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sagt, einen französischen Cyklus vom Graal. Da Wolfram aus diesem die Geschichte Parzivals ausgelesen hatte, wollte er die Begier nach dem Ganzen stillen und folgte dem französischen Gedicht so genau, dass er überall sagt, wohin jeder Theil des Parzivals gehöre. So erzählt er 36, 64 von Secundillen ein Mähre, das längst gesprochen sey, aber sich hier (in der deutschen Abenteuer) nicht finde; die Heidin Ecuba habe es Artus. gesagt, nachdem Parzival fortgeritten sey: das heifst, es folgte in dem französischen Buche auf den 333 sten Abschnitt des Parzivals (nach Z. 9950). Als den einzigen Zweck des Erzählens giebt er sehr oft die Lehre der Tugend an, und er hat überall, die Geschichte unterbrechend wie es nur ein wenig theilnehmender Dichter kann (mithin unter allen am wenigsten Wolfram von Eschenbach), unzählige moralische und theologische Betrachtungen eingestreut. Dazu hat er nicht nur viel einzelne Stellen aus Wolframs Werken theils nachgeahmt, theils auf sie angespielt, sondern sich auch bestrebt seinen gesammten Stil, das Ungewöhnliche, Kecke, Eigensinnige, ja Wunderliche desselben überall nachzubilden und zu überbieten. Ihm entging, dass er dadurch unleidlich albern ward und doch Wolframs Gewalt und Tiefe auch nicht von fern erreichte, von seiner Wahrheit und Innigkeit aber in den vollkommensten Gegensatz gerieth.

Also ein zweyter Eschenbach, nur kunstreicher und lehrhafter, wollte er seyn, und er ward nach dem Vf. ein verworrener unentwickelter Dante. Die Tendenz des Gedichtes soll seyn, die christliche Weltvorstellung in allen ihren Momenten poetisch. auszudrücken (S. 92), alles, was irgend in Staat und Kirche, in Kunst und Wissenschaft das deutsche Mittelalter bewegt habe, wenn nicht weitläufiger zu betrachten, wenigstens zu erwähnen (S. 55).

War das die Tendenz der Fabel oder des deutschen Gedichts? Der Vf. meint: die weitschichtige Fabel enthielt alles 622 was zum Leben gehört, und der Dichter benutzte sie überall seine Betrachtung des Lebens daran zu knüpfen. Er unterscheidet diefs aber selten, und spricht meistens so, als ob die Fabel auch von dem Dichter oder die Betrachtungen auch aus dem französischen Buche seyen.

S. 59 75 hat er den Inhalt des Titurels in seine mannich

fachen Bestandtheile zerlegt, - im Abendlande die dunkle heilige Ritterschaft des Graals neben Trefrizents Einsiedlerleben, die weltlichen Ritter um Artus mit ihren verschiedenen Charakteren, Kriege und höfische Lust, Sigunens jungfräuliche Liebe und Wehklage, Ekunat, Orilus und das Brackenseil, im Morgenlande der Baruk Ackarin mit seinen Feinden und Gamuret und Schionatulander, der König von Marroch mit seinem Zauber, der Priester Johann und Indien. Allein es ist offenbar, dass in diesem allem sich noch nicht das gesammte Leben abspiegelt: wo kommt darin z. B. die Ordnung der Gemeine, wo das Verhältniss der Dienenden und Gebietenden in Frage? Zielte gleich. wohl die Fabel auf ein Bild des gesammten Lebens, so muss man die Absicht dem Dichter des französischen Buches zuschreiben, nicht dem Vf. des Titurels, der alle Sagen in ihrer Ordnung aus jenem nahm: am allerwenigsten aber darf man die Absicht Wolfram von Eschenbach unterschieben. Dieser hatte Parzivals Fabel für sein Gedicht ausgesondert, doch wohl ohne Zweifel, weil er in dieser sich einer poetischen Einheit bewusst ward, nicht aber in der ganzen verworrenen Masse des Cykius vom Graal. Er that also, was gute Dichter jederzeit gethan haben, zumal aber der beste von allen, nämlich das Volk: einer unverständlichen Sage ist eine neue, nicht eben absichtlich gesuchte, sondern gefundene Einheit untergelegt worden; der Dichter hat, den gesammten Stoff und den äufsern Zusammenhang der Begebenheiten mit treuer Gewissenhaftigkeit bewahrend, die Fabel doch neu erfunden. Darum ist der Wunsch, den der Vf. (S. 57) Görres nachgesprochen hat, unkünstlerisch, es möchte Wolfram gefallen haben den Titurel und den Parzival in einander zu schmelzen oder vielmehr sie in ihrer Vereinigung zu lassen. Das zu thun, aber dabey den inneren Sinn der Sage zur Anschauung zu bringen, ist eine Aufgabe, nicht sowohl dem Dichter gestellt als dem Mythologen, und eine höchst schwierige, die ein Absondern, neues Verbinden, Läutern, Ergänzen und Deuten der einzelnen Theile der Sage heischt, wie es vielleicht aus den bis jetzt bekannten Überlieferungen noch nicht einmal möglich ist, am wenigsten aber aus einer so unreinen Quelle als das Sagenchaos des französischen Titurels augenscheinlich gewesen ist. Hier freylich und in der Verdeutschung ist kein das Ganze leitender Gedanke, wenn man nicht,

wie der Vf., zu einer blofsen Abstraction seine Zuflucht nehmen will: denn für nichts anders kann man die 'Darstellung des gesammten Lebens' ansehen, wenn sie Tendenz eines einzelnen epischen Gedichtes seyn soll. 623 Die theologischen und moralischen Betrachtungen, welche der deutsche Dichter willkürlich an jeden Punkt der Erzählung knüpft, sind wahrscheinlich ganz sein Eigenthum und wohl einer noch etwas genauern Erwägung werth, als sie ihnen S. 76-79 zu Theil geworden ist unter den Rubriken 'Reflexion in die Natur, geschichtliche Parallelen, Reflexion in die Kunst, Reflexion in die Religion.' Vielleicht hätte sich dann manches Merkwürdige gezeigt. So ist z. B. die beständige geistliche Deutung des Graals, welche, durchgeführt, die ganze Sage zur Allegorie machen würde, gar nicht in der Weise der übrigen romantischen Gedichte. So würde die nähere Betrachtung der Dogmatik des Dichters sie meistens als strengkirchlich gezeigt haben, sehr verschieden von der Wolframs von Eschenbach, welcher z. B. sich der Anrufung und göttlichen Verehrung der heiligen Jungfrau durchaus enthält, welcher die Verdammung der Heiden ausdrücklich leugnet. Der Vf. hat nur etwas ganz Äufserliches richtig bemerkt, dass im Titurel die Betrachtungen weit häufiger sind als in den andern erzählenden Gedichten, oder wie er S. 53 sagt, dass 'der Titurel das epische Element mit dem theoretischen mehr ausgeglichen hat, keineswegs aber, nach der Sprache der Schellingischen Schule, beide Pole schon zur Indifferenz gebracht.' Aber nun fragen wir wieder: Ist in diesen Betrachtungen das gesammte Leben der Zeit erschöpft? Stehn sie in irgend einem Zusammenhang? Gehn sie von einem Gesichtspunkt aus? Strebte der Dichter nach der Universalität, die der Vf. für die Tendenz seines Gedichtes ausgiebt? Wie vielerley es war, was das Leben in jener Zeit bewegte, kann man aus Freidanks Bescheidenheit lernen, in welchem Buche die unter dem Volke gangbaren Sprüche, zum Theil wohl in einer neuen und regelmässigeren poetischen Form, zusammengereiht worden sind, auf eine höchst geistreiche Weise, so dass die sich widerstreitenden Ansichten neben einander gestellt und durch die Gegensätze auf die Wahrheit gedeutet wird. Im Titurel aber wird man nichts anders finden, als ein absichtliches beschwerliches Haschen nach einzelnen Lehren und Be

trachtungen, die der Dichter seiner Erzählung einzufügen für dienlich hielt.

Wenn aber dem so ist, wo bleibt die Vergleichung mit Dantes Komödie? Der Vf. sagt S. 95: 'Auch der Titurel legt allen Inhalt des damaligen Bewusstseyns aus und zwar, wie Dante, denselben durchdrungen vom Geist der christlichen Religion. Allein er hat jenen Inhalt viel abstrakter formirt, in esoterischer Weise, welche nur wenigen Gebildeten, nicht aber dem Volke und noch minder dem Sinn anderer Völker zugängig ist.' Versuchen wir diesem Satze, welcher den Mittelpunkt der 624 ganzen Vergleichung enthält, das Unrichtige und bereits Widerlegte, so wie den starren Formalismus der schulmäfsigen Ausdrücke abzustreifen, so ergiebt sich folgendes als der Kern dieser Vergleichung: Wie Dantes Gedicht, in der Form der Erzählung von einer Reise, eine tiefsinnige und zugleich anschauliche Betrachtung des jenseitigen Lebens in Beziehung auf das gegenwärtige seyn will und ist, so sind im Titurel moralische und theologische Lehren und Betrachtungen, wie sie dem Dichter eben einkamen, an jeden beliebigen Punkt einer weitschichtigen, der innern Einheit ermangelnden, Erzählung angeknüpft. Das ist aber eine Vergleichung, bey der an den Verglichenen nichts ähnlich ist, als dass sie beide sowohl Erzählung als Betrachtung enthalten.

Eine von andern aufgestellte Vergleichung zweyer Dichter ist angewandt auf ein Werk eines derselben und das eines andern in dieser Anwendung ist bey dem einen Werke der gegebene Stoff mit der Arbeit des Dichters verwechselt, dieser ein anderer Zweck, als den der Dichter wollte, untergelegt: die Vergleichung, so weit sie Wahrheit enthält, beruht auf keiner wesentlichen Ähnlichkeit. Der mit guten Anlagen begabte Vf. hüte sich nur stets vor dem Irrthum, als ob durch den pedantischen Gebrauch der Formeln einer bestimmten Schule philosophische Begründung gegeben werde. Hoffen lässt sich allerdings von ihm, dass er auf den Weg der treuen Forschung herabkommen und sich denen bescheiden anschliefsen werde, welche Wissenschaftlichkeit und Fleifs gleich hoch schätzen.

Lachmann.

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Über althochdeutsche Betonung und Verskunst.

Erste Abtheilung.

[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 21. April 1831 und 3. Mai 1832.] Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1832. Berlin 1834. Historisch -philologische Klasse.

Der deutsche Versbau hat immer, so lange wir ihn kennen, auf dem Accent beruht, wenn wir einige bis auf eine Art von Reim fast regellose Werke der äussersten Verwilderung ausnehmen, die jedoch auch im zwölften und im sechzehnten Jahrhundert bei weitem nicht allgemein war. Aber ganz anders herscht der Accent in den romanischen Versen, deren Silben gezählt, aber die mehrsten willkürlich betont sind: die festen Accente ruhn auf bestimmten Silben gegen das Ende der Versabschnitte. Diese Art ist dem strengen Tact wenig günstig: ja die cesura Siciliana des italiänischen endecasillabo widerstreitet ihm gänzlich durch ihren Accent auf der siebenten Silbe (Se la mia vita da l'áspro tormento). Hingegen der deutsche Vers, besonders der ältere, bis gegen das sechzehnte Jahrhundert wo die romanische Form überwiegt, hat eine bestimmte Zahl Fülse, das heifst Hebungen die in höher betonten Silben bestehn als je die nachfolgende Senkung: und die Senkungen vor oder zwischen den Hebungen dürfen auch ganz fehlen. Die Eigenthümlichkeit aber der alt- und mittelhochdeutschen Verse besteht nun in zweierlei. 1) Wo zwischen zwei Hebungen die Senkung fehlt, muss die Silbe lang sein durch Vocal oder Consonanten. Und zu diesem durchbrechenden Princip der Quantität kommt 2) die rhythmische Beschränkung, dass nur der Auftact allenfalls mehrere Silben zulässt: die übrigen Senkungen dürfen nur einsilbig sein. Durch diese Beschränkungen unterscheiden die hochdeutschen Verse sich namentlich von den nordischen, angelsächsischen

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