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Das Nibelungenlied.

Übersetzt von Karl Simrock. 35. Aufl. Stuttgart 1877, J. G. Cotta. (Benußte Litteratur: Das Nibelungenlied, herausgegeben von Fr. 3arnce. 5. Aufl. Leipzig 1875, Georg Wigand. Das Nibelungenlied für das deutsche Haus, nach den besten Quellen bearbeitet von Emil Engelmann. Stuttgart 1885, Paul Neff. Das Nibelungenlied. Überseßung der Handschrift A nebst Vorwort und Einleitung von Werner Hahn. Stuttgart, Kollektion Spemann 70. Die Nibelungen, herausgegeben von Paul Piper. Berlin und Stuttgart, W. Spemann.-H. Paul, Grundriß der germanischen Philologie. Straßburg 1893. Geschichte der deutschen Nationallitteratur von Vilmar. 21. Aufl. Marburg und Leipzig 1883. Geschichte der deutschen Litteratur von Wilh. Scherer. 2. Aufl. Berlin 1884. Die Nibelungen in der deutschen Poesie, Programm-Abhandlung von K. Rehorn. Frankfurt a. M. 1876.)

I. Vorbereitung.

Wie der Dom zu Köln und das Münster zu Straßburg als steinerne Denkmäler des Mittelalters ein stummes und doch verständliches Zeugnis von dem Glauben unserer Väter ablegen, so sind Nibelungen- und Gudrunlied die beredtesten Zeugen von dem Lieben und Hassen unserer Altvordern in jener Zeit.

Aber auch von dem Denken und Thun, dem Wetten und Wagen, den Leiden und Freuden, den Festen und Kämpfen, den Jagden und Heerfahrten unserer Vorfahren geben die beiden Heldenlieder Kunde, so daß wir in ihnen einen treuen Spiegel des deutschen Charakters und des deutschen Lebens aus dem 12. Jahrhundert haben, eine zuverlässigere Kulturgeschichte als manche historische Quelle.

Das Nibelungenlied ist zwar der Stolz, aber noch nicht genugsam die Freude jedes gebildeten Deutschen. Noch immer wird es mehr gepriesen als gelesen und ist weniger Volkseigentum geworden, als es verdient. Noch immer hat sich Johannes v. Müllers Hoffnung, daß es eine nordische Flias werden könne", und Aug. Wilh. v. Schlegels Wunsch, „daß jede höhere Schule das Buch neben die Bibel stellen möge", nicht ganz erfüllt.

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Doch hat kein anderes Erbteil aus grauer Väterzeit so wie das Nibelungenlied dem deutschen Nationalbewußtsein, der deutschen Sprachund Altertumsforschung und der deutschen Kunst mächtige Impulse gegeben. Mehr, als viele glauben und wissen, nimmt es mit seinen Namen, Anschauungen und Redewendungen einen breiten Raum in unserer Vorstellungswelt und Sprache ein. Die liebliche und schreckliche Kriemhild, die übermütige Brunhild, der lichte, freudige Held Siegfried, der grimme Hagen, der fröhliche Fiedler Volker, der edle Rüdiger von Bechlaren, die kühnen

Degen und geschwinden Recken, der greise Zwerg Albrich, seine unsichtbar machende Tarnkappe, der Hort des roten Goldes u. v. a. find auch solchen geläufig, die das Nibelungenlied nie ganz gelesen haben. Unser Heldengedicht ist der Mutterboden geworden, auf dem die Germanistik, die Wissenschaft von deutscher Art und Sprache, erstarkte. Es hat dem poetischen Geschmack eine entscheidende Wendung, den Dichtern neue Stoffe und Formen gegeben, zur Sammlung unserer Volkslieder, z. B. in Des Knaben Wunderhorn", angetrieben, den Sinn und Trieb für Erneuerung unserer gotischen Baudenkmäler gefördert, der Malerkunst, 3. B. eines Peter Cornelius und Jul. Schnorr v. Carolsfeld, neue, packende Stoffe geliefert und dem musikalischen Genie eines Richard Wagner den Antrieb zu seinem großartigen Bühnenspiel „Der Ring der Nibelungen“ gegeben.

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Wie das Nibelungenlied als poetische Schöpfung die duftigste Blüte des deutschen Volksgeistes und Volkslebens im Mittelalter ist, so haftet es auch mit seinen äußeren Wurzeln, den Thatsachen, ganz in dem Boden des deutschen Vaterlandes. Die Lektüre desselben knüpft an viele bekannte Vorstellungen aus der deutschen Geographie, Mythologie, Geschichte, Sage und Poesie an.

Wir begegnen den geographischen Namen: Rhein, Worms, Santen (Xanten), Odenwald, Donau, Passau, Wien, Gran, den historisch-geographischen: Burgunder, Franken, Sachsen, Thüringer, Bayern, Dänen, Heunen oder Hunnen, den historischen: Gunther, Ezel, Dietrich von Bern, Pilgerin von Passau, den mythischen und sagenhaften: Niflheim, Hort, Albrich, Tarnkappe, Linddrache, hürnen Siegfried, Walküre, Waffenmeister Hildebrand 2c. Wir werden erinnert an unsere Volkssagen, Volksmärchen und Volksbücher, an Klopstocks vaterländische Oden, die aus jenem Born Antrieb und Begeisterung schöpften, an Platen, der den unsterblichen Dichter der Kriemhild pries, „der nicht stümperte, nicht christelte und doch homerisch sang und einfach“, an „Volkers Nachtgesang“ von Geibel (III, 72), an „Jung Siegfried“ von Uhland (II, 363), an Felix Dahns Gotentreue" (II, 182), an die Nibelungen" von Friedr. Hebbel und von Wilh. Jordan mit der gewandten Alitteration, an G. Pfarrius' erzählendes Gedicht „Chriemhildens Rache“, an Geibels Drama „Brunhild“, an Max von Schenkendorfs „Lieder am Rhein", in denen er die Gegenwart an die Vergangenheit knüpft. Auf der Wanderung in Worms" gedenkt er, „daß Hagen hier erstochen das Siegelindenkind", und daß seine Zeit soeben Hagens böse That aufs neue erlebt hat"; den Nibelungenhort sieht er aus dem Rheine glänzend neu erstanden: Es sind die alten Ehren,

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Die wieder ihren Schein bewähren:

Der Väter Zucht und Mut und Ruhm,
Das heil'ge deutsche Kaisertum.“

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Ehe wir in den wundervollen Bau der Dichtung eintreten, wollen wir zuvor einen Blick auf das Baumaterial werfen.

1. Die historischen, sagenhaften und mythischen Grundstoffe des Nibelungenliedes.

Den historischen Kern der Dichtung bildet der Vernichtungskampf zwischen den Burgundern und Hunnen in der Zeit der Völkerwanderung.

Die Burgunder waren ein großer deutscher Volksstamm, der von der unteren Weichsel nach mancherlei Zügen und Kämpfen etwa gegen 370 an den mittleren Rhein bei Worms gelangte und da Wohnsize nahm. Um 413 dehnte ihr König Gundahari (Gunther) sein Reich gegen Gallien hin aus. Nach dem Berichte des Chronisten Prosper, dessen Chronik bis 444 reicht, besiegte ihn der römische Feldherr Aetius und zwang ihm und seinem Volke einen ungünstigen Frieden auf. Nicht lange währte derselbe. Nach dem Berichte des Chronisten Idacius (über die Zeit von 379-468) geriet König Gundahari mit den Hunnen in Krieg, wobei er 437 fiel und sein Volk größtenteils aufgerieben wurde. Der Rest zog sich nach dem südöstlichen Gallien zurück und gründete von den Vogesen bis an das Mittelmeer, Saône und Rhone entlang, das burgundische Reich. Um 500 gab König Gundobald feinem Volke ein gutes Gesez, in dem auch seine Vorgänger Gibica (Gibeche) und dessen drei Söhne Godomar (Gernot), Gislahari (Geiselher) und Gundahari (Gunther) erwähnt sind. Der Chronist Paulus Diaconus, um 800, nennt als Anführer der Hunnen und Überwinder der Burgunder den gewaltigen Attila, dessen Name nach den Gesezen der Lautverschiebung Ezel ausgesprochen wird.

Attila oder Ezel herrschte von 433-453 über die Hunnen, teilte anfänglich die Herrschaft mit seinem Bruder Bleda (Blödelin), ermordete denselben aber 444 und machte sein Reich durch Eroberungszüge zum Weltreiche. Völker und Könige unterwarf er sich, machte sie zinspflichtig oder zwang sie zur Waffengemeinschaft, so auch die Ostgoten und Thüringer. Sein Hoflager in Ungarn (bei Tokay an der Theiß, nach dem Nibelungenliede in Gran oder Öfen an der Donau) wimmelte von unterworfenen Fürsten, abenteuerlustigen Helden, heimatlosen Flüchtlingen, fremden Gästen und den Gesandten der benachbarten Staaten. Durch eine feierliche Gesandtschaft hielt er um die Hand der Honoria, Schwester des weströmischen Kaisers, an, wurde aber abgewiesen und rächte sich durch verheerende Einfälle. Eine halbe Million Streiter wälzte sich an der Donau stromauf gen Westen. Blut, Leichen, verheerte Felder und verbrannte Ortschaften bezeichneten den Weg Attilas. Schrecken war sein Name, Vernichtung sein Schritt. Bei Worms sette er 450 über den Rhein, wurde aber 451 in der mörderischen Völkerschlacht auf den Katalaunischen Feldern (eigentlich bei Mauriacus, eine Meile von Troyes) von Aetius, der 433 als Flüchtling bei ihm weilte, und den Westgoten besiegt und zum Rückzuge gezwungen. In dem furchtbaren Gemezel dieser Schlacht fiel der Westgotenkönig Theodorich. Die Hunnen tranken das Blut der Erschlagenen. Attila hatte in seiner Wagenburg schon einen Scheiterhaufen

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aus Sätteln errichten lassen, um sich beim Eindringen der Feinde mit seinen Weibern und Schäzen zu verbrennen. Auf beiden Seiten sollen gegen 200 000 Krieger gefallen sein und die Toten sogar in den Lüften den erbitterten Kampf fortgesezt haben. Im Jahre 452 fiel Attila durch die Ostalpen in Italien ein und zerstörte viele Städte, ließ sich aber durch Papst Leo I. zum Rückzuge bewegen. Im nächsten Jahre verheiratete er sich mit der Burgunderin Jldico (Verkleinerung von Hilde), starb aber in der Hochzeitnacht an einem Blutsturze. Das Gerücht wollte wissen, daß er durch die Hand der Ildico gefallen sei, die dadurch den Untergang ihres von Attila vernichteten Volkes hätte rächen wollen. In einer furchtbaren Schlacht erkämpften hierauf die unterworfenen Völker (so die Ostgoten) ihre Unabhängigkeit wieder.

Wir haben uns gewöhnt, in Attila die „Gottesgeißel" der Völker, den rohen, blutgierigen, länder- und beutesüchtigen Eroberer und Zerstörer zu sehen. In Wahrheit zeigt sowohl der historische wie der Attila des Nibelungenliedes menschlich schöne Charakterzüge und einen gewissen Grad von Kultur. So berichtet der oströmische Gesandte und Geschichtsschreiber Priscus über einen Abend nach einem festlichen Mahle an Attilas Hofe folgendes: „Der Abend war angebrochen. Fackeln wurden angezündet. Zwei Hunnen traten vor Attila und trugen Gesänge vor, in denen die Siege des Herrschers und seine Kriegstugenden verherrlicht wurden. Auf die Sänger richteten alle Teilnehmer des Mahles ihre Blicke. Die einen ergößten sich am Wohlklange der Verse, über die andern kam die Erinnerung an alte Kriege. Einige, die das Alter schwach gemacht hatte, brachen in Thränen aus. Attila allein blieb unbeweglich, während alle anderen bei den mimischen Darstellungen und Nachahmungen fremder Gebräuche in lautes Lachen ausbrachen. Sein Gesicht veränderte keinen seiner Züge. Nur mit einer Bewegung oder einem Worte gab er dann und wann seine gute Stimmung zu erkennen. Als der jüngste seiner Söhne, Ernak mit Namen, in den Saal trat und zu ihm kam, streichelte ihm Attila die Wange und betrachtete ihn liebevoll und mit leuchtenden Augen." Es war ihm geweissagt worden, daß sein Geschlecht untergehen und dieser Sproß allein übrigbleiben würde. Attila war sehr einfach und ging schmucklos einher, während er es gern sah, daß seine Umgebung mit allerlei Schmuck sich brüstete. Er trank aus dem Holzbecher seiner Vorfahren, während die Gäste sich den köstlichen Wein aus goldenen Gefäßen schmecken ließen. Er blieb bei der gewohnten Naturkost seines Volkes, ließ aber den Gästen von geschickten Köchen leckere Mahlzeiten bereiten. Schmuz und Unordnung duldete er nicht in seiner Nähe. Würdevoll war sein Auftreten, unbestechlich gerecht sein Richterspruch, genau vorgeschrieben der Hofbrauch, streng geordnet der weitläufige Haushalt, geräumig und sorgfältig gebaut sein Haus, erhöht sein Siz bei Tische, feierlich sein Empfang beim Einzuge in seine Residenz. Unter zeltartig ausgespannten Leinentüchern gingen ihm junge Mädchen entgegen und sangen ihm feierliche Lieder.

Der Ostgote Theodorich der Große, aus dem Geschlechte der Amelungen, ein Sohn Theodemers, wurde 454 geboren. Er ist unter dem Namen Dietrich von Bern der sagenberühmteste Held aus der Zeit der Völkerwanderung. Als Geisel kam er 462 an den oströmischen Hof und nahm an zahlreichen Kämpfen teil. König seines Volkes wurde er 475, zog dann 488 nach vorgängiger Beratung auf einem Gotentage mit ihnen über die Ostalpen und besiegte Odoaker in den drei Schlachten am Isonzo, bei Verona oder Bern (daher Dietrich von Bern) und an der Adda, zwang ihn 493 in Ravenna (Raben-Rabenschlacht) zur Übergabe und tötete ihn mit eigener Hand. Hierauf gründete er das weite und mächtige Ostgotenreich in Italien, waltete mit großer Weisheit des Regiments, schirmte mit starker Hand seine Grenzen und war in den Völkerkämpfen der allgemein verehrte und anerkannte Schiedsrichter. Auf den Trümmern des zerschlagenen römischen Weltreiches hatte er einen mächtigen, geordneten Staat geschaffen und den Völkern die Wohlthat des Friedens wiedergegeben. Die Zeit seiner Herrschaft war darum von ihnen als eine Zeit der Beglückung empfunden worden. In ihm bewunderte und pries man die Vereinigung von Kraft und Güte, von Tapferkeit und Milde, von Stärke und Weisheit. Lange lebte im Munde der Kinder und Enkel sein Lob fort. „Zu seinen Zeiten waren Brot und Wein billig; Künstler und Handwerker hatten Arbeit und Verdienst; auf offener Straße konnte man Gold und Silber liegen lassen; die Städte verschlossen die Thore, die Häuser ihre Thüren nicht mehr; niemand wagte etwas zu rauben, denn alle fürchteten den König." In den späteren wirren und trüben Zeiten schaute man sehnsüchtig nach jenem Fürsten und der goldenen Zeit seiner festen und weisen Regierung zurück. Volksliebe, Volksphantasie und Volksmund umwoben ihn mit einem reichen goldmaschigen Sagenschleier, bewahrten aber dabei im ganzen die Grundzüge seines Charakters.

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Die Gestalten Siegfrieds und der Walküre Brunhilde gehören dem Mythus an, der in urgermanische Zeit hinaufreicht. Siegfried, in der nordischen Edda Sigurd genannt, entstammte dem lichten, göttlichen Geschlechte der Wälsungen und nannte Siegmund, den König von Niederland, seinen Vater. Der Zwerg Regino, d. i. Ratgeber, erzog ihn in aller Weisheit und ritterlichen Kunst und verschaffte ihm ein treffliches Roß zum Ausritte in die Welt. Der Heldenjüngling schmiedete sich selbst ein gutes Schwert und schlug dabei den Amboß in den Grund. Dann zog er aus, um den Hort der Nibelungen, den unermeßlichen Goldschat in Niflheim, zu suchen und zu gewinnen. Die Nibelungen waren das Zwergengeschlecht vom Nebellande oder der Unterwelt, die dort mit ihrem Heergesinde das rote Gold und edle Gestein in Klüften und Höhlen der Berge zusammen scharrten und in unterirdischen Palästen hüteten. Fluch und Verderben haftete an den Schäßen der Tiefe, sobald fie ans Licht tamen. Wer sie erwarb, der verfiel der Macht der Unterirdischen. Den Eingang zur Unterwelt hütete der Drache Fafnir, den

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