Anekdote vom Apostel Johannes. t Diese Anekdote von dem Lieblingsjünger unsers Herrn möchte wohl unsern Lesern nicht so bekannt seyn, als sie es zu seyn verdient; wir theilen sie daher nach dem Kirchenvater Eusebius mit: Der Apostel besuchte schon hoch im Alter, auf Bitten der Bischöfe, verschiedene Gemeinden, und fand an einem der Orte, die er besuchte, einen Jüngling von sehr versprechender Gesichtsbildung, der aber noch kein Christ war. Johannes empfahl ihn der geistlichen Pflege eines Lehrers der Kirche; der Jungling wurde unterrichtet, empfieng die Laufe und lebte eine Zeit lang als guter Christ. Allein die Welt zog, ihn noch einmal wieder in ihre Ncße, und nun wurde es mit ihm årger als es zuvor gewesen war, da er noch kein Christ geworden; wie das denn immer der Fall bei allen ist, die Gnade empfangen haben und wieder aus derselben weichen. Denn, wie der Herr selbst sagt, nimmt der Feind, wenn er aus einem Herzen verbannet worden, nach einer Zeit noch sichen böse Geister, die mächtiger sind als er, zu sich, und bricht in das mit Besemen gekehrte Haus ein; worauf es denn mit einem solchen Menschen von Stund an årger wird, als es zuvor war. Der arme Jüngling nämlich gerieth in sehr üble Gesellschaft, ließ sich von ihr hinreißen, und ergab sich ganz dem Müssiggang und der Schwels gerei. Endlich kam es gar so weit mit ihm, daß er der Ans führer einer Räuberbande wurde. Nach Verlauf einiger Zeit sprach Johannes einmal wieder mit dem Kirchenlehrer, dem er den Jüngling so dringend empfohlen hatte, und erkundigte sich nach ihm. "Der ist nun, hieß es, gegen Gott todt, und lebt nicht weit von hier in der Wildnig im Gebirge, als Anführer einer Räuberbande." Johannes ließ sich die Gegend, wo er ihn etwa treffen könnte, bezeichnen, und begab sich in das Gebirge. Er stieß hier auf die Räuber, und gab sich ihnen zum Gefangenen. “Führt mich, sprach er, zu eurem Anführer." Die Räuber thaten dies. Der Jüngling erkannte den alten ehrwürdigen Apostel schon aus einiger Ents fernung, und ergriff, von Schaam übernommen, die Flucht. Johannes folgte ihm und rief ihm nach: "Mein Sohn, warum flichest du vor deinem Vater, der unbewaffnet, alt und schwach ist? Fürchte dich nicht; noch ist Hoffnung für dich da! Glaube mir, Christus hat mich zu dir gesandt!” Der junge Mensch blieb stehen, zitterte und bebte, und weinte bitterlich. Er folgte dem liebevollen Apostel, der ihn nun wieder in die Gesellschaft der Christen zurückbrachte, und ihn von nun an nicht eher verließ, als bis er ihn in der göttlichen Gnade völlig befestigt wußte. Einige Lesefrüchte betreffend Lessings Nathan, eine Vorhersagung des Grafen Zinzendorf, und was Paul Gerhard seinem Sohn befiehlt. 1. Aus Delbrücks Christenthum Thl. 1. S. 210 ff. Lef= sing wünschte Heil und Glück dem Orte, wo dieses Stück aufgeführt werden könnte (Leben 1, 411.), aber er besorgte, daß dieses nie oder erst nach hundert Jahren geschehen werde (XXX, 473). Seit seinem Tode waren aber kaum zwanzig Jahre vers floffen, als es ein Lieblingsstück aller Bühnen ward. Bei einer Darstellung irgendwo, da der erste Schauspieler seiner Zeit die Rolle des Nathan übernommen hatte, war bei den Ringen eine feierliche Stille, und nach den Worten: "Umsonst, der rechte Ring war nicht erweislich, faft so unerweislich, als uns jezt - der rechte Glaube," entstand plößlich ein lautes, wiederholtes, immer neu aufloderndes Jubeln und Jauchzen und Håndeklatschen. Leffing XXX, 506: "Genug, wenn mein' Nathan sich nur mit Intereffe lieset, und unter tausend Lesern nur einer an der Evidenz und Algemeinheit seiner Religion zweifeln lernt;" hier aber waren gegen Einen Tausende, die nicht nur zweifeln gelernt hatten, sondern die auch bewiesen, daß sie jeden verlächen würden, der jene Zweifelhaftigkeit noch in Zweifel ziehen könne. Es war eine feierliche Lossagung im Schauspielhause von dem Bekenntnisse, das sie selbst in der Kirche abgelegt hatten; es war ein Zerreißen der Bande, welche so viele Menschengeschlechter vereinigt hatten; ein Umstürzen der Altäre, um die sich die bisherigen Geschlechter versammelt hatten, wenn ihnen um Trost bange war; ein Niedertreten des frommen Glaubens, und dafür eine Erhebung auf den Thron, was jeder seine Vernunft nannte. 2. Es ist ein nicht neuer Kunstgriff der Gegner des Chris stenthums, evangelische Grundlehren, welche sie als solche an= zugreifen noch nicht wagen, sonderlich die sich vom Evangelium nähren, mit irgend einem gehässigen Sektennamen zu belegen, und unter diesem Vorwande zu bestreiten und zu verdammen. Merkwürdig ist in dieser Hinsicht eine Vorhersagung Zinzendorfs, des Stifters der Brüdergemeine, auf Veranlassung schmähsüchtiger Angriffe auf seine Lehre, deren manche von ganz Unglâubigen kamen, welche mithin gar kein Urtheil in der Sache hatten. "Sie machen es zu arg", sagt er. "Die theuersten Gotteswahrheiten, die zum Kern der evangelischen Lehre gehdren, werden von ihnen verdächtig gemacht, weil ich sie lehre und bekenne. Wenn das so fortgeht, wird endlich Niemand von Jesu Christo, von seinem Tod und seiner Versöhnung, von dem zärtlichen Umgange mit Ihm, von seiner ewigen Gottheit und wahren Menschheit 2c. reden können, ohne einer Keßerei und Zinzendorfscher Irrthümer beschuldigt zu werden. Wer dann den Menschen gefallen will, wird folche Materien wie es bisher geschehn, für Herrnhuthisch und Zinzendorfisch ausgeben." 3. Paul Gerhard befiehlt, in seinem lehten Wort seinem Sohn: Die heilige Theologic studire, in reinen Schulen und auf unverfälschten Universitäten, und hûte dich ja vor den Synfretisten, denn die suchen das Zeitliche und sind weder Gott noch Menschen treu. — Nun, der Studirende kommt noch allenfalls wieder zurecht, wenn er auf Schulen und Universitåten irre geführt wird, aber wer hilft und was hilft dem Nichttheologen, der mit dem Schulunterricht abschließt, und dem Sohne des Handwerks- und Bauersmannes, wenn dem eine falsche Lehre einkatechifirt wird? Mephiboseth hinkte sein Lebens lang, weil seine Amme ihn hatte fallen laffen (2 Sam. 4, 4.). Glaube Liebe Hoffnung. Glaube und Liebe gehören der Gegenwart an, Hoffnung der Zukunft. Aber der wahren (christlichen) Hoffnung ist das Zukünftige eben so gewiß, als dem Glauben das Gegenwärtige. Und ihr Unterpfand haben beide in der Liebe. Die Liebe ist das Herz des Glaubens, das darf nicht still stehn, sonst erstirbt der Glaube mit. Und die Hoffnung ist sein Auge, womit er in die dunklen Räume der Zukunft blickt. Die wahre und verkehrte Hoffnung unterscheiden sich da= durch, daß jene auf dem Glauben ruht, diese aber in die Luft bauct ohne Grund. felig. Glaube-macht stark, Hoffnung macht fröhlich, Liche macht Alles Hoffen und Verlangen, Das nicht Gott zum Ziel erwählt, Wovon soll gepredigt werden? Es soll, antwortet Luther, ein guter Prediger den Leuten anders nichts vortragen, denn allein Christum, daß man Ihn lerne erkennen, was Er sey und gebe; auf daß Niemand aus seinem Worte schreite, und Er allein für den Hirten gehalten werde, der sein Leben lasse für seine Schafe. Das soll man den Leuten predigen, daß sie ihren Hirten kennen lernen. Darnach soll man auch das Erempel treiben; auf daß, gleichwie Christus um unsertwillen alles gethan und gelitten hat, wir auch um des Worts willen alles gern thun und leiden sollen. Diese zwei Stücke soll man in der Christenheit predigen. Wer es nun höret und versteht es, der heißt Christi Schaaf. Und wer es predigt und lehret, der heißet ein guter Hirt. Red.: J. J. Theveny. Verl.: Hoffmann u. Campe. Hamburg, gedruckt bei J. G. Langhoff's Wittwe. Der Friedens bote. XXII. Chriftus ist unser Friede Er hat uns mit Gott zu einem Leibe durch das Kreuz versöhnt, indem er die Feindschaft tödtete durch sich selbst, und ist gekommen und hat verkündigt den Frieden im Evangelio Euch, die ihr ferne waret, und denen, die nahe waren. Eph. 2, 14. 16. 17. Freitag, den 31ken October 1823. 3 um 31ften October. An diesem Tage schlug im J. Chr. 1517 der Auguftiners mdnch, Dr. Martin Luther, an die Schloßkirche zu Wittenberg feine 95 Thesen an, in denen er den Ablaß, einen der schreckz tichsten Auswüchse des Papstthums bestritt. Damit war der erste Funke geworfen in das abentheuerliche Gebäude, welches menschlicher Vorwiß, Aberglaube und Eigennuß auf dem Felsengrunde der Kirche Chrifti errichtet hatte, immer neues hinzufüs gend, immer mehr verkleidend die herrlichen unvergånglichen Grundpfeiler der Gemeinde Gottes auf Erden. Der Funke zündete, denn siehe, es war Heu gewesen, was darauf gebauet war (1 Cor. 3, 12.); immer weiter drang das läuternde Feuer der Prüfung von Luthers, Zwinglis, Melanchthons und anderer weiser Månner Hand geleitet; was Menschenhånde in Jahrhuns derten aufgethürmt hatten, zerstob in Nichts vor den Augen aller, die nur sehen wollten; was Gottes Hand von Ewigkeit her bereitet hatte, blieb stehen und trat aus der zerwehenden Asche in neuem Glanze hervor. Die Gläubigen jauchzten, tausend schmachtende Seelen fanden in dem ihnen wiedergegebenen Worte Gottes, Labung für ihren Hunger, das Volk zog wieder schaarenweis in das gereinigte Haus des Herrn ein mit Freude und Danksagung, daß die Schande von ihnen genommen war (2 Macc. 4,). Das Evangelium Gottes war das heilige Panier, um welches sie sich sammelten, am Evangelium wollten Dritter Jahr gảng. 22 |