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Nanna. Wie im Baldrmhthus haben wir bei Siegfried die Beängstigung durch Träume, die besorgte Liebe, die den Geliebten behüten will und in ihrer Angst ein verhängnisvolles Geheimnis ausplaudert, den schimpflichen Verrat, den heimtückischen Mord, die Forderung der Rache, bis das Recht wiederhergestellt ist.

Als Kern der Sage wollen die einen den Tagesmythus erkennen: Der Lichtheros erlegt am Morgen den Nebeldrachen und weckt die auf dem Himmelsberge schlafende Sonne, die in der Morgenröte erscheint; am Abend aber erliegt er den düsteren Nebelmächten, welche die Sonne wieder in die unterirdische Tiefe ihres Nebelreiches versenken (Paul I, 1 6. 25). Andere deuten den Siegfriedmythus als Jahresmythus: Brunhilds Befreiung ist die Erlösung der Erde aus den Fesseln des Winters durch die fiegende Macht der Frühlingssonne. Siegfrieds Tod ist die Überwindung der strahlenden Sommersonne durch die winterlichen Mächte der Finsternis.

Die Nibelungen find die unterirdischen, streit- und zauberkundigen Mächte, die den verhängnisvollen Goldschaß, den Hort, hüten. Ihr Land, deffen Lage schwankend und unbestimmt bleibt, ist Niflheim, das Reich der Totengöttin Hel, das Land des Todes. Wer ihr Gold hat und sein Herz daran hängt, der trägt ihren Namen und ist dem Tode verfallen.

3. Die Entstehung des Nibelungenliedes.

Aus Mythen, Volkssagen und Volksgesängen, die seit alten Zeiten, besonders seit der Völkerwanderung, im Volksmunde lebten, ist unser größtes Nationalepos entstanden, das wir getrost der griechischen Ilias Homers an die Seite sezen dürfen. Aber welch weiter Weg und welch verwickelter Werdeprozeß vom Ursprunge der Sagen und Lieder bis zur vollendeten Schöpfung unseres Volksepos! Nur flüchtig angedeutet werden kann dieser Weg und dieses Werden, denn beides liegt in Dunkel gehüllt.

Aus grauer Vorzeit klangen die Mythen von den Göttern, die in Menschenweise walteten, herüber und setzten Gemüt und Phantasie in Bewegung. Mythen- und Sprachbildung sind ja die Urpoesie der Menschheit, Singen und Sagen von dem Gehörten und Erlebten ein unwiderstehlicher Lebenstrieb des Volksgeistes. In der Zeit der Völkerwanderung, da das Christentum eindrang und mehr und mehr den heidnischen Glauben und die heidnischen Vorstellungen zerstörte, nahmen die mythischen Helden bekannte menschliche Namen und Züge an. Die Völkerwanderung mit ihren ungewöhnlichen Ereignissen, ihrem Völkergewimmel, ihrem Thatendrange, ihren fortwährenden Berührungen mit Fremden gab der Sagenbildung und Volksgesangdichtung neue Impulse und neue Stoffe. Als die Welt auszuruhen begann von den Stürmen der Völkerwanderung und den Kämpfen der merowingischen Zeit, da waren Volksphantasie und Volksliebe besonders geschäftig, die volkstümlichen Sagenstoffe zu gruppieren, zu krystallisieren und zu vertiefen. In der Ruhe nach dem Sturme

wurden die edlen Reben gepflanzt, aus denen ein späteres kunstsinniges Geschlecht den edlen Wein unserer großen Volksepen kelterte." Um bestimmte Mittelpunkte entstanden Sagenkreise, die manches gemeinsam hatten, in manchem sich berührten, in vielem sich ergänzten. So krystallisierten sich die niederrheinischen oder fränkischen Sagen um Siegfried, die mittelrheinischen oder burgundischen um die drei Königsbrüder Gunther, Gernot und Geiselher, ihre Schwester Kriemhild und ihre Mannen Hagen, Volker u. a.; die hunnischen um Ezel, seine erste Gemahlin Helke oder Helche, seinen getreusten Dienstmann Rüdiger von Bechlaren u. a.; der ostgotische um Dietrich von Bern, seinen alten Waffenmeister Hildebrand aus dem Geschlecht der Wölfinge u. a. Die Städte, um welche sich diese Sagenkreise spannen, waren Santen am Niederrhein, Worms am Mittelrhein und Ezelnburg (Ofen oder Gran) an der Donau. Tronege, durch Buchstabenversehung entstanden aus Tornacum Doornick, Tournay, ist der frühere fränkische Königssiz, Meß der spätere.

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Die Sagen und Lieder dieser Kreise gingen von Mund zu Mund, erhielten Zusäße und Abänderungen, wurden aber nicht aufgeschrieben; denn das lebendige Wort war damals die einzige Brücke zwischen den Seelen. Je mehr christlicher Geist und christliche Sitte zur Herrschaft kamen, desto mehr verschwanden aus den Volksgesängen die rohen, heidnischen Elemente, die Riesen, Zwerge, Drachen und Wunder, desto mehr milderten sich die Derbheiten und Natürlichkeiten, verwischten sich anstößige Verhältnisse bis zu schwachen Spuren, und desto mehr drangen christliche Anschauungen und veredelte Sitten in Sage und Volkslied. Ein langer Kampf entspann sich zwischen den fahrenden Sängern, welche die ursprüngliche Form der Volksgesänge festhalten wollten, und den geistlichen Dichtern in den Klöstern, die sie verdrängen oder doch in geistlichem Sinne umbilden und färben wollten. Zu einem vollen Siege gelangte die geistliche nicht über die weltliche Dichtung, am wenigsten in Bayern und Österreich; aber zu allerlei Zugeständnissen, Zusäßen, Weglassungen, Umdichtungen u. s. w. bewog der kirchliche Einfluß doch die fahrenden Spielleute. Unter den vielen Sagenstoffen, die aus alter Zeit im Volksmunde weiterlebten und von Sängern bei Festen singend und sagend vorgetragen wurden, scheint der Nibelungenstoff der vornehmste gewesen zu sein. In ihm flossen jene oben genannten vier Sagenkreise in einander. Er führte in die gewaltige Zeit der Völkerwanderung, verherrlichte die beliebtesten Sagenhelden, den Nibelungen Siegfried und den Amelungen Dietrich, malte ein erschütterndes Aufeinanderprallen und großartige Vernichtungskämpfe von Völkern unter Ezel und zeigte die verhängnisvolle Macht des roten Goldes und den Fluch der Untreue.

Karl der Große ließ die deutschen Volkslieder sammeln und aufschreiben, aber leider ist die Sammlung verloren gegangen. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in der glanzvollen, geistesregen und kunstsinnigen Hohenstaufenzeit, unternahm es ein gottbegnadeter Dichter

aus den höfischen Kreisen Österreichs, die Lieblingsstoffe der Nation zu sammeln und zu einem Epos zu verschmelzen, das nun nicht mehr zum Singen, sondern zum Vortrage an den Höfen bestimmt war und deshalb auch den gesteigerten Anforderungen der metrischen Technik sowie der neuen höfischen Anschauungsweise und Geschmacksrichtung gerecht zu werden versuchte. In den Mittelpunkt des Interesses tritt Kriemhild; den Inhalt des Ganzen bildet nun die große Tragödie von Kriemhildens Liebe, Leid und Rache. Den Namen des Dichters wissen wir nicht; bescheiden tritt er hinter sein Werk zurück. Nicht Schöpfer, nur Sammler und Ordner des Volkseigentums und Dolmetscher der Volksseele wollte er sein. Die Wundermären alter Zeiten will er melden, nicht aber Neues dichten. Und doch ist er ein wahrer Dichter, der ebenso genaue Fühlung mit dem Volksleben wie mit dem Hofleben, ebenso feines Verständnis für die Volkspoesie wie für die Geseze der poetischen Kunst hat. Auf die Zeit der Entstehung weisen im Epos selbst die poetischen Niederschläge aus der Periode der Kreuzzüge und der Blüte des Rittertums hin. Der Donauweg ist der Weg der späteren Kreuzfahrer. Der Orient (Arabia, Libya, Marocco, Zazamank 2c.) mit seinen köstlichen Erzeugnissen, den erst die Kreuzzüge erschlossen, wird öfter erwähnt. Das Lehnswesen, die Hofämter, das ganze ritterliche Leben führt uns in das ritterliche Zeitalter. Den Dichter des Nibelungenliedes bestimmt zu ermitteln, hat trog alles Suchens und Forschens nicht gelingen wollen. A. W. v. Schlegel wollte Heinrich von Ofterdingen dazu stempeln. Andere bezeichneten den großen Wolfram von Eschenbach als den Dichter oder Bearbeiter. Neuerdings hat man Kürnberger genannt, weil er die Nibelungenstrophe zuerst in einem Volksliede angewandt hätte.

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Der scharfsinnige Nibelungenforscher Lachmann glaubte in zwanzig Volksliedern den Grundstoff und die Grundgestalt des Nibelungenliedes zu erkennen und schied sie mit kühnen, scharfen Strichen von den Zuthaten des späteren Dichters, der sie nur durch dazwischen geschobene Lieder und Strophen zu einem organischen Ganzen verbunden habe. Sollte es so sein, so bleibt es immer erstaunlich, wie die Lieder bis in die einzelnen Züge zusammenstimmen, und wie fein sie bis in die einzelnen Zähne und Räder in einander greifen. So interessant und des Forschens wert die Entstehungsart des Nibelungenliedes ist, wichtiger und erfreulicher ist und bleibt doch der Besiz und der Genuß des Kunstwerks.

II. Wort- und Sacherklärung; deutsches Zeit- und Sittenbild nach dem Nibelungenliede.

Die Handlung des Nibelungenliedes führt uns in die Zeit der Völkerwanderung, die dichterische Behandlung aber in die Zeit der Hohenstaufen. Der Dichter, welcher die alten Volksgesänge zu einem Volksepos umschuf, hat nur wenige kulturhistorische Züge jenen alten Zeiten entlehnt, vielmehr die Anschauungen seiner eigenen Zeit in die Sagenstoffe getragen und ihnen damit die bezeichnende Färbung gegeben. Ein deutsches Zeit- und Sittenbild nach dem Nibelungenliede wird also wesentlich die Züge des zwölften Jahrhunderts tragen.

1. Kirchliches Leben. Besonders auffällig ist der Widerspruch zwischen der Zeit der Handlung und der Behandlung in Hinsicht auf das kirchliche Leben. Die alten Sagen und Volkslieder trugen viele heidnische Züge an sich. Der Dichter tilgte diese, soweit es anging, und ersehte sie durch die Anschauungen seiner Zeit; doch vermochte er durch diese äußerlichen Zuthaten das Wesen der alten Stoffe nicht zu ändern. Daher kommt es, daß im Nibelungenliede die kirchlichen Sitten des 12. Jahrhunderts erwähnt werden, daß Münster gebaut, Klöster gegründet, Früh- und Totenmessen gehalten, Glocken geläutet, Kirchen besucht, Rosenkränze gebetet werden, aber alles bleibt rein äußerlich, ohne daß Herz, Gesinnung und Leben vom Geiste des Christentums durchdrungen und geheiligt wären. Nur gegen das Ende der Dichtung spricht Hagen:

Tretet in die Kirche mit lauterm Herzen ein!"

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Im Angesichte des Todes mahnt er zur Einkehr, zur Selbstprüfung und Beichte. Sonst meint der Dichter: Schwach war der Glaube in jenen Zeiten noch." Nur noch Berg- und Wassergeister greifen in die Geschicke der Menschen geheimnisvoll ein, aber die oberen Götter sind aus dem Volksbewußtsein geschwunden. Dagegen hat sich mancher Aberglaube, wie z. B. die Bahrprobe, erhalten. Bei derselben beginnen die Wunden einer Leiche aufs neue zu bluten, wenn der Mörder herantritt. Auch der Glaube an allerlei Ungetüme, wie Lindwürmer und Drachen, ist nicht ausgestorben. Der „Linddrache" bedeutet einen Schlangendrachen, von lint, d. h. Schlange, nach ihrer schleichenden Art, und draco, fabelhaft große Schlange.

Christen und Heiden leben und verkehren unbefangen mit einander, scheiden sich aber bei manchen Speisen von einander. Für Kriemhild hat der Gedanke etwas Zurückschreckendes, „ihren Leib einem Heiden zu geben". Es werden Bischöfe als Oberhirten, Bischof Pilgerin von Passau als mächtiger Kirchenfürst und Oheim der burgundischen Könige erwähnt. Die Pfaffen“ sind Berater und Geschäftsführer der Fürsten, ohne doch durchschlagenden Einfluß zu haben. Der Name Pfaff (von dem lat. pâpa) ist durchaus kein Schimpfwort. Es sind schon herrliche Münster und Dome gebaut, wohin Glockenklang täglich die Gläubigen zur Früh

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messe rust. Kriemhild versäumt selten eine Frühmesse. Dem Könige wird die Frühmesse gesungen. Im Gottesdienste wird die im Ringe der Verwandten geschlossene Ehe geweiht. Man schwört beim Herrn Christ. Man betet den Rosenkranz (der erst 1208 vom heil. Dominikus in seinem Orden eingeführt wurde). Man fürchtet sich vor dem Teufel und nennt ein böses Weib Teufelin. Man bittet für die Toten, stiftet für sie mit großen Opfern an die Kirche Totenmessen, erbaut und begabt Klöster als ihr „Seelgerät“. Auf Reisen begleitet der Kaplan den Fürsten und führt ein Kapellengerät zu gottesdienstlichem Gebrauche und ein Heiltum, d. h. eine heilkräftige Reliquie in einem Kästchen, mit sich. Der tote Siegfried wird in einen Sarg von Gold und Silber, mit Stahl beschlagen, gelegt, und an dem Sarge wird Totenwache gehalten. Die Königin Ute gründet ein Kloster und wahrt sich am Münster ein Gezimmer, um sich dahin vor dem Geräusch der Welt zurückzuziehen, dem Gebete und frommen Betrachtungen obzuliegen.

2. Rittertum. Wie das Rittertum dem Mittelalter seinen eigenartigen Charakter aufdrückt, so ist auch Rittersinn, Ritterdienst und Rittertreue die Seele des Nibelungenliedes. Ritter (von Reiter) waren ursprünglich Krieger zu Roß, später die tapfersten und edelsten (adeligen) Kämpfer. Sie wurden Degen genannt. Besonders tapfere Kämpfer hießen Weigande, junge Ritter, die eben erst wehrhaft gemacht waren, Schwertdegen, verbannte und heimatlose Helden Recken, stürmische und gefährliche Kämpfer geschwinde Helden, in allen höfischen Sitten erfahrene Ritter zierliche Degen. Die Ritter standen im Lehn der Könige und waren diesen zu Dienst und Treue verpflichtet. Mannentreue bis zum Tode ist der Grundzug deutschen Wesens, insonderheit des Rittertums.

Die höfische und ritterliche Schule unterschied bei der Ausbildung der Edeln die drei Stufen des Pagen, des Knappen und des Ritters. Vom 7. bis 14. Jahre dienten die adeligen Knaben bei einem Ritter als Pagen. Auch wurden sie Hofmeistern in Zucht gegeben, so Ezels Sohn Ortlieb, oder an befreundete Höfe und zu bekannten Helden gesandt. Im 14. Jahre wurden sie durch Umgürtung eines Wehrgehenks vor dem Altar wehrhaft gemacht und begleiteten nun ihre Herren als Knappen, Waffenträger oder Kampfhelfer, auf allen Fahrten zu Lust und Leide. Hatte sich der Knappe bewährt, so erfolgte meist im 21. Jahre mit großer Feierlichkeit bei dem Feste der Schwertleite der Ritterschlag. Feierlich mußte der junge Ritter am Altar geloben, die Kirche zu ehren, die Ungläubigen zu bekämpfen, die Wahrheit zu reden, das Recht zu verteidigen, im Dienste der Frauen treu und gewärtig zu sein, Wehrlose, Witwen und Waisen zu beschirmen. Hierauf ward er von Rittern oder Damen mit den goldenen Sporen, dem Panzerhemde, dem Küraß, den Armschienen und dem Schwerte geschmückt und erhielt von einem Fürsten oder bewährten Ritter drei Schläge mit dem flachen Schwerte Epische Dichtungen. 3. Aufl.

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