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Mehr als auf irgend einem anderen historischen Gebiet sind für die Uebergangszeit aus dem Alterthum in das Mittelalter die Forscher auf gegenseitige Unterstützung angewiesen. Wer mit der ost- und westgothischen, der vandalischen, der burgundischen, selbst der älteren fränkischen Ueberlieferung sich glaubt abfinden zu können ohne genaue Kenntnis der Verhältnisse des sinkenden Römerreiches, wird zu wahrhaft geschichtlicher Auffassung jener staatlichen Institutionen nicht gelangen. Aber auch umgekehrt wird, wer von der römischen Forschung ausgeht, bei der Betrachtung dieser grösstentheils nicht zu voller Entwickelung gelangten halbgermanischen Staaten sich in der Lage des Botanikers befinden, dem nur die Knospe vorliegt und nicht die voll entwickelte Blüthe und die gereifte Frucht. Eine einzelne Frage dieser Art soll hier zur Sprache gebracht werden, wesentlich eine Frage, deren Antwort zum guten Theil von denen zu erwarten ist, welche die spätere geschichtliche Periode zum Gegenstand ihrer Forschung machen. Ich meine die Datierung nach dem Regentenjahr.

Dass die Regierungsdauer zu allen Zeiten und in allen Monarchieen vom Antrittstag bis zu dem Tag des Rücktritts oder des Todes berechnet wird, versteht sich von selbst und drückt sich schon darin aus, dass bei allen genauen derartigen Ansetzungen die Monate und die Tage aufgeführt werden und nur durch Abrundung die letzteren häufig, nicht selten auch jene in Wegfall kommen. Danach bestimmt sich auch der Begriff der Decennalien und der ähnlichen Fristen; ohne Frage ist bei diesen Ansetzungen immer der factische Antrittstag zu Grunde gelegt und entweder der erste oder der letzte Tag des betreffenden Effectivjahres als Tag der Feier betrachtet worden.

Aber wenn das Regierungsjahr für die Datierung verwandt wird, bieten sich zwei Möglichkeiten: entweder die einfache Zählung vom Antrittstag an bis zu dessen kalendarischer Wiederkehr oder eine an das bürgerliche Jahr in der Weise sich anschliessende Zählung, dass das bürgerliche Jahr, in welches der Regierungswechsel fällt, sowohl als letztes des ausscheidenden wie als erstes des eintretenden Regenten gezählt wird, demnach in der Summierung der Königsjahre diese beiden

Ziffern als Einheit in Ansatz kommen. Diese kann im Ausdruck vereinfacht werden, indem das erste zwischen zwei Regierungen getheilte Kalenderjahr entweder ganz dem ausscheidenden oder ganz dem eintretenden Regenten beigelegt wird; indess sind beide Verfahren irrationell und das erstere bei officieller Verwendung des Regierungsjahrs unmöglich, da der eintretende Herrscher nicht erst am nächsten kalendarischen Neujahr, sondern sofort in den Stand gesetzt werden muss diese Datierung zu handhaben, wobei es nicht darauf ankommen kann, ob der Wechsel länger oder kürzer vor dem bürgerlichen Neujahr eintritt.

Von diesen beiden Datierungsweisen ist die an das Kalenderjahr angelehnte sowohl die verständigere wie die geschichtlich traditionelle. Alle Datierung beruht auf der gleichen Länge der dabei zu Grunde gelegten Zeitfrist; dies Princip wird durchbrochen, wenn sich die Endjahre eines jeden Regierenden mehr oder minder verkürzen, und damit der Zweck der Datierung, die Summenziehung, unmöglich gemacht. Denn nothwendig haben die effectiven Regierungsjahre unter jedem Regiment ihr eigenes Neujahr und sind den bürgerlichen Jahren in unbequemster stets wechselnder Weise incongruent. Auch die Geschichte bestätigt es, dass, wo man zunächst die Datierung an die lebenslängliche Herrschaft angeknüpft hat, dies geschehen ist mit Anlehnung der Herrscherjahre an das landesübliche Kalenderjahr. Wir werden noch darauf zurückzukommen haben, dass die Zählung nach den dem bürgerlichen Jahre angepassten Regierungsjahren dem Heimathgebiete der monarchischen Staatenbildung, dem Orient und Aegypten, von jeher geläufig gewesen und in dem letzteren Lande stets in Gebrauch geblieben ist.

Für den römischen Staat liegen die Verhältnisse insofern anders, als bei dem Uebergang zur Lebenslänglichkeit des Herrschers der neue Principat keineswegs als Monarchie auftreten wollte und daher die Datierung nach Regierungsjahren nicht beliebte, ja als sie ihm angetragen ward, ablehnte. Es gehört zu dieser systematischen Verschleierung der Monarchie, dass für die dauernde Herrschergewalt, die dem Volkstribunat die Benennung entnahm, wohl die Jahreszählung beliebt, aber diese keineswegs an das bürgerliche Jahr geknüpft, sondern zunächst auf das effective Regierungsjahr gestellt ward, wodurch vermieden werden sollte und vermieden ward, dass das Kaiserjahr die consularische Datierung verdrängte. Im Verlauf der Entwickelung des Principats zur Monarchie trat auch in dieser Beziehung eine entsprechende Umgestaltung ein: durch Nerva erhielt das Kaiserjahr ein festes Neujahr oder genauer gesagt, das alte feste mit dem 10. Dec. beginnende tribunicische Amtsjahr wurde jetzt das Kaiserjahr, und zwar für

das gesammte römische Reich mit Ausschluss des staatsrechtlich nur durch Personalunion damit verknüpften Aegypten: nach diesem System werden fortan die tribunicischen Jahre sowohl in der lateinischen Reichshälfte gezählt wie im Orient, hier unter Beseitigung des daselbst bis dahin auch auf das Kaiserjahr angewandten seleucidischen Jahranfangs vom 1. October. Das also gestaltete tribunicische Jahr, wonach zum Beispiel, nachdem Hadrian am 11. Aug. 117 zur Regierung gekommen war, officiell der Zeitraum vom 10. Dec. 116 bis zum 10. Aug. 117 bezeichnet ward als 21. Regierungsjahr Traians, vom 11. Aug. bis zum 9. Decbr. 117 als erstes Hadrians, war an sich fähig als allgemeines Reichszeitmass angewendet zu werden und wahrscheinlich bestimmt das consularische Jahr zu verdrängen und zu ersetzen, wie denn wohl auch nicht ohne Absicht das tribunicische Neujahr des 10. Dec. dem consularischen des 1. Januar kalendarisch nahe gerückt war. Aber wenn diese Absicht bestanden hat, zur Ausführung gekommen ist sie nicht. Die tribunicische Jahrzählung blieb in praktischer Anwendung auch nachher beschränkt auf die Kaisertitulatur; die officielle Datierung sah von ihr ab und hielt nach wie vor fest an dem Jahranfang des 1. Jan. und der durch die Consuln gegebenen Jahresbenennung. Dabei ist es auch in der neuen diocletianisch-constantinischen Staatsordnung geblieben. Die tribunicische Jahrzählung behauptet als Bestandtheil der vollen Kaisertitulatur sich bis auf Anastasius; dass sie selten und immer seltener erscheint, beruht lediglich darauf, dass diese Epoche überhaupt bestrebt ist die weitläufige Kaiserbezeichnung zu vereinfachen. Ob man des von dem consularischen verschiedenen tribunicischen Neujahrs sich bewusst geblieben ist, lässt sich nicht entscheiden und ist auch ohne Belang, da das tribunicische Jahr für die Datierung nicht in Betracht kommt. Officiell hat es bis zum Anfang des 6. Jahrh. n. Chr. keine andere für das gesammte römische Reich gültige Jahresbezeichnung gegeben als die consularische.

Regierungsjahre in directem Ausdruck finden sich bis zu der bezeichneten Zeitgrenze im officiellen Gebrauch überall nicht. Die einzige Instanz, die meines Wissens dagegen angeführt werden kann, die Münze Theodosius II. mit der Aufschrift imp. XXXXII, cos. XVIII, p. p., also vom J. 443, zeigt wohl, was sich ja von selbst versteht, dass der Kaiser, wie Decennalien und Vicennalien feiern, so auch die Regierungsjahre, auf die er zurücksah, jederzeit zählen konnte; aber in ihrer völligen Vereinzelung ist sie kein Beweis dafür, dass es auch nur zulässig war in dieser Weise officiell zu datieren.

1) Röm. Staatsrecht II, 799 fg. 2) Schreiben an die römischen Behörden vom 28. Juli 516, in lateinischer Uebersetzung erhalten, bei Thiel, epist. pontif. I, 765. Aeltere Belege in meinem Staatsrecht II 2, 786.

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