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Vortrag eines höheren Beamten von ihrem Inhalte Kenntnis bekommen hat. Während die Abfassung der meisten Schreiben einem Mitgliede der Kanzlei (Dictator) überlassen wurde, hat Gregor bei den wichtigeren sicher den Gedankengang vorgezeichnet oder das Concept corrigiert. Aber es giebt auch Briefe, die er selbst von Anfang bis Ende schreibt1 oder dictiert. Wenn es in Lib. I. ep. 50 an Beatrix und Mathilde heisst: "Quod vobis, quas sincero corde diligo, parum scribo, gravi cura me implicitum esse manifesto. Vobis enim in talibus non aliquem vicarium in dictando acquiro, sed me ipsum labori, licet rusticano stylo, subpono', so kann das nur bedeuten: die Abfassung der an Euch zu richtenden Briefe überlasse ich keinem andern, sondern dieser Aufgabe unterziehe ich mich selbst. Nun finden sich an drei Stellen des Registers (L. II, epp. 31. 37. 43) als Randnote die Worte: 'dictatus papae', an der vierten (L. II. ep. 55a), welche unsere Sätze enthalten, als Ueberschrift. Man hat in diesem Vermerk einen Hinweis darauf gesehen, dass die betreffenden Stücke ihre Abfassung dem Papste selbst verdanken 2. Und gewiss mit Recht. Es wäre damit nicht ausgeschlossen, dass auch zahlreiche andere Briefe, wo die Angabe 'Dictatus' fehlt wie eben der an Beatrix und Mathilde, aus der Feder des Papstes geflossen seien; nur müsste man annehmen, dass in jenen vier Fällen ein directer Vermerk auf dem Concept oder dem Originalregister des Lateranischen Archivs sich erhalten habe und so in unsere Briefsammlung übergegangen sei.

Man hat gegen die. Autorschaft Gregors den doppelten Einwand erhoben, dass der Stil der Thesen nicht dem der Briefe entspreches und dass von einer Ordnung der Gedanken keine Spur wahrzunehmen sei. Aber während jener Einwand sich dadurch leicht erledigt, dass bei der Kürze und beabsichtigten Knappheit der Sätze eine Stilvergleichung unmöglich ist, verdient dieser die ernsteste Beachtung. Es ist in der That von einer Ordnung unter den Thesen nichts wahrzunehmen. Zusammengehörende Dinge sind von einander getrennt (so §§ 7. 13. 14 §§ 8. 9. 12 u. a. m.) und was noch störender ist gewisse Ansprüche werden zweimal erhoben, und zwar mit denselben Worten. Wenn es in § 3 heisst: 'quod ille solus possit deponere episcopos vel reconciliare', und in § 25: 'quod absque synodali conventu possit

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1) Ich benutze die Gelegenheit, um einen durch alle Auflagen schleichenden Irrthum Gregorovius' (IV, 157) zu berichtigen, der die Handschrift Gregors, wie sie auf einer Bulle für Montecassino erscheint, 'sauber und schön' nennt. Schon Jaffé hat die Urkunde für falsch erklärt, JafféLöwenf. 4690. 2) S. Giesebrecht, De Registro Greg. VII. emendando p. 5 Note. 3) Felix Rocquain, Quelques mots sur les 'dictatus papae' in der Bibliothèque de l'école des chartes XXXIII. (1872), p. 378.

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episcopos deponere et reconciliare', so fragt man sich vergebens, ob durch den Zusatz: 'absque synodali conventu' eine Wiederholung der These gerechtfertigt erscheint. Man will einem so klaren Geiste, wie Gregor VII., einen solchen Gedankenwirrwar nicht zutrauen.

Aber vielleicht verliert auch dieser Einwand etwas von seiner Kraft, wenn man bedenkt, dass Unregelmässigkeiten, welche uns Modernen in officiellen Schriftstücken als ungeheuerlich erscheinen, in jenen Jahrhunderten nichts seltenes sind. Das Reichstheilungsgesetz von 806, das Ottonianum von 9621, zahlreiche, durch ältere Vorlagen entstandene Fehler in den Kaiserurkunden sind Beispiele dafür, wie neben den höchsten Fähigkeiten eine Sorglosigkeit und Gedankenlosigkeit liegt, welche uns um ein Wort Sickels zu gebrauchen

nicht mehr berechtigt, selbst den Nonsens als Verdachtsgrund geltend zu machen. Dem Zweifler gegenüber ist immer wieder daran zu erinnern, dass die Briefe Gregors sich ganz in den Gedankenkreisen des Dictatus bewegen.

Rocquain hat den Versuch gemacht, die Sätze als ein Excerpt aus Pseudoisidor zu erweisen 2. In ganz bewusster Absicht habe Gregor oder einer seiner Vertrauten die an der Curie nachweislich benutzte Decretalensammlung vorgenommen und daraus den Dictatus entworfen. Aber die Zusammenstellung von etwa siebzehn Sätzen zeigt, dass man den Beweis nicht erbringen kann, ohne den Worten Gewalt anzuthun, Gieseler sah in ihnen einen Index capitulorum, Ueberschriften von Kapiteln, welche auf einer von Gregor abgehaltenen Synode erlassen seien, und Voigts scheint nicht viel anders über die Sätze zu denken, obgleich er ihre unendliche Bedeutung voll anerkennt. Aber die Unordnung im Dictatus findet weder bei der Rocquainschen noch Gieselerschen Annahme eine Erklärung. Vielleicht führt ein anderer Weg zum Ziel. Allerdings, ganz werden die Schwierigkeiten auch hier nicht beseitigt, aber wenigstens in etwas verringert.

Die nachdrückliche Betonung der päpstlichen Prärogativen lässt darauf schliessen, dass dieselben von gegnerischer Seite in Frage gestellt wurden. Man stelle sich vor, dass ein eifriger Parteigänger Heinrichs IV. in einer Schrift die Grundlage des Papstthums und dessen Ansprüche angriff oder wenigstens untersuchte; dass diese Schrift eine Abwehr nothwendig machte.

1) Im Reichstheilungsgesetz von 806 sagt Karl d. Gr.: 'quodsi talis filius cuilibet istorum trium fratrum natus fuerit' und doch war Pippins Sohn, Bernhard, bereits erwachsen. Im Ottonianum der eigenthümliche Widerspruch von § 7 und § 13, Spoleto betreffend; cf. Sickel, Das Privilegium Ottos I. für die Röm. Kirche, p. 180 und Text p. 120. 2) Rocquain a. a. O. 3) Gieseler, Kirchengesch. II, II, 8 Note; Voigt, Gregorius VII, S. 389.

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Der Papst studiert sie und schreibt an den Rand seine Bemerkungen, die ihm selbst oder einem seiner Beamten zum Ausgangspunkt der Abwehr dienen sollen. Die Sammlung dieser Randnotizen ist es, die wir im Dictatus vor uns haben. Ich fürchte den Einwand nicht, dass, diese den Eindruck des Ungeordneten hervorbringen, auch die dem Papste vorliegende Schrift sehr unordentlich disponiert gewesen sein müsse; denn es lässt sich keineswegs behaupten, dass die Randbemerkungen immer der Disposition Schritt für Schritt folgen müssen; sie treffen immer nur die angreifbaren Punkte. So würden sich, meines Erachtens, auch am leichtesten die Wiederholungen erklären lassen. In der präsumierten ausführlichen Schrift mag gleich im Eingang von der Absetzung der Bischöfe die Rede gewesen und gegen den Schluss abermals davon gesprochen worden sein mit besonderer Berücksichtigung der synodalen Mitwirkung.

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Aber warum hat schliesslich der Redacteur des Registers die Sätze was ja so leicht gewesen wäre nicht geordnet? In der Unterlassung dieser einfachen Arbeit finde ich erst recht eine Bestätigung dafür, dass die Sätze aus der Feder des Papstes geflossen seien. Selbst in ihrem aphoristischen Charakter üben sie die grösste Wirkung, wenn man sich die Stelle vergegenwärtigt, von der aus sie geschrieben sind.

Die Entstehungszeit des Dictatus wird jetzt allgemein in den März 1075 verlegt. Dahin gehört er nach dem chronologischen Princip, welches im Register durchgeführt ist; er steht zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März des genannten Jahres. Neben diesem äusseren Grunde suchte Rocquain einen inneren geltend zu machen; er meinte, dass die auf der Fastensynode erhobenen Prätensionen in Gregor selbst oder in seiner Umgebung die Frage nach der Berechtigung derselben laut werden liessen und dass der Dictatus die Antwort darauf enthalte. Eine Vermuthung, für welche in den Verhandlungen der Synode sich keine Stütze findet. Giesebrecht nahm ursprünglich, wegen des 'debemus' in § 6, an2, dass 'die Aufzeichnungen aus einer Zeit stammen, wo Gregor noch nicht selbst die päpstliche Krone trug', falls der ganze Satz nicht ein Excerpt aus einem älteren Werke sei. Später hat er sich der Registerdatierung angeschlossen, und in der 'Kaiserzeit' den Dictatus zum J. 1075 besprochen. Einen Beweis für die Richtigkeit seiner Ansetzung nach Gregors VII. Regierungsantritt wird die weiter unten folgende Vergleichung bieten.

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1) Rocquain a. a. O. S. 380, Die Ueberschrift: 'Quid valeant pontifices Romani' hält er irrthümlich für original. Die Worte stammen von Jaffé. 2) Münchener hist. Jahrbuch 1866 S. 148.

Zusatz. Zur Erklärung einiger Textstellen.

§ 1. Quod Romana ecclesia a solo Domino sit fundata'. Wenn es hier heisst: die römische Kirche ist nur von Christus gegründet, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass das Gleiche auch bei einer anderen Kirche der Fall sei. Das will aber der Verfasser des Dictatus gerade abweisen. Dem Gedanken nach erwartet man: Nur die römische Kirche ist von Christus gegründet, 'sola Romana ecclesia' etc., und solche Wendungen findet man auch in dem neuen Dictatus. Jedoch lässt sich das 'a solo Domino' erklären, wenn man den von Rocquain citierten Satz Anaclets aus Pseudoisidor (ed. Hinschius p. 83. 84) daneben stellt: 'Haec sacrosancta Romana apostolica ecclesia non ab apostolis, sed ab ipso Domino . . .. primatum obtinuit'.

§ 8. Quod solus possit uti imperialibus insigniis'. Jaffé hat bereits in den Anmerkungen auf die Constantinische Schenkung hingewiesen, worin der Kaiser dem Papste unter Anderm concediert: . . . . omnia imperialia indumenta. ... et imperialia sceptra . . . . et diversa ornamenta imperialia et omnem processionem imperialis culminis' etc. (Brunner-Zeumer p. 56). Der Sinn der obigen Stelle ist also ganz klar. Voigt p. 389 übersetzt die Worte ungenau: Er allein schaltet über die Insignien des Kaiserthums, und Gfrörer (II, S. 422 Note 2) verbessert sogar: 'quod solus possit (permittere) uti imp. insigniis'. § 10. 'Quod illius solius nomen in ecclesiis recitetur'. § 11. Quod hoc unicum est nomen in mundo'. Giesebrecht (III, 270) hat diese beiden Paragraphen zusammengezogen und so übersetzt: Sein Name allein darf in dem Kirchengebet genannt werden und kein Name in der Welt ist seinem zur Seite zu stellen. Das entspricht aber weder den Worten noch dem Gedanken. Der § 11 steht für sich allein und bedeutet: Der Name 'papa' ist einzig in der Welt, d. h. er darf von keinem andern geführt werden. So fassen auch Schrökh XXV, 520, Bower, Hist. d. röm. Päpste VI, 560, Voigt p. 389, Gregorovius IV, 191 die Stelle auf. Zur Sache selbst vgl. Hinschius Kirchenrecht I, 206.

§ 15. Quod ab illo ordinatus alii ecclesiae praeesse potest, sed non militare: et quod ab aliquo episcopo non debet superiorem gradum accipere'. Schrökh a. a. O. übersetzt das Wort 'militare' mit: aber nicht Kriegsdienste thun'. Bower 1. c. hat den ganzen Dictatus übersetzt, nur die erste Hälfte dieses Paragraphen nicht; Voigt, Giesebrecht, Gregorovius u. A. erwähnen diese Sätze nicht. Das Wort kann nur worauf mich Herr Dr. Ludwig Meyer aufmerksam macht in der Antithese zu 'praeesse' bedeuten: 'aber nicht unter einem andern als Geistlicher dienen'. Nachträglich sehe ich, dass auch Hinschius I, 85 Note, übersetzt: 'nicht eine einem andern unter

geordnete Stellung einnehmen', im Anschluss an Thomassin, P. II, L. I, c. 8, der sie mit den Worten wiedergiebt: 'at non posse inferiori ordine sedere in alia ecclesia'.

§ 16. Quod nulla synodus absque praecepto eius debet generalis vocari'. Voigt p. 389 übersetzt: Keine Synode darf ohne seine Verordnung eine allgemeine genannt werden. Aber 'vocari' steht hier offenbar in der Bedeutung von 'convocari'; ohne seine Verordnung darf kein allgemeines Concil berufen werden.

II.

Eine auffallende Verwandtschaft mit dem Dictatus Gregors VII, sowohl der Form wie dem Inhalte nach, zeigt eine Reihe von Sätzen, welche auf dem vorletzten Blatt einer Handschrift in Avranches, n. 146 saec. XII, eingetragen sind. Ich habe nur des leichteren Citierens wegen jeden neuen Absatz der Handschrift mit einer römischen Zahl bezeichnet, obwohl das nicht immer dem Sinne entspricht; aber eine selbständige Eintheilung schien deshalb nicht erlaubt, weil sich schliesslich mancher Absatz als ungenaues Excerpt eines in sich zusammenhängenden Stückes ergeben kann.

Hec sunt proprie auctoritates apostolice sedis.

I. Solus Romanus pontifex universalis habetur, teste Calcedonensi sinodo. Sola Romana ecclesia universalis et mater omnium. Sola universalia concilia congregare potest. Nulla synodus sine consensu pape potest rata haberi. Nulla scriptura est autentica sine auctoritate eius.

II. Qui decretis sedis apostolice non consenserit, hereticus habendus est. A nemine papa iudicari potest, etiam si fidem negaverit ut de Marcellino constat.

§ 2. Quod solus Romanus pontifex iure dicatur universalis.

§ 16. Quod nulla synodus absque praecepto eius debet generalis vocari.

§ 17. Quod nullum capitulum nullusque liber canonicus habeatur absque illius aucto

ritate.

§ 26. Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae.

§ 19. Quod a nemine ipse iudicari debeat.

III. Qui contra eum senten- § 3. Quod ille solus possit ciam dederit, deponi debet, ut deponere episcopos vel reconDioscorus. Nullus episcopus ciliare.

1) Eine kurze Beschreibung der Hs. gab ich im Neuen Archiv IX, 383. 2) D. h. 'Romana ecclesia'; besser wäre 'Solus'.

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