Lebensbedürfnisse bei weitem billiger zu erhalten,

c) eine Anstalt zum Nachweis von Arbeit,

d) eine Unterstüßungsanstalt für Arbeitsunfähige, beson= ders Kranke.

Man sieht, auf dem Papier ist Alles bereits in der besten Ord= nung, und es kommt nur darauf an, daß die schönen Worte zur That werden, wie es Rupp und seine Freunde so oft und eindringlich fordern, wovon sich bis jezt allerdings noch nicht viel hat verspüren Lassen.

Mit ganz ähnlichen Weltbeglückungsplänen gehen auch die freien Gemeinen in Halle unter der Leitung des G. A. Wislicenus und zu Nordhausen unter Ed. Balzer um, und namentlich heißt es von der legteren in dem 2. Heft der Freien Kirche" von Dr. Behusch (S. 122.): „Klar liegt das Streben der freien Gemeine zu Nordhausen vor uns. Es ist, die Menschheit zur Kirche Christi durch Wahrheit und Liebe zu erheben, und dieses Ideal zuerst in einer Deutschen Kirche" zur Anschauung zu bringen." Wie in Königsberg und Halle, fanden nämlich auch in Nordhausen die Freunde des Predigers Balzer, in Uebereinstimmung mit ihm, es unmöglich, ,,ihr protestantisches Recht, ihre freie religiöse lleberzeugung anders, als dadurch zu wahren, daß sie aus der Preußischen Landeskirche ausschieden." Und wenn die freie protestantische Kirche vom Kirchenregiment unterjocht würde, so glaubte man doch, sich nicht mit unterwerfen, oder aus leidiger Indifferenz es geschehen lassen zu dürfen, daß ein lange und fein gewobencs Neg über die Gewissen geworfen werde, ohne daß sich Männer fänden, die es mit sicherer Hand zerrei= ßen. 1) Die Männer" nun, die dazu Lust hatten, waren bald gefun= den. Es handelte sich nur um das Wie? Man fragte in einer ge= meinsamen Berathung (am 5. Januar 1847), ob es nicht am Besten sei, zu den Deutsch - Katholiken" überzugehen. Dagegen aber hatte Balzer Mancherlei einzuwenden. Einmal erinnerte er, wiffen wir gar nicht, ob den Deutsch - Katholiken der Zutritt protestantischer Gemeinen erwünscht ist, oder nicht. Ferner würde dieser Schritt ein Aufgeben unserer protestantischen Brudergemeinen in Königsberg und Halle, ja ein Aufgeben des protestantischen Bodens selbst sein. Endlich sei es doch noch die Frage, ob der Deutsch-Katholicismus der reine Ausdruck dessen sei, was wir wollen. Der Deutsch - Katholicismus lasse

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1) Vergl. Freie vrotestantische Gemeine Nordhausen.“ Mittheilungen von Ed. Balzer, Prediger. 1. Heft. Leipzig 1847.

Die freie Gemeine in Nordhausen.

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fich doppelt beurtheilen: nach seinem Statut und nach seinem wirkli chen Leben und Wesen. In leßterer Hinsicht, meinte Balzer, sei er innerlich Deutsch-Katholik und könne es also auch äußerlich unter Umständen werden. In ersterer Hinsicht dagegen sei er Feind des Deutsch-Katholicismus; denn, um nur Eines anzuführen, er mache die Angehörigkeit des bewußten Christen von - Dogmen, d. h. von menschlichen Vorstellungen über göttliche Dinge abhängig, und stoße den übrigens gleichglaubenden Nichtchriften von sich, wenn er sich nicht mit Wasser besprengen und gewisse Formeln über sich sprechen lasse. Kurz, seinem Statut nach sei der Deutsch-Katholicismus eine Secte unter den vielen Secten der Christenheit, und hinke als solche der alten Kirche nach. Es sei etwas Anderes, Vorhandenes reformiren, und etwas Anderes, Neues beginnen.

Die versammelten Freunde entschieden sich für das Leztere und einigten sich bald in folgender Erklärung. Die obersten Grundsäge sollen sein:

1. Die Wahrheit über Alles! Wer sie liebt und thut, ist unser. 2. Alles in der Liebe! Wer in der Liebe bleibt, der bleibt unser. Als Glaubensfäße wurden aufgestellt:

1. Gott ist Allvater, der lebendige Gott, der ewige Geist, der Allgegenwärtige, der einige Herr der Welten: Wahrheit und Liebe ist sein Walten ewiglich.

2. Jesus ist Christus, der Heiland der Menschen: Wahrheit und Liebe ist seine versöhnende Botschaft für und für.

3. Der Geist ist heilig in seinem Wesen, er erfüllt den Weltkreis und läßt uns von Gott kommen in unserer Geburt, durch Gott sein in unserem Leben, zu Gott gehen in unserem Tode: Wahrheit und Liebe ist sein Segen immerdar.

4. Die Kirche oder Gemeine Christi ist die durch Wahrheit und Liebe in seinem Namen verbundene Menschheit. Wenn sie vollendet sein wird durch den heiligen Geist, ist sie das Reich Gottes auf Erden.

In Betreff der gottesdienstlichen Verhältnisse ward Folgendes festgestellt:

1. Außer den monatlichen Versammlungen, welche zu den Berathungen über Gemeine-Angelegenheiten bestimmt find, hält die Gemeine eine stehende Andachtsversammlung an allen Sonntagen des Jahres, an denjenigen Festtagen, welche in Nordhausen von der protestantischen Kirche als volle Festtage gefeiert werden, und am Stiftungstage der Gemeine (5. Januar).

2. Die Feier dieser Andachtsversammlungen soll Gemeinegesang, wo möglich unterstüßt von der Kunst, Vortrag aus der Bibel, freien Vortrag des Predigers zu ihren wesentlichen Bestand= theilen haben. Der Prediger kann durch Jeden, dem der Vorstand dazu Vollmacht ertheilt, nöthigenfalls vertreten werden.

3. Von den bisherigen kirchlichen Handlungen behalten wir namentlich in freiem Gebrauch: die Taufe, die Confirmation, das Abendmahl, die Trauung, und zwar nach Maßgabe folgender Bestim= mungen.

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