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überall der Bürger, welcher keine unmittelbare und zuverlässige Offenbarung des göttlichen Willens em pfangen hat, den Gesezzen seines Staats gehorchen und sie als Gottes Willen ansehen müsse. Denn, wenn die Bürger ihre eignen oder einzelner Menschen Träume und Einbildungen für göttliche Befehle annehmen wolls ten, so würden sehr wenige darinn übereinstimmen, ja, es würden darüber die Befehle des Staats gänzlich in Verachtung gerathen. Hieraus ziehe ich die Folge: daß alle Bürger in allen Dingen, welche dem Sittend. i. dem Naturgesez nicht zuwider sind, die Verpflich tung auf sich haben, dasjenige als ein göttliches Ges sez anzunehmen, was ihnen das bürgerliche Gesez für ein solches erklåret. Es ist gewiß, daß alles, was dem Naturgesez nicht entgegen ist, von der höchsten Gewalt zu einem bürgerlichen Gesezze gemacht werden kann. Es war niemals irgendwo den Bürgern ers laubt - und ist es auch jezt noch nicht von ihren

Handlungen andre göttliche Gesezze, ausser denen, die in dem Staate dafür erkannt werden, als Ursachen anzugeben. Und wie in den nicht christlichen Staaten gewönlich diejenigen, welche von ihrer Religion abtre ten, gestraft werden; eben so geschiehts in den christs lichen Staaten mit denen, welche von dem Christens thum abfallen.

Noch andre haben die Gesezze in solche abgetheilt, welche Grundgesezze oder Nichtgrundgesezze sind. In jedem Staate ist dasjenige ein Grundgesez, mit dessen Aufhebung auch der Staat aufhören würde. Es giebt aber nur ein Grundgesez, nemlich, daß alle Bürger dem jedesmaligen Oberherrn Gehorsam leis sten müssen. Denn, mit diesem Gesezze stehet und fällt ein Staat. Genug von der Eintheilung der Gesezze.

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Ich finde, daß bürgerliches Gesez und bûr, gerliches Recht von Schriftstellern zuweilen als gleichbedeutend gebraucht werden, welches aber ganz unrichtig ist; denn das Recht schliesset eine Freyheit oder eine Ausnahme von den bürgerlichen Gesezzen in fich. Bürgerliches Gesez hingegen deutet eine Vers bindlichkeit an, wodurch die natürliche Freyheit entweder ganz aufgehoben oder doch beschränket wird. Von Natur hat nemlich jeder Mensch das Recht, seine Kräfte und Fähigkeiten nach eigner Willkühr zu gebrauchen; dieses ward aber durch das bürgerliche Gesez aufgehoben, nur bey denen nicht, welche es nicht wagten, sich dem Schuzze der bürgerlichen Ge. fejje anzuvertrauen.

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Verbrechen, Entschuldigungen
und Milderungen.

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In der Uebertretung eines Gefeszes liegt nicht blos eine Verfündigung, sondern auch eine gewisse Verachtung des Gesezgebers, welche als eine Verlezs zung seiner sämmtlichen Gesezze anzusehen ist. Sún. de ist aber nicht allein jede gesezwidrige That, Rede oder Unterlassung, sondern schon die Absicht und der Borsaz dazu. Wenn aber jemand eines andern Vera mogen, Knechte, oder Weib ansiehet, und sich den Besiz alles dessen nur als erfreulich vorstellt, ohne irs send den Vorsaz zu hegen, sich dessen durch list oder Gewalt zu bemächtigen: so ist das keine Sünde, keine Uebertretung des Gebotes: du sollst nicht begehren. Eben so wenig ist das Vergnügen, welches vielleicht jemand dabey empfindet, wenn er sich den Tod seines Feindes denkt, von dem er, so lange dieselbe am Leben ist, nichts als Böses sich gewärtigen kann, eine Sún. de; wenn er nur gegen ihn nichts unternimmt. Denn es ist dem Menschen so natürlich, sich durch angeneh me Vorstellungen zu ergözzen, daß das Gesez, wels ches ihm dieses untersagte, ihm auch verbieten würde, Mensch zu seyn. Und die Meinung derer, welche die ersten Bewegungen der Seele schon für Sünde erklåren, ist ohnstreitig sowol in Ansehung anderer, als in Hinsicht ihrer selbst zu streng. Es liegt etwas Großes darinn, wenn ein Mensch das Böse, welches ihm Vergnügen gewähret, nicht ausübet, ja, nicht einmal den Willen dazu hat. És ist ganz etwas ans

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deres,

deres, sich an einer Vorstellung von etwas vergnügen, und dasselbige wollen *).

Jedes Verbrechen ist zwar eine Sünde, weil das durch ein Gesez übertreten wird; dahingegen ist nicht jede Sünde ein Verbrechen. Morden oder stehlen wollen, wenn gleich dieser Vorfaz auf keine Weise fichtbar wurde, ist Sünde; denn vor Gott, der ins Berborgne siehet, ist er schuldig. Von Menschen aber kann ein solcher geheimgebliebener Vorsaz nicht ge rügt werden; und deshalb nennt man auch dergleichen nicht Verbrechen.. Sünde und Verbrechen sind also darinn unterschieden: daß man unter Sünde jede Uebertretung eines Gesezzes begreift: unter Verbres chen aber blos eine solche Uebertretung, die von einem menschlichen Richter beurtheilet, oder der ein Mensch von dem andern beschuldiget werden kann. Ist daher gleich jeder Vorsaz schlecht zu handeln schon Sünde, so ist er demohngeachtet noch kein Verbrechen, so lange er sich nemlich noch nicht durch irgend etwas offenbaret.

Wo kein Gesez da ist, da kann auch keine Sünde seyn. Weil aber das Naturgesez von Anbeginn da ist, so wird jede Uebertretung desselben allemal für Sún. de gehalten werden müssen. Sobald bürgerliche Ges fezze aufhören, giebt es auch keine Verbrechen mehr; weil alsdann nemlich nur noch die natürlichen Gesezze gelten, so ist jedweder sein eigner Richter und wird blos nach seinem Gewissen beurtheilet. Mit der bürs gerlichen Gewalt fallen folglich alle Verbrechen weg; und wegen des Rechts aller auf alles giebt es fein Recht oder Unrecht mehr. Geht indessen ein Staat durch eine Empörung zu Grunde; so ist das Verbres chen

*) Die heilige Schrift urtheilet hierüber ganz anders; sie warnet und sagt:,,Die Luft, wenn sie empfan gen bat, gebieret sie die Sünde. “ 2. d. Ueb.

brechen derer, die dies bewirkten, keinesweges vers nichtet, weil ihr Unternehmen zur Zeit der Ausfüh rung ein Verbrechen war, und vom Staate nach des sen Wiederherstellung untersucht und bestraft werden

fann.

Verbrechen können entweder aus einem Fehler des Verstandes, d. i. aus Unwissenheit, oder aus eis ner unrichtigen Schlußfölge, d. i. aus Irrthum, oder aus irgend einer heftigen Leidenschaft entstehen. Die Unwissenheit findet theils in Hinsicht des Gesezzes, theils in Absicht des Gesezgebers, theils in Betreff der Strafe statt. Die Naturgefezze nicht zu wissen, entschuldiget keinen; denn von jedweden, der den Ges brauch seiner Bernunft hat, wird auch angenommen, daß er dieselben kenne, und wiffe: daß man einem anderen das nicht thun solle, was man nicht will, daß er uns thue.. Eben so wird auch der eis nes Verbrechens sich schuldig machen, der selbst uns wissender Weise ein Gesez seines Wohnorts übertritt. Gesezt, es fame ein Indianer zu uns, wollte seine Res ligion, die der unsrigen zuwider ist, hier verbreiten; so würde die Wahrheit seiner Lehre nicht in Betrach. tung gezogen, sondern die Verletzung unseres Gesez zes als Verbrechen betrachtet, und mit den in dem Gesezze bestimmten Strafen belegt werden. Denn man wurde es nicht gleichgültig ansehen, daß er durch neue Religionslehren seine Mitbürger in Un ruhe sezzet.

Handelt jemand gegen ein Gesez, welches noch nicht gehörig bekannt gemacht war, und seine That nicht auch Uebertretung irgend eines Naturgesezzes ist, so entschuldigt ihn seine Unwissenheit.

Wenn jemand darum, weil er nicht weiß, wer der Oberherr seines Wohnortes ist, sich der öffentli

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chen

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