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Seine Stellung in Schussenried wie in Ursperg brachte ihn in Berührung mit den schwäbischen Reichsministerialen, welche in der grossen Politik eine so bedeutende Rolle spielten. Anselm von Justingen gehörte ohnehin zu den Wohlthätern Urspergs1. Den Familien der Truchsesse von Waldburg, Winterstetten und Tanne mag er persönlich nahe gestanden haben er gedenkt ihrer mehrfach (S. 71. 77. 84. 107). Gewiss hatte er selber Gelegenheit, die 'löbliche' Narbe zu bewundern, die Truchsess Heinrich bis zu seinem Lebensende behielt, und welche dieser erhalten hatte, als er sich dem Mörder König Philipps, dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, entgegenwarf (S. 84). Auch manche andere Reichsministerialen weiss er zu nennen; er preist deren Treue gegen Philipp, sie sind ihm die 'curia imperialis' und die 'officiales imperii' (S. 77). Unzweifelhaft hatte er diesen Kreisen manche Nachricht und Belehrung zu verdanken.

Burchard interessierte sich nicht allein für die Geschichte, auch die Himmelserscheinungen nahmen seine Aufmerksamkeit in Anspruch, was allerdings in jenen Zeiten auch bei anderen Geschichtsschreibern der Fall war. Er gedenkt solcher öfters (S. 16. 45. 55. 56. 88. 106). Möglicherweise hat er sogar über astronomische Dinge ein Buch geschrieben. Dahin_nämlich möchte ich eine seiner Aeusserungen deuten. Er erzählt S. 106 zum Jahre 1217 von dem ja auch wissenschaftlich feststehenden Phänomen des plötzlichen Aufleuchtens eines Sternes: 'in directo sideris illius, quod vocant astrologi coronam Ariadnae, sicut nos ipsi annotavimus; antea erat parva' etc. Wattenbach zog gerade aus diesen seinen Worten den Schluss, Burchard 'habe wie Lambert und andere seiner Vorgänger frühzeitig Materialien für ein Geschichtswerk gesammelt'; aber die Stellung der Worte 'sicut nos ipsi annotavimus', mitten in dem Bericht über die astronomische Lage, erheischt für sie eine andere Erklärung.

Doch ist sonst kein Zweifel, dass Burchard früh angefangen haben muss, den Stoff für sein Geschichtswerk zu sammeln, wenn er auch, wie wir noch sehen werden, erst spät zu dessen Ausarbeitung kam. Er scheint in Italien und in Deutschland erworben oder abgeschrieben zu haben, was er irgend erlangen konnte. Selbst die Inschrift an einem heute wohl verschwundenen römischen Grabdenkmal bei Beinstein in Wirtemberg entging nicht seiner Aufmerksamkeit; freilich machte er den Clodius, welcher es einst seiner Gattin gesetzt hatte, zum Ahnherrn des staufischen Hauses (S. 5).

Eigenthümlich ist Burchard der Eifer für Recht und Rechts

1) Wirtemb. UB. II, 363. II, 409.

2) Deutschlands Geschichtsquellen

verhältnisse1. Ihm verdanken wir die werthvolle Nachricht über den Bolognesen Warnerius (S. 15), deren Bedeutung neuerdings Fitting eingehend dargelegt hat, er nennt ebenso S. 14 den Canonisten Gratianus und S. 72 den Petrus von Benevent, welcher 1210 die Decrete Innocenz III. zusammenstellte. Ér verzeichnet S. 30 die Roncalischen Gesetze Friedrichs I. von 1158 und begleitet sie mit Bemerkungen über den Unterschied zwischen der Rechtsauffassung der Italiener und der Deutschen; er gedenkt S. 55 des Konstanzer Vertrages von 1183 zwischen Friedrich I. und den lombardischen Städten und fügt hinzu, dass die Lombarden ihn noch gegenwärtig als Grundlage ihres Rechtszustandes betrachteten. S. 61 nimmt er den Landfriedensbrief Friedrichs I. von 1186, der freilich nicht gehalten werde, in seinen Text auf: 'quatenus saltem lex tam decurtata non pereat de hominum memoria'. Er erörtert S. 53 die Rechtsfragen bei dem Processe Heinrichs des Löwen, S. 79 beklagt er die Rechtswidrigkeiten, welche 1200 bei der Doppelwahl zum Erzstuhl von Mainz unterliefen und den vom Papst getroffenen Entscheid, S. 113 tadelt er lebhaft, wie Gregor IX. bei der Excommunication Friedrichs II. jede gesetzliche Ordnung hintenansetzte. Auch an natürliches und göttliches Recht legt er Berufung ein. Er findet es S. 72 verwerflich, dass Innocenz III. Philipp die Verbrechen seines Bruders anrechnete, obgleich nach der Bibel nicht einmal die Sünden der Väter den Kindern nachgetragen werden sollen, S. 82 erklärt er die Entführung von Reliquien aus Konstantinopel nach dem Kloster Pairis im Elsass für Diebstahl. Mag er auch mehrere dieser Stellen anderweitig entlehnt haben, seine Antheilnahme an den betreffenden Dingen darf deswegen nicht geringer angesehen werden.

Merkwürdig, wie er von diesem Standpunkte aus mehrere Male sich veranlasst fühlt, über seine eigenen Landsleute die härtesten Urtheile auszusprechen. Zwar fand er ein solches schon in einer von ihm benutzten Schrift. Aus der sogenannten Historia brevis entnahm er S. 69 eine Schilderung der Alamannen, welche neben manchen guten Eigenschaften ihnen auch zuschrieb, sie seien: 'rationis expertes, voluntatem pro iure habentes'. Burchard mag seufzend zugestimmt haben, als er diese Worte abschrieb, aber dass gerade sie der Grund und die Veranlassung seiner sonst abgegebenen gleichen Meinungen seien, ist gewiss nicht anzunehmen. Diese quellen ihm

1) Vgl. auch Simson im Neuen Archiv XIV, 613 f. 2) Die Anfänge der Rechtsschule zu Bologna 96 ff., doch ist sehr unwahrscheinlich, dass Burchard seine Nachricht aus dem Johannes von Cremona entnahm, wie F. meint, da dieser nur die Geschichte Friedrichs I. behandelte. Eher ist anzunehmen, dass der Propst das Buch des Warnerius selbst kannte und daraus seine Mittheilungen schöpfte.

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aus seinem Herzen heraus, aus dem Kummer über die deutschen Zustände, welche einer festen Rechtsgrundlage entbehrten. Bittere Dinge sagt er den Deutschen: S. 53 more Teutonicorum, qui sine lege et ratione voluntatem suam pro iure statuentes'. S. 61 spricht er von dem Landfriedensbriefe Friedrichs I: 'quas litteras Alamanni usque in presens fridebrief - vocant nec aliis legibus utuntur; sed nec eisdem recte utuntur, tanquam gens agrestis et indomita'. S. 74 heisst es gar, die Deutschen verachteten und hassten jede Gerechtigkeit und gingen nur ihrem eigenen Vortheile nach, dessentwegen sie kein Blutvergiessen scheuten. Die deutschen Fürsten aber pflegten meist Räuber zu sein (S. 90). Konstanze räth ihrem Gemahl Friedrich II. ab, nach Deutschland zu gehen 'propter fraudem Alamannorum' (S. 92).

Man wird Burchard diese Aeusserungen nicht zum Vorwurf machen wollen, im Gegentheil, sie gereichen ihm zur Ehre. Hätten seine Landsleute ebenso gedacht, welches Elend wäre Deutschland erspart geblieben! Er bezeugt damit, dass er ein besseres Verständnis für staatliche Ordnung hatte, als durchschnittlich seine Zeitgenossen, und dass er sich nicht scheute, die Wahrheit zu sagen. Er ist allerdings für die Staufer eingenommen, aber doch keineswegs blind. Er verschweigt nicht die Grausamkeiten Heinrichs VI. gegen die Neapolitaner, er schildert S. 69 Konrad, den Bruder der Könige Heinrich und Philipp, in den dunkelsten Farben, und wenn der Abschnitt über Philipp von Burchard herrührt, so bestätigt auch er seine Wahrheitsliebe. Wo er die Päpste tadelt, hatte er allen Grund dazu, aber er versagt doch auch Innocenz III. nicht jede Hochschätzung (S. 93, 104). Es ist im Gegentheil anzuerkennen, wie er auch in diesen kirchlichen Fragen einen weiten Blick zeigt, nicht nur die Gegenwart, sondern bereits die Zukunft im Auge hat und für die Kirche die schlimmen Folgen vorausahnt, welche auch nicht ausblieben. Burchard stand durchaus auf dem Boden der Kirche, deren Wohl ihm warm am Herzen lag, aber er wagte es auch, gegen die Missbräuche seine Stimme zu erheben.

Was mir Burchard vor manchen anderen Geschichtsschreibern seiner Zeit lieb macht, ist eben sein klares, nirgends zurückhaltendes Urtheil und die Lebendigkeit, mit der er an allem Antheil nimmt. Wie er gern ein Wort über die Oertlichkeiten sagt, um sie anschaulich zu machen, so bemüht er sich auch, den Persönlichkeiten Leben zu verleihen. Wo er kann, giebt er eine ausführliche Schilderung, wie von Kaiser Lothar (S. 14),

1) Wahrscheinlich ist jedoch diese Stelle auch entlehnt, vgl. unten Abschnitt III. 2) Vgl. Gronau, Die Ursperger Chronik und ihr Verfasser,

S. 14 ff.

von Friedrich I. (S. 21), von Heinrich VI. (S. 70), von Philipp (S. 85), aber sehr oft flicht er auch sonst, wenn er von irgend Jemandem zu reden hat, ein Wort ein über dessen Wesen oder spätere Schicksale oder über irgend welche persönliche Beziehungen zu ihm (S. 8. 22. 23. 46. 54. 69. 70. 74. 76. 77. 79. 80. 89). Gern erklärt er auch Handlungen durch einen Hinweis auf die Charaktereigenthümlichkeiten der sie ausübenden (S. 27. 37. 72. 79. 93. 112. 113). So bleiben ihm und den Lesern die Männer, deren er zu gedenken hat, nicht blos leere Namen.

Gewiss ist Burchards Stil nicht schön, die Fügung seines Werkes schwerfällig und ungeschickt, manche Fehler sind ihm untergelaufen, aber er bot, was er bieten konnte, mit ehrlichem und eifrigem Herzen.

II.

Die Zeit der Abfassung der Chronik.

Die Schlusssätze der Chronik berichten von den Friedensverhandlungen, welche nach der Rückkehr des Kaisers Friedrich II. aus dem heiligen Lande zwischen ihm und Papst Gregor IX. geführt wurden. Burchard kann sie erst im Jahre 1230 geschrieben haben, da er bereits wusste, dass die vom Kaiser berufenen deutschen Fürsten bei ihm in Capua eingetroffen waren. Dort hielt sich der Kaiser im December 1229 auf und feierte Weihnachten. Die letzten Worte lauten: 'Sane haec compositio, cum non posset perfici eo anno, dilata est in annum sequentem'. Der endgültige Abschluss der Verhandlungen erfolgte erst am 28. August 1230, doch ist nicht nöthig anzunehmen, dass Burchard ihn bereits kannte, als er diese Zeilen schrieb. Schon vorher war kaum ein Zweifel, dass der Ausgleich zu Stande kommen würde. Aber auch sonst ergiebt sich, dass der Propst nicht später als 1230 sein Werk verfasste. Er sagt in der Geschichte des Königs Philipp S. 80, 81 von dem Mainzer Erzbischofe Siegfried II., welcher am 9. September 1230 starb: 'qui usque hodie manet episcopus'. Demnach ist sicher, dass der Verfasser etwa in der Mitte 1230 die Fortsetzung seines Buches aufgab.

Wann hat er nun mit der Niederschrift der Chronik begonnen?

Jedenfalls hat Burchard erst unter der Regierung Friedrichs II. die Ekkehardsche Chronik fortgesetzt, denn von Anfang an (S. 7) heisst mit Beziehung auf diesen Kaiser der Rothbart: Fridericus primus eius nominis'. Burchard spricht an dieser Stelle von der Wirkung, welche der päpstliche Bann auf die Stellung der Kaiser ausgeübt: weder Friedrich I. noch Philipp seien deswegen des Imperiums verlustig gegangen.

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Er schweigt somit von Otto IV, aber er erwähnt auch nicht, wie Friedrich II. trotz des Bannspruches, welchen Gregor IX. im September 1227 gegen ihn schleuderte, seine Würde behauptete. Es kann demnach scheinen, dass dieses Verhältnis noch nicht eingetreten war, als Burchard jene Betrachtungen niederschrieb.

Aber warum spricht er hier auch nicht von Otto IV? Sollte damals dessen völliger Sturz noch nicht erfolgt sein, so dass Burchard es unterliess, ihn in Vergleich zu stellen? Diese Ansicht könnte durch einen andern Umstand Unterstützung finden. Gleich zu Anfang beschreibt Burchard die Kaisergräber in Speier, aber er nennt nicht das Philipps, welchen Friedrich II. Weihnachten 1213 dort beisetzen liess, wie der Propst selbst nachher (S. 85) berichtet. Also hätte Burchard etwa Anfang 1213 nach der Wahl und Krönung des jungen Staufers zu schreiben begonnen.

Doch blättern wir weiter. S. 16 wird Otto IV. als 'postmodum per breve regnans' bezeichnet, ganz ähnlich heisst es von ihm auch S. 46; er gilt also für völlig abgethan. Von dem ersten sächsischen Herzoge aus Anhaltinischem Geschlechte, Bernhard, welcher 1212 starb, heisst es S. 54: 'qui etiam usque ad tempora nostra supervixit'; es war also seit dessen Tode wohl schon eine ziemliche Zeit verflossen. Schade, dass sich nicht ersehen lässt, ob Landgraf Hermann von Thüringen (S. 23) und Heinrich, der älteste Sohn Heinrichs des Löwen, 'qui postea fuit palatinus Reni' (S. 46), von denen der erstere 1217, der zweite 1227 ins Jenseits wanderte, schon todt waren. Die Bemerkung S. 71, der 1197 in Montefiascone erschlagene Friedrich von Tanne sei der Bruder gewesen: 'dapiferi, qui nunc est', fördert uns nicht, da der gemeinte Truchsess Eberhard von Waldburg erst 1234 dahinging. Dagegen ersehen wir, dass die Erzählung über den Tod Kaiser Heinrichs VI. S. 70 nach 1220 aufgezeichnet wurde, weil Konrad: 'qui postmodum fuit abbas Praemonstratensis', erst von diesem Jahre ab seine Würde bekleidete". Damit stimmt überein, wenn S. 76 die 1219 erfolgte Erhebung des Grafen Konrad von Urach zum Cardinal erwähnt wird. Bald dahinter in den Gesta Philippi S. 82 reicht die Genealogie der Grafen von Flandern bis zur Isabella hinab, 'quam postmodum Fridericus imperator accepit in uxorem', nämlich 1225. Nochmals (S. 103) wird des Grafen (Ferrand) von Flandern zusammen mit dem Grafen (Reginald) von Boulogne gedacht, dass beide in der Schlacht von Bouvines in Gefangenschaft fielen, 'qui postmodum detenti in captivitate diuturna perierunt'. Der erstere wurde.

1) Vochezer, Geschichte des fürstl. Hauses Waldburg in Schwaben S. 75. 2) Stälin, Wirtemb. Gesch. II, 730.

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