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Funfzehnter Abschnitt.

Fort se z sung.

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Aus dem Naturgesezze, welches uns alle Frie denstöhrende Rechte aufzugeben befiehlet, folget das dritte Naturgefeß: Versprechungen müssen erfülle werden; denn geschiehet dies nicht, so hat man dem Rechte auf alles vergeblich entsagt, und der Krieg aller gegen alle bleibt.

Dies Gesetz bestimmt das, was Gerechtigkeit gez nannt werden muß. Wo kein Versprechen voran gieng, da wurde auch kein Recht übertragen, und folglich bes Lizzet jeder das Recht auf alles; nichts ist alsdann uns gerecht. Die ungerechtigkeit kann daher nicht besser erklärt werden, als so: Ungerechtigkeit ist die Nichterfüllung des gerbenen Versprechens, oder mit andern Worten: die Perlezzung der geschehe nen Zusage. Was aber nicht ungerecht ist, muß ge recht seyn.

Weil indeß gegenseitige Versprechungen, so lans ge der eine Theil besorgen muß, daß der andre ihn hintergehen werde, wie schon erwähnt, unkräftig sind; so ist es dennoch nicht Ungerechtigkeit, so lange diefe Furcht gegründet bleibt, sein Versprechen nicht zu erfüllen, wenn auch gleich die Erfüllung des Vers sprechens sonst Gerechtigkeit ist. Und so lange das Recht aller auf alles dauert, kann diese Furcht keinem genommen werden. Vor der Entstehung der bürger. lichen Gewalt, durch welche die Nichterfüllung eines Versprechens gestraft, und jeder in dem Befih feines durch Verträge erlangten Eigenthums geschüzzet wer. den konnte, waren also die Wörter gerecht und un gerecht gar nicht vorhanden. Eben dies erhellet aus

Der

der in den Schulen angenommenen Erklärung von der Gerechtigkeit: Gerechtigkeit ist der veste Entschluß, einem jeden das Seinige zu geben. Denn wo nicht so etwas da ist, was man das Sei nige nennen kann, oder wo kein Eigenthum da ist, da fällt alles ungerechte weg; und ausser der bür. gerlichen Gesellschaft giebt es kein Eigenthum. Weil übrigens die Erfüllung eines Versprechens, welches von der Zeit an eigentlich gültig zu werden beginnt, wo die bürgerliche Verbindung errichtet wurde, das Wesen der Gerechtigkeit ausmacht; so entstand auch mit dem Staate Eigenthum und Gerechtigkeit zu eis ner und derselben Zeit.

Thoren pflegen wol zu sagen: es giebt keine Ges rechtigkeit. Jeder forget für seine eigne Erhaltung; deswegen ists vernünftig, daß ein jeder sein Verspres chen erfülle, oder nicht erfülle, darauf halte, oder nicht, wie er es selbst für sich vortheilhaft findet. Sie fagen zwar: Versprechungen sind erlaubt, aber die Erfüllung derselben sen eben so wenig Gerechtigkeit, als die Nichterfüllung Ungerechtigkeit. Ja, sie behaup ten, daß der Fall wol eintreten könne, wo, die Furcht vor Gott ben Seite gesezt, die Ungerechtigkeit mit der Vernunft recht gut vereiniget werden könne. Dem Reiche Gottes, sagen sie, muß ja Gewalt angethan wer den; wie, wenn dasselbe durch eine ungerechte Gewalt von dem Menschen könnte erlangt werden, würde dies selbe alsdenn wider die Vernunft seyn, da hieraus un möglich etwas Böses, sondern vielmehr das höchste Gut erfolgen würde? Ist dies also der Vernunft ges måß, wie kann es wider die Gerechtigkeit streiten! Ben solcher Art zu schliessen, haben manche sogar glüks liche Verbrechen für Tugenden erklärt, und behaups tet, daß man allerdings treulos werden dürfe, wenn man dadurch nur zum Throne gelangen könne. Die

Heiden glaubten, Saturn sey vom Jupiter aus dem Himmel verstoffen worden, und dennoch hielten sie den Jupiter für den Rächer jeder Ungerechtigkeit. So haben auch einige von unseren Rechtsgelehrten behaups tet, daß ein Thronerbe auch als Feind des Baterlans des, so bald der König mit Tode abaegangen sen, in der Regierung demselben folgen müsse. Dergleichen Verbrechen, fie mögen Namen haben, welche sie wols len, sind ihrem Dafürhalten noch nicht wider die Bers nunft; weil man bey allen freyen Handlungen die Ubficht, sich Vortheil zu stiften, hat, und diese um so vernunftmåssiger sind, je kürzer sie dazu führen. Dies se Schlüsse sind aber bey aller ihrer Scheinbarkeit bemohngeachtet falsch.

Es ist hier nemlich nicht die Frage von gegenseis tigen Versprechungen im Naturstande, wo es keine zwingende Gewalt giebt, ohne welche die Versprechun. gen keine Kraft haben; sondern von solchen, die da geschehen, wo eine solche Gewalt da ist, durch die man zur Erfüllung eines jeden Versprechens angehals ten wird da ist die Frage, ob der Treulofe auf eine vernünftige und für sich vortheilhafte Weise treulos werden kann? Offenbar handelt er der Vernunft und Klugheit zuwider. Denn vollführt jemand in einem Staate etwas, das, wie leicht vorherzusehen ist, zu feinem eignen Verderben gereichen muß; so streitet feine Handlung allemal wider die Klugheit, selbst dann, wenn sie durch ein Ohngefehr einen glüklichen Ausgang bekäme: denn dies konnte er nicht voraus sehen. Im Naturstande hingegen, wo ein jeder des andern Feind ist, kann man ohne Verbündete zu has ben nicht sicher leben. Wer wird aber den, der es für Vernunftmåssig hålt, fein Versprechen zu brechen, in ein Bündniß, welches allgemeine Bertheidigung zur Absicht hat, und deshalb auf gegenseitige Verspres

chun.

chungen beruhet, wenn man ihn kennt, aufnehmen oder darinn behalten? Er wird daher aus demselben... verstossen werden und seinem Schiksal überlassen feyn; geschieht dies nicht, so hat er es nur anderer Unwissens heit zu verdanken, welches denn gleichfalls nicht der Gang der gefunden Vernunft ist. Daß aber das Reich Gottes durch Ungerechtigkeit sollte erlanget wers den, ist lächerlich; Gerechtigkeit führet nur einzig und allein daju.

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Gesezzet, ferner, man habe durch eine Empds rung sich auf den Thron geschwungen; so ist das nicht weniger gegen die gesunde Bernunft gehandelt, theils weil ein solches Unternehmen anfangs gleich ungewiß ist, theils weil durch dieses Beyspiel andrè angereizzet werden, ein Gleiches auch gegen jenen zu wagen. Das Erfüllen jedes Versprechens ist also eine Vorschrift der Bernunft, und folglich ein Naturgeseh.

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Andre wollen die, auf Erhaltung des Erdenlebens abzwekkende Vorschriften nicht für Naturgefezze ers kennen, sondern halten nur solche dafür, welche zu dem ewigen glükseligen Leben führen. Da nun, wie fie fagen, zu diefem die Nichterfüllung der Verspres chungen zuweilen führt; so erklären sie dieselbe deshalb für gerecht. Und dies sind grade die, welche es für ein gutes Werk halten, ihre Könige unter dem Vors wand der Religion anzugreifen, abzusetzen und zu tóde ten. Da wir aber von dem Zustande der Menschen aiach dem Tode nicht aus wissenschaftlichen Gründen unterrichtet sind, sondern denselben nur durch den Glauben erkennen, den wir denen beymessen, welche ' fagen, sie wüßten dies vermöge einer Offenbarung, oder hätten es von anderen gelernt, die es einer Offens barung verdankten, so daß sich immer einer auf den andern beruft: so ist die Verletzung der Verträge

nicht, wie sie wähnen, eine Uebertretung der Gesezze der Natur, sondern der Offenbarung. Auffer der heiligen Schrift haben wir aber keine Offenbarung, und diese gebietet an mehr als einem Orte Erfüllung der Verträge und Gehorsam gegen die Könige.

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Noch andere gestatten zwar die Erfüllung der Verträge, nur nicht gegen die Kezzer. Doch auch Dies ist ungerecht; denn wären wir berechtiget, gegen solche Personen geschlossene Verträge nicht zu erfüllen, so mußten wir auch nicht minder gehalten seyn, keine mit ihnen zu errichten.

Die Wörter gerecht und ungerecht bedeuten ets was anders, wenn sie von Menschen, und etwas anderes, wenn sie von Handlungen gebraucht; wer den. Von Menschen gebraucht, zeigt es einen Hang oder eine Fertigkeit an, folglich entweder eine Tugend oder ein laster. Gesezt also, es habe ein Mensch ben dem fortdauernden Willen: einem jeden das Seinige zu geben, eine oder die andre ungerechte Handlung bes gangen; so muß er selbst dennoch gerecht genannt wers den, wenn er nur Gerechtigkeit liebt und das von ihm auch insgeheim verübte Ungerechte verwirst, vernich ten zu können wünscht, und den zugefügten Schaden nach Möglichkeit zu ersezzen sucht. Dahingegen ist der, welcher Gerechtigkeit geringschäzzet, sollte er gleich aus Furcht oder aus anderen schlechten Beweggründen zurüfgehalten, noch keinem wirkliches Unrecht zuge fügt haben, dennoch ungerecht. Bey der wahren Ges rechtigkeit kommt alles auf einen gewissen Seelenadel an, nach welchem man sich nicht überwinden kann, dem Betrug oder der Treulosigkeit etwas verdanken zu müssen. Gerechte Handlungen verschaffen uns nicht fowol den Namen eines Gerechten, als vielmehr den eines Unschuldigen, so wie ungerechte Handlungen

oder

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