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Die beiden älteren Lebensbeschreibungen St. Leudegars sind Zeitgenossen des Heiligen gewidmet. An der Spitze des einen steht ein an Bischof Hermenar von Autun gerichteter Widmungsbrief; der Name des Absenders fehlt leider. Der Unbekannte will durch den Befehl des Bischofs und die Bitten von geistlichen Brüdern zur Darstellung der Thaten Leudegars bewogen worden sein. Hermenar war zuerst Abt von S. Symphorian in Autun. Als Leudegar bei König Childerich in Ungnade gefallen war, trat er im Palaste als Ankläger desselben auf, um das Bisthum zu erlangen, was ihm auch glückte. Nach Childerichs Tode und der Rückkehr Leudegars in die Stadt musste er jedoch seinem Vorgänger wieder weichen. Als der Heilige durch Ebroin gestürzt war, fiel das Bisthum Bobo, einem Anhänger des Hausmeiers, zu, der früher Bischof von Valence gewesen war. Dessen Herrschaft kann aber nur vorübergehend gewesen sein, denn bald darauf findet man wieder Hermenar auf dem Bischofsstuhle von Autun. Diesem musste, als nach dem gewaltsamen Tode Leudegars zahlreiche Wunder ihn als Märtyrer und Heiligen erscheinen liessen, alles daran liegen, dass sein zweifelhaftes Benehmen gegen den Lebenden in ein möglichst günstiges Licht gerückt werde. Eine von ihm veranlasste Lebensbeschreibung seines Vorgängers wird daher stets seine eigene Rechtfertigungsschrift sein. Der Verfasser überreichte Hermenar die Schrift mit der Bitte, sie zuerst allein zu lesen und seine ungebildete Sprache entweder selbst oder durch andere verbessern zu lassen.

Der Schreiber der andern Vita nennt sich Ursinus. Er will auf Geheiss des Bischofs Ansoald von Poitiers und auf Drängen des Abtes Audulf von Saint-Maixent, jenes Klosters in Poitou, wo die Gebeine des Heiligen ruhten, das Leben und Leiden Leudegars beschrieben haben. Sowohl Ansoald als Audulf waren bei der Ueberführung des Leibes des Märtyrers in das Kloster thätig, die erfolgte, als nach dem Tode Ebroins der Ruf von den Wundern bis zum König gedrungen war. Von seinen Quellen spricht Ursinus nur in sehr unbestimmten Ausdrücken. Er beruft sich auf seine Erfahrung und den Bericht Vieler. Dass das, was der Heilige, geblendet und verstossen, in der Verborgenheit Gutes gewirkt habe,

Niemand erzählen könne, bedauert er und entschuldigt Uebergehung von Wundern mit seiner Unwissenheit. Seinen oft unerträglichen Wortschwall begründet er mit dem Streben nach Wahrheit: 'Si et quibusdam longis verbis propagare studui, ad disserendam veritatis lineam hunc tramitem posui'.

Da Leudegar an der Entwicklung der politischen Verhältnisse hervorragend Antheil genommen hat, ist die Frage, welche von den beiden Lebensbeschreibungen die meiste Glaubwürdigkeit verdient, für die Geschichtsschreibung dieser Epoche von hoher Bedeutung. Die Beantwortung derselben wird dadurch erschwert, dass ein Drittel der anonymen Vita, welche auf die meisten Forscher den Eindruck der grösseren Zuverlässigkeit gemacht hat, wörtlich mit der des Ursinus übereinstimmmt. Schon Valesius, der gründliche Kenner der Fränkischen Geschichte, hat (Res Francicae tom. III, lib. 21, p. 266) ein sehr beachtenswerthes Urtheil über die beiden Quellen abgegeben. Er hält den Anonymus für völlig gleichzeitig und folgt seinen Angaben ohne Bedenken. Ursinus habe, wenn er wirklich zu Leudegars Zeiten gelebt hat, wie er glauben machen will, doch nur unzuverlässige Berichte benutzt, wo er vom Anonymus abweicht. Diesen aber habe er bisweilen wörtlich ausgeschrieben. Die letztere Ansicht fand nicht überall Beifall. Schon die Verfasser der Histoire littéraire de la France III, 630 mochten die Möglichkeit nicht zurückweisen, dass Ursinus älter als der Anonymus sei. Ihre Ansicht fand die Billigung des Bollandisten Byeus, AA. SS. Oct. I, p. 362. Die Gleichzeitigkeit des Ursinus steht ihm fest. Die Uebereinstimmung der beiden Quellen erklärt er durch gemeinsame Benutzung der Relation des Abtes Audulf über die Ueberführung des Heiligen, welche auch die Passio desselben wenigstens zum Theil enthalten haben soll. Die Autorität des Anonymus erkennt er an; über die Jugendgeschichte Leudegars und sein Leben in Poitiers hält er jedoch Ursinus für besser unterrichtet. Zu einem ganz andern Resultate kam de Gomicourt, Dissertation sur Ursin (Mélanges historiques et critiques. Amsterdam 1768, I, p. 165-206). Er prüfte die eigenen Nachrichten des Ursinus, fand sie durchaus unglaubwürdig und war versucht, den Ursinus für einen untergeschobenen Autor zu halten, der viel später sei, als die Zeit, von der er spricht. Seine Einwürfe sind aber nicht alle stichhaltig. Eine Ansicht, wie die identischen Partieen der beiden Vitae zu erklären sind, hat er nicht geäussert. Einen Rückschritt bedeutet dann die Untersuchung Bonnells, Anfänge des Karolingischen Hauses S. 154 ff. Im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern leugnet er vollständig den hohen Werth der selbständigen Nachrichten der anonymen Vita für die allgemeine Geschichte. Sein ebenso entschiedenes als

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oberflächliches Urtheil lautete, dass nach Abzug des Ursinus wenig mehr als ein Commentar zu diesem übrig bleibe! Dagegen weiss er von Ursinus eine seltene Unparteilichkeit zu loben. Friedrich, Zur Geschichte des Hausmeiers Ebruin (SB. der phil. hist. Classe der Akad. d. Wissensch, zu München 1887, S. 42-61), machte auf die Untersuchung Gomicourts aufmerksam und führte sie weiter. Die anonyme Vita ist ihm eine durchaus gleichzeitige Quelle von der grössten historischen Bedeutung, während er den Ursinus für einen wenig zuverlässigen Schriftsteller hält, der in der Merowingerzeit nicht geschrieben haben könne. Das gegenseitige Verhältnis der beiden Quellen hat aber Friedrich nicht richtig erkannt. Die Cap. 17-20 der anonymen Vita hält er für einen Anhang, der im Kloster Saint- Maixent entstanden sei, und er glaubt, dass diese erweiterte Vita Ursinus benutzt habe. In diesen Irrthum ist zwar sein Nachfolger Graf du MoulinEckart, Leudegar, Bischof von Autun (Diss. Breslau 1890), dem übrigens Gomicourts und Friedrichs Arbeiten unbekannt geblieben sind, nicht verfallen, dafür aber in einen andern weit schwereren. Er erkannte, dass für die wörtlich gleichlautenden Partieen der beiden Schriften Ursinus die Quelle ist, und folgerte daraus das höhere Alter desselben. In Betreff der Benutzung der beiden Vitae stellte er den Grundsatz auf, dass für Alles, worin der Anonymus seiner Hauptquelle gefolgt sei, diese als massgebend zu gelten habe. Der Verfasser ist allerdings nicht soweit gegangen wie Bonnell, dass er die anonyme Vita völlig verwirft. Er hält sie viel mehr ebenfalls für gleichzeitig und weiss ihre selbständigen Nachrichten über die Allgemeingeschichte wohl zu schätzen.

Diese diametral entgegengesetzten Urtheile sind dadurch möglich geworden, dass die Einen das grössere Gewicht auf die selbständigen, die Andern auf die mit Ursinus gleichlautenden Partieen der anonymen Vita legten, und man in der Regel das über den einen Theil gewonnene Urtheil auch auf den andern ausdehnte. Es ist aber bisher noch Niemandem in den Sinn gekommen, die Untersuchung für beide Theile gesondert zu führen. Thatsächlich ist das gegenseitige Verhältnis der beiden Quellen kein einfaches; durch einen neuen Fund bin ich aber in den Stand gesetzt, völlige Klarheit in den Wirrwarr zu bringen.

Was zunächst die in beiden Schriften identischen Partieen betrifft, so lässt sich an wenigen Beispielen darthuen, dass

1) Dies ist nach ihm die Translatio Audulfs, die bereits mit der Schrift des Ursinus zu dem auf uns gekommenen Ganzen vereinigt war, also mit einem Worte Ursinus.

Ursinus die Quelle für jene ist. Die Uebereinstimmung beginnt mit der Aussendung eines Heeres gegen Autun zur Festnahme Leudegars. Die Darstellung in der anonymen Vita ist hier ganz unverständlich: 'hostem moverunt ex adverso, primoque circa eum cum Childerico rege egisse putabant'. Klar ist aber der Ausdruck des Ursinus. Bei ihm erinnert sich Ebroin an all das Unglück, welches ihm Leudegar im Verein mit Childerich zugefügt hatte: 'reminiscens Ebroinus malorum omnium, quae circa eum cum rege Childerico egisse potabat'. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ursinus der Verfasser jener Stelle in der anonymen Vita ist, die dort gar keinen Zusammenhang mit den vorhergehenden Worten hat. Scheidet man diese Interpolation aus der Vita aus, so wird der Gedankengang logisch richtig: 'hostem moverunt ex adverso. Primo [que circa in urbe sua] ubi destinatum contra se hostium sensit inpulsum, non est passus' etc. Auf das Heranrücken der Feinde folgen also die Gegenmassregeln Leudegars. Nach seiner Gefangennehmung und Blendung wird Leudegar nach der anonymen Vita in die Waldeinsamkeit ('silvarum secreta') verstossen und hernach von Waimirus in sein Haus ('in domum suam') genommen; bei seiner Vorladung vor den König aber erhält er den Befehl, das Kloster ('ex monasterio'), in welchem er verborgen gehalten wurde, zu verlassen. Die letztere Stelle stimmt wörtlich mit Ursinus und ist aus ihm; denn nur er lässt Leudegar wirklich in ein Kloster verstossen werden. Es ist mithin entschieden, dass in der anonymen Vita die Schrift des Ursinus in ganz mechanischer Weise ausgeschrieben worden ist, daneben aber noch eine andere Vita Leudegarii. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Quellen vermochte der Compilator nicht herzustellen. Er hat nur bald die eine, bald die andere abgeschrieben. Die Gedankenlosigkeit, mit der dieser einfältige Mensch verfahren ist, ist fast unbegreiflich. Zuerst erzählt er mit Ursinus, dass Leudegar mit entblössten Füssen durch einen Wasserpfuhl ('per quandam piscinam') gezogen worden sei, und kurz darauf entlehnt er seiner andern Quelle, dass er entkleidet durch die sumpfigen Strassen ('per platearum palustria') geschleppt sei. Dass nach der Verstümmelung der Zunge der Heilige die Sprache zurückerlangt habe, berichtet er sogar dreimal, nämlich einmal nach Ursinus und zweimal nach der andern Quelle. Doppelt ist ferner vorhanden die Beschreibung des Concils zur Aburtheilung Leudegars und die Erzählung von der Ermordung Ebroins. Zusätze zum Ursinus-Texte hat der Compilator nicht zu machen gewusst, ausser dass er durch hässliche Attribute wie 'iniquissimus', 'nequissimus' den Ebroin anschwärzte und durch ehrenvolle wie 'sanctus' den Leudegar herausstrich. Dagegen hat

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