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Rechtsmittel dem gesunden Menschenverstand zuwiderlaufe, denn es werde dadurch den Spoliierten ein Freibrief ertheilt, jegliches Unrecht zu begehen; der Einwand ist entschieden berechtigt, er trifft aber nicht Wezilo von Mainz, sondern Pseudo-Isidor, der sich nicht bestimmter ausgedrückt und in seinen Worten der weitestgehenden Anwendung Raum gelassen hat. Aber auch durch die distinguierende Auslegung des Legaten wird er nicht behoben; denn es ist nicht minder eine Absurdität, dass ein spoliierter Bischof wegen Meineid, Simonie oder Häresie nicht vor ein geistliches Gericht geladen werden dürfe, und es hat wenig Sinn, dass ein Laie, dem ein Pferd gestohlen wurde, nicht wegen Geldschuld vor dem weltlichen Gericht belangt werden könne. Da hat die Deutung Bernhards (c. 14), die Exceptio beziehe sich nur auf die Gegenstände, deren jemand spoliiert worden ist, jedenfalls den Vorzug, logischer und praktischer zu sein, und ich bin auch der Ansicht, dass sie so von Ps. -Isidor gemeint war. Sie konnte freilich auch in dieser Einschränkung mit vollem Recht für Heinrich IV. geltend gemacht werden, denn es handelte sich in der That um dieselbe Streitsache, um das königliche Recht der Investitur. In Sachsen war es ihm entzogen worden, er hatte das 'regnum Saxoniae' verloren; da er dennoch an dem Rechte festhielt, wurde er, obwohl spoliiert, neuerdings vom Papste darüber zur Rechenschaft gezogen.

Sdr. sucht am Schlusse des § 7 die politische Haltung Bernhards aus dem Geiste des 'eisernen Zeitalters' zu erklären; in der gewaltthätigen Welt, in der man lebte, sei nur mit gezücktem Schwerte das zur Geltung zu bringen gewesen, was man für recht hielt. Ich möchte sie lieber aus seinem Kirchenbegriffe ableiten. Bernhard gilt Kirche und Hierarchie eins und dasselbe, und da diese wieder im apostolischen Stuhle ihre Quelle hat, so sind Kirche und Papstthum im Grunde identisch. Deshalb sind Cultushandlungen ausserhalb des hierarchischen Verbandes wirkungs- und werthlos. Die geistlichen Schriftsteller des Mittelalters liebten es aber überhaupt, an alles menschliche Thun und Lassen lediglich den kirchlichen Massstab zu legen. In diesem Sinne betrachtet Bernhard das menschliche Wollen ausschliesslich nach dem Verhältnis zum Willen der Hierarchie. Wer gegen diesen, also im Ungehorsam gegen den Papst, sein Recht vertheidigt oder sich auf höhere Pflichten beruft, der verwirkt seine Eigenschaft der Katholicität, und seine Handlungen sind nutz- und werthlos. Der Eid, der mit den Forderungen der Hierarchie in Widerspruch geräth, verliert sofort seine Gültigkeit. In diesem System ist es natürlich, dass die weltliche Gewalt nur insoweit Anerkennung verdient, als sie der Herrscher, wie es Hermann von Lützelburg that, in den Dienst der Kirche stellt; und schliesslich kann es 35

Neues Archiv etc. XVI.

nicht im geringsten überraschen, wenn es Bernhard c. 9 im Namen der Mutter Kirche für kindische Thorheit erklärt, die canonica lex dem christlichen Sittengesetz (Matth. 5, 39. 40) zu opfern. Hierzu kommt, wie Siegebert von Gembloux bezeugt, ein persönliches Moment. Darnach athme die Schrift Bernhards den Hass des Sachsen gegen den deutschen König; es hätte also Bernhard den Partikularismus seiner Landsleute gegen das Reich zu Hülfe gerufen, um ein Recht der Kirche durchzusetzen, unter dem Papst Gregor VII. den Anspruch auf Weltherrschaft verstand. Hier will ich nicht unbemerkt lassen, dass Bernhard, wo andere sich einfach auf die canones oder sacri canones berufen, mit Vorliebe den Ausdruck canonica lex gebraucht, seltener ecclesiastica lex, einmal auch catholica lex. An fünf Stellen spricht er vom ius canonicum, aber hier einige male so, dass das subjective Recht der Kirche, die Kirchengewalt, darunter verstanden sein kann. Bernhard hatte, da er nur von canones spricht, die Idee, dass dieselben ein zusammenhängendes, einheitliches Ganze bilden, das dem weltlichen Recht gegenübersteht.

Im § 8, der vom Göttweiher Codex handelt, erklärt Sdr. mit Recht gegen v. Schulte, dass die im ersten Theil derselben enthaltene Canonessammlung nichts mit der Coll. trium partium gemein hat. Im Grunde liegt gar keine Canonessammlung vor, sondern eine Zusammenstellung von Collectaneen, die aus allerlei Quellengebieten zum Theil sehr entlegenes Material enthalten, das sich sonst in den Sammlungen des 11. Jahrhunderts nicht mehr vorfindet.

Auf S. 173-176 sind die Zusätze zu dieser collectio canonum des codex Gottwicensis abgedruckt. Sie beziehen sich, mit Ausnahme vielleicht des einzigen über das Pallium auf Dinge, die auch Bernhard behandelt hat; das Kapitel 'Augustinus dicit: Haereticus est' (S. 176, 4) ist sogar geradezu aus seiner Schrift herübergenommen, wie die ihm selbst angehörigen Worte: 'Audiant se' etc. ergeben. Das zweite Kapitel: Decernimus reges' ist dagegen den Zusätzen zu der früher erwähnten Canonessammlung entnommen; das erhellt aus der Nummer 330; die nämliche Nummer führt das Kapitel z. B. auch im Stuttgarter Codex, und hier wie dort geht demselben das Decretum Adriani papae voraus.

II.

Zu Wenrici scholastici Trevirensis epistola. Der Admonter Codex n. 257, saec. XII. enthält von fol. 72 an eine Auswahl von Kapiteln aus der kleinen Sammlung von Canones, die ich auf Grund des Codex 522 von Montecassino in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie

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Hie

der Wissenschaften 1878, S. 601 ff. beschrieben habe.
und da sind neue Kapitel eingeschaltet, so nach den Capitula
Angilramni zwei De depositione regum, wovon das erstere
das Kapitel 'Decernimus reges contempnere' ist, und zwei
Kapitel unter der Ueberschrift: 'Ut imperator subditus sit sacer-
dotibus'. An das letzte Kapitel (315) der Sammlung schliesst
sich eine Reihe von Canones, die von der Excommunication
handeln. Es sind dies mit geringer Abweichung die Zusätze,
welche auch die vorhin erwähnten Handschriften von St. Gallen,
Engelberg und Weingarten (jetzt Stuttgart) haben, die, wie
jene von Montecassino, dem 11. Jahrhundert angehören. Aus
dem zuletzt genannten Codex hat v. Schulte die Rubriken der-
selben in den Wiener Sitzungsberichten, Bd. 117, Abh. 11, S. 24
abgedruckt, ohne meine oben citierte Abhandlung zu kennen,
da er den Druckfehler Cod. Cassin. 552 (statt 522) und den
Irrthum Theiners über das Verhältnis zu Anselm wiederholt.
Auf diese Zusätze folgen f. 87-96 Gruppen von Canones ver-
schiedenartigen Inhalts, die unter sich in keinem ersichtlichen
Zusammenhange stehen. Auf fol. 96 beginnt ohne Ueberschrift
mit den Worten 'Origines quoque' ein Stück aus dem c. 5 der
Epistel des Wenricus scholasticus (Libelli de lite I, p. 292,
1. 1-28), aus dem ich folgende wichtigere Lesearten notieren
will: 1. 3 'negavit, interpretante eodem Ieronimo in quinta de-
cima'; 1. 4 etiam si'; 1. 8 'Et non ita' fehlt; 1. 11 'cath. et
diserti', 'Domnus Aug.'; 1. 12 'Cassianum'; 1. 14 'patitur'; 1. 24
'Yponiensem'. Es zeigt sich also mehrfach Uebereinstimmung
mit Cod. 2. An das Citat p. 292, 10 schliesst sich unmittel-
bar an: 'Item in expositione psalmorum: Cum ergo coeperit
- indicabitur illi'; darin ist das Citat 292, 11 enthalten, das
in der That, obwohl Mirbt, Die Stellung Augustins u. s. W.,
S 39, das Gegentheil versichert, in der Erklärung von Psalm.
36, § 13 (Migne, P. L. 36, col. 391) vorkommt. Hierauf:
'Item. Qui custodivit veritatem - ius pateris'. Aus August.
Enarr. in Ps. 145, § 15 (Migne 37, col. 1394): 'Et post pauca.
Hoc unum interrogo -esses iniustus'; ebenda § 16 (col. 1395).
'Item Aug. in libro de coniugali bono. In quo enim iudicio

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ut noceat' ist vielmehr Aug., De sermone Domini in monte 1. II, § 162 (Migne 34, col. 1297), und enthält zum Schlusse das Citat p. 292, 8. 'Item Aug. de verbis Domini in sermone XVI. Amen dico vobis sed sibi' ist Sermo 82, § 7 (Migne 38, col. 509), enthält das Citat: 'Non iniusta vincula disrumpit iusticia', vgl. Lib. can. c. Heinr. IV, p.484, 1. 'Item Aug. ad clerum Yponiensem: In episcopum concilio praesentaverit'. Aug. ep. 78, § 4 (Migne 33, col. 269). 'Item Aug. in libro de vera religione. Saepe vixit divina providentia'; c. 6 (Migne 34, col. 128). 'Aug. in libro de baptismo: 'Accipite Spiritum sanctum obedientia proficientibus' ist Aug., De bapt. contra Donat.

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1. III, § 23 (Migne 43, col. 150), und enthält das Citat p. 292, 7. Auf diese Excerpte aus Augustins Werken folgt' Hieronimus in 1. III. sup. Matheum. Quodcumque ligaveritis . . et in coelis. Istum locum vita quaeratur. Legimus in levitico - et qui solvendus' enthält zu Anfang das Citat p. 292, 12. Den Schluss bildet mit rother Initiale (G) das Citat: 'Gregor. in XL omelia. Quocum remiseritis retenta sunt. Ecce quae non erat, fiat'; aus Hom. in evang. I II, 26, § 5 (Migne 76, col. 1199) und enthält das Citat p. 483, 5.

qui districtum

Es folgt sodann der Liber canonum des Bernhard, s. Libelli p. 472.

Was es nun mit dem Bruchstücke für ein Bewenden habe, ist nicht leicht zu bestimmen. Gewiss stammt es nicht von Wenrich selbst her; dagegen spricht schon die auch sachlich unrichtige Interpolation: 'interpretante eodem Ieronimo', sowie der Umstand, dass mehrere der Citate in den folgenden grösseren Excerpten wiederholt sind. Am wahrscheinlichsten dürfte es sein, dass sich ein Cleriker veranlasst fühlte, für das nämliche Thema noch andere Autoritäten aufzusuchen und die Argumentation Wenrichs zu verstärken (der Cod. 2 der Epist. Wenrici enthält ebenfalls eine solche Erweiterung, Libelli, p. 295, 4). Daran knüpft sich die weitere Frage, woher die Excerpte genommen sind, ob sie einer Canonessammlung entlehnt oder unmittelbar den Originalquellen entnommen seien. Ich möchte mich eher für letzteres entscheiden, denn eine Canonessammlung, die alle diese Kapitel enthielte und in demselben Umfange, ist mir nicht bekannt. Es giebt aber eine Sammlung, die wenigstens zwei von jenen Citaten enthält, die sonst nicht vereint vorkommen. Die Sammlung des Codex 109 der Kapitelbibliothek von Pistoja, von der L. Chiappelli im Archivio giurid. XXXIV, p. 245 ff. wegen der Stellen des römischen Rechts und nach ihm M. Conrat, Gesch. d. Quellen u. Liter. d. röm. Rechts I, S. 375 Nachricht gegeben hat (s. auch Sickel, Das Privileg Ottos I., S. 59, A. 2), enthält im zweiten Buche das Citat: Nam iniusta vincula disrumpit iusticia', und: 'In episcoporum concilio' aus Aug. epist. 78. Diese Sammlung hat auch mehrere Nummern aus der Schrift des Placidus von Nonantula aufgenommen: es liegt die Vermuthung nahe, dass auch diese Citate den Streitschriften entnommen sind, anstatt dass das Umgekehrte der Fall ist. Ueberblicken wir die schriftstellerische Thätigkeit im Investiturstreite, so gewahren wir ausser den eigentlichen Streitschriften noch folgende litterarische Producte:

1) die Formulierung neuer Canones (cap. Decernimus reges);

2) Bruchstücke aus Streitschriften, denen neue Kapitel zu

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fernerer Verwendung hinzugefügt worden (das Fragment des Admonter Codex: 'Origines quoque');

3) Sammlung von Canones, die in bestimmter polemischer Absicht ausgewählt und zusammengestellt sind, dass sie auch als Streitschrift dienen konnte (Liber can. contra_Heinr. IV);

4) Sammlungen, welche unter die Canones Excerpte aus Streitschriften aufnehmen (Sammlung von Pistoja);

5) die Bezeichnung von Streitschriften als päpstliche Decrete (die epistola Guidonis monachi als Decret des Papstes Paschasius oder Paschalis).

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