صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني
[ocr errors][merged small]

Die älteste bis jetzt bekannte Quelle für die Ermittelung der heimischen Auffassung, wann und wie der Daumen des heiligen Theobald nach Thann gekommen, ist das zum Zwecke der Wiederbelebung der Pilgerfahrten auf Kosten der Stadt Thann 1628 zu Freiburg gedruckte sogenannte Theobaldsbüchlein'. Sein Verfasser ist der damalige Stadtarzt Johannes Andreas Schenck, med. doctor, physicus ordinarius, ein ebenso kindlich frommer und begeisterter Verehrer des Thanner Schutzheiligen, als gewissenhafter, zuverlässiger Forscher, der in seinen geschichtlichen Angaben überall, wo es ihm möglich war, auf das ihm zugängliche urkundliche Material zurückgegangen ist.

Den Inhalt seines Buches ausser dem Leben Ubalds und den beschaulichen Stücken hat der Verfasser der sogenannten Grossen Thanner Chronik, der Franziskaner Malachias Tschamser in seine Jahrbücher hineinverarbeitet, doch ohne Nennung seiner Quelle, so dass er den Eindruck erweckt, als habe er in den diesbezüglichen Abschnitten die handschriftlichen Aufzeichnungen zu Rate gezogen. Und so hat er

1. Sanctus Theobaldus. Das ist Summarischer Bericht des Lebens, der Translation des Hochheyligthums und etlicher Wunderwerken des H. Himmelsfürsten Ubaldi, sonsten gemeinlich Theobaldi genannt, der löblichen Statt und Herrschafft Thann in dem Obern Elsass Hochehrenden Patrons, dessen Fest seines in Gott scheidens den 16. Maii, der Translation aber den 1. Julii Hochfeyerlich gehalten wirdt . . . . Verfertigt durch einen des H. Theobaldi Liebhabern.»

2. Er ist der Sohn des als medizinischer Schriftsteller gefeierten Freiburger Stadtarztes Dr. Johann Schenck von Grafenberg (1531-1598), von dessen Söhnen Johann Konrad des Vaters Nachfolger in Freiburg und zugleich Leibarzt der Erzherzogin Anna Katharina, Witwe Ferdinands, war, Johann Christof dem geistlichen Berufe sich widmete, Johann Georg Stadtarzt in Hagenau und Johann Andreas Stadtarzt in Thann wurde. Dem 1607 gedruckten lateinischen Traktate seines Bruders Johann Georg De formandis medicinæ studiis» (Strassburg Conrad Scher) und dessen deutschem Buche über die Marienthaler Wallfahrt Unser liebe Fraw zu Marienthal, Hall und Sichem. Das ist Bericht vom Gottßhauß Marienthal bey Hagenaw im Elsaß gelegen... Mayntz bey Johann Albin 1608 gab Johann Andreas Sch. in den Vorreden lateinische Gedichte bei, an deren Schluss er sich noch als Jatrices studiosus unterzeichnet.

auch in die seinem Werke vorausgeschickte Erzählung von dem «Ursprung und Anfang der Stadt Thann'» Schencks Bericht von der Übertragung der Reliquie mehr oder minder willkürlich abgeändert herübergenommen, nennt jedoch hier Schenck ausnahmsweise als seinen Gewährsmann.

Von Tschamser, nicht unmittelbar von Schenck abhängig ist die Darstellung des Verfassers der Kleinen Thanner Chronik, welche ihrerseits wieder die Quelle für die Fassung in A. Stöbers elsässischem Sagenbuch gewesen ist.

6

Die von einem ungenannten Thanner Franziskaner 1777 herausgegebene «Kurzverfasste Lebens-, Übersetzungs- und Wundergeschichte des heiligen Bischofen Theobaldus», eine gekürzte Neuauflage des Summarischen Berichts von 1628, weicht in der Wiedergabe der Translation des Daumenfingers nach Thann nur stilistisch von ihrer Vorlage ab'. Hingegen hat die 1868 von einem ungenannten Verfasser veröffentlichte «Andacht zu Ehren des heiligen Theobald, die sich im Vorwort als erneuerte und vermehrte Ausgabe des Andachtsbüchleins von 1777 einführt, in der Erzählung von der Überbringung des Daumens (S. 12-15) die Darstellung eines italienischen Schriftstellers mit der lokalen Überlieferung in eins verarbeitet. Da somit die bis jetzt bekannte älteste Aufzeichnung der Theobaldslegende, wie sie uns in den eben genannten 1723 und später verfassten Schriften entgegentritt, nicht nur in der Form, sondern auch hinsichtlich des Inhaltes mehr oder weniger von der ursprünglichen Fassung abweicht, die ältere Auflage von Schencks Büchlein aber äusserst selten geworden ist, so hielt ich es für angemessen, seinen Bericht von der Translation, trotz der epischen Breite der Darstellung unter Ausscheidung von Wiederholungen und inhaltlich Nebensächlichem nachfolgend zum Abdruck zu bringen.

1. Grosse Thanner Chronik I, S. XXII-XXVII.

2. S. 4-11.

3. A. STÖBER, Die Sagen des Elsasses', 1892-93, 1. T., S. 43-45 und 127 f.

4. S. 35-42. Druckort und Verleger sind nicht genannt; Typen und Format weisen auf Decker in Colmar hin.

5. Erschienen zu Colmar bei Hoffmann.

6. Carolus Oliverius Vincentinus, S. 50 f.

Translation

des würdigen heiligtumbs S. Theobaldi wie selbiges nacher Thann ankommen, ehe und zuvor die statt erbauen.

Obwohlen nichts schriftlichen noch autentisch der translation halber dises kostbarlichen heiligtumbs vorhanden, wissen wir doch durch vielfältige tradition, ... dass, nachdeme der h. bischof Theobaldus in. . . Eugubin in Umbria gelegen in gott dem herren anno 1060 den 16. Maii seeliglich entschlafen, er einen diener hinderlossen, der nation ein Niederländer, so ihme viel jahre treuelichen gedienet. Selbiger diener, nachdeme er... des heiligen bischofes verlassenschaft gar gering und nachgiltig befunden, dass auch dadurch ihme wegen so vieler jahren getreuen geleisteten diensten sein gebürender lidlon nicht erfolgen könte, gedachte bei sich selbsten wolbelohnet zu sein, auch genugsame wolfart in das künftige zu haben', wann er etwas von seines h. herren bischofs seligen leichnam,... wie wenig es auch were, könte zur hand bringen, mit sich als einen grossen schatz in sein vatterland zu nemmen. Ersahe derowegen gedachter diener die ihme darzu dienende gelegenheit, und aus sonderbarem eifer und andacht zu dem h. bischofen name er unvermerkt einen daumenfinger von dem heiligen leichnamb, verfügte sich damit auf den weg, sein vaterland widerumb zu besuchen und dasselbige mit einem solchen köstlichen partikel... als einem grossen köstlichen kleinot zu begaben. Damit aber benanter diener dieses. . . heiligtumb ehrenbietiglichen und ohn aller menschen argwohn fortbringen könte, liesse er ihme [= sich] ein besonderen bi gerstab verfertigen, in welches oberen güpfel oder knopf, so ausgehölt gewesen, er diesen... partikel eingeschlossen und also sein vorgenommene reis zu vollziehen willens. Es begab sich aber. . ., dass, nachdeme mehrbenannter diener seine reis durch Lothringen nemmen wolte, er in einem tannenwald umb etwas erquickung sich niedergelassen, seinen stab an einen grossen tannenbaum in die erden gesteckt, daselbsten eine zeitlang sich verweilet, sonderlich sich erfreuend, dass er nunmehr Italiam verlassen, ins Teutschland ankommen, aller sorgen wegen des entführten heiligen raubes frei sein könte. Aber. . . indeme diser diener vermeint am allersichersten zu sein, sihe so wird dasjenige, so er ihme [= sich] allein gehaim gehalten, allen menschen... offenbar. Denn als der diener sein fernere reis zu volziehen willens den stab angreifen und aus der erden. . . wiederumb an sich ziehen wolte, vermöchte ers nicht auch weder durch gewalt noch einicherlei mittel und weg, erschrak höchlichen und wusste ihme |= sich] selbsten in dieser

1. Um diese Ansicht zu verstehen, muss man sich des volkstümlichen Glaubens erinnern, dass Reliquien den Besitz vermehren und sichern; sie heilen nicht allein, sondern bringen Glück, Ruhe und Fruchtbarkeit. Vgl. GRIMM, Mythologie II, S. 1130. AL. KAUPMANN, Cäsarius Wunderbare Geschichten. Annal. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein, 53 (1891), S. 174 f.

2

verwunderlichen sach weder hilf noch rat zu geben. Verliesse lestlich den stab und begab sich in ein nicht weit davon gelegen dorf, bittet etliche selbiger inwohner mit ihme zu gehn, zu sehen, ob doch sein stab etwan durch andere von der stett kunte gebracht werden. Aber widerumb alles vergeblich. Alhie befand sich der diener von gott gefangen, erkennende dises aus verhängnus gottes und des h. Theobaldi beschehen, erwartet mit zitteren und schräcken des ausgangs... Damalen soll ein landherr oder graf mit namen Engelhart auf jetzigem Thannischen schloss, so von seinem namen Engelburg genennet worden, gewohnt haben. Der habe zu drei underschidlichen malen ein schön hellglänzendes liecht von dem schloss herab in dem darbei nachgelegenen tannenwäldlein auf einem hohen tannenbaum scheinen gesehen, seie dardurch bewegt worden selbsten persönlich sich in das wäldlein zu begeben, zu erforschen, was doch vorgedachte liechter andeuten. wöllen: habe alldorten vil volk sampt dem vorgenanten pilgram angetroffen, desgleichen gesehen, dass sein angelehnter bilgerstab... nicht möchte von der stett bewegt werden, auch den pilgram voller forcht und schrecken sein. Vermerkte diser landherr, dass solches nicht ein natürliches, sonder ein göttliches werk sein müsse, dardurch der allmächtige ein grosse haimblichkeit wöll entdecken. Darumber dann hochgedachter landherr zweifelsohne disen diener angeredt: mein lieber freund, was ist das für ein seltsames werk, das gott durch dich will offenbaren? gib gott die ehr, bekenne die warheit! wer bist du? und was geht mit dir umb? Nach welchem mehrbenanter diener den willen gottes erkennend alles umständlichen vor dem landherr und allem volk bekennet, . . . dass der alweise gott auch der heilig bischof Theobald durch dise wunderwerk ihne von seinem gefassten vorhaben wölle abwenden. Als solches der landherr sampt dem ganzen volk... angesehen auch... gnugsamen bericht eingenommen, seien sie alle auf ihre knie nidergefallen, gott zu bitten, was ihnen in disem wunderbarlichen fall zu thuen seie... Ist ihnen innerlich inspiriert worden, dises heiligtumb... in ihren landen zu behalten und solches mit billicher ehr zu verehren. Darauf der landherr sampt dem ganzen volk ein gelübd gethan in disem ort, da... benantes heiligtumb unbeweglich stehen verbliben, ein capell und kirchen zu ewiger gedächtnus dises ... wunderwerks zu erbauen, daselbsten das... heiligtumb in höchsten ehren zu verwahren und aufzuhalten. In augenblick... nach erst angedeuttem geschehenen gelübd... [hat man] den stab... ohne ferneres bemühen könden zuhanden nemmen. Nach welchem dann sowol durch einmütige stimm und willen des vorgedachten landherren so auch des gegenwertigen versambleten volks... hat man angefangen erstlichen das heiligtumb in einer absünderlichen capellen mit gebührender ehr zu verwahren. Und weilen alsobald. . . bei benantem heiligen partikel. . . underschiedliche wunderwerk sich zutrugen,... [ist] wegen des ohnzahlbaren zu diesem heiligtumb anwallenden volks... an demjenigen ort, da der diener

seinen stab hingestellt,... ein schöner... münster,... ja auch eine ganze stalt erbauen worden, welche noch zu unseren zeiten von dem gewesten tannenwald Thann geheissen wird.

Und haben wir dieses aus kundbarer relation etlicher und vieler glaubwürdiger betagter leuten... Sovil kürzlichen von der translation des heiligen. Theobaldi heiligtumbs.

Es ist auch zu erachten, es seie derjenige alte löbliche brauch der statt Thann, in deme drei grosse bäum, so kerzen' genennet, auf den abend translationis S. Theobaldi den ersten Juli vor dem münster dises unsers patrons angezündet und verbrennt werden, entsprungen von den vorangedeuten dreien hellen liechtern, welche graf Engelhart ob dem tannenwald... gesehen, zu ewiger gedächtnus des geschehenen wunderwerks von unsern alt vordern angestellt.

Als diejenigen Punkte, welchen der Bericht eine besondere Bedeutung beimisst, fallen ins Auge die Angaben: 1. dass die Thanner Reliquie ein Daumen des am 16. Mai 1061 verstorbenen umbrischen Bischofs Ubald von Gubbio und am 1. Juli desselben Jahres nach Thann gebracht worden sei; 2. dass der von des Bischofs Kammerdiener entwendete Finger durch ein Wunder die Stätte seiner Aufbewahrung und Verehrung selbst bezeichnet habe; 3. dass Landesherr und Unterthanen am genannten Tage den Bau einer Kirche zu Ehren des Heiligen gelobt haben, und die Ausführung des Gelübdes den Grund zur Stadt Thann gelegt; 4. dass die Abbrennung der drei Tannen am Vorabend des Patronstages durch das dreimalige vom Landesherrn geschaute Aufleuchten eines Lichtes über der Tanne, an welcher der Pilgerstab mit der Reliquie lehnte, veranlasst sei.

Die Erwähnung, dass die Reliquie selbst wunderbar kundgegeben, wo sie bleiben wolle, ist ein in den Erzählungen von Reliquienübertragungen so typischer Zug, dass er von der weiteren Betrachtung ausgeschieden werden darf. Es genügt hier an zwei ähnliche sagenhafte Vorgänge, die sich nicht weitab von Thann zugetragen haben sollen, zu erinnern, an die von Matthäus Berler' berichtete Translation des Hauptes des heiligen Valentin nach Rufach und die Legende von der Ankunft der Gebeine der hl. Gervasius und Protasius in AltBreisach, wie sie die bildliche Darstellung auf dem herrlichen Reliquienschrein im Kirchenschatz des dortigen Münsters uns vorführt. Eingehender haben wir uns mit dem ersten Punkte zu befassen.

1. In älteren und gleichzeitigen Aufzeichnungen sowie jetzt noch in der Volkssprache heissen sie Facklen».

2. Code diplomatique de la ville de Strasbourg I, 2, S. 13 und 17.

« السابقةمتابعة »